[3] Einleitung. Der Zweck dieser Schrift ist, Umschau zu halten über die Deutschen in jenen Staaten, die von einer nichtdeutschen Bevölkerungsmehrheit bewohnt sind. Da in unserer Zeit die politische Macht in den Gemeinwesen durch Wählermehrheiten bestimmt wird, für deren Zustandekommen die Nationalität von größter Bedeutung ist, so darf man wohl annehmen, daß die künftigen Schicksale der deutschen Minderheiten hauptsächlich von den andersnationalen Mehrheiten der betreffenden Staaten abhängen werden. Völlige Unterwerfung unter fremdes Volkstum und Unterdrückung ihrer Sprache haben die Deutschen Ost- und Südosteuropas nicht zu befürchten dank der Grundsätze über den Schutz der nationalen Minderheiten, die von der Pariser Friedenskonferenz für die Staaten aufgestellt wurden, welchen Gebiete des ehemaligen Habsburgerreiches zufallen. [Scriptorium merkt an: so wurde es jedenfalls von den Siegern des Ersten Weltkrieges vorgegaukelt. Der Verfasser verläßt sich hier allzusehr auf das Versprochene, und zum Zeitpunkt dieser Schrift (1920) konnte er von der wirklichen Entwicklung noch nicht genug erkennen. Wie diese bittere, seitdem zur Genüge bekannt gewordene Wirklichkeit letzten Endes aussah, lesen Sie bitte hier und in den vielen weiteren dort verlinkten Schriften.] In der Republik Böhmen z. B. erhalten die deutschen Minderheiten die volle Selbstverwaltung auf den Gebieten des Schulwesens, der Kultusangelegenheiten und der sozialen Fürsorge. Die Kosten hierfür werden aus den Steuererträgnissen gedeckt, für welche die Minderheiten Steuerhoheit erhalten. Die Schulautonomie gilt sowohl für die Volksschulen, wie für die Mittel- und Hochschulen. Vor Gericht ist die deutsche Sprache in den von den deutschen Minderheiten bewohnten Gebieten der tschechischen Sprache gleichberechtigt. Den Minderheiten ist das Beschwerderecht an den internationalen Gerichtshof eingeräumt, dem zugleich die Ausführung seiner Beschlüsse zusteht. Immerhin aber ist das Tschechische Staatssprache; es ist nicht jene Rechtsgleichheit der Sprachen durchgeführt, die z. B. in der Schweiz, in der südafrikanischen Union und in Kanada besteht. Eine Vergewaltigung deutschen Volkstums, wie sie bis zum Zusammenbruch des Habsburgerreichs in Ungarn verübt wurde, ist in der Zukunft nicht zu erwarten. Überdies ist zu hoffen, daß der Geist des Hasses, welcher der jüngsten Vergangenheit das Gepräge gab, vom Geiste der Völkerverständigung verdrängt werden wird – trotz aller Hetzapostel hüben wie drüben. Gar nicht zu bezweifeln ist, daß sich im friedlichen Wettstreit deutsches Wesen, deutsche Kultur, überall dort erfolgreich behaupten wird, wo unsere Volksgenossen leben. Aber sie müssen in enger Berührung bleiben mit dem deutschen Hauptlande, sie müssen wissen, daß sie nicht als Stiefkinder gelten, trotzdem sie nicht Bürger des Deutschen Reiches sein können!
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