Der ekle Wurm der deutschen Zwietracht Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944 Friedrich Lenz 18. Hitlers Friedensbestrebungen Die Widerständler und Verschwörer, die in allen Schattierungen von den Kommunisten bis zu den Junkern reichten, hatten zwar in Herrn Beck auch ihren Führer, allerdings war dieser nicht so bescheiden wir Hitler, der sich gerne von der Vorsehung31 schicken oder schützen ließ, sondern er wurde allgemein von ihnen "der liebe Gott" genannt. Trotzdem gelang es diesem natürlich bei weitem nicht, die Bestrebungen und noch viel weniger die Handlungen der verschiedenen Gruppen einheitlich auszurichten, obgleich es sogar nach der Bekundung des Herrn Dr. O. A. W. John, Präsident des Verfassungsschutzamtes, der natürlich auch prominenter Verschwörer war, zu der Kuriosität kam, daß die SPD durch ihren Herrn Leuschner dem Plan einer Monarchie unter Prinz Louis Ferdinand von Preußen zustimmte. Da kann man nur sagen: Ihr seid mir scheene Republikaner. Die Hauptsache war aber, daß nach Herr John "alle parteipolitischen Gegensätze angesichts des gemeinsamen Gegners Hitler leicht überbrückt wurden". Alle aber hatten sie ihre Verbindungen und Kanäle nach dem Ausland. Die Tätigkeit dieser "zivilien" Verschwörer bestand ohne "Planung" grundsätzlich darin: a) Seit 1933 das Ausland in übertriebenen Meldungen über angebliche Unterdrückung und sonstige Mißverhältnisse gegen die Führung des Reichs aufzuputschen und auf die Gefahren des Nationalsozialismus hinzuweisen. Die an einer Auseinandersetzung mit Deutschland interessierten Kreise verwerteten diese Nachrichten über die Presse in propagandistischer Hinsicht, um ihre Massen für diese Auseinandersetzung reif zu machen. b) Die angeblichen Kriegsabsichten Hitlers im Ausland zu propagieren und zwar jeweils nach mehrmaliger Vergrößerung jedes geringfügigen Umstandes, den der Betreffende in völliger Unkenntnis der wahren Zusammenhänge als Kriegsabsicht glaubte deuten zu können. Ich könnte ein ganzes Buch füllen mit Beweisen über Hitlers ehrliche Friedensabsichten, doch ist dies hier nicht meine Aufgabe. Trotzdem will ich es mir nicht so leicht machen, wie Herr Karl Strölin in seiner Schrift Verräter oder Patrioten, mit der er versucht, Hitlers grundsätzliche Kriegsabsicht durch Herrn Rauschning zu beweisen, diesen Psychopathen, dessen Gespräche mit Hitler man nach den ersten Seiten schon als Schwindel erkennen kann und deren historischer Wert sogar von namhaften englischen Historikern bestritten wird. Ich will daher dem Leser nicht alle Friedenskundgebungen Hitlers, sondern nur folgendes unterbreiten:
"In jene Zeit fiel auch eine der öffentlichen Reden Hitlers, die mich zum ersten Male in meinem Mißtrauen gegen ihn schwankend machte und mich von der Aufrichtigkeit seiner Friedensliebe überzeugte. 'Eine mittlere moderne Granate', führte er vor einer großen Versammlung aus, 'kostet 3500 Mark. Ein kleines Eigenheim für eine Arbeiterfamilie kostet auch 3500 Mark. Wenn ich aufrüste, brauche ich mindestens 10 Millionen Granaten. Sie werden dann in den Arsenalen liegen, und niemand wird mir dafür dankbar sein. Wenn ich aber 10 Millionen Arbeiterwohnungen baue, werde ich mir den Dank des Großteils meines Volkes sichern. Wie sollte ich da nicht wünschen, daß die anderen abrüsten, um mir die Aufrüstung zu ersparen? Aber mitten eines bis an die Zähne bewaffneten Europas kann Deutschland allein nicht unbewaffnet bleiben.' - Ich muß gestehen, daß mich die Einfachheit und Logik dieser Argumentation stark beeindruckte. Ich begann Hitler Glauben zu schenken, daß er alle zu Gebote stehenden Mittel in den Dienst der sozialen Aufgabe stellen und den Wiederaufbau Deutschlands mit Werken des Friedens vollziehen wolle."
