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IV. Die wichtigsten Rohstoffe und ihre Quellen (Forts.)
2. Sonstige Faserstoffe
Bildet die Baumwolle den unentbehrlichen Grundstoff für alle Zweige der Textilindustrie,
die Garne oder Gewebe für Bekleidungsstoffe aller Art herstellen, so verbrauchen andere
Zweige dieser Industrie für ihre Zwecke Hanf oder hanfartiges Rohmaterial. Dazu
gehören vornehmlich die Bindegarnindustrie, die Seilerei, die
Tauwerk- und Netzindustrie, die Jutespinnerei und
‑weberei, in gewissem Sinne auch die Papierindustrie und das Tapezierergewerbe.
Die für diese Zwecke benötigten Faserstoffe sind fast ausschließlich
ausländischen Ursprungs, und ihre Einfuhr ist, wie die nachstehende Übersicht
zeigt, sehr beträchtlich. Wir stellen die Einfuhrzahlen des letzten Friedensjahres
und der drei letzten Kalenderjahre einander gegenüber:
|
|
|
In 1000 t |
|
In Millionen M |
|
|
| 1913 |
|
1923 |
|
1924 |
|
1925 |
1913 |
|
1923 |
|
1924 |
|
1925 |
|
| Flachs, roh u. gereinigt |
71,6 |
8,6 |
11,9 |
13,4 |
58,8 |
14,1 |
23,2 |
28,1 |
| Flachswerg |
22,4 |
2,8 |
4,2 |
5,1 |
15,5 |
2,0 |
4,3 |
7,0 |
| Hanf |
48,7 |
16,4 |
18,7 |
18,2 |
35,6 |
16,4 |
27,8 |
30,9 |
| Hanfwerg |
16,0 |
3,9 |
5,2 |
5,6 |
9,0 |
2,7 |
4,9 |
6,1 |
| Ramie |
2,4 |
1,3 |
1,8 |
2,9 |
2,3 |
1,8 |
2,3 |
3,7 |
| Jute, Jutewerg |
162,1 |
92,9 |
112,4 |
135,4 |
94,0 |
48,2 |
59,8 |
117,7 |
| Manilahanf u. -werg |
4,0 |
4,1 |
6,4 |
5,4 |
2,4 |
2,8 |
5,0 |
5,2 |
| Sisalhanf |
3,6 |
4,8 |
7,8 |
15,6 |
2,4 |
3,3 |
6,6 |
14,2 |
| Kapok |
3,3 |
0,2 |
0,7 |
3,1 |
4,5 |
0,4 |
1,5 |
8,5 |
Sonstige überseeische
Fasern und Abfälle |
22,1 |
3,7 |
6,1 |
12,9 |
10,8 |
2,0 |
4,2 |
10,6 |
|
|
356,2 |
138,7 |
175,2 |
217,6 |
235,3 |
93,7 |
139,6 |
232,0 |
|
Es zeigt sich auch hier, daß die Einfuhr der Nachkriegszeit mengenmäßig in
den Jahren 1923 und 1924 weit hinter der des letzten Friedensjahres zurückstand und auch
1925 noch nicht zwei Drittel des letzteren betrug, während ihr Wert den der
Friedenseinfuhr erreichte. Auch hier also, wie bei Baumwolle, besteht eine ungenügende
Versorgung bei gleichzeitiger Verteuerung. Weiter aber läßt sich erkennen,
daß innerhalb der vom Ausland bezogenen Faserstoffe die überseeischen an
Bedeutung ganz außerordentlich gewonnen haben, während die kontinentalen
Ur- [56] sprungs, Flachs und
Hanf, erheblich zurückgetreten sind. Faßt man die beiden Gruppen
zusammen, so ergibt sich, wieder in 1000 t ausgedrückt, folgendes Bild der
Einfuhr:
|
1913 |
1923 |
1924 |
1925 |
| Nichtkoloniale Faserstoffe |
158,7 |
31,7 |
40,0 |
42,3 |
| Koloniale Faserstoffe |
197,5 |
107,0 |
135,1 |
175,3 |
Während also 1913 erst rund 53 v. H. der eingeführten Faserstoffe, der
Menge nach, aus überseeischen Gebieten stammten, waren 1924 rund
77 v. H., 1925 rund 81 v. H. kolonialen Ursprungs. Unter den
letzteren hat die Jute, die fast ausschließlich aus
Britisch-Indien kommt, die Hauptbedeutung erlangt; um ein Viertel höher als im Frieden
ist die Einfuhr von Manilahanf, mehr als viermal so hoch die von Sisal. Der
erstere wird nach wie vor bis auf wenige Tonnen von den Philippinen bezogen. Sisal kam 1913
zu mehr als zwei Dritteln der Gesamtmenge aus
Deutsch-Ostafrika. Heute liefert mehr als die Hälfte der Sisaleinfuhr
Niederländisch-Indien, ein weiteres Drittel
Britisch-Ostafrika.
Es entspricht unserer Rohstoffnot, daß eine Ausfuhr unbearbeiteter Faserstoffe im
Gegensatz zum Frieden heute so gut wie gar nicht mehr stattfindet. Es wurden
ausgeführt (in 1000 t):
|
1913 |
1923 |
1924 |
1925 |
| Nichtkoloniale Faserstoffe |
52,9 |
1,0 |
2,9 |
3,8 |
| Koloniale Faserstoffe |
14,1 |
5,1 |
4,5 |
6,5 |
Die steigende Bedeutung der kolonialen Faserstoffe und die Monopolstellung, die ihre
wichtigsten Erzeugungsgebiete gegenüber Deutschland hatten, zeitigten
Bemühungen, unsere überseeischen Besitzungen auch zu ihrer Erzeugung
auszunutzen. Das ist vor allen Dingen in
Deutsch-Ostafrika geschehen, und zwar durch die Kultur der Sisalagave. Schon 1893
wurden Versuche mit der Agavenkultur gemacht, und 1898 wurde der erste Sisalhanf dort
geerntet. Die Kulturen machten gute Fortschritte und stellten schließlich die
hoffnungsreichste Plantagenkultur dieses Schutzgebietes dar. Die Ausdehnung der Pflanzungen
läßt sich aus
folgenden Zahlen ablesen:
|
Agavenkulturen
überhaupt |
davon
ertragsfähig |
| 1908 |
14 204 |
ha |
4 376 |
ha |
| 1913 |
24 751 |
" |
14 359 |
" |
Es zeigte sich, daß der ostafrikanische Sisalbau nicht nur schnell steigende Erträge,
sondern auch qualitativ ausgezeichnete
Ergeb- [57] nisse lieferte, so daß sein Produkt
in mancher Hinsicht dem teureren Manilahanf überlegen war. Seine Bruchfestigkeit und
seine Elastizität waren höher, so daß Sisal für die Herstellung von
Tauwerk und Bindegarn nicht nur von der deutschen, sondern auch von der ausländischen
Industrie bevorzugt wurde. Es ist bereits früher erwähnt, daß zwei Drittel des
deutschen Bedarfes aus Ostafrika gedeckt wurden, während der
Yukatan-Sisalhanf, der früher der deutschen Industrie fast allein zur Verfügung
stand, sein Feld verlor.
Die Ausfuhr von Sisalhanf aus
Deutsch-Ostafrika stieg schnell und betrug
|
1000 t |
Millionen M |
|
|
|
1000 t |
Millionen M |
| 1905 |
1,4 |
1,1 |
1910 |
7,2 |
3,0 |
| 1906 |
1,9 |
1,4 |
1911 |
11,2 |
4,5 |
| 1907 |
2,8 |
2,2 |
1912 |
17,1 |
7,4 |
| 1908 |
3,9 |
2,9 |
1913 |
20,8 |
10,7 |
| 1909 |
5,3 |
2,3 |
|
Der Ausfuhrwert für 1913 stellt rund 30 v. H. der gesamten Ausfuhr des
Schutzgebietes dar.
Eine andere Faserpflanze, deren Anbau – wiederum in
Ostafrika – mit Erfolg unternommen wurde, ist der Kapok, ein Baum, der in seinen
Fruchtkapseln sehr weiche Fasern birgt, die als Kissenfüllung unter dem Namen
"Pflanzendaunen" bekannt sind. Er hat die wertvolle Eigenschaft, sehr leicht und
schwimmfähig zu sein, und über trifft in dieser Hinsicht den Kork. Man hat ihn
daher in neuerer Zeit vielfach zur Herstellung von
Schwimm- und Rettungsgürteln benutzt. Aus Ostafrika war zum erstenmal im Jahre 1909
ein Posten Kapok von 18 Tonnen ausgeführt worden. Die Beachtung, die ihm geschenkt
wurde, hat zu einer plantagenmäßigen Kultur dieser Pflanze geführt. Bereits
im Jahre 1911 waren 694 ha damit bebaut; 1913 war die Anbaufläche auf 2632 ha, davon
641 ha ertragsfähig, gestiegen. Zur Ausfuhr gelangten:
|
Tonnen |
Tausend M |
|
|
|
Tonnen |
Tausend M |
| 1909 |
18,1 |
9,1 |
1912 |
53,1 |
62,6 |
| 1910 |
12,2 |
13,0 |
1913 |
61,8 |
74,4 |
| 1911 |
28,6 |
23,0 |
|
In Togo waren Ansätze zur Kultur von Sisal und Kapok in den letzten
Vorkriegsjahren ebenfalls vorhanden. Zur Klärung der Sortenfrage, die auch hierbei vor
allem wichtig ist, wurden von den Regierungslandwirten und den Stationen eingehende
Untersuchungen vorgenommen, ebenso war die Saatgutverteilung [58] an die Eingeborenen bereits eingeleitet
worden. Inwieweit diese Kulturen in Togo zu Ergebnissen hätten führen
können, hat sich durch den Ausbruch des Krieges nicht mehr feststellen lassen. An den
Faserbau in Ostafrika aber war die Erwartung zu knüpfen, auf dem Wege der
Eigenproduktion zu einer Erleichterung der Versorgungsmöglichkeiten unserer Industrie
zu gelangen.
In sämtlichen deutschen Tropenkolonien waren im übrigen Faserstoffe, wie
z. B. Kokosfaser (Coir), Piassave usw., die für die Industrie ebenfalls unentbehrlich
sind, reichlich vorhanden.
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