  |
Der ekle Wurm
der deutschen Zwietracht
Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944
Friedrich Lenz
17. Die Brüder Erich und Theodor Kordt
Wir müssen hier noch zweier Männer gedenken, welche im Rahmen aller
Verschwöreraktionen die folgenschwerste Arbeit verrichteten: Es sind die Brüder
Erich und Theo Kordt, des Herrn Staatssekretärs Weizsäckers
"rechte
Hände". Sie haben es unternommen, den Herren Halifax und
Vansittart vor München, vor Abschluß
des deutsch-russischen Paktes und vor Ausbruch des Krieges mit Polen alle wichtigen
Staatsgeheimnisse, von welchen sie teils durch ihre Tätigkeit im Auswärtigen Amt
und teils durch vorsichtiges Aushorchen der nächsten Umgebung Hitlers Kenntnis
erlangten, zu übermitteln. Sie gingen hierbei mit solcher Raffiniertheit vor, daß man
der technischen Seite ihres Vorgehens eigentlich Bewunderung zollen müßte. Da
war
der alte Hagen ein Waisenknabe hinsichtlich der Art, wie er Krimhildens Geheimnis entlockte.
Die Schilderungen dieser Aktionen im Buche Erich Kordts, Nicht aus den Akten, lassen
jeden anständigen Deutschen zur Verzweiflung gelangen über so viel Gemeinheit
und
Dummheit, mit welcher von eigenen Leuten dem mächtigsten
Manne Englands - dem Manne, der seit dreißig Jahren als größter
Deutschenhasser jedem Kinde bekannt war, nach dem der Begriff des "Vansittartismus"
geprägt wurde, der das wichtige Amt eines "Beraters Seiner Majestät
Regierung" innehatte - nicht nur die wichtigsten Staatsgeheimnisse verraten, sondern auch ihm
nahegelegt wurde, Maßnahmen gegen das eigene Staatsoberhaupt zu ergreifen, das man
zuvor auf das gemeinste verleumdet hatte. Gleichzeitig versprachen sie
auftraggemäß
den eigenen Staatsstreich gegen ihr Staatsoberhaupt! Gegen ihres? O nein, sie hatten ja keines mehr, denn sie hatten es schon
längst
abgeschrieben. Nein - es war das Staatsoberhaupt des deutschen Volkes, das sich die Gesetze,
durch die es am 2. August 1934 nach dem Tode des Reichspräsidenten
von Hindenburg zum
Staatsoberhaupt mit Zustimmung sämtlicher 14 Minister, worunter sieben
"bürgerliche" waren, ernannt worden war, am 19. August 1934 vom Volke in einer
Volksabstimmung bestätigen ließ. Die Begründung für diese
Abstimmung
ist zu klassisch, als daß sie hier ausgelassen werden dürfte: "Ich will, daß die
vom Kabinett beschlossene und verfassungsrechtlich gültige Betrauung meiner Person
und
damit des Reichskanzeramtes an sich mit den Funktionen des Reichspräsidenten
ausdrücklich die Sanktion des deutsche Volkes erhält. Fest durchdrungen von der
Überzeugung, daß jede Staatsgewalt vom Volke ausgeht und von ihm in freier und
geheimer Wahl bestätigt sein muß, bitte ich Sie, den Beschluß des Kabinetts
dem deutschen Volke zur freien Volksabstimmung vorlegen zulassen." Für die Billigung
des Gesetzes stimmten 90% aller wahlberechtigten Deutschen. Wer will bestreite, daß
derjenige, der dieses Staatsoberhaupt verriet, damit nicht auch das von diesem geführte
Volk
verraten hat?
Am 5. September 1938, als der erste Verrat erfolgte, hatten die Verräter noch gar keinen
Beweis, daß Hitler auf alle Fälle den Krieg wollte. Oder wollen sie behaupten,
daß der nach so vielen enttäuschenden Absagen mit Druck vorgebrachte Anspruch
auf
Rückkehr der dreieinhalb Millionen Sudetendeutschen unbegründet oder ein
Angriff
auf die Freiheit der Engländer war, zu deren Gunsten die Staatsgeheimnisse verraten
wurden? Oder können mir die Herren Kordt jene Engländer nennen, die England
verraten haben, weil England seine zahlreichen Kolonien anderen Völkern wegnahm, weil
England jahrhundertelang gegen die Freiheit der Irländer kämpfte, weil England
Kopenhagen mitten im Frieden überfiel, weil England die Buren bekriegte und in
Konzentrationslager steckte, weil England den Opiumkrieg führte oder gegen die Sepoys
kämpfte? Das werden sie nicht können.
Herr Vansittart aber sagte, als sich die Herren Kordt in Nürnberg auf ihre ehrenvolle
Arbeit
beriefen: Ich kenne diese Menschen nicht! Ein Glück, daß sich in Herrn Halifax ein
zweifelsfreier Zeuge fand, denn sonst könnten die Herren gar nicht ruhig schlafen, ohne
ihren Verrat eindeutig bestätigt zu sehen. Er ist bestätigt und wird Deutschland
ewig
an eine große Schande erinnern müssen. Trotzdem ist Herr Dr. Theo Kordt heute
Botschaftsrat im Auswärtigen Dienst
der Bundesrepublik - und gerade deswegen hat ihn der Untersuchungsausschuß
für geeignet zur Weiterverwendung befunden. Wo sich Herr Erich Kordt aufhält, ist
mir nicht bekannt. Ich zweifle weder, daß es ihm gut geht, noch daß er persona
gratissima ist.
Bevor ich dieses Kapitel abschließe, will ich noch erwähnen, was
Herr Vansittart am 31. August 1939 zu Herrn Kordt sagte:
"England wird diesen Krieg bis zum äußersten durchfechten und wie
Samson in der Bibel werden wir die Säulen des Palastes einreißen und alles
darunter
begraben."
|
|
 
Der ekle Wurm der deutschen Zwietracht
Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944
|
|