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Friedland

Bericht Nr. 187
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Behandlung von Juden:
Wiedererwerb der eigenen Kanzlei verhindert

Berichter: Dr. Rudolf Fernegg Bericht vom 21. 6. 1951

Lage von FriedlandMein Bundesbruder, Rechtsanwalt Dr. Bermann aus Friedland war während der Zeit des "Dritten Reiches" in der kleinen Festung Theresienstadt untergebracht. Er ist nach dem 9. 5. 1945 zu mir gekommen und hat mir berichtet, er wolle versuchen, seine Anwaltskanzlei und sein Haus in Friedland wieder zu erwerben. Seine Frau hatte das Haus inzwischen verkaufen müssen und war nach Prag gegangen. Bermann ist einige Tage nachher nochmals zu mir gekommen und hat berichtet, daß er zunächst nach Prag gehe, weil seine Versuche in Friedland gescheitert sind.



 

Friedrichswald
(bei Gablonz)


Bericht Nr. 188
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Verhaftung, Lager, Bauernarbeit
Berichter: Franz Simon Bericht vom 4. 7. 1950

Lage von Friedrichswald und GablonzZu Beginn möchte ich feststellen, daß ich i. J. 1945 im 67. Lebensjahre stand und der NSDAP nicht angehörte, während des Krieges war ich Luftschutzwart.

Am 12. Juni 1945, um 5 Uhr morgens, wurde an unsere Haustür gepocht und zum Öffnen aufgefordert. Ich machte auf und sah mich gleich von einer Rotte Partisanen umringt, die mir befahl, mich sofort anzuziehen und mitzugehen. Während einige, ich kann die Zahl nicht genau nennen, Kasten und Schränke durchstöberten und alles durcheinander wühlten, ließ mich ein weiterer nicht aus den Augen und trieb mich mit zynischen Bemerkungen zur Eile an. Meine Frau, die mir doch etwas zu Essen geben wollte, wurde beiseite geschoben, "ich brauche nichts". Auf der Straße stand ein Autobus, der uns aufnahm, es waren schon einige Leidensgenossen drin und etliche wurden noch zusammengeholt. Von den Partisanen waren einige betrunken. Sie warfen Bilder von Hitler im Wagen herum, um dann zu behaupten, wir hätten uns dieser entledigen wollen. Unsere erste Station war die Realschule in Reichenberg, dort mußten wir uns in einem Zimmer im dritten Stock mit dem Gesicht an die Wand stellen. Nach einer Weile ging einer mit einer Peitsche durch und hieb in uns hinein. Wir mußten "Heil Hitler" sagen. Dann kamen wir einzeln in ein Zimmer, wo wir aussagen sollten. Als ich sagte, daß ich nicht bei der NSDAP gewesen sei, erhielt ich eine kräftige Ohrfeige von meinem Verhörer, darauf noch viele Peitschenhiebe. Mit teuflischer Verschlagenheit hatte man mir einen Schlagring in den Ausweis gesteckt. Nach dieser "Protokollaufnahme" mußten wir im Vorhaus ½ Stunde die Hände vorn hoch halten, bzw. nach vorn strecken. Bei wem sie sich senkten, der wurde geschlagen. Dann mußte ich mit einem Schicksalsgenossen eine Stube und ein Vorhaus waschen, worauf wir dann in ein dunkles Loch, das scheinbar ein Geräteschuppen oder dgl. gewesen war, eingesperrt wurden. Dort befanden sich schon Opfer vom Vortage. Nachmittags wurden wir in die Laufergasse geschafft (Polizeigefängnis), das war aber überfüllt, sodaß wir zurück in die Baracken am Langen Weg kamen. Rohes Gelächter, Schimpfen, Fußtritte in den Rücken waren stete Begleiter. Auf der Stiege des Polizeigefängnisses machten sich die Fußtritte in den Rücken besonders gut, denn wer nicht darauf gefaßt war und sich am Geländer nicht festhielt, fiel die Stiege herunter. In der Baracke am Langen Weg mußten wir mit dem Gesicht gegen die Wand stehen und die Hände hoch halten u. zw. eine ganze Stunde lang. Wem sie sich nur im geringsten senkten, oder wer den Kopf ein bißchen drehte, der erhielt von den den Gang auf- und abmarschierenden Partisanen Kolbenstöße in den Rücken und Ohrfeigen. Darnach gab es wieder Einzelverhöre, bei denen alles, außer den Augengläsern, weggenommen wurde, jedes Stückchen Brot, was man etwa in der Tasche hatte und jede etwaige Zigarette. Mich fragte der Verhörer zuerst, woher ich wäre. "Von Friedrichswald", war meine Antwort. Mit den Worten "weißt Du nicht, daß das Bedrichov heißt", gab er mir eine Ohrfeige, daß es mir wie Feuer vor den Augen flackerte. Von hinten haute der Lagerverwalter in mich hinein. Nachdem nun alle Leidensgenossen auf so humane Art ihrer Sachen entledigt waren, mußten wir antreten und in tiefer Kniebeuge einmal um die Baracke herumhüpfen, anschließend auf allen Vieren herumkriechen. So neigte sich der erste Tag dem Ende zu. Bisher hatten wir noch gar nichts zu essen bekommen, jetzt wurden wir in die Baracken eingeteilt und bekamen eine Schale schwarzen, bitteren Kaffee und von einem normalen länglichen Brot ½ Schnitte, gewichtsmäßig etwa 20 bis 30 Gramm, das war aber für uns die ganze Tagesration gewesen. Dieses Quantum gab es weiterhin früh und abends und zu Mittag eine Schale leere Suppe. An einem Tage in der Woche konnten unsere Angehörigen die Wäsche zum waschen abholen und bei dieser Gelegenheit wurden auch Lebensmittelpakete übermittelt, die nach Kontrolle an uns weitergereicht wurden, allerdings meist nicht vollständig. Wir mußten Schränke fortfahren, Fußboden waschen u. dgl. Arbeiten verrichten. Der Lagerverwalter, ein Tscheche, der zwischen Reichenberg und Gablonz eine Wirtschaft (einen deutschen Bauernhof) haben sollte und im Kriege Gastwirt in Reichenberg war, hatte es sich scheinbar zur Pflicht gemacht, dafür zu sorgen, daß seine Lagerinsassen immer in Bewegung blieben. Wer seinen abgemagerten Körper nur mühsam zur "Essenausgabe" schleppen konnte, dem wurde mit der Peitsche nachgeholfen, denn er war für "Tempo". Einer aus meinem Heimatdorfe war nach erhaschter Gelegenheit ausgerissen, das war an einem Mittwoch. Dafür wurden uns allen das Brot, was die Frauen am Freitag hereingebracht hatten, weggenommen. Den Ausreißer hatte man wieder eingebracht und ich will es unterlassen zu beschreiben, wie man ihn gequält hat.

Gegen Ende Juli wurden wir zu einem Transport ins Tschechische zusammengestellt. Stehend, in Viehwaggons, ging die Reise, wer sich setzte, wurde vom Wächter zusammengerammelt. In Jungbunzlau mußten wir aussteigen. Um "Zusammenstöße" zu verhindern, mußten wir mit dem Gesicht zur Wand stehen und auf den anderen Zug warten. In Schumbor, einem Maierhofe im Kreise Nymburk, endete meine Reise. Ausgehungert bis aufs Letzte, völlig kraftlos und voller blauen Flecke, sollten wir nun dort die Arbeiten eines tüchtigen Knechtes übernehmen. Meine Hoffnung, sich hier wenigstens satt essen zu können, war trügerisch gewesen. Gleich am ersten Tage wurde uns gesagt, daß es sehr wenig zu essen gäbe, es gäbe für uns nur Erbsen. Den ersten Tag mußte ich Holz hacken, während meine Schicksalsgenossen Aborte waschen mußten. Vom 2. Tage ab sollte ich mit 2 Pferden fahren, was ich aber ablehnte, da ich noch nie in meinem Leben mit einem Fuhrwerke gefahren bin. So mußte ich dem Kutscher die Pferde versorgen und tagsüber auf dem Felde arbeiten. Früh um 4 Uhr mußte ich füttern. Ein Pferd war mir derart an mein Krampfaderbein gesprungen, daß ich nur sehr schlecht laufen konnte. Da ich der Aufforderung des Schaffers, schneller zu laufen, nicht folgen konnte, hieb er mit seinem Stock meinen Rücken blau. Seine Beschwerde bei den täglich inspizierenden Partisanen trugen mir links und rechts Ohrfeigen ein.

Ende September hatte ich die erste Schreibgelegenheit, da konnte ich erst meine Frau verständigen, daß ich noch lebte und wo ich war. Zum Baden war keine Gelegenheit. Die einzige Wanne wurde von den Frauen mit Beschlag belegt, die viel durch die Russen zu leiden hatten. Es gab wahre Verzweiflungsszenen, wir waren verlaust, hungrig und heruntergerissen. In dieser Lage fand mich meine Tochter, als sie eines schönen Sonntagvormittags plötzlich vor mir stand. So erfuhr ich, daß meine beiden Töchter auch im Tschechischen arbeiten mußten, die eine davon im Kreise Nymburk, und auch, daß meine Frau krank war. Sie konnte die seelischen Depressionen nicht aushalten und wurde immer schwächer. Mein offenes Krampfaderbein hatte sich derart verschlimmert, daß ich früh nicht immer zur Arbeit gehen konnte. Der Verwalter drohte mir mit der Peitsche, hatte auch einigemale Gebrauch davon gemacht. In meiner Verzweiflung schrieb ich eine Karte in das Lager nach Nymburk, daß ich meines offenen Beines wegen nicht arbeiten kann. Von dort erhielt der Verwalter eine Aufforderung, mich in das Lager nach Nymburk zu bringen. Von dort kam ich ins Krankenhaus. Dort war die Behandlung menschlich. In meinem Zimmer lag ein deutscher Schicksalsgenosse, dem man hatte ein Bein abnehmen müssen (64 Jahre alt), er hatte es sich erfroren. Am 3. Feber 1946 kamen wir wieder ins Lager nach Reichenberg, bzw. ins Aussiedlungslager nach Habendorf. Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen, daß es meinen 2 Töchtern möglich gewesen ist, mir dann, als sie wußten, wo ich war, zu Essen zu schicken. Ich sage das deshalb, um nicht unbeachtet zu lassen, daß es auch dort Menschen gab, die ihr Herz nicht verschlossen hatten. Meine Angehörigen haben das möglichste versucht, beim örtlichen Národní Výbor zu erwirken, daß ich wenigstens für einen einzigen Tag nach Hause kommen könnte. Ich hätte halt gern meine Heimat noch einmal gesehen, war ich doch nur zwei Fußstunden von zu Hause weg. Alles Bitten war aber vergebens. Als meine Frau zu mir ins Lager kam, war sie seelisch und körperlich fertig, am 7. 7. 1947 starb sie in Kaufbeuren, sie hatte sich nicht mehr erholen können.



 

Gießhübl-Sauerbrunn
(bei Karlsbad)


Bericht Nr. 189
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Enteignung, Raub
Berichterin: Maria Pichl Bericht vom 22. 6. 1950

Lage von Gießhübl-Sauerbrunn und KarlsbadBei der Austreibung der Deutschen aus der CSR wurden auch solche vertrieben, die nach Benesch's Dekret ein Recht gehabt hätten, im Lande zu verbleiben. Wie mit solchen verfahren wurde, will ich an Beispielen beleuchten. Zuerst mag ich meinen Fall erzählen:

Ich wurde im alten Österreich geboren, bildete mich zur Lehrerin in einem katholischen Institut aus, diente als Lehrkraft in Österreich, hernach in der Tschechei und ging 1923 nach USA (Chicago, Ill.) In Amerika erwarb ich das 1. Bürgerpapier, in welchem ich erklärte: "It is my bona fide intention to renounce forever all allegiance and fidelity to any foreign prince, potentate, state or sovereignty and particularly to the Czechoslovak Republic of whom I am now subject; and it is my intention in good faith to become a citizen of the United States of America and to permanently reside therein: So help me God". Beweis: das Bürgerpapier vom 13. Oktober 1923.

Da 1932 in Amerika große Depression auf dem Arbeitsmarkte herrschte und ich immer wieder Stellungen wechseln mußte, ging ich in die CSR zurück und arbeitete wieder als deutsche Lehrerin im deutschen Gebiet. Ich war also bei der Volkszählung 1929 gar nicht in der CSR, konnte mich daher nicht als Deutsche bekennen, sondern hatte damals ein Bekenntnis zum amerikanischen Volke abgelegt. Dieses Bürgerpapier habe ich heute noch im Original im Besitz und dieses Papier zeigte ich bei der Revolution 1945 dem Schwedischen Konsul Harden in Karlsbad, welcher die Interessen der Amerikaner vertrat. Er erklärte mir, daß durch dieses Papier ich, die Familie und mein Besitz bei der Revolution geschützt sei und ich den tschechischen Kommissaren dies melden solle, welches ich tat. Damals kam ein Sokol in mein Haus und erklärte mir, daß ich keine Angst zu haben brauche, da die Tschechei so ausgerichtet werde, wie sie früher war. Da das amerikanische Dokument nach 7 Jahren ungültig war, so war ich eigentlich ein Bürger der Tschechei geblieben und konnte nicht nach Amerika zurückkehren. Nun kamen die Partisanen und forderten mich auf, nochmals um die tschechische Staatsbürgerschaft anzusuchen. Man wollte mich als Englisch-Lehrerin verwenden. Aber man knüpfte die Bedingung daran, daß ich der Kommunistischen Partei beitrete. Ich stellte die Gegenfragen: "Kann ich meine Besitztümer behalten?" (Ich besaß mit meiner Familie 2 schöne Häuser). Man antwortete mir, daß ich diesen Besitz aufgeben müsse und ich dorthin zu gehen habe, wohin ich Weisung bekomme. Meine Frage: "Was geschieht mit meiner 84 Jahre alten Mutter, meinem hilflosen invaliden Bruder und meiner pensionierten Schwester?" (Bis jetzt hatte ich für Mutter und Bruder gesorgt). Die Partisanen (Gendarmen) antworteten mir: "Die werden alle nach Deutschland ausgesiedelt!" Ich empfand dies ganze Vorgehen als große Unmenschlichkeit und wandte mich mit einem Ansuchen an das Prager Innenministerium, bittend, daß mein Fall entschieden werde und erhielt Antwort, daß man Erhebungen anstellen werde. Aber bald darauf kamen die Partisanen, durchsuchten mein Haus, raubten, was sie wollten und sagten: "Laufen Sie endlich über die Grenze, daß wir Sie los sind." Als ich sah, daß schon damals, 1946, das Land völlig kommunistisch ausgerichtet war, erklärte ich schließlich den Partisanen, daß ich gewillt bin, das Los aller Deutschen zu teilen und man mich als Deutsche aussiedeln möge. Ende August wurde ich mit Mutter, Bruder und Schwester nach Bayern ausgesiedelt.

Ähnlich erging es der Baronin Nina Riedl-Riedenstein, Dallwitz-Karlsbad, Schloß. Sie war geborene Griechin, ihr Mann Österreicher, sie hatte großen Landbesitz und galt als sehr vermögend. Ihre Schwiegermutter war Amerikanerin. Russische Offiziere quartierten sich in ihr Schloß ein, schleppten davon, was sie wollten, zerschlugen, was ihnen in den Weg kam, wenn sie betrunken waren. Da sie wußten, daß die Frau ihren Besitz erhalten wollte (ihr Gatte war bereits tot), stahlen sie in der Nacht alle Dokumente, die den Beweis erbracht hätten und verschwanden damit. Einmal sprach ich beim schwedischen Konsul in Karlsbad vor. Er war Direktor einer Bank in Karlsbad. Er sagte damals: "Nun haben die Tschechen die Bank übernommen, meine Kündigung ausgesprochen, meiner Frau, sie war geborene Deutsche, die Häuser konfisziert". "Mir ist dadurch die Lebensgrundlage genommen und ich muß auch in ein anderes Land und wieder von vorn anfangen."

Auf dem Kommissariat in Gießhübl-Sauerbrunn war eine Slowakin beschäftigt, deren Mann deutscher Arzt gewesen war. Mit ihr besprach ich oft die verschiedenen Fälle und auch meine persönliche Angelegenheit. Eines Morgens eröffnete sie mir: "Es ist traurig, wir werden nur von Kommunisten regiert, sie bestimmen, wer zu enteignen ist, die fragen nicht, ob Ausländer oder Deutscher, die wollen den Besitz, das ist alles!"

Alle Angaben sind Wahrheit und kann ich zum Teil mit Originalpapieren belegen.



 

Graslitz


Bericht Nr. 190
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Gepäckkontrolle
Berichterin: Margarete Poppa Bericht vom 7. 7. 1946

Lage von GraslitzBei der Gepäckkontrolle in Graslitz im Aussiedlungslager wurde mir das gesamte Handgepäck und eine Rolle mit 2 Decken und Kopfpolster abgenommen. Als ich dagegen Einspruch erhob, drohte mir der Kontrollbeamte mit Verschickung ins tschechische Gebiet zum Arbeitseinsatz. Ich bin 73 Jahre alt und habe nun während des ganzen tagelangen Transportes keine Decke zum zudecken.


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Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort