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XVI. Wege zum Anschluß   (Forts.)

[590]
Die Einordnung der gesamtdeutschen in die internationale Handelspolitik
Richard Riedl, a. o. Gesandter und bev. Minister a. D. (Wien)

Liquidierung des Krieges • Erleichterung des Handelsverkehrs durch internationale Vereinbarungen • Die wirtschaftlichen Aktionen des Völkerbundes • Das zollpolitische Problem vor allem ein europäisches • Die Bedeutung der großen Räume im Wirtschaftsleben • Politische Einflüsse in der europäischen Wirtschaftsbewegung • Vorerst nur der wirtschaftliche Zusammenschluß einer größeren oder kleineren Gruppe europäischer Staaten möglich • Wirtschaftsbündnis oder Zollunion • Bedeutung des Binnentarifs • Entwurf über ein Wirtschaftsbündnis europäischer Staaten • Die Stellung Englands • Frage der Meistbegünstigung • Die Agrarkrise • Der agrarische Osten • Das industrielle Mitteleuropa • Die Entwicklung der österreichischen Ausfuhr • Notwendigkeit der Umkehr der mitteleuropäischen Handelspolitik • Die Agrarstaatenblockbildung in Osteuropa • Keine mitteleuropäische Lösung ohne das Deutsche Reich und Österreich.

Als man während des Krieges über ein engeres Wirtschaftsbündnis Österreich-Ungarns und des Deutschen Reiches verhandelte, stand man noch voll unter der Herrschaft des feindlichen Gegensatzes, der Europa und die Welt in zwei Kriegslager zerriß. Man rüstete die Abwehrfront für den Wirtschaftskrieg, der auf der Pariser Wirtschaftskonferenz vom Juni 1916 angesagt worden war und den Kampf der Waffen überdauern sollte. Die Friedensverträge wimmeln noch von Bestimmungen, die nur als wirtschaftliche Kampfmaßnahmen bezeichnet werden können und zum Teil wörtlich den Beschlüssen der Pariser Wirtschaftskonferenz entsprechen. Der Gegensatz zwischen den Gruppen, die sich im Kriege als Feinde gegenübergestanden waren, sollte mit ihrer Hilfe erhalten, womöglich von neuem gewaltsamer Lösung zugeführt werden. Als der Ruhrkampf ausbrach, schien dieser Zweck erreicht zu sein. Es ist seither anders gekommen. Die Reparationsfrage wurde auf den Weg friedlicher Regelung gebracht, das Ruhrgebiet wurde geräumt und die Geltungsdauer der in den Friedensverträgen enthaltenen wirtschaftlichen Kampfmaßnahmen lief ab, ohne daß es zu der in den Verträgen vorgesehenen Verlängerung gekommen wäre. Das Abkommen von Locarno wurde unterzeichnet und zwischen den zwei Hauptgegnern, zwischen Frankreich und dem Deutschen Reiche, wurde am 20. August 1927 ein Handelsvertrag unterzeichnet, der zum erstenmal seit 1870 eine umfassende Regelung des gegenseitigen Handelsverkehres beider Länder brachte und umfangreiche Tarifabreden enthielt. Auf allen Gebieten flaute der Kampfgeist ab, wurden die von Feindseligkeit getragenen Bestimmungen der Friedensverträge durch Vereinbarungen ersetzt, die wirklich dem Frieden dienten. Young-Plan und Rheinlandräumung bezeichnen die letzten Abschnitte dieser Entwicklung, wenn auch noch keineswegs ihren befriedigenden Abschluß. Nur eine Frage wurde auf Seite unserer Gegner dauernd unter dem Zeichen der aus dem Kriege übernommenen Gegensätzlichkeit betrachtet: die Frage eines engeren Verhältnisses, sei es auch nur auf wirtschaftlichem Gebiete, zwischen dem Deutschen Reiche [591] und dem neuen Österreich, wie es nach Zertrümmerung der habsburgischen Monarchie als verstümmelter Rest zurückgeblieben war.

Mit seinem gegenwärtigen Gebiete ein "Land der unmöglichen Begrenztheit" darstellend, war das neue Österreich Zeit seines Bestehens darauf hingewiesen, eine Erweiterung seines Wirtschaftsraumes zu suchen. Der natürlichste und den besten Erfolg verheißende Weg, die wirtschaftliche Union mit dem Deutschen Reiche, wurde ihm versperrt, nicht so sehr durch die Bestimmungen der Friedensverträge, als durch deren willkürliche Auslegung, durch die Wirren der Zeit und durch die gesteigerte Abhängigkeit von den ehemals feindlichen Staaten, in die Österreich durch seine wirtschaftliche Notlage geraten war. Den Weg, den man ihm in den Friedensverträgen gewiesen hatte und auf den man es wiederholt zu drängen suchte, den Weg wirtschaftlichen Zusammenschlusses mit den anderen Nachfolgestaaten der alten Monarchie, vor allem mit der Tschechoslowakei, konnte es nicht betreten, ohne sich in die Hände wirtschaftlicher und nationaler Gegner zu liefern, deren ausgesprochenes Programm es heute noch ist, daß Österreich sich einem "unvermeidlichen Einschrumpfungsprozeß" zu unterwerfen habe. So blieb für Österreich nur ein Ausweg: die Förderung der Bestrebungen, die auf die Erleichterung des Handelsverkehres durch internationale Vereinbarungen und auf die Bildung wirtschaftlicher Gruppen gerichtet sind, innerhalb deren Österreich nicht nur entgegengesetzt interessierte, sondern auch ehrlich neutrale, befreundete und stammverwandte Länder zu finden erwarten kann.

