Die Passion Irlands Bleiben wir im europäischen Bereich des englischen Empires, so finden wir hier als brennendstes Problem die irische Frage. Sie war es durch alle Jahrhunderte, seitdem zum erstenmal ein Engländer den Fuß auf die grüne Insel gesetzt hat. Sie wird es bleiben, bis der letzte, mit Schande beladen, sie wird verlassen haben. Ein vielleicht nicht mehr ferner Zeitpunkt. Die Engländer selbst fühlten und erkannten längst, daß das irische Problem ihr Reich bis in den Kern seines Wesens erschütterte. Vor 25 Jahren gab es Engländer, die nur in einem Weltkrieg, dieser gewaltigsten aller "Diversionen nach außen" noch einen Ausweg aus der irischen Sackgasse sahen. Das Giornale d'Italia teilte damals mit, daß bei einem Essen, an dem Sir Edward Grey, der den Weltkrieg auslöste, Goschen und der frühere Schatzminister Lord Murray teilnahmen, Lady Murray, eine eifrige und einflußreiche Parteigängerin der protestantischen proenglischen Ulsterleute, über die Lage in Irland erklärte: "Wir stehen vor einem Bürgerkrieg, und ich sehe nur einen Ausweg: nur ein Krieg gegen Deutschland kann uns alle wieder einigen." Nun, der Krieg gegen Deutschland kam, aber die Einigung in und mit Irland wurde durch ihn nur ferner gerückt, und 25 Jahre später, da nun wieder Krieg gegen Deutschland ist, erklärt Seiner britischen Majestät getreues Irland - seine Neutralität. Hatten doch irische Flugblätter im Weltkrieg schon erklärt: "Die Irländer wünschen sich nichts besseres, als wie die Elsaß-Lothringer vom Deutschen Reich verwaltet zu werden und wären froh, so 'mißhandelt' zu werden wie die preußischen Polen. Jeder Ire, der in englische Militärdienste tritt, muß als Volksverräter gebrandmarkt werden." Die Londoner Times selbst mußte damals die Unmöglichkeit feststellen, irische Rekruten für England zu erhalten. Die Times selber mußte damals zur Kennzeichnung der irischen Stimmung gegen England das Irish Freedom zitieren, das schrieb: "Zu unserem höchst distinguierten Patron und Wohltäter England sagen wir: Kämpfe deine Kämpfe selbst aus!... Uns geht die Verlegenheit, in der ihr euch befindet, nichts an; es sei denn, daß wir hoffen, ihr möchtet geschlagen werden." Und die Times mußte den Irish Volunteer zitieren, der erklärte: "Auch die Blindesten unter uns wissen,... daß der Seeräuber England derselbe unbarmherzige Friedensstörer ist, der er immer war... Wir sehen klar, daß das Imperium seinem Wesen nach bleibt, was es immer war, eine unerträgliche Drohung für den Frieden und Fortschritt der Welt."
Der Mann konnte mit gutem Gewissen so handeln und berichten; hatte doch das englische Parlament dem Heer für Irland den ausdrücklichen Befehl mitgegeben, "alle Rebellen, ihre Angehörigen und Mitschuldigen anzugreifen, zu töten, niederzumachen und auszurotten, alle festen Städte, Plätze und Häuser, in denen Aufständische Hilfe oder Zuflucht finden, zu plündern, niederzubrennen und dem Erdboden gleich zu machen, und den Ertrag der Ernte, das Getreide und das Heu, zu vernichten." Nach der Einnahme von Drogheda ließ Cromwell selbst 4.000 Männer und viele Frauen und Kinder einfach abschlachten; ähnliches geschah in Wexford. Cromwell selbst, der wirklich große Cromwell, der Vater des Puritanismus, berichtete im September 1649 über den Kampf um die Stadt Drogheda: "Als unsere Leute hinaufstürmten, befahl ich ihnen, alles über die Klinge springen zu lassen, und in der Hitze des Gefechts