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Unser Kampf in Polen. Die 
Vorgeschichte - Strategische Einführung - Politische und kriegerische Dokumente


Polens Weg ins Verhängnis

von Max Clauss

Das Polen von Versailles hat zwanzig Jahre und ein paar Monate gelebt. In Abwesenheit Deutschlands und Rußlands war es von den Westmächten begründet und reichlich mit fremden Volksgebieten ausgestattet worden. An diesen beiden Geburtsfehlern ist die Auch-Großmacht, die seit 1934 die entscheidende Gelegenheit zum Ausgleich mit dem wiedererstandenen Deutschen Reich versäumt hatte, schließlich zugrunde gegangen. Marschall Pilsudski hatte im Krieg der Zentralmächte seine Absicht schon halb verwirklicht, ein neues Polen gegen das Zarenreich auf den Plan zu stellen. Sein zweiter Vorstoß in dieser Richtung war 1920 der gescheiterte Versuch, Kiew den Sowjets wegzunehmen, der um ein Haar verhängnisvoll für Warschau und den ganzen, inzwischen mit der Front gegen Deutschland ins Leben gerufenen Staat geworden wäre. Das Polen von 1919 war nicht das Geschöpf des Soldaten Pilsudski, sondern ein abenteuerliches Kompromiß, das der Demagoge Dmowski und seinesgleichen im Hin und Her französischer Machtpolitik, britischer Gleichgewichtstendenzen und amerikanischer Selbstbestimmungslehren erreicht hatten. Als die oberschlesischen Aufstände Korfantys und die Grenzabstimmungen zu Ende waren, hatte sich dieses Polen vom Deutschen Reich die Provinz Posen, den Korridor in Westpreußen, Teile Ostpreußens und Ostoberschlesien genommen, zusammen 46.000 Quadratkilometer mit 3,8 Millionen Einwohnern, unter ihnen anderthalb Millionen Deutsche. Außerdem war noch, im Zeichen der Propaganda für den Zugang zum Meer, die "Freie Stadt" Danzig unter Völkerbundskontrolle gestellt worden, die dann alsbald den Polenhafen Gdingen vor die Türe gesetzt bekam. Der so im Westen über deutsches Kulturland und deutsche Menschen gesetzte improvisierte polnische Staat umfaßte im Osten ein großes Stück Ukraine. Nach dem Rückzug der Roten Armee 1920 eignete man sich auch einen breiten Streifen weißrussischen Gebietes an und schob durch den Handstreich auf Wilna gegen Litauen die Grenze willkürlich hinaus. Die letzte "Aktion" dieser Art war noch im Oktober 1938 die Aneignung des Olsagebietes im Zug der deutschen Liquidierung der Tschecho-Slowakei, jenes anderen "Nationalstaates" Versailler Art.

