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Die Übereinkünfte während
des Dreißigjährigen Krieges
  [Scriptorium merkt an: 1618–1648]

Beim Dreißigjährigen Krieg denkt jeder zunächst an die lange Dauer. Aber sie ist in der deutschen Geschichte nichts Ungewöhnliches. Unter Karl V. ist ebenfalls 30, unter Ludwig XIV. gar 40 Jahre lang gekämpft worden; die drei schlesischen Kriege und die Waffengänge der napoleonischen Zeit umspannen einen dreiundzwanzigjährigen, also nicht viel kürzeren Zeitraum. Nur lagen in allen diesen Fällen zwischen den verschiedenen Feldzügen Friedenspausen und brachten der Mit- und Nachwelt den zusammenhängenden Charakter der ganzen Ereignisse nicht genug zum Bewußtsein. Im Dreißigjährigen Kriege war es umgekehrt. Es mangelte nicht an Zwischenfrieden, welche vielen deutschen Gegenden längere oder kürzere Ruhe bescherten. Aber weil sie sich niemals allgemein im Reiche durchsetzten, wurden sie nicht so tief empfunden wie die Frieden, welche die einzelnen Waffengänge Karls V., Ludwigs XIV., Napoleons abschlossen.

Tatsächlich stehen jedoch am Ende der einzelnen Abschnitte des Dreißigjährigen Krieges besondere rechtliche Vereinbarungen. Die verschiedenen Kriegsperioden sind durch den Wechsel der Teilnehmer und Kriegsabsichten eher noch farbenreicher als die aufeinander folgenden Feldzüge Friedrichs des Großen oder Bonapartes.

Die erste Kriegszeit sah am Ende der einzelnen Akte immer entschiedene Sieger. In der Unterwerfung und Gegenreformation Böhmens, in der Vertreibung des pfälzischen [4] Kurfürsten und seiner Freunde aus ihren Stammländern, im Restitutionsedikt, welches die strittigen Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens im katholischen Sinne auslegte und den sofortigen Vollzug eines katholischen Rechtsanspruchs vorbehaltlich der nachträglichen Prüfung evangelischer Einwände anordnete, äußerte sich die Macht des Gewinners. Vielfach einigte er sich gar nicht mit seinen Gegnern, sondern befahl einseitig, hörte höchstens noch Dritte, welche seine Ansicht billigten und ihm stärkeres Ansehen verliehen. So hielt Kaiser Ferdinand II. Versammlungen mit einer zuverlässigen katholischen Mehrheit ab, in welchen außerdem von den Protestanten die verständigungslustigen, den eigenen stürmischen Glaubensfreunden abgeneigten Elemente allein oder vorwiegend vertreten waren.

Da die Besiegten die härtesten Bedingungen hinnehmen mußten, wäre ein Dauerfriede verbürgt gewesen, wenn die Erfolge und Ansprüche des Kaisers und der deutschen Katholiken nicht immer mehr auch Kreise aufgerüttelt hätten, die von Haus aus mit den kämpfenden Protestanten keine Gemeinschaft hatten. So erwuchsen aus den Unterwerfungsfrieden und Machtgeboten keine Rachekriege, aber neue politische und militärische Verwicklungen; der Kampf verbreitete sich in Deutschland immer weiter. Jetzt konnten die Sieger nicht mehr in der bisherigen, vollkommenen Weise ihre Wünsche verwirklichen. Wallenstein und Tilly nötigten im Lübecker Frieden (1629) den Dänenkönig zwar, als Beschützer der norddeutschen Protestanten abzudanken; aber seine Herrschaft in Schleswig-Holstein, geschweige denn auf den Inseln, blieb unanfechtbar.

War hier wenigstens noch ein entschiedener Sieger vorhanden, so hörte in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges auch das auf. Die Erfolge schwankten; keine Seite wurde vernichtend geschlagen und widerstandsunfähig. Dadurch wurden die Friedensverhandlungen langwieriger, sprunghafter und verwickelter. Der Prager Friede (1635) wurde schon nach Gustav Adolfs Tode eingeleitet, der Westfälische 7 Jahre vorbereitet. Wer gerade vom Kriegsglück begünstigt war, schraubte seine Ansprüche herauf; der augenblicklich Benachteiligte war nicht genug getroffen, um nicht von der Zeit [5] eine Besserung der Bedingungen zu erwarten. Namentlich waren aber immer nur einzelne Teilnehmer der kriegführenden Parteien mürbe; sie verbürgten noch keine allgemeine Ruhe in Deutschland.

Das zeigte sich im Prager Frieden (1635). Der Kaiser schloß ihn mit dem mächtigsten jener Fürsten, welche bloß noch gezwungen den schwedischen Fahnen folgten und sich nach der alten ausschlaggebenden Rolle in friedlichen Reichstagsverhandlungen zurücksehnten. Infolgedessen setzte er verschiedene, dem Kurfürsten von Sachsen gleichgültige Lieblingswünsche durch: den Ausschluß der Reformierten vom Rechte freier Religionsübung, die gesicherte katholische Zukunft der habsburgischen Erbstaaten, die fortdauernde Ächtung des Pfälzers und seiner Gesinnungsgenossen. Auch das Restitutionsedikt fiel zwar; aber den Katholiken blieben immer noch wertvolle Vorteile. Was 1627 katholisches Kirchengut war, sollte den damaligen Herren gesichert oder wieder eingeräumt werden. Was zu dieser Zeit protestantisch gewesen, wurde den Evangelischen zunächst nur auf 40 Jahre gelassen; was dann geschehen werde, blieb ebenso unentschieden wie die umstrittene Frage der reichsrechtlichen Befugnisse, die den evangelischen Inhabern geistlicher Stifter zustanden. Alle diese Gewinne erkaufte Kaiser Ferdinand II. vom Kurfürsten durch territoriale Zugeständnisse.

Der Prager Friede war als Grundlage eines allgemeinen gedacht. Außer den geächteten, ihrer Länder beraubten Fürsten sollten sich möglichst viele Reichsstände anschließen und mit vereinten Kräften die Schweden und deren Anhänger gütlich oder gewaltsam niederbeugen. Dabei kam es zunächst auf den agitatorischen Erfolg, später auf das militärische Können der friedensbedürftigen Vermittler an. In Süddeutschland war nach der Schlacht bei Nördlingen (1634) das kaiserliche Ansehen so gestiegen, daß dort die evangelischen Fürsten sich gewinnen ließen. Aber in den mittel- und norddeutschen Gebieten, auf die es hauptsächlich ankam, häuften sich die Schwierigkeiten. Schließlich fielen sogar Stände ab, welche den Prager Frieden schon angenommen hatten.

Die Urheber des Prager Friedens hatten die Schweden nicht durch Land, sondern höchstens durch Geld entschädigen wollen. Der Plan war nicht aussichtslos gewesen. Denn [6] im schwedischen Heere fochten meist Deutsche, die sich keineswegs willig jedem Befehle von Stockholm unterwarfen. Überdies sah der Prager Friede eine einzige reichsdeutsche, vom Kaiser abhängige, von den Fürsten durch Geldbeiträge aufrechterhaltene Kriegsmacht vor. Sie hätte, wenn sie die Schweden niedergerungen, zum politischen Zusammenhalt Deutschlands wesentlich beigetragen. So war der Versuch gescheitert, die deutsche Zukunft auf eine nationale Grundlage zu stellen.






Deutschlands Friedensschlüsse seit 1555:
Ihre Beweggründe und ihre geschichtliche Bedeutung

Professor Dr. Gustav Wolf