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der deutschen Kolonien
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Deutschlands Kolonialkriege (Teil
1)
[53-55=Illustrationen] [56]
Befriedung der Hottentotten
1889-1894
Dr. Alex Haenicke
Mehr als zwei Jahrhundert hatten Holländer und Engländer
nötig gehabt, um den Widerstand der Eingeborenen in ihren
südafrikanischen Kolonien zu brechen. Der unabhängige Rest zog
nach Deutsch-Südwest ab. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wanderten
immer weitere Hottentottenstämme über den Oranje
nordwärts, darunter die Orlams, Hottentottensklaven, die holländisch
sprachen und im Besitz von Gewehren und Munition waren, wodurch sie
Hottentotten und Hereros überlegen wurden. Nach längerem
Umherstreifen setzten sie sich unter starken Häuptlingen in Berseba,
Gibeon, Windhuk und Gobabis fest. Unter
Jager-, Jonker- und Jan-Jonker-Afrikaner unterwarfen sie das ganze Land vom
Oranje bis zur Etoschapfanne, sowohl Bergdamas wie Hereros, das von Norden
her (bis 1870) in der Stärke von etwa
150 - 200 000 Köpfen eingewanderte Hirtenvolk vom
Bantustamme. Jahrzehntelang befehdeten sie sich gegenseitig grimmig mit
wechselndem Kriegsglück.
[72]
Oberhäuptling Samuel Maharero,
Okahandja 1885. Deutsch-Südwestafrika.
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[72]
Bergdamara aus dem Namaland.
Deutsch-Südwestafrika. |
Erst 1863, als auch die Hereros durch
Viehtausch in den Besitz von Waffen gelangt waren, befreiten sie sich unter
Samuel Maharero vom Joche der Hottentotten. Deren Sinnen und Trachten
richtete sich allein auf Rinderraub, um Waffen und Munition, Pferde, Branntwein
und europäische Kleidung dafür einzuhandeln. Ihre Frauen
stolzierten damals in Samt und Seide einher. Ende der sechziger Jahre gewannen
sie unter Hendrik Witboi wieder die Oberhand, und eine schlimme Zeit
blutiger Fehden setzte ein. Witboi und Jan-Jonkers hausten in den unwirtlichen
Schluchten des Glansbergs und fielen sengend und brennend über Feinde
und Bundesgenossen her, plünderten sie aus und hielten Südwest in
Aufregung und Unruhe. "Auf die Ermahnungen seines
Missionars - Witboi war Christ -, der wiederholt versuchte, ihn zum
Friedensschluß zu bewegen, erklärte er dünkelhaft, daß
Gott selbst ihm den Krieg geboten, ihm Gelingen verheißen und ein Zeichen
vom Himmel gegeben habe." (Schwabe: Mit Schwert und Pflug in
Deutsch-Südwestafrika, Berlin 1904.) Der bis 1892 andauernde Krieg
machte aus dem Rest der stark zusammengeschmolzenen Hottentotten "stahlharte
Soldaten". Der erste Reichskommissar konnte, da es ihm an ausreichenden
Machtmitteln fehlte, den Zwist nicht beilegen und mußte infolge der Hetze
englischer Agenten mit seinen Beamten das Land 1888 wieder verlassen.
Darauf kam 1889 Hauptmann Kurt v. Francois zunächst mit einer
Schutztruppe von nur 30 Mann nach Südwest und trieb Hendrik Witboi, der
in seinem Hochmut die Annahme der deutschen Schutzherrschaft verweigert
hatte, in seinem Hauptlager Hornkrans in die Enge, nachdem er alle Pässe
und Zugänge zu dem Felsennest besetzt hatte. Hendrik selbst entkam zwar,
aber Frau und Tochter [57] fielen in seine Hände. "Ohne eine Spur
von Furcht trat sie vor uns und antwortete frei und stolz auf alle Fragen. Sie riet,
in die Heimat zurückzukehren; denn ihr Vater werde einst wie ein
Löwe über uns herfallen und Vergeltung üben." (Schwabe.)
Ohne das Schutz-und-Trutz-Bündnis mit den geländekundigen
Rehobother Bastarden hätte die noch landesunkundige kleine Truppe die
Geländeschwierigkeiten kaum überwinden können. Auch war
der Gegner nicht nur ein geschickter Reiter und Schütze, sondern auch
durch seine lange Kriegserfahrung und seine gute Bewaffnung, seine
militärische Zucht und Fechtweise gefährlich und nicht zu
unterschätzen. Wegen der Nachschubschwierigkeiten mußte die
Verfolgung Witbois aufgegeben werden. Major v. Francois mußte
sich darauf beschränken, das Bastardland durch Besetzung einer Anzahl
Wasserplätze vor der Überrumpelung durch die Witboileute zu
schützen, konnte aber nicht verhindern, daß andere
Hottentottenstämme im Osten das Land beunruhigten.
Seit 1894 ging Major Leutwein mit stärkeren Kräften
erneut gegen Witboi vor, ohne dessen Befriedung das Land nicht der deutschen
Besiedlung erschlossen werden konnte. In der Naukluft (enge Kluft), einem
Gebirgsstock von Harzgröße,
der - "erdrückend und gewaltig, einem riesigen Kastelle
gleich" - aus den Ebenen des Namalandes hervorwächst,
erfüllte sich zunächst das Geschick Witbois. Im Tsondaptal, einem
der Eingangstore zum Gebirgsinnern, protzten die beiden Geschütze ab.
Witboi verlegte sich aufs Verhandeln, dann drohte er, doch die Deutschen
ließen sich nicht einschüchtern. Hendrik hatte nicht erwartet,
daß sie ihm in das Gebirge folgen würden. Nach Ablauf des
Waffenstillstandes, der ihm noch gewährt war, erstürmten die
Deutschen in der Nacht, die Höhe erklimmend, die Hauptwerft Witbois.
Unter der heldenmütigen Führung des Hauptmanns
v. Estorff war die 1. Kompanie morgens in den
Haupteingang der Naukluft eingedrungen, nachdem die Geschütze die
Schanzwerke der Hottentotten unter Feuer genommen hatten, und hatte den Feind,
der unsichtbar in Deckung stand und mit großer Sicherheit zielte, unter
gewaltigen Anstrengungen zurückgeworfen. Immer wieder setzten sich die
Witbois fest, immer wildere Landschaften öffneten sich den Verfolgern.
Denn die Witboileute entwichen eiligst über Felsgewirr, Schründe
und Trümmerfelder. Auf beiden Seiten wurde mit der größten
Erbitterung Tag und Nacht gekämpft, bis die Witbois in die Ebene
gedrängt waren. "Hendrik Witboi ergab sich schließlich, ohne den
letzten Angriff abzuwarten" (1894). Leutwein wies ihm Gibeon als Wohnsitz an
und sicherte ihm ein Jahresgehalt zu. Bei dem ungeheuren Einfluß auf seine
Stammesbrüder, den er für die deutsche Herrschaft ausnutzen wollte,
schien es ihm geratener, ihn zu schonen. Hendrik verpfändete sein Wort,
Frieden zu halten und Heeresfolge zu leisten, wenn es erforderlich würde.
Deutsch-Südwest war frei für Handel und Besiedlung. Ein
Zusammenarbeiten mit selbständigen Stämmen hatte sich als
unmöglich erwiesen.
[58]
Der Hereroaufstand
1904-1907
Der Aufstand setzte
unvermittelt in den ersten Novembertagen 1903 mit dem
Aufstand der Bondelzwarts um Warmbad ein. Leutwein mußte aus dem
ruhig scheinenden Hererogebiet alle Truppen fortnehmen. Hendrik Witboi leistete
dabei vertragsgetreu Heeresfolge und kämpfte unter deutschen Offizieren.