Diese Bestrebungen bewegten sich zunächst im Rahmen der vom Völkerbund eingeleiteten Aktionen zur Regelung wirtschaftlicher Fragen durch internationale Vereinbarungen.1

[592] Sie trugen, der Zusammensetzung des Völkerbundes entsprechend, der Form nach einen universellen Charakter. In Wahrheit war jedoch ihr eigentlicher Träger ein Block europäischer Staaten, der Mitteleuropa (das ist Frankreich, Belgien, Holland, Deutschland, die Schweiz, Österreich, Italien, die Tschechoslowakei und weiter nach Osten hin noch Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland), ferner die skandinavischen Länder und Großbritannien umfaßt. Seitens dieser Staaten wurden die Verträge, die den Aktionen des Völkerbundes entsprangen, auch ratifiziert und in Kraft gesetzt. Die übrigen europäischen Staaten blieben diesen Verträgen völlig fern oder haben nur einzelne ratifiziert. Und das gleiche gilt von den Ländern der Übersee, abgesehen von wenigen Ausnahmen, als welche Japan, Siam und als einziges unter den britischen Dominions Neuseeland zu nennen sind. In Wirklichkeit fehlte also den wirtschaftlichen Aktionen des Völkerbundes der weltumfassende Charakter, den man ihnen beizulegen bestrebt war, obwohl es sich bei ihnen zunächst nur um Fragen gehandelt hatte, die einer allgemeinen, auf alle Länder der Welt gleichmäßig anwendbaren Lösung ihrer Natur nach zugänglich waren. Um so fraglicher mußte es erscheinen, ob Aktionen, die tiefer in das wirtschaftliche Leben der einzelnen Länder eingreifen und daher in erhöhtem Maße mit der Verschiedenheit der Verhältnisse rechnen müssen, mit Aussicht auf Erfolg in Angriff genommen werden können, wenn man sich nicht auf einen engeren Kreis von Ländern beschränkt, die sich geographisch und kulturell, wirtschaftlich und geschichtlich so nahe stehen, daß sie es vertragen, in einem bestimmten Sinne als eine natürliche Einheit behandelt zu werden. Ganz besonders gilt dies von zollpolitischen Vereinbarungen. Die vom Völkerbund auf diesem Gebiete eingeleiteten Arbeiten blieben auch ohne positives Ergebnis und auf der Völkerbundversammlung vom September 1929 wurde es bereits offen ausge- [593] sprochen, daß das zollpolitische Problem in erster Linie ein europäisches sei und daß seine Lösung nicht durch Schaffung neuer internationaler Verträge von zweifelhafter Wirksamkeit herbeigeführt werden könne, sondern innerhalb eines engeren Kreises europäischer Staaten gesucht werden müsse.

Innerhalb Europas wird die wirtschaftliche Zersplitterung und die Erschwerung des Handels durch Zölle und Verbote am härtesten empfunden. Im Gegensatz zu der Richtung, welche die Entwicklung der übrigen Welt beherrscht, war hier das Ergebnis des Krieges die Auflösung der großen Wirtschaftsgebiete Rußlands und der österreichisch-ungarischen Monarchie, so daß sich die Länge der Zollgrenzen innerhalb Europas um 7000 Kilometer vermehrte, das ist um ungefähr soviel, wie die Gesamtlänge der transsibirischen Bahn bis zum Stillen Ozean. Dies geschah in einer Zeit, in der die Lebensmöglichkeit kleiner Wirtschaftsgebiete immer mehr schwindet. Die modernen Wirtschaftsmethoden setzen eine entsprechende Ausdehnung und Aufnahmefähigkeit des inneren Marktes voraus, wenn sie in vollem Umfange zur Anwendung kommen, ihre Wirkungen voll entfalten und nicht das Gegenteil des erstrebten Erfolges herbeiführen sollen. Daher lasten auch die Folgen der handelspolitischen Zersplitterung Europas am schwersten auf den kleinen Staaten, wie Österreich einer ist. Aber auch für die größeren, innerhalb Europas bestehenden Wirtschaftseinheiten bedeutet der gegenwärtige Zustand, wenn er andauert, eine Gefährdung. Groß und klein sind in der Geschichte der Staaten und Völker relative Begriffe, die sich oft überraschend ändern. Vor zweihundert Jahren zählten die Niederlande, Dänemark und Schweden noch zu den europäischen Großmächten. Sie sind, wie vor ihnen schon Venedig, von dieser Stellung herabgeglitten, weil ihre geographische Basis zu schmal war. Ein ähnliches Schicksal droht den europäischen Großmächten von heute gegenüber den Weltmächten der Übersee und ebenso gegenüber den Riesenreichen des Ostens, sobald diese erst ihre Regeneration vollendet haben werden.

