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2. Teil: Die Deutschen in Übersee

Weiterführende Verweise:
  • Deutsche helfen Amerika bauen -
      und Amerikas Dank?
  • Die Deutschen in Übersee
  • Die Deutsch-Amerikaner

    Die Vereinigten Staaten von Amerika waren seit Jahrhunderten das Ziel der meisten deutschen Auswanderer. Schon zu Beginn der Kolonisation Nordamerikas beteiligten sich Deutsche an der Besiedelung des Gebietes, dessen Bevölkerung gegen Ende des 18. Jahrhunderts die britische Herrschaft abschüttelte und die Vereinigten Staaten gründete. Am 6. Oktober 1683 langten unter Führung von Pastorius die Krefelder Kolonisten an; sie bildeten die erste organisierte Einwanderung, während die vorher gekommenen Deutschen vereinzelte Arbeiter, Handwerker und Kaufleute waren, die einflußlos in den bestehenden Ansiedelungen aufgingen. Vom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war die Einwanderung verhältnismäßig einheitlich. Veranlaßt war sie vor allem durch religiöse Antriebe. Jede neue religiöse Bedrückung in der Heimat brachte als unmittelbare Wirkung das Anschwellen der Wanderung nach Amerika. Zu den kirchlichen gesellten sich stets wirtschaftliche Antriebe. Die Not der Zeit trieb ganze Gemeinden aus der Pfalz, aus Schwaben und anderen Gegenden zu der beschwerlichen Reise über das weite Meer. Von den Neu-Englandstaaten im Norden bis nach Karolina im Süden entstanden deutsche Ansiedelungen; am bedeutendsten aber waren die in Pennsylvania. Um 1780 sollen hier allein etwa 100 000 Deutsche gelebt haben. In den nächsten 40 Jahren blieb der Nachschub wegen der französischen Revolution und der darauf folgenden Kriege fast ganz aus. Etwa um 1817 setzte die deutsche Einwanderung aufs neue ein und von 1820 bis 1914 verzeichnet die amerikanische Statistik 5 482 000 Einwanderer aus Deutschland. Nicht gezählt sind dabei die seit dem Ausscheiden Österreichs aus Deutschland eingewanderten Deutsch-Österreicher, die Deutsch-Schweizer und Deutsch-Russen. Im 19. Jahrhundert gaben die politischen Verhältnisse in Deutschland am meisten Anlaß zur Auswanderung. Besonders bedeutend war die Auswanderung zu Ende der vierziger und in den fünfziger Jahren. Angehörige der gebildeten Stände waren die Führer, und breite Volksmassen folgten, besonders aus dem Süden und Westen Deutschlands. Die Mehrheit der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gekommenen deutschen Einwanderer drängten nach den fruchtbaren Ebenen des mittleren Westens. Dieser Strom floß [36] weiter, auch als die politischen Verfolgungen aufgehört hatten. Treffend sagt Münsterberg:1 Die wirtschaftlichen Bedingungen der Neuen Welt waren zu verlockend, die sozialen Verhältnisse versprachen zu reiche Möglichkeiten. Fast das ganze 19. Jahrhundert hindurch kamen die Deutschen vorwiegend als ländliche Siedler, nicht als städtische Bevölkerung. Doch ist das Deutschtum auch in manchen Städten festgewurzelt. St. Louis, Chicago, Milwaukee und Cincinnati waren die ersten mächtigen Mittelpunkte des Deutschtums, und sie gehören noch heute zu seinen wichtigsten Plätzen. Gar viele deutsche Auswanderer waren freilich von der neuen Heimat enttäuscht, weil die dortigen Sitten ihnen allzu fremd waren, und weil es manchen auch wirtschaftlich schlecht erging. Doch die Mehrzahl erfreute sich und erfreut sich noch heute eines ansehnlichen Wohlstandes. Auf viele Deutsche wirkte das puritanische Muckertum abstoßend und forderte es zum Kampf heraus; denn Lebensverneinung ist nicht deutsche Art. Im ganzen jedoch war die Anpassung an das Amerikanertum leicht möglich und damit auch die Entnationalisierung. Zur Zeit der letzten Volkszählung, 1910, gaben immerhin noch 8 817 271 Personen Deutsch als Muttersprache an. Erst in weitem Abstand folgten 2 151 422 Italiener, 1 707 640 Polen und 1 676 762 Personen mit jiddischer oder hebräischer Muttersprache. Einwanderer waren von den Deutsch-Amerikanern 2 759 032 oder 31,3 vom Hundert, von deutschen Eltern stammende gebürtige Amerikaner waren 3 976 902 oder 45,2 vom Hundert, während die übrigen nur einerseits von Deutschen abstammten. Nach ihrer oder ihrer Eltern Heimat verteilten sich die 8 817 271 Deutsch-Amerikaner wie folgt:

    Abstammungsland Personen
    überhaupt
        v. H.
    Deutsches Reich 7 725 598 87,6
    Österreich 275 002 3,1
    Rußland 245 155 2,8
    Schweiz 263 079 3,0
    Ungarn 99 412 1,1
    Kanada 39 521 0,4
    Niederlande 12 980 0,1
    Frankreich 10 406 0,1
    Luxemburg 6 579 0,1
    England 4 456 0,1
    Rumänien 2 445 2
    Belgien 2 929 2
    Andere Länder 10 543 0,1
    Verschiedene Länder     116 083 1,3
    Auf See geboren 3 083 2

    Zusammen 8 817 271 100,0

    [37] In den einzelnen geographischen Gebieten der Vereinigten Staaten sind die Deutsch-Amerikaner ungleich stark vertreten. Im allgemeinen bilden sie etwas mehr wie ein Zehntel der gesamten weißen Bevölkerung, aber ihr Anteil bewegt sich zwischen mehr wie einem Sechstel in den nordöstlichen Zentralstaaten und nicht ganz einem Vierzigstel in den südöstlichen Zentralstaaten. Weitere Einzelheiten sind aus der folgenden Tabelle zu entnehmen:

    Staatengruppen Zahl der
      Deutsch-Amerikaner  
    v. H.
    der Gesamtbevölkerung
    weißer Rasse
    Neu-Englandstaaten 203 012 3,1
    Mittelatlantische Staaten 2 405 978   12,7  
    Nordöstliche Zentralstaaten 3 119 863   17,4  
    Nordwestliche Zentralstaaten 1 824 013   16,1  
    Südatlantische Staaten 226 416 2,8
    Südöstliche Zentralstaaten 136 152 2,4
    Südwestliche Zentralstaaten 297 113 4,4
    Felsengebirgsstaaten 176 693 7,0
    Staaten am Stillen Ozean 428 031 10,6  

    Überhaupt 8 817 271   10,8  

    Im äußersten Nordosten der Vereinigten Staaten, in den Neu-Englandstaaten, sind die Deutschen im allgemeinen schwach vertreten; sie bildeten dort nur im Staat Connecticut 8,3% der weißen Bevölkerung. Vom Hudsonstrom und der mittelatlantischen Küste zieht sich das Hauptverbreitungsgebiet der Deutschen nach den kanadischen Seen und ins Mississippi- sowie ins Missourital hin. Auch in den meisten Felsengebirgsstaaten sind sie verhältnismäßig zahlreich, und in den Staaten am Stillen Ozean bilden sie über ein Zehntel der Einwohner. Am stärksten ist das Deutschtum im Staat Wisconsin, wo 1910 758 647 Deutsche lebten, die 32,7% aller weißen Einwohner bildeten. In dem Präriestaat Süddakota waren 21% der weißen Bevölkerung deutsch, in Norddakota 20,5%, in dem östlich angrenzenden Minnesota 19,6%, in Nebraska 19,4%, in Illinois 17,8%, in Iowa 17,1%, in Ohio 15,5% und in Neu-Jersey 15,2%. Sonst hat kein Staat über 15% deutsche Einwohner. In den nördlichen Präriestaaten haben sich noch immer eine Anzahl überwiegend deutscher ländlicher Gemeinden erhalten. Von den Südstaaten hat Texas die meisten deutschen Bewohner, nämlich 177 430 oder 5,5% der weißen Bevölkerung. Die anderen Südstaaten haben niemals große Massen deutscher oder anderer europäischer Einwanderer angezogen, weil dort die Neger eine allzu fremdartige Bevölkerung darstellen und die Aussichten auf wirtschaftlichen Erfolg wenig günstig sind.