Der Eckstein der Warschauer Außenpolitik war das Bündnis mit Frankreich vom 19. Februar 1921, zu dem zehn Jahre später ein Garantievertrag mit Rumänien kam. Polens Versuche, sich durch ein Ost-Locarno die freiwillige Bescheinigung des status quo von Deutschland zu beschaffen, scheiterte 1925 und gelang auch in der Folgezeit nicht. Mit der Sowjetunion wurde 1932 ein Nichtangriffspakt geschlossen. Als nach der Machtergreifung Adolf Hitlers die Wiederherstellung der deutschen Wehrhoheit begann, erfaßte der erste Mann in Polen, Marschall Pilsudski, in Wiederaufnahme seiner alten Politik die vom Führer gebotene Gelegenheit zur dauernden Entspannung. So wurde am 26. Januar 1934 eine deutsch-polnische Erklärung unterzeichnet. "Beide Regierungen", heißt es darin, "erklären ihre Absicht, sich in den ihre gegenseitigen Beziehungen betreffenden Fragen, welcher Art sie auch sein mögen, unmittelbar zu verständigen.... Die durch diese Grundsätze geschaffene Friedensgarantie wird den beiden Regierungen die große Aufgabe erleichtert, für Probleme politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art Lösungen zu finden, die auf einem gerechten und billigen Ausgleich der beiderseitigen Interessen beruhen." Als Anfang 1939, zum fünften Jahrestag des Abkommens von 1934, Reichsaußenminister v. Ribbentrop in Warschau dem Außenminister Beck einen offiziellen Besuch machte, war durch die Ereignisse des Vorjahres die kommende Aufrollung auch der deutsch-polnischen Fragen jedermann klar. Der mit Pilsudski ins Auge gefaßte Ausgleich jedoch hatte nach dem Tode des Marschalls keine Fortschritte mehr gemacht, ja, die Terrorisierung der deutschen Bevölkerung wurde in völliger Nichtachtung eines 1937 abgeschlossenen Minderheitenschutzabkommens systematischer denn je betrieben. In Warschau konnte man damals schon deutlich spüren, daß Polen sogar ein deutsches Mindestprogramm der Rückgliederung Danzigs und eines Korridors durch den Korridor, wie es seit Spätherbst 1938 dem Berliner Botschafter und Anfang Januar 1939 durch Adolf Hitler persönlich dem Außenminister Beck in Berchtesgaden skizziert worden war, als "unerträgliche Zumutung für eine große Nation" weit von sich wies. Ende Februar, während der italienische Außenminister Graf Ciano Beck besuchte, kam es zu Ausschreitungen der Studenten vor der Deutschen Botschaft mit anschließender Huldigung für Marschall Rydz-Smigly. Der Nachfolger Pilsudskis, daran konnte kein Zweifel mehr sein, wollte von dem Testament eines Ausgleichs mit Deutschland nichts wissen und liquidierte die "Obersten-Politik" in bewußter Vorbereitung des bewaffneten Konflikts.

Die zweite Märzhälfte brachte den eindeutigen Beweis, daß sich die Schicksale trennten. Nach Einrichtung des Protektorates Böhmen und Mähren, dem der Schutzvertrag mit der Slowakei vorausging, wiederholte Deutschland Ende März auf diplomatische Weise seinen Vergleichsvorschlag, der später durch das deutsche Memorandum vom 28. April 1939 auch öffentlich bekannt wurde: "Rückkehr Danzigs zum Reich; exterritoriale Eisenbahn- und Autoverbindung zwischen Ostpreußen und dem Reich; dafür Anerkennung des ganzen polnischen Korridors und der gesamten polnischen Westgrenze; Abschluß eines Nichtangriffspaktes für 25 Jahre; Sicherstellung der wirtschaftlichen Interessen Polens in Danzig." Zugleich erklärte sich die Deutsche Regierung bereit, "bei der Sicherstellung der Unabhängigkeit der Slowakei auch den polnischen Interessen Rechnung zu tragen". Die polnische Antwort auf dieses "einmalige Angebot", wie es der Führer nachher in seiner Reichstagsrede vom 28. April genannt hat, war doppelt und dreifach negativ. Erstens lehnte Außenminister Beck die Einladung zu einer Aussprache in Berlin ab, und auch über die Botschaften kam keine Diskussion in Gang, zweitens fuhr Beck statt dessen nach London, wo Chamberlain aktiv gegen die deutsche Politik in Protest getreten war, drittens ordnete Marschall Rydz-Smigly eine Teilmobilmachung an, weil er nach seinen eigenen Worten den deutschen Vorschlag als "Aggressionsdrohung" empfand.