Das Hereinspielen politischer Erwägungen hat leider bewirkt, daß man es bei dem Versuche wirtschaftlicher Zusammenfassung einer größeren oder kleineren Zahl europäischer Staaten nicht bewenden ließ. Der Vorschlag, welchen Briand in Ausführung des Auftrages erstattete, der ihm im September 1929 von der Völkerbundversammlung erteilt worden war, geht auf eine politische Fö- [594] deration womöglich aller europäischen Staaten, die notwendigerweise entweder die Verewigung des gegenwärtigen Zustandes bezwecken oder eine Organisation zu seiner Revision sein muß. Schon jetzt zeigt sich, daß der Vorschlag an diesem Dilemma scheitern muß. Die Anschauungen der einzelnen Staaten und ihre politischen Ziele stehen sich in dieser Beziehung allzu schroff gegenüber. Selbst im Rahmen des Bestehenden wäre eine Einigung über grundlegende Fragen, wie z. B. über das Minderheitenproblem, kaum zu erzielen. Ehe nicht neue Rechtsbegriffe erwachsen sind, ehe nicht die Achtung vor geschichtlicher Wahrheit wieder hergestellt und das unverjährbare Recht der Völker auf Freiheit von fremder Bedrückung anerkannt ist, muß die politische Föderation der europäischen Staaten ein unerfüllbarer Traum bleiben. Erreichbar ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur der wirtschaftliche Zusammenschluß einer größeren oder kleineren Gruppe europäischer Staaten, der an sich schon eine nicht zu unterschätzende Gewähr friedlicher Entwicklung und jedenfalls die Grundlage neuer Prosperität der europäischen Wirtschaft bilden würde.

Den Weg, der zu einem solchen Zusammenschluß führen kann, weist uns die Geschichte. Schon im Jahre 1891 wurde mit Erfolg der erste Versuch gemacht, auf dem Wege gemeinsamer Verhandlungen zu planmäßiger und übersichtlicher Regelung der handelspolitischen Beziehungen innerhalb einer Gruppe europäischer Staaten zu gelangen. Damals verhandelten Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich erst untereinander, dann gemeinsam mit Italien, der Schweiz und Belgien über den Abschluß von Handelsverträgen, und das Ergebnis war ein Vertragssystem, das diese fünf Staaten wechselseitig miteinander verband. Diese Methode gemeinsamer Verhandlung war für jene Zeit eine unerhörte Neuerung. Sie wurde infolgedessen auch nicht streng durchgeführt. Ihre Anwendung beschränkte sich vor allem auf die beiden Mächte, von denen der Anstoß zu den Verhandlungen ausgegangen war, auf Österreich-Ungarn und Deutschland. Sie traten gemeinsam den anderen gegenüber, wenn auch nicht immer an demselben Verhandlungstische; zum Teil begnügten sie sich damit, die Verhandlungen in getrennten Kommissionen parallel zu führen, allerdings immer zu gleicher Zeit, am gleichen Orte und im gemeinsamen Einverständnis. Nichtsdestoweniger bedeutete diese Art der Verhandlungsführung einen großen technischen Fortschritt. Man ging nicht, wie dies bei isolierten Verhandlungen zu geschehen [595] pflegt, darauf aus, für diesen oder jenen Wirtschaftszweig einen Vorteil zu erlangen und im Austausch dafür ebenso planlos zu geben, was man nicht weigern konnte. Man brauchte auch nicht ängstlich mit Zugeständnissen zurückzuhalten, deren man für spätere Verhandlungen mit einem anderen Staate bedurfte; man faßte vielmehr bewußt das Ziel ins Auge, durch Verhandlungen, die zwischen den fünf Staaten gleichzeitig geführt wurden, einheitlich konstruierte Vertragstarife zustande zu bringen, die für jeden Staat das Äußerste der zur Zeit möglichen Zugeständnisse bedeuteten und gleichzeitig überlegt und systematisch in das Gefüge der autonomen Tarife eingebaut waren. Dieses Ziel wäre vielleicht noch vollkommener erreicht worden, wenn man die Vertreter aller fünf Staaten zu einer Konferenz über die Regelung der gegenseitigen Handelsbeziehungen und über die Gestaltung der künftigen Vertragstarife vereinigt hätte. Hiefür war jedoch die Zeit noch nicht reif, die Technik mehrseitiger Verträge und Verhandlungen noch zu wenig entwickelt, die Hemmung zu groß, die aus politischen Erwägungen, aus dem Souveränitätsdünkel und aus der Eifersucht der einzelnen Mächte entsprang. Heute sind diese Hindernisse größtenteils verschwunden. Durch die Arbeiten des Völkerbundes und seiner Kommissionen ist es uns eine gewohnte Erscheinung geworden, daß eine Mehrzahl von Staaten sich zu gemeinsamer Verhandlung über wirtschaftliche Fragen in einer Konferenz und an einem Tische vereinigen. Es bedürfte keines großen Entschlusses, diese Methode gemeinsamer Verhandlungen auch auf handels- und zollpolitische Fragen anzuwenden. Was man im Jahre 1891 angestrebt hatte, würde dadurch in vollkommenerer Weise erreicht werden. Man würde mit offenen Karten spielen. Es fiele die Notwendigkeit weg, Zugeständnisse zurückzuhalten, die man bei späteren Verhandlungen mit einem anderen Vertragspartner besser verwerten zu können glaubt, und man würde gleichzeitig in voller Kenntnis der Forderungen verhandeln, die von anderer Seite gestellt werden, wodurch man der Gefahr überhoben wäre, Bemühungen und Opfer auf die Erlangung von Zugeständnissen zu verwenden, die ohnehin jemand anderem gemacht werden müssen.