verbot ich, irgend jemand in der Stadt zu schonen, den sie in Waffen fänden, und ich glaube, daß sie in dieser Nacht da ungefähr 2.000 Menschen getötet haben. In der Kirche allein wurden beinahe 1.000 mit dem Schwert niedergemacht. Ich glaube, alle ihre Mönche wurden totgeschlagen." Und abermals der große Cromwell selbst "rechtfertigt" diese Abschlachtung ganz im Tone des englischen Cant: "Wir sind gekommen, um Rechenschaft zu fordern für das unschuldig vergossene Blut und werden die Schuldigen mit dem Segen und Beistand des Allmächtigen zur Verantwortung ziehen. Wir kommen, um mit der Hilfe Gottes den Glanz und den Ruhm englischer Freiheit in einer Nation aufrechtzuerhalten, in der wir das unbezweifelbare Recht haben, solches zu tun." Das ist - man kann sagen: Wort für Wort - genau das, was seitdem auch die kleinsten englischen Machthaber durch die Jahrhunderte bis gestern und heute nicht müde werden, grob oder weinerlich, gleißend oder brutal, unaufhörlich zu wiederholen, um auch die größten Schurkereien mit dem Mantel des "Segens und Beistandes des Allmächtigen" zu behängen. Der zeitgenössische Dichter und Historiker Spenser berichtet, wie er die Opfer
Zu allen Zeiten haben ehrliche englische Geschichtsschreiber sich geschämt,
"Es war unverkenntlich", sagt Sir John Davis, "daß diejenigen, die unter der englischen Krone die Regierung Irlands in Händen hatten, beabsichtigten, eine dauernde Trennung und Feindschaft zwischen Engländern und Iren aufzurichten, mit dem Endzweck natürlich, daß die Engländer schließlich die Iren ausrotten sollten." In seiner Geschichte Englands im 18. Jahrhundert schreibt Lecky: "Es war unvermeidlich in einer solchen Lage und in einer solchen Zeit, daß diejenigen, die den Kern der englischen Macht bildeten, die Iren behandelten, wie spätere Kolonisten die Rothäute behandelten, - als ob sie, gleich wilden Tieren, nicht im Bereich des Sittengesetzes stünden... Der Krieg war buchstäblich ein Ausrottungskrieg. Man betrachtete das Niederschlachten der Iren buchstäblich wie das Niederschlachten wilder Tiere. Nicht nur die Männer, auch Frauen und Kinder, die in die Hände der Engländer fielen, wurden vorsätzlich und planmäßig abgeschlachtet. Banden von Soldaten durchstreiften große Teile des Landes und machten alles Lebende nieder, was in den Weg kam. Man fand das Schwert nicht mehr flink genug, aber eine andere Methode erwies sich als viel wirksamer. Jahr für Jahr wurden über einen großen Teil Irlands hin die Mittel des menschlichen Unterhalts zerstört, Gefangenen wurde kein Pardon gegeben, und die ganze Bevölkerung wurde mit Kunst und Ausdauer zu Tode gehungert." Über die Art, wie während des Bürgerkrieges irische Soldaten behandelt wurden, die in Schottland für den König gegen die Engländer kämpften, berichtet Lecky: "Die Parlamente sowohl in England wie in Schottland erließen im Jahre 1644 Befehle, daß Iren, die zum Schutze des Königs nach England kämen, kein Pardon gegeben werden solle. Diese Befehle wurden streng ausgeführt, und große Mengen irischer Soldaten, die in Schottland gefangen genommen waren, wurden mit Bedacht im Feld oder in den Gefängnissen niedergemetzelt. Iren, die zur See ergriffen wurden, wurden Rücken an Rücken gebunden und in Mengen ins Wasser geworfen. An einem Tage wurden in Schottland 80 Frauen und Kinder von einer hohen Brücke ins Wasser geworfen, nur weil sie Frauen und Kinder irischer Soldaten