Kaum sahen die Hereros ihr Gebiet von Truppen entblößt, als sie
nach geheimer Vereinbarung, von der selbst die unter ihnen lebenden Missionare
nichts gemerkt hatten, Anfang Januar 1904 losschlugen. Sie stahlen Vieh auf den
einsamen Farmen und ermordeten etwa 150 Farmer und Soldaten. Auf die
Schreckensnachricht hin kehrte die Kompanie Franke sofort um, legte
380 Kilometer in vier Tagen zurück und entsetzte "in beispielloser Hingabe
und Tapferkeit" die bedrohten Orte Windhuk, Okahandja und Omaruru. Die
Hereros zogen sich in die Onjatiberge zurück. Nachdem die Heimat
Verstärkung unter Major v. Estorff und
v. Glasenapp geschickt hatte (23 Offiziere und 600 Mann), kam
es zu schweren Zusammenstößen mit den Hereros, die über
30 000 Gewehre verfügten. Die deutschen Truppen reichten nicht
aus, um den Waterberg, den letzten Unterschlupf des Feindes, völlig
einzukreisen. Am 11. August 1904 wurde er mit allen verfügbaren
Kräften von mehreren Seiten her angegriffen. In dem durch dichten
Dornbusch unübersichtlichen Gelände stießen sie auf
zähen Widerstand und wurden hart bedrängt. Vom wolkenlosen
Himmel brannte die Sonne erbarmungslos auf die verdursteten Truppen, die bis in
die sinkende Nacht hinein erbittert kämpften und die Hereros aus den
Felsen und Klippen des Südabhangs des Waterberges verjagten.
Der Tag endete mit dem vollen Sieg. Die Hereros zogen in wilder Flucht nach
Südosten ab und entwichen in die Omaheke (das große Sandfeld).
Dort mangelte es ihnen in der September/Oktober einsetzenden Trockenzeit stark
an Wasser. Hauptmann Klein, der die Verfolgung aufnahm, fand die
wenigen Wasserlöcher von totem Vieh verstopft. Überall fand er
längs des Weges verdurstete Hottentotten, die zu Hunderten in den
Gebüschen am Wege lagen, neben- und übereinander. Er
mußte schließlich die Verfolgung aufgeben und starb, nachdem er
seine Aufgabe bis zur äußersten Grenze menschlicher
Leistungsfähigkeit erfüllt hatte, am Typhus. Die Widerstandskraft
der Hereros war gebrochen. Die viehische Grausamkeit, mit der sie sich an
verwundeten Kriegern vergangen hatten, rächte sich durch ihren Untergang.
Nach dem Kriege waren sie kein selbständiger Volksstamm mehr. Samuel
Maharero floh mit einem Teil auf englisches Gebiet, ein Teil wurde Minenarbeiter
am Kap, ein andrer floh zu den Hottentotten, ein dritter trieb sich in den Steppen
umher, einer wurde schließlich Eisenbahnarbeiter bei den Deutschen.
Gouverneur v. Lindequist siedelte sie in Reservaten an.
Das Sandfeld blieb monatelang mit eiserner Strenge abgesperrt. Das Land war bis
auf den südlichsten Teil erobert; die bis vor kurzem noch als
gefährdet anzusehende Herrschaft des Deutschen Reiches schien gesichert
zu sein.
[59]
Der Aufstand der
Hottentotten
Da lief im Oktober 1904 die Botschaft vom Aufstand der Hottentotten ein. Sie
hatten die nachsichtige Behandlung nicht vertragen und als Schmach ausgelegt.
Vor den Augen von Frau und Kindern hatten sie ihren Missionar Holzapfel
ermordet. Neben einer Anzahl von Farmern wurde auch der Bezirksamtmann
v. Burgsdorff das Opfer seines Vertrauens. Sofort rückte
das 2. Feldregiment nach Süden ab. Deimling erhielt den
Oberbefehl. Hendrik Witboi, auf dem v. Burgsdorff und Leutwein
geschworen hatten, war damals bereits an 80 Jahre und stand unter dem
unseligen Einfluß eines fanatischen schwarzen Wanderapostels der
äthiopischen Kirche, der den alten Mann aufgehetzt hatte. Zögernd
schlossen sich die anderen Hottentottenstämme an. Die abwartende Haltung
der Deutschen legten sie als Schwäche aus. Ihr Hochmut, ihre
unbändige Freiheitsliebe und ihre kriegerische Gesinnung ertrugen den
Frieden nicht länger. Ungeheuer beweglich, durch ihre Anspruchslosigkeit
und Landeskenntnis im Vorteil, wichen sie jeder Entscheidung aus. Die ungeheure
Ausdehnung des Kriegsschauplatzes, die den Nachschub von Nahrungsmitteln
und Munition oft in Frage stellte und zur Vernichtung zahlreicher Patrouillen und
Proviantkolonnen führte, außerdem an die Willensstärke des
einzelnen Soldaten allerhöchste Anforderungen stellte, von denen
besonders hohe Marschleistungen gefordert wurden, und die den Feind und seine
feldmäßige Angriffsweise erst kennenlernen mußten, um mit
ihr fertigwerden zu können, das Fehlen von ausgebauten Wegen und
Bahnlinien, den Nachschub zu sichern und zu beschleunigen, zogen den Feldzug
in die Länge. Am 1. Dezember begann der Vormarsch auf Rietmont, wo
Hendrik kampfbereit stand. Deimling fand aber die Werft leer, die fluchtartig nach
heißem Kampf um die Wasserstelle bei Naris von dem Kapitän
verlassen war, denn vor seinem Pontok stand noch sein Lehnstuhl mit Decken und
Fellen, der Tisch mit der unangerührten Mahlzeit, seinen Briefschaften und
Büchern, seinen Gewehren und geraubten deutschen Offizierssäbeln.
Während Hendrik in der Richtung des Auob bis Gochas entwich, ging die
deutsche Truppe bei Kalfontein am Auob ins Lager, weil es an Verpflegung und
Ausrüstung mangelte. Im Auobtale vereinigten sich Hendrik mit
Simon-Copperleuten, während sein Schwiegersohn Cornelius von
Bethanien mit etwa 200 Mann die Station Maltahöhe angriff, aber
von Hauptmann Ritter am Hudup nach elfstündigem hartem
Kampfe aus seiner Stellung verjagt wurde. Im Januar 1905 wurde Hendrik bei
Gr.-Nabas, wo er eine starke Stellung in den Dünen bezogen
hatte, von drei Seiten umfaßt. Der steigende Durst stellte die braven
Schutztruppler auf eine harte Probe. Als die Dunkelheit hereinbrach, flaute das
Gefecht auf beiden Seiten ab. Ein Gewitter zog auf. Die Soldaten spannten
Zeltbahnen, um das erquickende Naß aufzufangen, aber ein Sturm verjagte
die Wolken, ehe es zum Regnen kam. Die Truppen verbrachten die Nacht mit
dem Gewehr im Arm. Mit Sonnenaufgang flammte das Gefecht wieder auf.
Manch einen verließ die Besinnung vor Durst. Oben- [60] drein begann die Munition knapp zu werden,
während der Feind mit verstärkter Kraft feuerte. Manch einer trank
das Blut getöteter Pferde oder legte sich einen Stein in den Mund. Andere
traf der Hitzschlag, oder sie wurden wahnsinnig vor Hitze und stürzten sich
besinnungslos auf den Feind, dessen Kugeln sie durchsiebten. Die Hottentotten
höhnten die Halbverdursteten, indem sie ihre gefüllten
Wassersäcke hochhielten und riefen: "Dütschmann sehr durstig!
Gutes Wasser hier!" Der am Verbandsplatz schwerverwundet liegende Major
v. Nauendorf bot im Fieber 1000 Mark für einen Schluck
Wasser. Sein schwerverwundeter Sergeant kommt herangekrochen und bietet ihm
den letzten Schluck Rotwein aus seiner Feldflasche an. Der Major lehnt nach
kurzem Kampfe mit sich selbst das Angebot ab: "Behalten Sie den Wein
für sich selbst, Sie müssen zurück zum Geschütz. Mit
mir ist es ja doch vorbei." Die Lage spitzte sich zu, als die Hereros am
Nachmittage einen Vorstoß wagten. Es gelang ihnen aber nicht, die beiden
Flügelgeschütze zu nehmen. Endlich hatte ein Eingeborener
eineinhalb Stunden rückwärts eine Regenrinne gefunden. Mit dem
ersten Becher Wasser hob sich die Stimmung in den Schützenlinien. "Das
Wasser sah aus wie Kartoffelsuppe, aber geschmeckt hat es schöner als das
schönste Glas Pilsener zu Haus." Am Abend des dritten Gefechtstages
verkündete ferner Kanonendonner das Anrücken der rettenden
Kameraden. Die Hottentotten schimpften laut und verschwanden nach dem
erfolgreichen Sturm der Abteilung Meister auf die Wasserstelle. Danach
wurde das Gebiet von Kalkfontein besetzt, um den Hottentotten die
Rückkehr zu verlegen. Deimling wandte sich nun zum Angriff gegen die
Karasberge, in denen sich Jakob Morenga mit seinen
Bondelzwarts festgelegt hatte. Morenga war ein baumlanger, schlanker Herero,
etwa 50 Jahre alt, der früher in den Kapminen viel Geld verdient hatte, sich
nie am Leben der Farmer, die er ausplünderte, vergriff, einen englischen
Sekretär als Kriegsberichterstatter bei sich hatte und in der Narudasschlucht
der Karasberge, die reichlich gutes Wasser und Weide besaß, seine Herden
vereinigt hielt, wo er sich vor jedem Angriff sicher fühlte. Mit seinem
wachsenden Anhang überfiel er Warmbad, wo er jedoch energisch
abgewiesen wurde. Auf 500 bis 800 Gewehre angewachsen, mußte er
unschädlich gemacht werden. Ein Bastard übernahm die
Führung der Truppe. Nachdem das Plateau von Kraikluft erstiegen,
Geschütze und Maschinengewehre in Stellung gebracht und eine sehr
ergiebige Wasserstelle gefunden worden war, wurde der Feind in der Schlucht
schwer beschossen. Unter größten Anstrengungen bei der
Überwindung der tiefen Querschluchten wurde der fliehende Feind
verdrängt. All sein Vieh und Kleinvieh fiel der Schutztruppe in die
Hände. Obwohl er sich zunächst auf die schwächste deutsche
Abteilung warf, konnte er die Südausgang der Schlucht doch nicht mehr
rechtzeitig besetzen. Er wurde umzingelt, und seine Banden wurden zersprengt.
Morenga floh zunächst auf englisches Gebiet, sammelte aber, bald
zurückkehrend, seine Banden wieder, mit denen es dann in den
östlichen Karasbergen noch zu mehreren schweren Gefechten kam, bis er
nach dem Gefecht bei Narus in Verhandlungen eintrat und nach dem
Oranje abzog. General v. Trotha
über- [61] nahm jetzt die Leitung
des Feldzuges gegen die Hottentotten von seinem Hauptquartier Gibeon aus
selbst. Er erließ eine Proklamation an die Hottentotten und eröffnete
ihnen die Bedingungen für ihre Unterwerfung und setzte Preise auf die
Köpfe der Haupträdelsführer.
Cornelius saß mit seinem Bethanieranhang in Keitsub,
später in Kutip, und belästigte Patrouillen. Von allen Seiten
bedrängt, floh er in wilder Flucht in Richtung Berseba und wurde den
Fischfluß abwärts verfolgt. Das Vorwärtskommen im
Triebsand war ungemein schwer. Bei Gaos eingeholt, ließ er in wilder
Flucht alle Pferde, alles Vieh und Kleinvieh zurück, aber entscheidend
geschlagen wurde er nicht. Er vereinigte sich jetzt mit Morris und den
Bondels, deren Kapitän Christians - den Leutnant
v. Trotha, der freundschaftlich mit ihm über den
Friedensschluß verhandeln wollte, nicht vor der Ermordung hatte
schützen können - durch einen Irrtum aus der Haft entlassen
war. Sie hatten im unteren Fischflußtal eine starke Stellung bei Kochas
bezogen und hielten sich durch Viehdiebstähle. Der Fischfluß bildet
vom Haomusriver ab bis zu seiner Mündung in den Oranje ein
tiefeingeschnittenes, von steilen Felswänden ummauertes Tal von
100 - 150 Meter Sohlenbreite. An den Biegungen erweitert es sich
zu weiten Kesseln, die von Klippen, Felsblöcken oder Dünen
durchsetzt sind. Parallel mit ihm verläuft ein nach Süden immer
höher und schroffer werdendes Gebirge, das schließlich mit den den
Oranje begleitenden Ketten verschmilzt. Nur von Osten her öffnen sich
zwei Zugänge, die "Trothaschlucht" und das Guisibrivier. Die Hottentotten
hielten die Höhen und benutzten Klippen und Felsen als Deckung. Jeder
einzelne lag unsichtbar hinter einer kleinen Schanze mit Schießscharte etwa
50 Meter vom nächsten entfernt, so daß das Gefecht stundenlang
währen konnte, ehe die Truppe einen Hottentotten zu Gesicht bekam.
Unsichtbar räumten sie unhaltbare Stellungen, waren clownartig gewandt
beim Vor- und Zurückgehen, zerstoben in alle Winde beim Rückzug,
um sich bei der nächsten Wasserstelle wieder zusammenzufinden.
Trotzdem wurde Cornelius den ganzen Fischfluß hinuntergejagt, wich aber,
ohne geschlagen zu sein, nach Warmbad aus.
Morenga war inzwischen in die großen Karasberge entkommen, aus denen
er über die Grenze auf englisches Gebiet gedrängt wurde, ohne dort
zu bleiben oder entwaffnet zu werden.
Die Witbois waren nach den unglücklichen Kämpfen am Auob in die
Kalahari geflüchtet, wo ihnen der Wassermangel ein entbehrungsreiches
Leben aufzwang. Lange Zeit wußten die Deutschen nichts über ihren
Verbleib. Dann überfielen sie plötzlich am Auob Transporte, worauf
sie ebenso schnell wieder in die Kalahari entschwanden. Als sie dort einen
katholischen Pater ermordeten und eine deutsche Kompanie angriffen,
rückte Major v. Estorff gegen ihre Schlupflöcher auf
beschwerlichem Wege über die Dünen vor und brachte Hendrik,
nachdem er alle Wasserstellen besetzt hatte, empfindliche Verluste bei. Er
verschwand darauf in der Wüste, wo viele seiner Leute verdarben, auch der
ruchlose Mörder des Bezirkshauptmanns v. Burgsdorff. Seine
weitere Verfolgung mußte aufgegeben [62] werden. Später
gelang es ihm noch einmal, die Absperrungslinie am Auob zu durchbrechen. Die
Not hatte ihn dazu bewogen. Gelungene Überfälle und Zuzug von
Hererobanden machten ihn sicher. Damit war er aber in eine Falle gegangen, die
v. Trotha längst geplant hatte. Zwar mißlang die
Umzingelung im Achabgebirge durch zu früh einsetzendes
Geschützfeuer, dennoch wurde er so vernichtend geschlagen, daß die
Widerstandskraft der Witboileute endgültig gebrochen war.
Hendrik selbst erhielt auf der Flucht eine tödliche Wunde, an der
er verblutete. Sein Tod war das Zeichen zur Aufgabe der letzten
Wasserstellen.
Cornelius vermochte, gut unterrichtet von Bersebaleuten, seine
Verfolger immer wieder von seiner Spur abzubringen. Zufuhrschwierigkeiten auf
dem Baiwege von Lüderitzbucht her und die 1905 ausbrechende Rinderpest
verurteilten die oft in schwieriger Lage Befindlichen zur Untätigkeit. Hafer
für die aus Südamerika beschafften Maultiere fehlte, und die Weide
war versengt. Darunter litt die Beweglichkeit der Truppe. Patrouillen und
Gewaltmärsche verbrauchten Menschen und Tiere. Oft fehlte der Truppe
beides. Endlich wurde Cornelius im März 1906, halb zu Tode gehetzt, bei
Heikoms gestellt, wo er sich erschöpft ergab. Er wurde nach dem Norden
des Schutzgebietes abtransportiert und zunächst in Omaruru angesiedelt.
"Er war wie eine lästige Fliege gewesen, die immer wieder
zurückkehrt, so oft sie auch vertrieben wird." Andere Stammteile
unterwarfen sich daraufhin freiwillig. Nur die Bondelzwarts wußten sich
durch Viehdiebstähle in den schwer zugänglichen Oranjebergen noch
eine Weile zu halten.
Die Abteilung Coppy marschierte auf unwegsamen Saumpfaden den
Oranje abwärts. Die Sonne brannte auf die kahlen Felsen vom wolkenlosen
Himmel und erschöpfte Reiter und Pferde. Meist mußte nachts
marschiert werden. Weide fehlte so gut wie ganz, von etwas Schilf abgesehen.
Von den Hottentotten war keine Spur zu sehen, so sehr die Truppe darauf brannte,
an den Feind zu kommen. Bei Hartebeestmund geriet die Abteilung in
eine Falle zwischen den Dünen und hatte einen schweren Stand. Auf dem
eiligen Rückweg, quer durch die Oranjeberge, blieb sie 40 Stunden ohne
einen Tropfen Wasser. Gewissenlose weiße Händler an der
englischen Grenze, die den Hottentotten für gestohlenes Kriegsgut
Munition und Verpflegung lieferten, wodurch das englische Gebiet für sie
zur Operationsbasis wurde, zogen den Krieg ungebührlich in die
Länge, besonders, da die Hottentotten jeden Schlupfwinkel und jede
Wasserstelle weithin kannten. Erst als die englische Grenze für die Zufuhr
gesperrt wurde, kam es zur Krisis. Für die Deutschen war die Hauptsache,
den Transportverkehr Warmbad - Ramansdrift offenzuhalten und
den Fuhrpark bei Norechab vor Überfällen zu sichern. Als Major
v. Estorff das Kommando über die Truppen des
Südbezirks (Dezember 1905) übernahm, blieb ihm die Aufgabe, die
letzten Reste der Bondelzwarts und etwa dazustoßende Hottentottenbanden
langsam einzukreisen und zur letzten Übergabe zu zwingen. Durch
Kundschafter über jede deutsche Truppenbewegung genauestens
unterrichtet, ließen sie es auf keinen Entscheidungskampf ankommen und
wichen immer wieder aus, wobei sie versuchten, die Deutschen in Hinterhalte zu
locken. [63] Nur durch
äußerste Wachsamkeit konnten Überrumpelungen abgewehrt
werden. Ihre Raubzüge führten trotz der Zurückhaltung der
Truppen zu gelegentlichen Zusammenstößen. Verschiedentlich
wurden Hottentottenbanden zum Übertritt auf englisches Gebiet
gezwungen, schließlich auch Morenga, nachdem sämtliche Waffen
seiner Bande in deutsche Hände gefallen waren. Danach herrschte im
allgemeinen im östlichen und südöstlichen Bezirk des
Namalandes Ruhe.
Die letzten, nach Osten entwichenen Bondelzwarts wurden bei
Sperlingspütz gestellt. Wieder wichen sie nach Westen aus und
führten einen ermüdenden Kleinkrieg, der sich hauptsächlich
auf Viehdiebstähle gründete. Oberst v. Deimling
stellte an den großen und kleinen Karasbergen an verschiedenen
Punkten Verfolgungskolonnen auf, die den Feind durch unablässige Hetze
ermatten und in seiner Widerstandskraft treffen sollten. Dieses Verfahren
führte nun zu schneller Beendigung des Kleinkriegs. Nahrungsmangel
ließ sie im Oktober zu Friedensverhandlungen bereit werden,
während deren es aber nicht an gelegentlichen
Hottentottenüberfällen fehlte. Die Verhandlungen waren nach
dreijährigem, erbittert geführtem Kriege sehr schwierig.
Schließlich erklärten sie sich aber zur Abgabe aller Waffen bereit. Sie
durften in ihrem alten Wohnbezirk sitzenbleiben und saßen bereits am
Weihnachtstage 1906 in Frieden mit den Deutschen zusammen in der Kirche, das
Weihnachtsfest zu feiern, als hätte es keinen Krieg gegeben. Am 31.
März 1907 wurde der Kriegszustand aufgehoben.
Deutsch-Südwest, das so viel deutsches Blut getrunken hatte, war "ein
Stück deutsches Land" geworden und versprach eine wirtschaftliche
Zukunft. Der Krieg war kein Kampf für "eine Wüste und
Sandbüchse" gewesen, sondern für eine Kolonie, die seitdem infolge
der zahlreichen Opfer, die er gefordert hatte, dem deutschen Herzen am
nächsten lag.
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