Das Ziel solcher gemeinsamer Verhandlungen müßte der Abschluß tarifarischer Vereinbarungen sein, die über einen gewöhnlichen Handelsvertrag weit hinausgehen, ohne zur vollständigen Zollunion zu führen. Der wirtschaftliche Zusammenschluß einer Gruppe von Staaten, die im Laufe einer langen geschichtlichen Entwicklung [596] zu selbständigen Individualitäten erwachsen sind und von Völkern verschiedener Nationalität und Sprache bewohnt werden, ist ein Vorgang ohne Vorbild in der Geschichte, wenn er freiwillig und ohne den beherrschenden Zwang, der von Eroberung und Unterwerfung ausgeht, sich vollziehen soll. Wir sind durch das Schicksal und den Zwang wirtschaftlicher Tatsachen vor diese neuartige Aufgabe gestellt worden. Wir können uns bei ihrer Lösung nicht an die Schablone alter Vertragsformen binden. Was anzustreben ist, könnte am ehesten als Wirtschaftsbündnis oder, wenn man schon mit gewohnten Kategorien arbeiten will, als eine Art unvollkommener Zollunion bezeichnet werden.

Ein solches Wirtschaftsbündnis könnte etwa in der Art gedacht werden, daß jeder ihm beitretende Staat mit allen übrigen Verbündeten in gemeinsamen Verhandlungen einen Binnentarif vereinbart, der nur für den gegenseitigen Verkehr gelten, für diesen jedoch möglichst weitgehende Zollbefreiungen und Zollermäßigungen enthalten würde. Ebenso wären im Vertrage auch andere Fragen, die für die Entwicklung des gegenseitigen Verkehres der verbündeten Staaten nicht minder wichtig sind als die Zollfragen, einheitlich und nach möglichst liberalen Gesichtspunkten zu regeln, so insbesondere die Fragen des indirekten Protektionismus, der Ein- und Ausfuhrverbote, des Fremdenrechtes und der Verkehrspolitik.

Die Beschränkung der Zugeständnisse auf den inneren Verkehr der Verbündeten untereinander würde es möglich machen, in der Beseitigung oder Ermäßigung von Zöllen und anderen Hindernissen des Verkehres viel weiter zu gehen, als dies in zweiseitigen, unter dem Drucke der Meistbegünstigung stehenden Verträgen tunlich wäre, ohne daß deswegen die gebotene Rücksicht auf die eigene Wirtschaft und auf die Verschiedenheit der Produktionsbedingungen völlig beiseite gesetzt werden müßte.

Die Bürgschaft dafür, daß alle beteiligten Staaten mit ihren Zugeständnissen tatsächlich bis an die äußerste Grenze des Möglichen und Vertretbaren gehen, wäre nicht in der Aufstellung irgendeines Schlüssels oder einer automatisch wirkenden Formel zu suchen. Sie läge in der gemeinsamen Führung der Verhandlungen und in dem gegenseitigen Drucke, der dadurch geübt wird, daß jeder Teilnehmer an diesen gemeinsamen Verhandlungen die Verwirklichung seiner Wünsche, ja unter Umständen seine Aufnahme in das Bündnis durch seine eigene Bereitwilligkeit bedingt sieht, die Grund- [597] sätze des Bündnisvertrages auch auf seinen eigenen Tarif und die dort enthaltenen Zölle anzuwenden.

Die Regelung des Verhältnisses zu außenstehenden Staaten, die sich an den Verhandlungen nicht beteiligen oder dem Vertrage nicht beitreten, sowie die Höhe der Außenzölle, die diesen gegenüber gelten sollen, bliebe fürs erste freier Verfügung jedes einzelnen der verbündeten Staaten überlassen, vorbehaltlich derjenigen Maßnahmen, die sich als unerläßlich erweisen, um die Umgehung der Außenzölle eines verbündeten Staates durch die indirekte Einfuhr über das Gebiet eines anderen unmöglich zu machen. Dagegen wäre die Festlegung einer bestimmten Spannung zwischen den Binnenzöllen, die ein verbündeter Staat einem anderen einräumt, und den Außenzöllen, die er auf die Einfuhr der dem Bündnis nicht beigetretenen Staaten anwendet, zu vermeiden. Denn die Absicht des Wirtschaftsbündnisses wäre nicht, wie die des englischen Präferentialsystems, auf die Diskrimination außenstehender Staaten gerichtet, sondern nur auf die möglichst weitgehende und allmählich fortschreitende Befreiung des gegenseitigen Verkehres der verbündeten Staaten von den bestehenden Hemmnissen.

Zwischen den verbündeten Staaten würde volle und unbedingte Meistbegünstigung herrschen, die sich auf alle, sei es einem verbündeten, sei es einem außenstehenden Staate eingeräumten Vorteile zu erstrecken hätte, lediglich mit Ausnahme derjenigen, die sich aus dem Abschlusse einer Zollunion ergeben oder zur Erleichterung des kleinen Grenzverkehres gewährt werden.