waren... Endlich war im Jahre 1652 der Krieg zu Ende. Von einer Bevölkerung von 1.466.000 Menschen waren in elf Jahren 616.000 umgekommen... Hunger und Schwert hatten ihre Arbeit so gut getan, daß in manchen Bezirken der Reisende 20 oder 30 Meilen weit reiten konnte, ohne eine Spur menschlichen Lebens zu sehen; und die reißenden Wölfe - doppelt wild geworden durch die Ernährung mit Menschenfleisch - vermehrten sich mit erschreckender Schnelligkeit in dem verödeten Lande; wenige Meilen von Dublin sah man sie schon in Rudeln herumstreifen. Sklavenhändler wurden auf das Land losgelassen und viele Hunderte von Knaben und heiratsfähigen Mädchen wurden gewaltsam fortgerissen, nach Barbados verschickt und als Sklaven an die Pflanzer verkauft. Kaufleute aus Bristol warfen sich mit Begier auf dieses Geschäft." In seiner zu Hunderttausenden verbreiteten Geschichte des englischen Volkes schreibt der Historiker J. R. Green: "... Nach der Übergabe von Limerik (1691) wurde jeder katholische Ire - und es gab fünf katholische Iren auf einen irischen Protestanten - in seinem eigenen Heimatland als Fremder und Ausländer behandelt... England tat sein Bestes, um den irischen Ackerbau zu ruinieren. Gesetze verboten die Ausfuhr irischen Viehes oder irischer Wolle nach englischen Häfen. Die Ausfuhr von Wolle wurde verboten, damit sie nicht die Gewinne der englischen Schafzüchter beeinträchtigte... So wurde Verarmung dem Fluch der Mißregierung gesellt... bis Hungersnot das Land in eine Hölle verwandelte... Irland wurde tatsächlich in die Rebellion hineingetrieben durch die gesetzlose Grausamkeit der englischen Truppen." Als derselbe Green vor noch nicht einem halben Jahrhundert aufgefordert wurde, eine ausführliche Geschichte Irlands zu schreiben, lehnte er es ab, mit der Begründung: "Irlands Geschichte seit zweihundert Jahren ist zu eintönig, und sie ist nur auf Grabsteinen geschrieben." Ein anderer englischer Zeuge, Chatterton-Hill, schrieb in seinem während des Weltkrieges erschienenen Buch Irlands Schicksal als Warnung für Deutschland: "planmäßig und vorsätzlich haben die Engländer Irlands Boden geraubt, seine Sprache erwürgt, die Denkmäler seiner uralten Kultur vernichtet, seine Religion in Acht und Bann getan, seine Kirchen und Klöster geplündert, seine Priester und Patrioten niedergemetzelt, seine Gesetze zerstört, Industrie und Handel ruiniert, Häfen gesperrt, die Bergwerke geschlossen, Städte und Dörfer weggefegt, Millionen seiner Bevölkerung in den Tod und in die Verbannung gejagt, - alles, damit die Kraft der irischen Rasse vernichtet, ihr Rückgrat gebrochen werde." All das, um, wie Cromwell schrieb, "den Glanz und den Ruhm englischer Freiheit in dieser Nation aufrechtzuerhalten". All das, weil, wie die Oxforder sechs "Historiker" sagen, "im englischen Blut die Sache des Rechts das Lebenselement ist." "In Irland", so schrieb der Vizekönig Lord Gray an die Königin Elizabeth, "ist für Euer Majestät wenig mehr übrig zum Herrschen als Leichname und Schutthaufen". Und diese Elizabeth, die "jungfräuliche Königin", ließ es sich noch im Sterben zum Troste dienen, daß unter ihrem gütigen Szepter anderthalb Millionen Iren abgeschlachtet worden waren. Denn, wie sagte der große Cromwell in seinem Bericht ans Parlament nach dem von ihm geleiteten irischen Massaker: "Laßt uns fragen, wer dieses große Werk vollbrachte; es war nicht unsere eigene Macht, es war der Geist Gottes."
Diese Mittel haben während der Jahrzehnte, in denen alle anderen Nationen Europas ihre Volkszahl verdoppelten und mehr als verdoppelten, die Einwohnerzahl Irlands halbiert. Irland besaß 1841 etwa 8,2 Millionen Einwohner; im Jahre 1911 aber nur noch 4,4 Millionen. So haben die Engländer also auch in jüngster Zeit aus der Politik Englands in Irland eine Ausrottungspolitik gemacht. Vergessen wir zum Zeugnis dessen nicht zu notieren, was noch im Jahre 1921 die katholischen Bischöfe Englands über dessen Irlandpolitik erklärten: "Wenn in Irland Anarchie herrscht, so ist die britische Regierung dafür verantwortlich. Mordtaten, Überfälle, Brandstiftungen und Gewalttätigkeiten jeder Art sind gegenwärtig an der Tagesordnung. Die britische Regierung hat eine Schreckensherrschaft aufgerichtet, die, was die Niedermetzelung völlig unschuldiger Menschen und die Zerstörung ihres Eigentums betrifft, nur in den Greueltaten des türkischen Terrors und in den Grausamkeiten der russischen Roten Armee ihresgleichen findet." Bis heute hat England nicht aufgehört, das gemarterte Irland zu peinigen, wie und womit es konnte. Als im Jahre 1846 der Mehltau die Kartoffelernte Irlands und damit seine ganze Nahrung vernichtete, ließ England, das überreiche, übersättigte England, die dadurch entstandenen Seuchen fünf Jahre lang vor seiner Tür in Irland wüten,ohne einen Finger dagegen zu rühren. Fünf Jahre lang führte so England einen Vernichtungskrieg gegen die Irländer mit behördlich gelenkten Hungersnöten. Der Erfolg war, daß die Hungerseuche mehr als eine Million irischer Menschenleben forderte. Auch das war dem frommen England "der Geist Gottes". Mit gottseligem Zungenschlag schrieb nach der Volkszählung 1851 die Times: "Die Irländer haben sich endlich auf den rechten Weg gemacht; ein irischer Katholik wird auf der grünen Insel bald so selten sein, wie ein rothäutiger Indianer im Staate New York.'' Begreiflich, daß die politische Moral Englands nur Bedauern empfand als sich erwies, daß der Hunger schließlich doch nicht ganze Arbeit getan hatte. Wir haben's in unseren Tagen miterlebt, wie im Jahre 1916 England den Widerstand einer verzweifelten Bevölkerung "nicht durch eigene Macht, sondern aus dem Geist Gottes" in Blut erstickte, in täglichen Hinrichtungen und schließlich in den Straßen Dublins im Feuer der Maschinengewehre und der Geschütze, die viele Hunderte töteten und viele Tausende verwundet aufs Pflaster warfen. Fünfzehn Anführer wurden hingerichtet, der sechzehnte wurde auf Drängen der nordamerikanischen Regierung, die immer auf die Millionen irischer Wähler in den Vereinigten Staaten Rücksicht zu nehmen hat, begnadigt. Er hieß de Valera und ist heute der erste Präsident der irischen Republik, die sich in dem neuen "Kreuzzug" gegen Deutschland neutral erklärt hat.
Bis ins einzelne legt Swift die ökonomischen Vorteile seines "bescheidenen Vorschlages" dar: "Wer wirtschaftlich ist, kann den Leichnam häuten; die Haut wird, kunstvoll gegerbt, wundervolle Damenhandschuhe und Sommerstiefel für elegante Herren ergeben." Vernichtender Hohn auf den puritanischen Cant, der auch aus den größten englischen Greueln das Gottgefällige herausfindet, vielmehr es in sie hineindeutet, ist Swifts Hinweis, daß bei seinem Vorschlag, der ja immerhin ein Jahr reichlicher Mast erfordere, die Kinder, die sonst nur ein ganzes Leben voller Hunger und Elend vor sich hätten, auf diese Weise doch wenigstens das eine Jahr ihres Lebens hindurch satt sein würden, wie sonst nie ein irländisches Menschenwesen. Auch habe sein "bescheidener Vorschlag" den unschätzbaren Vorzug, daß er die Irländer "nicht in Gefahr bringt, England zu verstimmen, denn diese Ware eignet sich nicht für den Export, da das Kinderfleisch zu zart ist, um sich selbst in Salz lange zu halten; freilich" - setzt der in die Maske eines katholischen Irländers geschlüpfte protestantische englische Dechant von Dublin hinzu - "könnte ich wohl ein Land nennen, das mit Freuden unsere ganze Nation auch ohne Salz aufessen würde". Und er schließt:
Solange die englische Sprache noch gelesen und verstanden wird, wird England an diesem Pranger stehenbleiben, den einer seiner Größten ihm aufgerichtet hat. Daß amtliche englische Stellen zu dem Zweck der Vernichtung Irlands bis in die neueste Zeit hinein vor keinem Verbrechen, auch vor dem Meuchelmord nicht, zurückschrecken,
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