I. Das
österreichisch-ungarische Erbe
2. Die
Land- und Forstwirtschaft
[69]
Sudetendeutscher Bauer bei der Arbeit.
(Im Hintergrunde der "Grüner-Berg" 584 m bei Zwickau in
Nordböhmen.)
|
a) Anbau, Ernte
und Viehstand
Die Landwirtschaft in den Sudeten- und Karpathenländern gehört
dank der günstigen klimatischen Verhältnisse zu den entwickeltsten
in Europa überhaupt. Die an Niederschlägen und Wärme
reichen Gebiete längs der Elbe ("Goldene [70] Rute"), March, Donau
und Theiß sind die Getreidekammern des alten und neuen Staates. Hier wird
neben Roggen, der im ganzen Staatsgebiet zu finden ist, vorwiegend Weizen,
Gerste und Zuckerrübe angebaut. Hafer und Kartoffeln beherrschen die
Anbaufläche in den Gebirgsgebieten. Innerböhmen, das
Elbe- und Eger-Bialabecken, ebenso die fruchtbaren Gegenden
Südmährens spenden reichen Obstsegen. An den Hängen des
Elbeufers, in Südmähren und in der südlichen Slowakei reift
noch der Wein. Die Waldwirtschaft erstreckt sich vom Böhmerwald
über das Erzgebirge, die Sudeten bis tief in die Karpathen. Auch
Innerböhmen besitzt ausgedehnte Wälder. Während die
Gebirgsgegenden einen recht extensiv betriebenen Weidewirtschaftsbetrieb
zeigen, ermöglichen die landwirtschaftlichen Industrien der Ebene intensive
Viehmast.
Die Sommertemperatur über 20 Grad, die die Slowakei und die Ebene von
Karpathenrußland zeigen, lassen Mais reifen, während wir in
Böhmen ausgedehnte Flächen mit Klee und Futterrüben
finden. Große Ausdehnung hat auch der Anbau von Gemüse, Mohn
und Zichorie angenommen. Tabaksfelder, die allerdings nur einen Bruchteil des
Bedarfes decken, finden wir in den Pannonischen Ebenen. In den
sudetenländischen Gebirgen wird die Flachskultur gepflegt, während
man in den Karpathenländern Hanf findet. Im Elbeland und in der
fruchtbaren Saazer Ebene finden wir die der Landschaft einen eigenen Charakter
verleihenden Hopfengärten. Die Anbaustatistik für 1935 zeigt
folgendes Bild:
Kulturart |
Tschecho-
slowakei |
Böhmen |
Mähren-
Schlesien |
Slowakei |
Karpathen-
rußland |
|
Flächenausmaß (in
ha) |
Ackerboden (samt
Hopfengärten) |
5,834.916 |
2,461.598 |
1,384.691 |
1,762.414 |
235.213 |
Dauerwiesen |
1,274.874 |
557.834 |
188.429 |
382.745 |
145.866 |
Nutz- u. Handelsgärten |
101.788 |
46,025 |
27.325 |
21.527 |
6.911 |
Weingärten |
21.185 |
403 |
5.330 |
11.782 |
3.670 |
Hutweiden |
1,073.129 |
204.184 |
115.384 |
580.053 |
173.508 |
Weidengärten |
9.367 |
1.661 |
1.421 |
4.600 |
1.685 |
Waldboden |
4,590.027 |
1,565.491 |
786.895 |
1,647.044 |
590.597 |
Zur Fischzucht
benützte Teiche |
46.488 |
40.247 |
5.859 |
342 |
40 |
Sonstige Wasserflächen1 |
85.673 |
21.073 |
11.540 |
42.279 |
10.781 |
Parks und Ziergärten |
35.796 |
20.254 |
8.178 |
6.787 |
577 |
Sonstige Flächen2 |
828.815 |
268.386 |
126.490 |
374.395 |
59.544 |
Bisher nicht
erhobene Flächen3 |
138.889 |
19.060 |
18.912 |
60.617 |
40.300 |
Gesamtflächenausmaß |
14,049.947 |
5,206.216 |
2,680.454 |
4,894.585 |
1,268.692 |
1Samt Seen und Sümpfen.
2D. s. verbaute und alle anderen ertraglosen Flächen.
3Unterschied zwischen den Ergebnissen der Statistik der
landwirtschaftlichen Betriebe vom Jahre 1930 und dem
Gesamt-Flächenausmaß nach dem vom Finanzministerium i. J.
1930 herausgegebenen Ausweis der Gesamtkatastralwerte nach dem Stande vom
1. Jänner 1929. |
[71]
Gehöft bei Franzensbad.
|
[71] Die Ergiebigkeit der
tschechoslowakischen Landwirtschaft wird hier klar ersichtlich aus der
Übersicht über den Anbau und Ertrag der wichtigsten
Fruchtgattungen in den Jahren
1932 - 1934 und im Durchschnitt der Jahre
1928 - 1932. (Siehe
Anhangtabelle III.)
Trotz der Fruchtbarkeit und Ergiebigkeit der landwirtschaftlichen
Nutzflächen ist die tschechoslowakische Landwirtschaft nicht in der Lage,
die Bevölkerung des Staates zu ernähren. Die Versuche, die
Ertragsfähigkeit des Anbaues zu steigern, haben sich als wenig erfolgreich
erwiesen.
Die klimatisch besonders günstig gelegenen Gebiete haben im Laufe der
Jahre zu einer Steigerung der Weinbaukultur geführt.
Bekannter in der Wirtschaft als die tschechoslowakischen Weine sind die
tschechoslowakischen, besonders böhmischen Biere, die ihren Weltruf vor
allem den hochwertigen Hopfenqualitäten zu verdienen haben. Die
bekanntesten Hopfenanbaugebiete sind das Saazer Land am Mittellauf der Eger
und das Auschaer Gebiet an der Elbe, die zum deutschen Siedlungsraum
gehören.
[72]
Deutscher Bauernhof in der Iglauer Sprachinsel
(Birnbaumhof).
|
Die sich im Laufe der Jahre steigernden Exportschwierigkeiten führten
gleichzeitig zu einer Verminderung der Hopfenanbauflächen.
Wie am Hopfenbau hat das Sudetendeutschtum auch am Obstbau, dessen
Erträgnisse einen wichtigen Exportanteil darstellen, einen hervorragenden
Anteil.
[72] Diese Übersichten
mögen genügen, um zu zeigen, in welchem Ausmaße und mit
welchen Erträgnissen die Landwirtschaft in der Tschechoslowakei
betrieben wird.
Ebenso entwickelt wie der Ackerbau in seiner Vielgestaltigkeit ist die Viehzucht,
über deren Stand die Anhangtabelle IV unterrichtet.
Die Forstwirtschaft hat eine Fläche von mehr als 4,6 Millionen Hektar
Wälder zu betreuen. Die schönen ertragreichen Wälder, die
über das ganze staatliche Gebiet verteilt sind, zeigen folgenden
Holzbestand:
Tatsächlich
bewaldete Fläche. |
Bestand und Holzart |
Tschecho-
slowakei |
Böhmen
|
Mähren-
Schles. |
Slowakei |
Karpathen-
rußland |
A. Nach d.
Bestandart: |
Nadelbestände |
ha |
2,239.340 |
1,189.776 |
442.003 |
474.535 |
133.026 |
Laubbestände |
ha |
1,213.497 |
81.322 |
129.733 |
641.424 |
361.018 |
gem. Bestände |
ha |
882.259 |
196.569 |
261.099 |
404.160 |
80.431 |
B. Nach d.
Holzart: |
Fichte |
% |
40,1 |
58,2 |
48,8 |
24,9 |
22,0 |
Tanne |
% |
7,5 |
3,2 |
11,6 |
10,7 |
4,5 |
Kiefer |
% |
14,3 |
28,8 |
12,8 |
6,1 |
0,8 |
Lärche |
% |
1,3 |
1,2 |
2,2 |
1,4 |
0,1 |
sonst. Nadel-
bäume |
% |
0,5 |
0,2 |
0,6 |
0,8 |
0,2 |
Buche |
% |
20,4 |
2,7 |
8,7 |
29,4 |
58,0 |
Eiche |
% |
7,6 |
2,7 |
6,3 |
12,8 |
8,1 |
Weißbuche |
% |
2,5 |
0,7 |
2,3 |
4,5 |
2,5 |
Birke |
% |
1,9 |
1,0 |
1,6 |
3,2 |
1,1 |
Akazie |
% |
0,6 |
0,2 |
0,6 |
1,2 |
0,1 |
Erle |
% |
0,5 |
0,3 |
0,8 |
0,6 |
0,3 |
Weide u.
Pappel |
% |
0,5 |
0,1 |
0,5 |
1,0 |
0,2 |
Ahorn, Ulme
u. Esche |
% |
1,2 |
0,3 |
1,8 |
1,5 |
1,5 |
Linde |
% |
0,2 |
0,1 |
0,6 |
0,1 |
0,1 |
sonstiges
Laubholz |
% |
0,9 |
0,3 |
0,8 |
1,8 |
0,5 |
[73] Nach der bisher
vorliegenden amtlichen Statistik über die Holznutzung in dem Betriebsjahr
1930 wurden insgesamt 10,4 Millionen Kubikmeter Nutzholz, 1,4 Millionen
Kubikmeter Schleifholz und 9,4 Millionen Kubikmeter Brennholz gewonnen. Die
Holzgewinne verteilen sich auf die Betriebe wie folgt:
Auf die Wildbestände in den ausgedehnten Wäldern, die sich auch in
die klimatisch begünstigten innerböhmischen Gebiete erstrecken,
lassen die nachfolgenden Wildabschußzahlen der letzten Jahre die
notwendigen Schlüsse zu:
Wildart |
Zahl der erlegten Stücke
Wild |
Tschecho-
slowakei |
Böhmen |
Mähren-
Schlesien |
Slowakei |
Kar-
pathen-
rußland |
Nutzwild insgesamt |
2,975.180 |
1,762.624 |
666.688 |
519.704 |
26.164 |
Davon: Haarwild |
|
Hochwild |
43.468 |
19.859 |
11.730 |
10.992 |
887 |
Niederwild |
1,057.882 |
535.581 |
285.969 |
220.014 |
16.318 |
Federwild |
|
Hochwild |
285.442 |
136.208 |
104.646 |
43.906 |
682 |
Niederwild |
1,588.388 |
1,070.976 |
264.343 |
244.792 |
8.277 |
Schadwild insgesamt |
864.756 |
431.125 |
213.597 |
196.741 |
23.293 |
Davon: Haarwild |
|
Hochwild |
433.878 |
232.135 |
124.134 |
72.171 |
5.438 |
Niederwild |
430.878 |
198.990 |
89.463 |
124.570 |
17.855 |
Es ist ein ungemein reiches land- und forstwirtschaftliches Erbe, das die
Tschechoslowakei angetreten hat (24 v. H. der
land- und forstwirtschaftlichen Produktion der alten
österreichisch-ungarischen Monarchie).
[74]
b) Zahlen der land- und forstwirtschaftlichen
Betriebe
Durch die sogenannte Boden- und Wälderreform, über deren
Ausmaß und Zweck an anderer Stelle (S. 158) ausführlich
berichtet wird, haben Größe und Besitzstand der
land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschneidende Veränderungen
erfahren. Dazu kommen die ständigen Veränderungen, die durch den
Bodenhandel, Betriebsauflassungen und Erbteilungen bedingt sind. Nach den
Ergebnissen der Volkszählung im Jahre 1930 gab es in der
Tschechoslowakei insgesamt 1,648.604 landwirtschaftliche Betriebe, in deren
Besitz sich 13,458.466 ha landwirtschaftlicher Boden befinden. Hiervon
gibt es in Böhmen 639.660 Betriebe mit 4,956.685 ha Boden, in
Mähren-Schlesien 441.029 Betriebe mit 2,582.284 ha Boden, in der
Slowakei 454.955 Betriebe mit 4,687.626 ha und in
Karpathenrußland 112.960 Betriebe mit 1,231.870 ha Boden.
Während sich in den Sudetenländern 7,538.969 ha Boden im Besitz
von 1,080.689 landwirtschaftlichen Betrieben befanden, wurden in der Slowakei
5,919.496 ha von 567.915 Betrieben verwaltet.
Bis zu der eingangs erwähnten sogenannten Bodenreform besaß
z. B. Böhmen einen großbäuerlichen Besitz (20 bis
100 ha) von 23% der Gesamtfläche, Mähren 24%, Schlesien
23% (Ostelbien 28,5%).
Der mittelbäuerliche Besitz (5 - 20 ha) betrug 26%, bzw. 29%, 24,3%, der
Klein- und Zwergbesitz (0,1 bis 5 ha) 12,5%, bzw. 16,6%, 13,5% von der
Gesamtfläche dieser Länder.
Der sudetendeutsche und tschechische Anteil an der landwirtschaftlichen
Produktion und damit an dem agrarischen Boden wird am klarsten durch folgende
Zahlen der landwirtschaftlichen Betriebe in den Sudetenländern
ersichtlich:
Land: |
Zahl der landwirtschaftlichen
Betriebe |
deutsch |
tschechisch |
Böhmen |
156.245 |
483.425 |
Mähren-Schlesien |
128.612 |
312.407 |
|
|
|
284.857 |
795.832 |
Während in diesen Ländern der deutsche und tschechische
Bodenanteil im Verhältnis von 1 : 2 steht, ist das
Verhältnis der landwirtschaftlichen Betriebe aber 1 : 3, was
die agrarische Überlegenheit der Tschechen auch relativ klar zum Ausdruck
bringt.
[75] Von den 7486
Erwerbsgenossenschaften waren 1921 40,12% landwirtschaftlich tätig.
1919/20 gab es 1245 Kreditgenossenschaften (System
Schulze-Delitzsch). Von 1392 Vorschußkassen waren 1013 tschechisch,
377 deutsch, 2 polnisch. Ferner bestanden bis 1920 in den Sudetenländern
3785 Raiffeisenkassen, davon 2587 tschechische, 1135 deutsche und 63
polnische.
Im Jahr 1930 gab es 291.367 Betriebe mit 8,301.796 ha Waldboden, die sich wie
folgt spezifizieren:
Die tiefgründigen Böden, die ausreichenden Niederschläge
und die entsprechende Sommerwärme bieten alle Voraussetzungen
für die Entfaltung der Land- und Forstwirtschaft. Und ist der Anteil der
Sudetendeutschen an der Land- und Forstwirtschaft des Staates absolut und relativ
kleiner als der der Tschechen, so sind es besonders fruchtbare Ackerböden
und ausgedehnte Laub- und Nadelwälder, die im sudetendeutschen Gebiete
liegen.
Es ist schon gesagt worden, daß die agrarische Fläche und die
Landwirtschaftsbetriebe, die der Tschechoslowakei zugefallen sind, nicht in der
Lage sind, die Ernährung sicherzustellen. Dagegen aber ist das industrielle
Erbe so reich, daß kaum ein Viertel der industriellen Produktion vom
Inlandsmarkt aufgenommen werden kann.
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