Rücksichten der Billigkeit lassen es dabei als geboten erscheinen, europäischen Staaten, die dem Bündnisse zwar nicht formell beitreten, jedoch ihre Tarifgesetzgebung so eingerichtet haben, daß sie allen im Falle ihres Beitrittes billigerweise zu stellenden Anforderungen entspricht, die Meistbegünstigung im selben Umfange wie einem verbündeten Staate so lange einzuräumen, als sie ihre Tarifgesetzgebung nicht zu ungunsten der verbündeten Staaten ändern. Eine solche Billigkeitsklausel wäre insbesondere mit Rücksicht auf die eigentümliche Lage Großbritanniens notwendig. Das Verhältnis zu den übrigen Teilen seines Reiches würde es für England schwer machen, einem europäisch-kontinentalen Wirtschaftsbündnisse beizutreten. Die Billigkeitsklausel würde es ihm ermöglichen, die bisherige Mittelstellung zwischen seinem überseeischen Reiche und dem europäischen Kontinent beizubehalten, solange es an der bisherigen freihändleri- [598] schen Politik festhält, die ihm zweifellos ein moralisches Recht darauf gibt, alle Begünstigungen zu beanspruchen, welche die verbündeten Staaten sich hinsichtlich ihrer Tarife gegenseitig einräumen.

England behielte dabei immer die Freiheit der Wahl, auf diese Weise gewissermaßen externes Mitglied des europäischen Wirtschaftsbündnisses zu sein oder es unter Verzicht auf diese Stellung mit dem Schutzzoll und dem Ausbau des Präferentialsystems innerhalb des britischen Reiches zu versuchen. Für seine Entscheidung dürfte vielleicht in die Wagschale fallen, daß die Einwohnerzahl der fünf britischen Dominions ungefähr derjenigen gleichkommt, die Österreich und die Tschechoslowakei zusammen aufweisen, und daß der Anschluß Indiens an ein britisches Präferentialsystem doch vielleicht zweifelhaft sein würde.

Für alle außenstehenden Staaten, welche die für die Anwendung der Billigkeitsklausel gesetzten Bedingungen nicht erfüllen, würde die Meistbegünstigung dahin eingeschränkt werden, daß sie nur für Begünstigungen gilt, die anderen dem Bündnisse nicht angehörigen Staaten gewährt werden, und daß sie keinen Anspruch auf die Sondervorteile sichert, welche die verbündeten Staaten sich gegenseitig einräumen.

Diese Einschränkung der Meistbegünstigung wäre einer der Kernpunkte des ganzen Vertragsverhältnisses. Die Weiterbildung des mitteleuropäischen Vertragssystems von 1891 ist dadurch vereitelt worden, daß man sich zu dieser Einschränkung nicht entschloß – vielleicht nicht entschließen konnte. Der Rückfall in diesen Fehler würde bewirken, daß es weder zu einem Wirtschaftsbündnisse, noch zum Abbau der Zölle durch ein auf der allgemeinen Meistbegünstigung beruhendes Vertragssystem kommt.

Denn im Mittelpunkt aller europäischen Handelspolitik steht heute die Agrarkrise; gegen die Landwirtschaft Handelspolitik zu machen, ist unmöglich, sowohl mit Rücksicht auf staatliche und nationale Interessen erster Ordnung, wie auch mit Rücksicht auf den politischen Einfluß, über den die agrarischen Parteien in fast allen Ländern verfügen.

Aus diesem Grunde ist auch alles Gerede von einer wirtschaftlichen Föderation der Donaustaaten eitel.

Die agrarischen Glieder dieser Ländergruppe – Ungarn, Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien – haben in Getreide (Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Mais) und Mehl (dieses auf Getreide umge- [599] rechnet) einen Ausfuhrüberschuß von rund 40 bis 45 Millionen dz, wozu in besseren Erntejahren auch noch Polen mit einem Überschuß von 4 bis 5 Millionen dz kommt.2

Ihnen stehen im Donaubecken als Bedarfsländer Österreich mit einem Einfuhrüberschuß von 7 bis 9, die Tschechoslowakei mit einem solchen von 8 Millionen dz gegenüber, so daß beide Staaten weder einzeln, noch vereint imstande wären, ihre Märkte der unter weit günstigeren Verhältnissen produzierenden Landwirtschaft der unteren Donauländer zu öffnen, ohne die Interessen ihrer eigenen Landwirtschaft preiszugeben und damit auch den schärfsten Widerstand ihrer agrarischen Parteien hervorzurufen.

Wenn auch noch das Deutsche Reich, dessen Getreidedefizit 45 bis 50 Millionen dz ausmacht, der Kombination beitreten würde, so stände einem Ausfuhrüberschusse der Produktionsländer von 40 bis 50 Millionen dz ein Einfuhrbedarf der Zuschußgebiete von rund 60 Millionen dz gegenüber. Zieht man jedoch in Betracht, daß auf dem Balkan noch große Flächen unbebauten Landes des Pfluges harren, daß ferner im Jahre 1928 das mittlere Hektarerträgnis in Rumänien für Weizen noch nicht ganz 10 dz, in Polen 12, in Jugoslawien und Frankreich fast 15, in Ungarn 16, in Österreich 17, in Deutschland aber 22 und in Belgien sogar 28 dz betrug und daß die Sicherung eines aufnahmefähigen zollgeschützten Marktes zweifellos eine Steigerung der Produktion herbeiführen wird: so muß es trotzdem fraglich erscheinen, ob man in Deutschland darauf eingehen wird, die Landwirtschaft der Gefahr auszusetzen, daß die gesteigerte Produktion der Donauländer das vorhandene Getreidedefizit nicht nur deckt, sondern übersteigt und infolgedessen den Zollschutz für die deutsche Landwirtschaft nullifiziert.

Denn es ist klar, daß die Außenzölle für Getreide nur wirksam bleiben können, wenn innerhalb des Gesamtgebietes der zollverbündeten Staaten die Produktion wesentlich hinter dem Bedarfe zurückbleibt. Die volle Bürgschaft dafür, daß dieses Verhältnis auf die Dauer erhalten bleibt, ist nur gegeben, wenn das ganze industrielle Europa – also außer Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei auch noch die Schweiz, Italien, Frankreich, Belgien und [600] Holland oder doch ein Teil dieser Länder3 – an der Kombination teilnimmt. Dann steht einem Getreidedefizit der Industriestaaten von 150–170 Millionen dz bloß ein Ausfuhrüberschuß der östlichen Agrarländer von 50 Millionen dz gegenüber, der, auch wenn er sich steigern sollte, immer noch ein Defizit ungedeckt lassen wird, groß genug, um die volle Wirksamkeit der für den Bestand der westeuropäischen Landwirtschaft notwendigen Schutzmaßnahmen zu sichern.

Das Bild bleibt annähernd das gleiche, wenn man der Rechnung nur das Brotgetreide, das ist Weizen und Roggen, oder die vier Hauptgetreidearten mit Ausschluß von Mais zugrunde legt, und ähnlich liegen die Dinge bei anderen landwirtschaftlichen Produkten, insbesondere bei denen der Viehzucht.

So erscheint als die Voraussetzung für die wirtschaftliche Organisation Europas die Organisation des landwirtschaftlichen Defizits. Mit anderen Worten: Die wirtschaftliche Organisation Europas muß ihren Ausgang nehmen von der wirtschaftlichen Konzentration derjenigen Länder, die das "industrielle Europa" bilden.

Zwischen diesen Ländern herrscht auch eine solche Gleichartigkeit der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, eine solche Ähnlichkeit der Mentalität, daß die erste Einigung vielleicht mit weniger Schwierigkeit verbunden sein wird, wenn man sich innerhalb dieses engeren Kreises bewegt und erst später dazu schreitet, die Länder des Ostens und Südostens von Mitteleuropa anzugliedern, mit denen eine Einigung nur zu erzielen ist, wenn ihren steigenden Überschüssen an agrarischen Erzeugnissen ein gesicherter Absatz zu lohnenden Preisen auf einem zollgeschützten Markte gewährleistet werden kann.

Zu Weltmarktpreisen können die Donauländer ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse heute schon ausführen, wohin sie wollen. Eine engere Verbindung mit den Ländern des westlichen Mitteleuropas und der damit notwendigerweise verbundene Verzicht auf prohibitive Zölle zur künstlichen Emporzüchtung ihrer Industrie wird ihnen nur dann annehmbar erscheinen, wenn die Erzeugnisse [601] ihrer Landwirtschaft im Westen eine Vorzugsstellung gewinnen. Und wie im wirtschaftlichen Leben alles auf Wechselwirkung ankommt, so ist die Sicherung eines solchen Marktes für die Überschüsse der osteuropäischen Landwirtschaft auch die Voraussetzung dafür, daß westliches Kapital im größeren Umfange und mit größerer Bereitwilligkeit als bisher Interesse an der Erschließung der Naturschätze und Produktivkräfte der Länder des mitteleuropäischen Ostens nimmt und daß mit steigender Produktion und steigendem Wohlstande dieser Länder auch ihre Aufnahmefähigkeit für fremde Industrieprodukte wächst.

Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt man, wenn man untersucht, welchen Anteil auf der einen Seite das industrielle Mitteleuropa, bestehend aus Frankreich, Belgien, Luxemburg, Holland, Deutschland, der Schweiz, Italien, Österreich und der Tschechoslowakei, auf der anderen Seite das östliche, agrarische Mitteleuropa, bestehend aus Ungarn, Rumänien, Jugoslawien, Bulgarien und Polen, an der Ausfuhr der wichtigeren Industrieländer Europas haben.

Nach den Ländern des industriellen Mitteleuropa führten im Jahre 1928

    Italien 33%
    Deutschland 37%
    Frankreich 39%
    Belgien 43%
    die Schweiz 42%
    die Tschechoslowakei     46%
    Österreich sogar fast 49%

ihres gesamten Exportes aus.

Dagegen entfielen auf das östliche agrarische Mitteleuropa von der gesamten Ausfuhr Belgiens kaum 1%, von der Ausfuhr Frankreichs 1,5%, Italiens 4,4%, der Schweiz 4,5% und Deutschlands 7%, dagegen allerdings von der Ausfuhr der Tschechoslowakei 20% und von derjenigen Österreichs sogar 28%.

Ihrerseits setzten Rumänien 50%, Polen 68%, Ungarn und Jugoslawien 73% ihrer Ausfuhr auf den Märkten der westlichen Industrieländer ab, während die Ausfuhr nach den, ihrer eigenen Gruppe angehörigen Ländern des Ostens in Polen 5%, in Jugoslawien 12%, in Ungarn 16%, in Rumänien 19% der Gesamtausfuhr betrug.

[602] Aus diesen Ziffern ergibt sich vor allem die außerordentliche Bedeutung, die der innere Markt des industriellen Europa für die Länder, die ihm zugehören, heute schon besitzt, trotz der Zollschranken, die sie voneinander trennen. Nahezu 40 bis fast 50% ihrer Ausfuhr betrifft nur einen gegenseitigen Warenaustausch innerhalb dieser Gruppe, eine Art von Binnenverkehr, der zweifellos noch stark an Bedeutung zunehmen würde, wenn die Schranken, die ihn heute noch hemmen, beseitigt oder erniedrigt werden könnten.

Auch für die Agrarländer des Ostens bilden die Märkte des industriellen Mitteleuropa das weitaus wichtigste Absatzgebiet, das bis zu drei Viertel ihrer Ausfuhr aufnimmt, während der Binnenverkehr innerhalb dieser östlichen Staatengruppe lange nicht die Bedeutung hat, wie zwischen den Staaten des industriellen Mitteleuropa.

Ebenso spielt der agrarische Osten für den Export der mitteleuropäischen Industrieländer eine verhältnismäßig bescheidene Rolle; an der Ausfuhr Frankreichs und Belgiens, die am weitesten abliegen, ist der osteuropäische Markt nur mit ganz geringen Prozentsätzen beteiligt; auch für Italien, die Schweiz und Deutschland steht er an Bedeutung weit hinter dem inneren Markte des industriellen Mitteleuropa wie auch hinter den Ländern der Übersee zurück, und nur für die Tschechoslowakei und Österreich erscheint er in der Ausfuhr wie in der Einfuhr mit belangreichen Ziffern.

Ihrer geographischen Lage entsprechend nehmen diese beiden Länder eine Art Mittelstellung ein. Ebenso wie bei ihrem westlichen Nachbarn, ja vielleicht noch in viel höherem Maße, liegt der Schwerpunkt ihres Außenhandels im industriellen Mitteleuropa, dem sie auch nach ihrer wirtschaftlichen und sozialen Struktur angehören. Sie sind jedoch gleichzeitig im hohen Maße an dem Handel mit der östlichen, agrarischen Hälfte Mitteleuropas interessiert, ein Interesse, das allerdings in ständigem Rückgange begriffen zu sein scheint.

Ein sprechendes Beispiel dafür bietet die Entwicklung der österreichischen Ausfuhr. Im schroffen Gegensatze zu der Meinung, daß die Länder der unteren Donau und des Balkans das natürliche Absatzgebiet Österreichs seien und daß die Richtung der österreichischen Handelspolitik vor allem von der Rücksicht auf diese Länder bestimmt sein müßte, ist ihr Anteil am österreichischen Export in ständigem Rückgange begriffen. Er betrug im Jahre 1922 noch 42% der Gesamtausfuhr und ist seither in stetigem Rückgange bis auf 28% im [603] Jahre 1928 gesunken, während der absolute Wert der Ausfuhr nach dem östlichen Mitteleuropa nur um einen geringeren Betrag von 93 auf 88 Millionen Dollar zurückgegangen ist. Im Gegensatze dazu ist die österreichische Ausfuhr nach dem westlichen Mitteleuropa von 99 Millionen Dollar im Jahre 1922 auf 153 Millionen im Jahre 1928, das ist von 44 auf nahezu 49% der Gesamtausfuhr, gestiegen.

Diese Ziffern zeigen mit voller Klarheit, welchen Einfluß die gerade in Osteuropa auf die Spitze getriebene Prohibitivpolitik auf die Entwicklung des Handels übt und in welchem Umfange sie eine Umstellung der Handelsrichtung herbeizuführen vermag. Man kann vielleicht auch a contrario daraus schließen, welche Belebung der Handelsverkehr zwischen dem östlichen und dem westlichen Teile Mitteleuropas im Falle einer Umkehr der mitteleuropäischen Handelspolitik und eines engeren Zusammenschlusses der mitteleuropäischen Länder erfahren würde.

In den Agrarländern Osteuropas hat man dies erkannt. Die Verhandlungen von Bukarest, Sinaia und Warschau zeigen, wie lebhaft das Bedürfnis dieser Staaten ist, sich ein gesichertes Absatzgebiet für den Überschuß ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu schaffen. Sie suchen diesem Ziele durch die Zusammenfassung der agrarischen Exportstaaten näher zu kommen. Sie übersehen dabei, daß das Ziel, das sie anstreben, nur erreicht werden kann, wenn durch die Vereinigung der Einfuhrländer ein aufnahmsfähiger Markt geschaffen wird, der sich den Ausfuhrüberschüssen der Ostländer öffnen kann, ohne für die heimische Landwirtschaft schwerste Gefahren heraufzubeschwören. Vereinzelt und für sich allein stellt keines der west- und mitteleuropäischen Industrieländer einen solchen Markt dar. Erst ihr Zusammenschluß, mag er auch vorläufig nur auf einen Teil von ihnen beschränkt bleiben, vermöchte ihn zu schaffen. Für einen solchen Zusammenschluß bietet das Vertragswerk von 1891 auch noch nach anderer Richtung hin ein Vorbild. Im Mittelpunkte des Vertragssystems von 1891 stand der Handelsvertrag zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und dem Deutschen Reiche. In ähnlicher Weise ist heute schon das Verhältnis zwischen Frankreich und dem Deutschen Reiche zum Angelpunkt der europäischen Handelspolitik geworden und kann es in Zukunft noch in einem höheren Maße werden. Vielleicht darf man noch hoffen, daß von diesen beiden größten Industrie- und Handelsstaaten des europäischen Festlandes der Anstoß zur wirtschaftlichen Neuordnung [604] Mitteleuropas ausgehen wird. Es wäre dies die glücklichste Lösung, die man denken könnte. So heiß man aber ihre Verwirklichung wünschen mag, so sehr muß man damit rechnen, daß engstirniges Verharren in den Gedankengängen, die den wirtschaftlichen Inhalt der Friedensverträge bestimmten, und fortgesetzte Verquickung der wirtschaftlichen Fragen mit solchen der Politik sie verhindern. Man wird in diesem Falle andere Wege zu demselben Ziele suchen müssen, zu dem Ziele der Schaffung eines großen innereuropäischen Wirtschaftsgebietes, die eine Notwendigkeit ist, wenn die wirtschaftliche Zersplitterung Europas nicht zu seinem fortgesetzten wirtschaftlichen Niedergang führen soll. Der Druck der wirtschaftlichen Not wird schließlich stärker sein als die künstlichen Hemmungen, welche die Politik der Entwicklung in den Weg stellt. Die Gedankengänge, welche die Verhandlungen von Bukarest und Sinaia beherrschten, haben in Genf ihren Widerhall gefunden, als dort vom österreichischen Bundeskanzler Schober regionale Lösungen der europäischen Wirtschaftsfrage vorgeschlagen wurden. Keine solche regionale Lösung ist in Mitteleuropa denkbar ohne den festen Rückhalt, den ihr die Aufnahmsfähigkeit des deutschen Marktes gewährt. Fraglich kann nur sein, wie weit sie nach Westen und nach Osten reicht. Die Länder der Mitte müssen ihr angehören, das Deutsche Reich so gut wie das deutsche Österreich.


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1Die wichtigsten Vereinbarungen dieser Art sind die internationalen Konventionen über die Freiheit des Transits, über die internationalen Wasserstraßen, über die Regelung des Eisenbahnverkehres und über den Verkehr in den Seehäfen, welche auf den Verkehrskonferenzen von Barcelona 1921 und Genf 1923 abgeschlossen wurden; ferner die Konvention über die Vereinfachung der Zollformalitäten vom 3. November 1923 und die am 8. November 1927 geschlossene, jedoch nicht in Kraft getretene Konvention über die Beseitigung der Ein- und Ausfuhrverbote. Die im Herbst 1929 abgehaltene Konferenz zum Abschluß einer Konvention über die Rechtsstellung der Fremden blieb erfolglos. Die Weltwirtschaftskonferenz von 1927 stellt die Notwendigkeit fest, auch die Beseitigung der Hemmnisse, welche die übermäßig hohen Zolltarife dem internationalen Warenaustausche entgegensetzen, auf dem Wege kollektiver Aktionen anzustreben. Im wirtschaftlichen Ausschusse des Völkerbundes, der mit der Behandlung dieser Frage betraut wurde, wurde ein Gutachten über die einheitliche Formulierung und Auslegung der Meistbegünstigungsklausel fertiggestellt, das durch den Völkerbundrat den Regierungen zur Stellungnahme übermittelt wurde. Ferner wurden Vorarbeiten für eine einheitliche Einteilung und Nomenklatur der Zolltarife eingeleitet, die bereits ziemlich weit vorgeschritten sind. Dagegen kam es trotz wiederholter und lang andauernder Beratungen zu keiner Einigung über die Einleitung einer Kollektivaktion zur Senkung der Tarife oder auch nur über die Methoden, die bei einer solchen Aktion zu befolgen wären. ...zurück...

2Im Jahre 1928 betrug der Exportüberschuß in Ungarn 7,5, in Jugoslawien 1, in Rumänien 29,2, in Bulgarien 1,4, zusammen also 39,1 Millionen dz, während Polen in diesem Jahre einen Abgang von fast 4 Millionen dz aufweist. ...zurück...

3Das Getreidedefizit betrug im Jahre 1928 in Deutschland 51, in Österreich 6,8, in der Tschechoslowakei 8, in der Schweiz 8, in Italien 37, in Frankreich 17, in Belgien 20, in den Niederlanden 24, zusammen also in diesem Jahre sogar 171,8 Millionen dz. ...zurück...

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Die Anschlußfrage
in ihrer kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bedeutung

Friedrich F. G. Kleinwaechter & Heinz von Paller