Gerade bei der polnischen Frage ist er, wie einwandfreie Unterlagen beweisen, eindeutig so behutsam vorgegangen, daß sich eine Einigung hätte erzielen lassen müssen, wenn auf der anderen Seite der Wille dazu dagewesen wäre; es gab auch Kreise auf der anderen Seite, wozu ich in erster Linie den englischen Botschafter Henderson zählen möchte, welche dies wollten, doch nicht entscheidend waren. Ich sage dies ausdrücklich, weil deren Wollen oft für die Gegenseite zitiert wird, wodurch leicht Trugschlüsse hervorgerufen werden können. Es ist erschütternd festzustellen, mit welcher Geduld Hitler jeden Vermittlungsvorschlag bis zum 3. September 1939 aufgriff. Da gerade dieser Umstand den Geschichtsfälschern, darunter auch deutschen Historikern, störend ist, verwenden sie die Lüge, daß Hitler bei der Besprechung am 22. August 1939 in Berchtesgaden seiner Sorge Ausdruck gegeben habe, daß in letzter Minute "irgend ein Schweinehund mit einem Vermittlungsvorschlag dazwischenkomme." Gottseidank hat wenigstens ein Offizier, der Generaladmiral a.D. Hermann Boehm, es übernommen, durch Eid diese Lüge und sonstige zu widerlegen, welche in den anderen beiden Protokollen über diese Besprechung enthalten waren. Hat Hitler nicht am 6. Oktober 1939 nach dem Sieg über Polen, und am 19. Juli 1940 nach dem Sieg über Frankreich, den Feindmächten einen Frieden angeboten und nicht noch später mehrere Friedensversuche von neutraler Seite zustimmend behandelt, welche aber von der Gegenseite alle abgelehnt wurden?32 Mit welchem Geist diese Friedensversuche seitens unserer derzeitigen Historiker beurteilt werden, beweist die Tatsache, daß sie entweder - neben allen unwichtigen Kleinigkeiten - gar nicht erwähnt oder aber hämisch in ihrer Bedeutung verwässert werden. Über die Rede vom 19. Juli 1940 schreibt doch tatsächlich einer dieser Herren, ein anderer ähnlich: "Die Flut der Beförderungen und Auszeichnungen paßte schlecht zu dem beabsichtigten Tenor einer Friedensrede."
"Die Ziele, für die die Alliierten in den Krieg eingetreten sind, Rettung oder Wiederherstellung Polens, sind nicht mehr zu verwirklichen. Im gleichen Augenblick präzisiert sich die Gefahr für Frankreich. Die deutschen Divisionen fluten aus Polen nach Frankreich: von nun an besitzt das deutsche Heer Frankreich gegenüber eine unzweifelhafte Überlegenheit, die mindestens ebenso groß ist wie im Mai 1940. Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo er seine ganzen Kräfte auf eine einzige Font werfen kann: jetzt ist die gefürchtete Situation Wirklichkeit geworden, deren Schreckgespenst immer von den Kriegshetzern zugunsten ihrer Politik ausgenützt worden ist... 'Wir müssen schleunigst in den Krieg eintreten, sowie uns ein Konflikt im Osten dazu Gelegenheit gibt, sonst wird Hitler eines Tages unsere Vereinsamung im Westen benutzen, um uns zu vernichten.' Nun - Ende September 1939 - gibt es keine Ostfront mehr und Frankreich steht praktisch allein. Wenn Hitler den Hintergedanken gehabt hat, den die Kriegshetzer ihm zuschreiben, dann wird er es beweisen und angreifen. Wenn er es dagegen nicht tut und der Versuchung widersteht, dann ist es ein Zeichen, daß er all die Jahre aufrichtig gewesen ist, als er die Konsolidierung des Friedens mit Frankreich und Großbritannien suchte; als er nach Beilegung der Saarzwistigkeiten den Verlauf der deutsch-französischen Grenze für endgültig erklärt hat; als er zugunsten des Friedens im Westen feierlich auf die alten deutschen Forderungen auf Elsaß-Lothringen verzichtete. Die Tatsachen werden hier das letzte Wort haben. Es ist nun so, daß Hitler nicht nur nicht angreift, sondern er erklärt sich sogar öffentlich in seiner Reichstagsrede vom 6. Oktober 1939 zu Friedensverhandlungen mit Frankreich bereit. Eine andere Aufgabe besteht darin, etwas Klarheit in die Ziele der europäischen Außenpolitik zu bringen. Das Reich ist zu diesen Aufklärungen, soweit sie seine Absichten betreffen, bereit. Es hat keine Forderungen mehr außer denen nach Kolonien. Die deutschen Forderungen hierzu sind rechtmäßig begründet. Sie tragen nicht den Charakter eines Ultimatums. Ferner zeigt er auf, daß sich Europa eines Tages der Notwendigkeit einer Rüstungsbeschränkung und einer Zusammenarbeit der Nationen gegenübersehen wird: 'Es wäre vernünftiger, an dieses Problem heranzugehen, ehe Millionen menschlicher Leiber geopfert worden sind. Die Völker und Staatsoberhäupter, die glauben, daß es in einem Krieg nichts als Besiegte geben kann, mögen die Hand ergreifen, die ich ihnen hinstrecke.' Diese Rede fällt zeitlich zwischen Hitlers vernichtenden Sieg in Polen und seinen vernichtenden Sieg im Westen. Wen würde sie heute nicht zutiefst ergreifen? Damals beantworteten London und Paris sie mit Hohngelächter: 'Hitler hat Angst, er kennt seine Unterlegenheit, seine Ohnmacht'."
a) Am 3. September 1939 an Benito Mussolini:
b) Am 30. Oktober 1942 an Sven Hedin:
Das Schicksal Europas und damit einer mehrtausendjährigen Kultur würden unter
diesen Umständen wohl ihr Ende gefunden haben."
31Übrigens hat der Papst zu Mussolini gesagt, er sei ein "Mann der Vorsehung". ...zurück...
32Interessante Angaben findet man darüber
auch in dem Buch von Frau Ilse
Heß, England - Nürnberg - Spandau (1952), über ihren Mann, der ja
mit
seinem Flug nach England als Reichsminister seine Freiheit und sein Leben nicht riskierte, um
einen Wochenendausflug zu machen, sondern um den Frieden mit England vor dem Krieg mit
Rußland herbeizuführen. ...zurück... |