    Überhaupt die meisten Deutschen hatte 1910 der Staat Neuyork (1 333 013 oder 14,9% der weißen Bevölkerung); dann folgen die Staaten [38] Illinois (181 956 Deutsche), Wisconsin (758 647), Ohio (722 491), Pennsylvanien (700 690 oder 9,4%), Minnesota (403 117), Missouri (397 134, oder 12,7%), Iowa (377 587) und Neu-Jersey (372 275).

    In vier Großstädten bilden die Deutschen mehr als ein Viertel aller weißen Einwohner; es sind dies Milwaukee, Cincinnati, St. Louis und Buffalo. In einer ganzen Reihe anderer Städte ist der vierte oder fünfte Teil der Einwohner deutsch. Innerhalb des Gebietes, in dem die große Mehrzahl der Deutsch-Amerikaner lebt, das ist südlich der Großen Seen, westlich des Hudson, nördlich des Potomac- und Ohiostromes und östlich des 97. Längengrades, liegen folgende große Städte mit starken deutschen Bevölkerungsminderheiten:

    Städte deutsch-
      amerikanische  
    Einwohner
    v. H. der
    weißen Gesamt-
    bevölkerung
    Milwaukee 167 108 44,8
    Cincinnati 126 915 34,9
    St. Louis 205 108 31,9
    Buffalo 111 044 26,3
    Toledo (Ohio)   40 885 24,2
    Cleveland 132 793 24,1
    Rochester   51 388 23,6
    Detroit 107 517 23,4
    St. Paul   50 063 23,3
    Newark   73 763 21,8
    Chicago 461 981 21,6
    Pittsburg 102 051 20,1
    Baltimore   94 002 19,9
    Jersey City   50 000 18,7
    Neuyork 841 889 18,0
    Philadelphia 205 588 14,0
    Minneapolis   31 898 10,7

    Louisville, am Südufer des Ohiostromes, hat 43 331 Einwohner mit deutscher Muttersprache, das sind 19,4 v. H. der Gesamtzahl.

    Im fernen Westen ist die Stadt San Franzisko zu erwähnen, wo 70 045 Personen mit deutscher Muttersprache gezählt wurden, die 17,5 v. H. aller Einwohner bildeten.

    In den Verwaltungsjahren 1911 bis einschließlich 1914 wanderten 189 871 Personen deutscher Nationalität mehr ein als ausgewandert sind, und zwar 1911 49 826, 1912 44 823, 1913 35 031 und 1914 60 191. Als Grundlage der Nationalität ist dabei die Sprache angenommen, nicht die Staatsangehörigkeit. Im Jahre 1914 betrug der Überschuß an deutschen Einwanderern aus dem Deutschen Reich 24 292, aus Ungarn 17 123, aus Rußland 9078, aus Österreich 7339 usw.

    [39] Die Höchstzahl der Auswanderer, die aus dem Deutschen Reich nach den Vereinigten Staaten kamen, wurde schon im Jahre 1882 erreicht; sie betrug 250 630. Im vorhergegangenen Jahre hatte sie 210 485 betragen, im Jahre 1854 215 009. Sonst wurde in keinem Jahre die Zahl 200 000 überschritten. Alljährlich über 100 000 Einwanderer kamen aus Deutschland nach den Vereinigten Staaten in den Perioden 1852–1854, 1866 bis 1870, 1872 und 1873, sowie 1881–1888. Seit dem Beginne des 20. Jahrhunderts wies das Jahr 1904 die höchste Zahl von Einwanderern aus Deutschland auf, nämlich 46 380.

    Über die Rückwanderung liegen erst seit neuester Zeit verläßliche Angaben vor; so verließen die Vereinigten Staaten: 1914 11 977, 1913 11 871, 1912 15 026 und 1911 15 243 Personen deutscher Nationalität, die nicht amerikanische Bürger waren, mit der Angabe, daß sie dauernd anderwärts ansässig werden wollen.

    Die deutsche Sprache wird in den Vereinigten Staaten in verschiedener Weise gepflegt. Vor dem Kriege bestanden ungefähr 500–600 deutsche Zeitungen, meist Wochenblätter von ziemlich geringer Geisteshöhe. Deutsche Schulen gab es in allen großen und vielen kleinen Städten, auch in manchen ländlichen Gebieten, und deutsche Prediger oder Versammlungsredner zu hören, war nicht schwer. Auch deutsche Theater gab es. Doch darf man sich keiner Täuschung hingeben: die deutsche Sprache ist auf amerikanischem Boden ohne beständige Zuwanderung nicht zu erhalten. Vielfach geht schon die erste Generation der Nachkommen deutscher Einwanderer ihrem Volkstum verloren, fast sicher aber die nächste Generation.

    Angesichts der ausgiebigen deutschen Einwanderung fällt auf, daß die Kultur des amerikanischen Volkes wenig von deutschem Wesen beeinflußt ist. Im Geistesleben dieses Volkes kommt fast nur der englische Einfluß zur Geltung, Spuren der Einwirkung deutschen Volkstums trifft man zwar, aber sie sind im ganzen nicht belangreich. Wieso kommt das? Vor allem ist zu bedenken, daß ein weit größerer Teil der Bevölkerung englischen als deutschen Stammes ist und daß namentlich in der Kolonialzeit und der ersten Zeit der Selbständigkeit der Vereinigten Staaten die Deutschen dort noch spärlich vertreten waren. Damit hatte englische Wesensart schon einen bedeutenden Vorsprung. Überdies haben die Deutsch-Amerikaner zu keiner Zeit eine bedeutende Zahl über dem Durchschnitt stehender Persönlichkeiten hervorgebracht, die allein befähigt sind, ein fremdes Volkstum tiefgreifend und dauernd zu beeinflussen. Mittelmäßigkeit vermag das nicht; sie hat nichts zu vergeben und andere haben von ihr nichts zu gewinnen. Am auffälligsten ist der Mangel an führenden Persönlichkeiten bei den in den Vereinigten Staaten geborenen Deutsch-Amerikanern; fast alle Führer des amerikanischen Deutschtums waren Einwanderer, die mit fertiger Geistesbildung, mit gefestigter Weltanschauung nach dem Lande der unbegrenzten Möglichkeiten kamen. Das Ausbleiben hervorragender Geister in größerer [40] Zahl macht es auch erklärlich, daß die Deutsch-Amerikaner niemals eine wichtige Rolle in der Gestaltung der Beziehungen zwischen Amerika und Deutschland spielten. So erfolgreich sie im Wirtschaftsleben waren, so wenig Erfolg hatten sie in der Geltendmachung deutscher Kultur.

     
    Weiterführende Verweise:
  • Die Deutschen in Übersee
  • Deutsche in Kanada

    Nach Kanada, dem nördlichen Nachbarland der Vereinigten Staaten, wanderten von 1900 bis 1914 insgesamt 2 839 000 Personen ein. Deutsche sind an dieser Einwanderung nicht besonders stark beteiligt gewesen, was die folgenden Zahlen zeigen.

    Verwaltungsjahr
    (Juli–Juni)
      Einwanderer  
    überhaupt
    Deutsche
    1910 209 000 1516
    1911 311 000 2530
    1912 354 000 4645
    1913 402 000 4938
    1914 385 000 4312

    Auf Deutsche aus andern Ländern als dem Deutschen Reich ist dabei nicht Bedacht genommen. Die Zahl der in Kanada ansässigen gebürtigen Reichsdeutschen nahm von 27 300 1901 auf 39 577 1911 zu. Väterlicherseits deutscher Abkunft waren nach den Ergebnissen der Volkszählungen: 1901 310 501 und 1911 393 320 Einwohner Kanadas (5,8% und 5,5% der Bevölkerung). Dabei sind sowohl Einwanderer selbst wie alle Nachkommen von Einwanderern aus dem Deutschen Reiche gezählt, auch jene, deren Vorfahren schon vor mehreren Generationen nach Kanada gekommen sind. Ein erheblicher Teil dieser Bevölkerung deutschen Stammes, die ein altes Ansiedlerelement darstellt, ist wohl längst amerikanisiert und der deutschen Muttersprache nicht mehr mächtig. Über die Muttersprache enthalten die kanadischen Volkszählungsberichte bedauerlicherweise keine Angaben. Die meisten väterlicherseits von Deutschen stammenden Personen leben in der Provinz Ontario (1901 203 319, 1911 192 320); dann folgen die Provinzen Saskatchewan (1901 11 743, 1911 68 628), Neuschottland (1901 41 020, 1911 38 844), Alberta (1901 7836, 1911 36 862), Manitoba (1901 27 265, 1911 34 530) und Britisch-Kolumbien (1901 5807, 1911 11 880). Seit 1901 fand eine starke Abwanderung von Personen deutschen Stammes aus den alten östlichen in die neuen westlichen Provinzen statt. Von der Gesamtbevölkerung waren im Jahre 1911 deutschen Stammes in der Provinz Saskatchewan 13,9 v. H., in Alberta 9,8 v. H., in Neuschottland 7,9 v. H., in Ontario und Manitoba je 7,6 v. H., im Yukonterritorium 4,9 v. H., in Britisch-Kolumbien 3 v. H., in Neubraunschweig 0,9 v. H., auf der Prinz-Eduard-Insel 0,6 v. H. und in Quebec 0,3 v. H. Zur Niederlassung [41] unter den Französisch-Kanadiern Quebecs hatten die deutschen Kolonisten am wenigsten Neigung. Einen sehr erheblichen Teil der Gesamtbevölkerung bilden hingegen die Deutschen in den beiden Prärieprovinzen Saskatchewan und Alberta.

    Von den größeren Städten Kanadas hatte im Jahre 1911 Regina in Saskatchewan verhältnismäßig die meisten Einwohner deutschen Stammes, nämlich 2758 oder 9,1%, in Edmonton (Alberta), Winnipeg, Hamilton (Ontario), Calgary (Alberta) und Brantford (Ontario) bildeten die Deutschen über 5 bis nicht ganz 7% der Einwohner. In der größten Stadt des Landes, in Montreal, lebten unter fast einer halben Million Einwohnern nur 2502 Deutsche, in Toronto gab es unter 377 000 Einwohnern 9775 Deutsche. Im allgemeinen sind diese in den Städten schwächer vertreten als auf dem Lande. Wie in den Vereinigten Staaten, so bilden auch in Kanada die Deutschen in der Regel keine geschlossenen Kolonien, sondern sie vermischen sich mit der englischsprechenden Bevölkerung, was zur raschen Annahme der fremden Sprache und der fremden Sitten führt.

     
    Weiterführende Verweise:
  • Die Deutschen in Übersee
  • Deutsche in Südamerika

    Von allen Staaten Südamerikas hat zweifellos Brasilien mit 25 Millionen Einwohnern die meisten deutschen Siedler aufgenommen; von 1835 bis 1913 wanderten insgesamt 119 900 Deutsche ein, und zwar 1835 bis 1855 18 200, 1856–1880 35 600, 1881–1895 35 100 und 1896–1913 31 000.3 Eine amtliche Statistik, welche die Bevölkerung nach der Muttersprache oder der Herkunft unterscheiden würde, ist nicht vorhanden, so daß auch nicht genau angegeben werden kann, wie viele Deutsche jetzt in Brasilien leben. Die Schätzungen, die gemacht wurden, sind meist übertrieben. Der Wirklichkeit nahe kommen dürfte Moltmanns Schätzung,4 der die Zahl der Deutschen im Staate Rio Grande do Sul mit 200 000 und im Staate Santa Katharina mit 80 000–100 000 annimmt. Er meint unter Hinzurechnung der Siedelungen in den Staaten Parana, Sao Paulo, Rio de Janeiro, Espirito Santo, Minas Geraes und der in den Städten ansässigen Deutschen dürfte sich die Gesamtzahl der Deutschen auf etwa 400 000 belaufen. In den Gebieten umfangreicher geschlossener deutscher Siedelung der Staaten Rio Grande do Sul und Santa Katharina machen die 280 000 bis 300 000 Deutschen etwa ein Sechstel bis ein Fünftel der Gesamtbevölkerung von 1 700 000 Köpfen aus. Sie stehen also an Zahl bei weitem zurück hinter der übrigen Bevölkerung anderer Abstammung, den alteingesessenen Brasilianern und den neuen portugiesischen, polnischen und italienischen Zuwanderern, welch letztere einen stark zunehmenden Bevölkerungsanteil bilden. [42] Wenn trotz der weit überragenden Anzahl nichtdeutscher Bevölkerung die beiden brasilianischen Südstaaten ihr eigentliches Gepräge durch die deutschen Siedelungen erhalten, so spricht sich hierin aus, daß das Deutschtum sich gegenüber der fremdvölkischen Bevölkerung durchzusetzen verstanden hat und seine Leistungen allgemeine Anerkennung finden. Es ist in Südbrasilien ein mächtiges deutsches Volkstum erwachsen, welches deutsche Sitte und Sprache sich erhalten hat, aber doch durchaus bodenständig geworden ist und ein auf seine eigne Kraft gegründetes, durchaus berechtigtes Selbstbewußtsein äußert. Die größte deutsche Kolonie in Südbrasilien ist Blumenau im Staat Santa Katharina. Hier gibt es unter 42 500 Einwohnern 35 000 Deutsche. Der gleichnamige Hauptort hat eine höhere Bürgerschule, Progymnasium und Realschule. Die Kolonie liegt inmitten einer durch Fruchtbarkeit und Schönheit gleichermaßen ausgezeichneten Landschaft nahe dem Itajahyfluß im gesunden Hochlande. Ungefähr 150 km von Blumenau entfernt liegt Joinville, der Hauptort der Kolonie Donna Francisca, die etwa 30 000 Einwohner zählt, von denen mehr als die Hälfte Deutsche sind. Im Süden des Staates Santa Catharina sind die Kolonien Santa Isabel, Santa Teresa und Teresapolis zu nennen. Im Staat Rio Grande do Sul hat die Hauptstadt Porto-Alegre eine ansehnliche deutsche Kolonie (80 000 Einwohner, höhere Bürgerschule und höhere Mädchenschule). Die 1826 gegründete deutsche Kolonie S. Leopoldo in dem gleichen Staat hat etwa 35 000 Einwohner, Santa Cruz hat 18 000, Cachoeira 5000 usw. Besonders zahlreich sind deutsche Siedelungen nördlich der von Porto-Alegre nach Westen gehenden Zentralbahn. Selbst in den tropischen Hochlanden des Staates Espirito Santo gedeihen schon mehrere Generationen deutscher bäuerlicher Kolonisten ganz gut.5

    Nach Argentinien kamen in den Jahren 1867–1914 4 585 153 Einwanderer, doch war auch die Rückwanderung, die seit 1871 verzeichnet wird, sehr umfangreich. Von den seit 1871 bis Ende 1913 eingewanderten und im Lande verbliebenen 3 233 224 Personen waren: 2 139 704 Italiener, 1 393 793 Spanier, 213 526 Franzosen, 70 909 Österreicher, 58 315 Deutsche, 50 479 Engländer, 30 710 Schweizer, 22 079 Belgier und 416 215 Angehörige anderer Staaten.

    Die Gesamtzahl der von 1867 bis 1913 nach Argentinien gekommenen deutschen Einwanderer betrug 63 461. Über 1000 deutsche Einwanderer kamen zum erstenmal im Jahre 1882, über 2000 zum erstenmal 1889. Dann trat ein Rückgang ein und erst 1906 wurde die Zahl 2000 wieder überschritten. Es kamen 1906 2178, 1907 2322, 1908 2469, 1909 3201, 1910 3282, 1911 3593, 1912 4337 und 1913 4620 deutsche Einwanderer. Unter den von 1867 bis 1914 zugewanderten 89 315 Österreichern und Ungarn werden wohl ebenfalls viele Deutsche gewesen sein, ebenso unter den fast 33 000 Schweizern.6

    [43] Im Jahre 1909 ergab die Volkszählung in Argentinien nur 22 450 Deutsche; dabei sind aber nur die Angehörigen des Deutschen Reichs gezählt; wie viele Deutsche unter den argentinischen Staatsbürgern waren, ist nicht feststellbar. Die Gesamtzahl der deutschsprechenden Einwohner Argentiniens wird 100 000 gewiß nicht überschreiten. Das bäuerliche Element ist unter den argentinischen Deutschen viel schwächer vertreten als in Brasilien; von den seit 1876 angekommenen deutschen Einwanderern waren rund 40% Landwirte.

    Die Republik Chile hatte nach der Volkszählung von 1907 rund 3,5 Millionen Einwohner; darunter befanden sich 10 724 im Deutschen Reich Geborene und 17 686 im Lande geborene Nachkommen von Reichsdeutschen, zusammen 28 410. Puerto Montt in der Provinz Llanquihue und Valdivia in der gleichnamigen Provinz sind die Mittelpunkte deutscher Tätigkeit geworden. Beide Provinzen sind erst in neuerer Zeit der Kolonisation erschlossen worden und danken ihren Aufschwung vornehmlich deutschen Ansiedlern. Auch die Landeshauptstadt Santiago ist eine Stätte tüchtigen deutschen Geschäfts- und Kulturlebens.

    In Paraguay gibt es einige vorwiegend deutsche Bauernsiedelungen am Alto Paraná (von Encarnacion stromaufwärts), in der Umgebung von Asuncion, im Chaco usw. Die wichtigsten davon sind Hohenau, Mayntzhusen, Barthe, San Bernardino und Rosario.

    Nach Uruguay wendeten sich nur wenig deutsche Einwanderer; ihre Zahl betrug 1910 290, 1911 488, 1912 540 und 1913 478. Von den andern Staaten des lateinischen Amerika liegen keine Angaben über den Umfang der Einwanderung vor. Da sie ganz im Gebiet der Tropen liegen und an Einwohnerzahl nur ganz langsam zunehmen, ist es wahrscheinlich, daß sie keine bedeutende Einwanderung erhalten.

     
    Weiterführende Verweise:
  • Die Deutschen in Übersee
  • Deutsche in Südafrika

    Während Millionen europäischer Einwanderer nach den Vereinigten Staaten, Kanada und Südamerika strömten, wandten sich nur wenige nach Südafrika, so daß dort die Neger noch immer den weitaus größten Teil der Bevölkerung bilden. Die Ursache der mäßigen Zuwanderung ist hier dieselbe wie in den südlichen Vereinigten Staaten: Europäer wollen nicht dahin gehen, wo sie als Arbeiter mit Negern konkurrieren müssen. Die deutsche Einwanderung nach Südafrika war niemals ausgiebig. Sie begann zwar schon im 17. Jahrhundert, doch gingen die ältesten Kolonisten restlos im holländischen Volkstum auf. Dagegen haben die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gekommenen deutschen Ansiedler zu einem großen Teil ihre Sprache und ihre heimischen Sitten bewahrt. Dieses Kolonistentum hat sich in einer gewissen Gemeinschaft mit zwei Missionsgesellschaften entwickelt, [44] die der Brüdergemeinde und der Hermannsburger Mission. Die Tätigkeit der ersteren bezog sich auf die Station Gnadenthal bei Caledon. Die Hermannsburger Mission zog Bauern ihrer engeren Heimat Hannover und der Lüneburger Heide zur Kolonisation heran, was wiederum andere veranlaßte, auf eigene Faust nach Transvaal und Natal auszuwandern. Gründungen der Mission oder zu ihr in Beziehung stehende Dörfer sind: Lüneburg in Natal, Kroondal in Transvaal, ferner Minden, Neu-Hannover, Kirchdorf und Wartburg. Andere deutsche Siedlungen sind Neu-Deutschland nächst dem Trappistenkloster Marianhill und Wynberg-Vlakte. Die größten deutschen Kolonistendörfer aber liegen im Hinterlande der Hafenstadt Ost-London, in der Landschaft Britisch-Kaffraria. Sie entstanden durch die Ansiedlung eines Teils einer britisch-deutschen Legion, die für den Krimkrieg angeworben worden war. Etwa 2400 Männer mit 350 Frauen leisteten dem Ruf nach dem Kafferland Folge, als die Legion im Herbst 1856 aufgelöst wurde. Die Mehrzahl der Legionäre zog bald wieder ab, doch folgten 1856 und 1859 neue deutsche Einwanderer, etwa 600 an der Zahl, die in den Legionsorten oder deren Nähe angesiedelt wurden. Bell, Bodiam, Berlin, Potsdam, Panmure, Cambridge, Hannover, Marienthal, Wiesbaden, Frankfurt, Breitenbach, Ohlsen sind Orte, die durch die Legion entstanden und von ihren Offizieren benannt worden waren; die Dörfer älteren Gründungsdatums – Keiskamahoek, Izela, Dohne – waren auch durch die Legion erst wirkliche Dörfer geworden und wurden deshalb zum Teil von den Offizieren umbenannt: Izela in Braunschweig, Dohne in Stutterheim. Manche der kleineren Siedlungen sind allmählich mit benachbarten zu einheitlichen Gemeinwesen verschmolzen; Cambridge und Panmure bilden heute Teile von Ost-London, Marienthal und Wiesbaden gaben ihren Namen an Frankfurt, Ohlsen an Stutterheim, Charlottenburg an Berlin ab. Jenseits der Keiskama verloren Wooldridge, Fort Peddie und Hamburg ihre Bedeutung als deutsche Siedlungen, und es blieben nur Bell und Bodiam als solche bestehen. Etwa 1000 Deutsche wanderten dann noch in den Jahren 1877 und 1878 nach Kaffraria ein; vereinzelte Familien folgten bis zum Anfang der achtziger Jahre. Der südafrikanische Geschichtsschreiber Georg M. Theal schreibt über die deutschen Siedler in Kaffraria: "Keine besseren Ansiedler hätten ins Land gebracht werden können. Durch ihren Fleiß gelangten sie im Verlauf weniger Jahre zu einem beträchtlichen Viehbestand und brachten ihre kleinen Farmen zu einem hohen Stand der Kultur. Als Gemüsebauern für den Markt waren sie unerreicht in Südafrika. Mäßig, nüchtern, fleißig und fromm, haben sie in hohem Maße zum Gedeihen der Provinz Kaffraria beigetragen." (Theal, Georg M.: History of South Africa from 1795 to 1872.)

    Im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika ist eine ansehnliche Zahl deutscher Siedler in Windhuk, Keetmanshoop, Swakopmund und Lüderitzbucht verblieben. Die dortigen deutschen Schulen bleiben bestehen.

    [45]
    Weiterführende Verweise:
  • Die Deutschen in Übersee
  • Deutsche in Australien

    Die Staaten des Australischen Bundes hatten im Jahre 1901 3 774 000 und 1911 4 455 000 Einwohner. Aus Deutschland gebürtig waren davon 1901 38 352 und 1911 32 990 Personen (Abnahme 5362). Auf die einzelnen Gebiete verteilten sich die im Jahre 1911 gezählten in Deutschland geborenen Personen wie folgt: Neu-Südwales 7241, Victoria 6142, Queensland 11 979, Südaustralien 4977, Westaustralien 2036, Tasmanien 590, Nordterritorium 22, hauptstädtisches Territorium 3. Die Zahl der in Österreich-Ungarn und in der Schweiz geborenen Personen war sehr klein (2774 und 1736). Der englischen Sprache nicht in Wort und Schrift mächtig waren insgesamt bloß 24 369 Personen, wobei die eingeborenen Australneger nicht gezählt sind.

    Der Umfang der deutschen Einwanderung nach Australien war in letzter Zeit gering; die Zahl der deutschen Einwanderer betrug nämlich 1904 823, 1905 926, 1906 1339, 1907 1909, 1908 1911, 1909 2109, 1910 2449 und 1911 2517.

    Die deutsche Einwanderung nach Australien begann schon in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts und stieg nach der Entdeckung der Goldfelder stark an. Als Ackerbauer ließen sich dann in Queensland und in Südaustralien viele Deutsche nieder. In manchen Orten bilden sie dort heute noch einen ansehnlichen Teil der Einwohner und sie unterhalten auch eine Anzahl deutscher Privatschulen.

    In der britischen Kolonie Neu-Seeland (1911 1 008 000 Einwohner) lebten 1891 4663, 1901 4217 und 1911 4015 in Deutschland geborene Personen; ihre Zahl hat also beständig abgenommen. Die Einwanderung aus nicht-britischen Ländern ist seit dem Beginne des 20. Jahrhunderts ganz unbedeutend gewesen.



    1Münsterberg, Hugo, Die Amerikaner, 4. Auflage. Berlin 1912. ...zurück...

    2Weniger als 0,1 v. H. ...zurück...

    3Vgl. Schüler, Heinrich, Brasilien. 4. Aufl. Stuttgart, 1919. ...zurück...

    4Moltmann, B. H., Deutsche Siedelung in Südbrasilien. S. 43. Gotha 1918. ...zurück...

    5Wagemann, Ernst, Die deutschen Kolonisten im brasilianischen Staat Espirito Santo, S. 44–52 und 106–119. München 1915. ...zurück...

    6Hiller, Georg, Einwanderung u. Einwanderungspolitik in Argentinien. Berlin 1912. – Meißner, Walter, Argentiniens Handelsbeziehungen. Köthen 1919. ...zurück...






    Deutsche in der Fremde.
    Eine Übersicht nach Abschluß des Weltkrieges.

    Hans Fehlinger