Der 31. März brachte in Form einer Unterhauserklärung Chamberlains das Angebot einer britischen militärischen Garantie für Polen, das polnischerseits angenommen wurde. Dieses Hilfsversprechen, dem das mit Polen verbündete Frankreich ausdrücklich Billigung erteilte, sah den Bündnisfall dann für gegeben an, wenn Polens Unabhängigkeit direkt oder indirekt so bedroht erschiene, daß Polen selbst mit den Waffen Widerstand leisten würde. Die deutsche Antwort erfolgte einen knappen Monat später, als der Führer in der schon erwähnten Reichstagsrede, die von zwei deutschen Memoranden an England und an Polen begleitet war, das zwischen ihm und Marschall Pilsudski seinerzeit geschlossene Abkommen "als durch Polen einseitig verletzt und damit als nicht mehr bestehend" bezeichnete. Das deutsche Memorandum an Warschau gab als Kündigungsgrund den Bündnispakt mit England an, durch den "die Polnische Regierung sich einer von anderer Seite inaugurierten Politik dienstbar gemacht hat, die das Ziel der Einkreisung Deutschlands verfolgt." Deutscherseits wurde auch jetzt noch "zu einer neuen vertraglichen Regelung" grundsätzlich die Tür offen gelassen. Die polnische Rückantwort war diplomatisch ein völliges Zurücktreten hinter England, militärisch die offene Drohung mit einem Offensivkrieg gegen Danzig, Ostpreußen und Schlesien, ja sogar mit dem "Marsch auf Berlin". Eine verstärkte Terrorwelle gegen die deutsche Bevölkerung im Korridor und in den anderen Grenzgebieten setzte ein, die sich im Laufe eines Vierteljahres im gleichen Tempo mit der Maßlosigkeit der polnischen chauvinistischen Drohungen steigerte. Schließlich entstand eine Lage, die es den verantwortlichen Männern in dem vom Reich abgetrennten Danzig zur Pflicht machte, die Polizeikräfte durch Gründung der -Heimwehr Danzig zu verstärken, um wenigstens einen Überfall bis zum Eingreifen der deutschen Wehrmacht abwehren zu können.

Anfang August spitzte sich das Danziger Problem durch ultimative Zumutungen Polens in der Frage seiner Zollinspektoren noch mehr zu. Dem polnischen Geschäftsträger in Berlin wurde daraufhin am 9. August mitgeteilt, "daß eine Wiederholung solcher ultimativer Forderungen an die Freie Stadt Danzig und die Androhung von Vergeltungsmaßnahmen eine Verschärfung in den deutsch-polnischen Beziehungen herbeiführen würde, für deren Folgen die Verantwortung ausschließlich auf die polnische Regierung fallen würde und für die die Reichsregierung schon jetzt jede Verantwortung ablehnen muß". Inzwischen wendete sich das Blatt in der großen Politik durch den Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion vom 24. August. Seit dem Augenblick im März, da England seinen "Neuen Kurs" durch das Garantieversprechen an Polen eingeleitet hatte, das in der Folgezeit einseitig auch an Rumänien und Griechenland und auf Gegenseitigkeit der Türkei gegeben wurde, war der Große Alliierte im Osten die Voraussetzung für alles andere. Weder Stalins Warnung, daß Rußland nicht anderer Leute Kastanien aus dem Feuer holen werde, noch Litwinows Ablösung durch Molotow hatten die britische Regierung davon abgebracht, den Gang nach Moskau erst diplomatisch und dann gemeinsam mit Frankreich auch noch durch Entsendung einer Militärmission zu gehen. Die Generale der Westmächte befanden sich noch in der russischen Hauptstadt, als Reichsaußenminister v. Ribbentrop im Flugzeug zum erstenmal kam und in wenigen Stunden, im Beisein Stalins, jenen Pakt mit Molotow unterzeichnete, dessen Artikel 3 eine fortlaufende deutsch-russische Konsultation in Gang setzte, "um sich gegenseitig über Fragen zu informieren, die ihre gemeinsamen Interessen berühren". Der Pakt trat mit der Unterzeichnung am 24. August in Kraft.

Wie tief England sich durch diese Wendung der Dinge getroffen fühlte, ging daraus hervor, daß am 22. August Chamberlain zum erstenmal im Verlauf der ganzen Polenkrise einen Brief an den Führer schrieb, dessen Kernsatz lautete: "Welcher Art auch immer das deutsch-sowjetische Abkommen sein wird, so kann es nicht Großbritanniens Verpflichtungen gegenüber Polen ändern." Am 26. August wurde das vorläufige Garantieversprechen in London durch ein "Gegenseitiges Beistandsabkommen zwischen Großbritannien und Polen" ersetzt, das allerdings wiederum den Bündnisfall davon abhängig machte, daß Polen gegen irgendeine Aktion von dritter Seite "den Widerstand mit Waffengewalt als von lebenswichtiger Bedeutung betrachtet". Die Geschichte der letzten Augustwoche, das eigentliche diplomatische Vorspiel, ist in den vom Auswärtigen Amt als Weißbuch herausgegebenen Urkunden enthalten. Der Führer brachte durch sein Antwortschreiben an Chamberlain vom 23. August und eine dem britischen Botschafter Sir Neville Henderson am 25. August in Berchtesgaden gemachte Erklärung die Auseinandersetzung auf den beiden Ebenen des deutsch-polnischen Problems und der deutsch-englischen Beziehungen gleichzeitig in Fluß. Er ließ auf der einen Seite keinen Zweifel, daß Polens Provokationen und Terrormaßnahmen für das Reich unerträglich geworden seien und daß auch das Danzig-Korridor-Problem seine Lösung finden müsse und werde. Auf der anderen Seite hat der Führer wie schon in der Reichstagsrede vom 28. April, die auch den deutsch-englischen Flottenpakt der Einkreisungspolitik wegen für hinfällig erklärt hatte, das Britische Empire bejaht und angekündigt, "er werde sofort nach Lösung der deutsch-polnischen Frage mit einem Angebot an die britische Regierung herantreten". Gleichzeitig wurde England und - in einem Führerschreiben an Daladier auf dessen Appell hin - auch Frankreich reiner Wein über die zu erwartende Lage im Kriegsfall eingeschenkt: "Im Unterschied zu dem letzten Kriege würde Deutschland keinen Zweifrontenkrieg mehr zu führen haben..." "Ich bin mir im klaren über die schweren Konsequenzen, die ein solcher Konflikt mit sich bringt. Ich glaube aber, die schwerste würde Polen zu tragen haben, denn ganz gleich, wie auch ein Krieg um diese Frage ausging, der polnische Staat von jetzt wäre so oder so verloren." Das britische Memorandum vom 28. August gibt zu, daß einer umfassenden deutsch-englischen Verständigung "eine Lösung der zwischen Deutschland und Polen bestehenden Differenzen vorangehen muß", verschanzt sich aber wieder hinter dem Garantieabkommen und redet schließlich direkten Verhandlungen zwischen Berlin und Warschau das Wort.

Am 29. August erklärte sich Deutschland durch ein dem britischen Botschafter nachmittags 18.45 Uhr übergebenes Antwortschreiben einverstanden, "die vorgeschlagene Vermittlung der Kgl. Britischen Regierung zur Entsendung einer mit allen Vollmachten versehenen polnischen Persönlichkeit nach Berlin anzunehmen. Sie (die Reichsregierung) rechnet mit dem Eintreffen dieser Persönlichkeit für Mittwoch, den 30. August 1939. Die Reichsregierung wird die Vorschläge einer für sie akzeptablen Lösung sofort ausarbeiten und diese, wenn möglich, bis zur Ankunft des polnischen Unterhändlers auch der Britischen Regierung zur Verfügung stellen". In den nächsten 48 Stunden wurde die Reichsregierung auf ihrem Verhandlungsangebot sitzen gelassen, da am 30. der britische Botschafter in einem neuen Memorandum mitteilte, es sei nach Londoner Ansicht "untunlich", die deutsch-polnischen "Fühlungnahme schon heute herzustellen", und noch am 31. nachmittags der polnische Botschafter in Berlin erklärte, er sei "nicht bevollmächtigt, in irgendeine Diskussion einzutreten oder gar zu verhandeln". Statt dessen traf bereits am 30. August, nachmittags 17.30 Uhr die telefonische Mitteilung des deutschen Geschäftsträgers aus Warschau ein, daß Polen durch Maueranschlag die allgemeine Mobilmachung befohlen und als ersten Mobilmachungstag den 31. August bestimmt hatte. Der dann am 31. August abends 21 Uhr in Berlin veröffentlichte "Vorschlag für eine Regelung des Danzig-Korridor-Problems sowie der deutsch-polnischen Minderheitenfrage", der in allen Einzelheiten dem britischen Botschafter in der Nacht vorher vom Reichsaußenminister vorgelesen worden war, verlangte nur die sofortige Rückkehr Danzigs zum Reich. Im Korridor sollte erst nach Jahresfrist eine Abstimmung unter Kontrolle der vier Großmächte Italien, