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Noch mehr Zeugen
Wir stehen bewundernd vor der Lebenskraft und Zähigkeit der
menschlichen Natur, die das aushält, wovon die Berichte des evangelischen
und des katholischen Geistlichen und die unzähligen anderen Zeugnis
ablegen. Aus einem Bericht eines Landwirtes Wiesner aus Marsfelde, Kreis
Neutomischl, verdient vom ärztlichen Blickpunkt aus festgehalten zu
werden, daß dort von einem Steinschlag an die linke Schläfe die Rede
ist. Wiesner verliert die Besinnung und hatte im letzten Augenblick den Eindruck,
die Salve, mit der polnische Soldaten den Zug der Volksdeutschen bedroht hatten,
sei gefallen, was tatsächlich nicht der Fall war. Wie im Traum haben sich
die Ereignisse in wenigen Sekunden überstürzt und
übereinander gelagert. Der Schlag selbst, die dumpfen Empfindungen
danach, das Gefühl, die Salve habe schon
gekracht – all dies gibt ein Bild von menschlicher Erlebensweise unter
höchster Spannung: körperlicher Schmerz und seelische Spannung
vereinigten sich auf diesen Märschen tausendfach zu Erlebnissen, die die
Betreffenden nie mehr vergessen können.
Aber auch die positive Marschleistung Wiesners, eines
fünfundsechzigjährigen Mannes, ist beachtlich. Durchschnittlich
täglich 40 Kilometer zu marschieren, im Regen
übernachtend – wer hält das aus? Es ist ausgehalten
worden – denn die Nähe der deutschen Truppen, insgeheim
gefühlt, wurde zur aufmunternden und bewegenden Kraft, die zu solchen
übermenschlichen Leistungen befähigte.
Die gleichen Geschehnisse werden in einem anderen Bericht geschildert, der von
den Volksdeutschen Wilhelm Rausch und Bruno Gebauer aus Sontop
unterzeichnet ist. Wir geben auch diesen Bericht, weil er diese Ereignisse wieder
von anderer Seite her beleuchtet und weil er vor allem einwandfrei die Schuld des
polnischen Militärs an den Metzeleien nachweist.
"Am 1. September 1939 wurden wir in Sontop mit anderen Volksdeutschen von
der polnischen Polizei aus Bukowiece verhaftet und nach Bukowiece auf das
Polizeibüro gebracht. Dort hat man unsere Namen festgestellt, [33] und wir wurden weiter
nach Buk transportiert. Hier wurden wir in einen Saal gebracht, wo sich schon
viele verhaftete Volksdeutsche befanden. Als wir in Buk ankamen, folgte uns
Pöbel und mißhandelte uns mit Fußtritten und
Faustschlägen beim Absteigen vom Wagen. Nach mehreren Stunden
Aufenthalt wurden wir auf Wagen verladen und nach Posen transportiert. Auf
dem Wagen wurden wir von der polnischen Zivilbevölkerung, besonders
Eisenbahnern, bespuckt, geschlagen und mit Steinen beworfen. In Posen wurden
wir durch die am Tage zuvor von deutschen Fliegern mit Bomben beworfenen
Stadtteile gefahren, wo der polnische Pöbel wie Bestien über uns
herfiel. Unsere starke Bewachung hat dies geduldet, ja sogar noch
gefördert. Nach langem Hin und
Her – die polnische Polizei wußte nicht, was sie mit uns beginnen
sollte – wurden wir schließlich in Glowno in der Schule
untergebracht. Nach eineinhalbtägiger
Rast – am 4. September 1939
morgens – wurden wir, jetzt 105 Mann, in Marsch gesetzt in
Richtung Schwersenz/Kostschin. In Schwersenz wurden wir an eine Scheune
gestellt und unsere Bewachung zerstreute sich hier und ließ uns im Stich.
Nach einer Weile kam polnisches Militär heran und verprügelte und
beraubte einzelne Volksdeutsche. Schließlich drohten sie uns mit
Erschießung. Wir wurden wieder unter Führung eines Polizisten
gestellt und der Marsch ging weiter. An der Wegegabelung
Wreschen–Gnesen wurde uns von den Polizisten erklärt, wir seien
entlassen und könnten uns nach Hause begeben, sollten aber in kleineren
Gruppen nach Hause gehen. Als wir uns etwa zwei Kilometer entfernt und
zerstreut hatten, wurden wir wieder von polnischem Militär beschossen,
gefangengenommen und nach Iwno geführt. Ein Teil unserer Kameraden
war in anderer Richtung gegangen und nicht in die Hände der polnischen
Soldaten gefallen.
In Iwno fiel polnischer Pöbel, welcher zum
größten Teil aus polnischen Gutsarbeitern (männlich und
weiblich) bestand, über uns her, und unter Mitwirkung polnischen
Militärs wurden unermeßliche Greueltaten an uns verübt. Drei
Frauen, die sich in unserem Trupp befanden, wurden ihres sämtlichen Hab
und Gutes (auch der Kleider und Schuhe) beraubt. Unter den Gefangenen befand
sich auch Superintendent Reisel, welcher sich zuvor das Bein gebrochen hatte.
Wir beide haben ihn mit noch ein paar Kameraden zur Ziegelei nach Iwno
getragen, dann wurde er trotz seines Beinbruches gezwungen, selbständig
zu laufen. Nachdem er dann wieder ein paar hundert Meter gefahren war, wurde
er gezwungen, wieder zu Fuß zu laufen. (Ich, Wilhelm Rausch, habe ihn
dann beim Laufen unterstützt, und ein polnischer Soldat trieb mich und den
Superintendenten mit Kolbenschlägen ins Genick und zuletzt mit
Bajonettstichen vorwärts.)
Wir wurden dann alle gezwungen, das Gesicht zur Erde, auf den Rand eines
Grabens mit ausgestreckten Armen uns zu legen. Hinter jedem
ein- [34] zelnen standen ein bis
zwei Soldaten im Anschlag. Wir glaubten, im nächsten Augenblick
erschossen zu werden. Eine Bessergekleidete vom Gut hat hierbei dem
Wirtschaftsbeamten Wiesner aus Wollstein mit einem Stein auf den Kopf
geschlagen. Nach einer Weile mußten wir wieder aufstehen und wurden
weiter durch Iwno geführt, wo uns der Pöbel wieder
mißhandelte. Am Ende des Dorfes ging es querfeldein, bis wir an einem
Weidenstrauch haltmachten und niederknien mußten. Sämtliches
Geld, Wertsachen und alle Papiere wurden uns geraubt bzw. abgenommen. Unser
Lebensmittelpaket und unsere Koffer wurden auf einen Haufen geworfen,
zertrampelt und verbrannt. Zwei unserer
Leidensgenossen – ein Reichsdeutscher aus Leipzig, Naumburger
Straße 17 (Name unbekannt), und Kamerad Rothe aus
Konkolewo – wurden herausgegriffen, hinter einen Busch geführt
und erschossen. Danach ging es denselben Weg wieder zurück bis an die
Parkmauer am Eingang des Dorfes.
Aussage Gebauer: Als wir dort ankamen, kam ein polnischer Offizier,
wahrscheinlich ein Leutnant – noch jung und mittlerer
Figur – im Auto, hielt an, sprang heraus, griff den Kameraden Baumung aus
Neutomischel, drückte ihn zurück an die Mauer und schoß ihn
mit der Pistole nieder. Dann packte er den Kameraden Thiem aus Lenker Hauland
bei Sponitze und schoß ihn ebenfalls nieder.
Wir wurden alsdann in den Park geführt, wo ein zweiter Offizier,
vermutlich ein Oberleutnant, die Mißhandlungen fortsetzte. Hier im Park
kam das polnische Militär, das sich in Iwno befand, zusammen, welches
von den polnischen Offizieren aufgehetzt wurde mit den Rufen wie
"Schießt die Hunde nieder!" Zum drittenmal an diesem Tag sahen wir nun
den Tod vor Augen. Der Oberleutnant rief die Soldaten zusammen und fragte sie,
was mit den Geiseln geschehen solle. Die Soldaten schrien als Antwort etwa
"Nieder mit den Hunden, den deutschen Schweinen"! Wiesner verhandelte mit
dem Leutnant, und es gelang ihm für eine Weile, die Blutgier der Polen zu
mildern. Da kam der Oberleutnant dazu, der schlimmste von diesen Banditen,
besprach sich mit den Soldaten, fragte sie dreimal, wer "einen besonderen Freund"
unter den Geiseln habe. Jedesmal trat ein Soldat vor, bezeichnet einen unserer
Kameraden. Die Soldaten erklärten dabei, der eine habe geheime
Versammlungen abgehalten, der andere besitze einen Geheimsender, der dritte
habe durch Zeitungsberichte die deutsche Bevölkerung gegen den
polnischen Staat aufgehetzt. Dieser dritte Kamerad war der Redakteur Wilhelm
Busch aus Neutomischel. Einer der anderen beiden war der Kaufmann Hoegner
aus Wollstein, der andere ist uns unbekannt. Ehe diese drei Kameraden
niedergeschossen wurden, wurde erst jeder von ihnen von dem
Ober- [35] leutnant mit einer Art
Gummiknüppel bearbeitet, daß sie fast ihres Lebens erledigt waren.
Besonders schwer traf es den Redakteur Wilhelm Busch.
(Wihelm Rausch: Ich mußte mit drei anderen Volksgenossen den
Kameraden Busch im schnellen Tempo in ein fertiggegrabenes Loch werfen,
wobei ich beobachtet habe, daß er noch Lebenszeichen von sich gab. Der
Oberleutnant kam hinzu und gab noch einen Schuß auf ihn ab.) Dann wurde
ein Lastwagen herangebracht, und wir mußten im Gänsemarsch
diesen besteigen. Daneben stand der Oberleutnant mit dem Gummiknüppel
und gab jedem noch eine gehörige Tracht über den Kopf. Die
Soldaten sangen uns polnische Hetzlieder vor, bis das Auto abfuhr, das uns
weiterbrachte. Mitten auf dieser Fahrt wurde der Wagen geöffnet, es war
zwischen Iwno und Gnesen, da wurden wir vom Pöbel bespuckt, beworfen
und mit Milchkannen über den Schädel geschlagen. In Gnesen
wurden wir der Polizei übergeben, die unsere Papiere, zum Teil auch
unsere Uhren und Geld, zurückgab, mit der Bemerkung: "Der polnische
Soldat ist anständig erzogen, er stiehlt nicht." Die besten Uhren und das
meiste Geld fehlten.
Bis zum Vormittag des 5. September mußten wir auf dem Korridor einer
Schule weilen. Von Gnesen wurden wir wieder in Richtung Warschau in
Fußmarsch gesetzt. Einzelne Mißhandlungen und Übergriffe
kamen noch vor. Den ganzen Marsch hindurch haben wir von der Polizei nichts
zu essen und zu trinken erhalten. So kamen wir bis etwa 60 Kilometer vor
Warschau. Am 17. September waren wir den ganzen Tag deutschen
Fliegerbomben ausgesetzt, die jedoch keinen Schaden anrichteten. Am Abend
verließ uns unsere Wachmannschaft, und am nächsten Tag
marschierten wir zur deutschen Front."
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