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Furchtbare Spannungen

Das Hohelied von der Verschleppung der Volksdeutschen in Polen im Jahre 1939 ist zugleich das Hohelied des deutschen Arzttums. Ermordet wurden Dr. Staemmler (Bromberg) und Dr. Braunert (Goßlershausen). Dr. Staemmler wurde eine Viertelstunde vor der Befreiung seiner Gruppe
Scriptorium merkt an:
mehr zu Dr. Staemmler finden Sie hier: Der Tod in Polen - die volksdeutsche Passion von Edwin Erich Dwinger.
von dem letzten übriggebliebenen polnischen Bewachungsmann erschossen, aus einer unbegreiflichen Laune des Schicksals heraus, die kein Mensch je wird verstehen oder deuten können. Nachdem er die ganzen Tage über mit beispiellosem Mute seine Gruppe betreut hatte, durfte er die Stunde der Befreiung nicht mehr erleben. Gleich einem treuen Wachhunde war er trotz des Verbotes häufig die Reihen der Marschierenden entlang gegangen, um sie ärztlich zu betreuen, zu ermutigen, zu trösten, und dies, obwohl er keine rechten Medikamente hatte. Dadurch muß er sich aber den Haß der Polen in besonderer Weise zugezogen haben. Sie haßten eben alles, was wertvoll war und sich über den Durchschnitt erhob. Wie manchen Kolbenschlag hat Dr. Staemmler für die hilfreiche Tätigkeit schon vor seinem bitteren Ende erhalten!

Ähnlich war es bei Dr. Braunert, der auch nur deshalb erschossen wurde, weil er anderen half. Manchmal hatten die beiden ermordeten Ärzte kleine Erfolge zu verzeichnen. Auf ihre Bitte wurde ein alter Mann auf einen der Wagen geladen, wie ihn die Begleitmannschaften zur Verfügung hatten, die im übrigen zur Hälfte auf Rädern fuhren und sich abwechselten.

In Wilhelmstal bei Bromberg hat der Bürgermeister, ein Volksdeutscher, bereits in den letzten Monaten vor Ausbruch des polnischen Krieges mehrfach Warnungen erhalten. Fünf Tage vor dem 1. September 1939 entschließt er sich, seinen Posten zu verlassen, und geht mit seinem Gepäck auf ein einsames Gehöft zu ihm bekannten anderen Volksdeutschen. Sie sitzen zu vierzehn Menschen am Tisch. Der Bürgermeister sagt: "In dieser Ecke wird uns der Krieg wohl verschonen. Hier sind ja die Volksdeutschen, und die deutschen Truppen werden sie nicht beschießen."

[66] Plötzlich hört man ein verdächtiges Geräusch vor der Tür. Polnische Späher sind da, kein Zweifel. Der Bürgermeister erkennt sofort die Lage und schleicht sich unauffällig in einen Schuppen, wo er sich verbirgt. Die Polen stürmen zur Tür herein: "Wo ist der Mann, der eben hier vom Kriege gesprochen hat? An die Wand mit ihm." Die Volksdeutschen nehmen eine ablehnende Haltung ein, zwei von den Mädchen beginnen mit den Polen freundlich zu reden, um sie abzulenken. Inzwischen wälzt sich der Bürgermeister aus dem Schuppen in der mondhellen Nacht viele hundert Meter weit über die Felder und kann sich irgendwo verstecken, tagelang, nächtelang, bis die Deutschen kommen und ihn befreien.

Das ist ein Bild aus der furchtbaren Spannung, die dem Kriegsausbruch voranging und ihn begleitete. Ein anderes:

Ein Gutsverwalter in der Nähe von Bromberg, der deutschen Grenze zu, hat Frau und zwei Kinder. Mehrere Tage, zum Teil sogar Wochen vor dem Kriege waren alle Deutschen in der Umgebung geflohen, waren über die Grenze nach Deutschland gegangen oder hielten sich versteckt. Drei Tage vor Ausbruch des Krieges kommen zwei Polen und verlangen von ihm kategorisch, daß er fliehen solle. Er weigert sich zunächst, muß dann aber den Drohungen nachgeben. Er spannt einen Ochsenwagen an und nimmt eine alte Polin mit, die lange auf dem Hof und ihm freundlich gesinnt war. Binnen einer halben Stunde ist er fertig zur Flucht. Bald kommt er in einen Strom von polnischen Flüchtlingen hinein, die aus der Gefahrenzone an der Grenze fliehen. Nun liegt alles daran, ob er als Volksdeutscher erkannt wird oder nicht. Geschieht es, dann ist er verloren. Er und seine Frau sprechen gut polnisch, kein deutsches Wort kommt über ihre Lippen. Die Kinder aber können nur deutsch, und so schweben sie jede Sekunde in der Gefahr, durch die Kinder verraten zu werden. Furchtbare seelische Spannung lastet auf ihnen. Sobald die Kinder Miene machen zu reden, hält ihnen die Mutter den Mund zu. Tagelang irren sie umher und merken bald, daß kein gerader Kurs eingehalten wird. Es geht im Zickzack, die Ursache kann nur die sein, daß der deutsche Ring sich enger und enger um die Schar der Flüchtenden schloß. Polnische Soldaten, die fliehenden Truppen angehören, fragen immer wieder, alle paar Stunden, ob sie Polen oder Deutsche seien. Um dem sicheren martervollen Tod zu entgehen, sagen sie: Polen.

Schließlich erscheint auf einer nahen Höhe eine Gruppe Soldaten, ordnungsgemäß vorrückend. Noch ungewiß, ob es deutsche oder polnische Soldaten sind, ruft der Gutsverwalter laut auf deutsch: "Das sind deutsche Soldaten." Die Spannung war unerträglich geworden, und noch, wenn der Mann später davon erzählt, sagt er: nun sei er aufs Ganze gegangen. Es wäre nicht mehr auszuhalten gewesen, er wußte, daß er mit seinem Leben spielte. In solcher Weise kann sich see- [67] lischer Druck anstauen und er muß sich einfach entladen, koste es was es wolle. Alle Hemmungen sind dann weggefallen.

Das Gefühl hatte ihn richtig gewiesen: Es waren deutsche Soldaten. Die Polen waren so bestürzt, daß sie nicht wagten, sich an den Volksdeutschen zu vergreifen. Es wäre auch nicht mehr viel Zeit gewesen.– Denn die deutschen Soldaten kamen heran und befreiten die volksdeutsche Familie.

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Höllenmarsch der Volksdeutschen in Polen.
Nach ärztlichen Dokumenten zusammengestellt von Dr. Hans Hartmann.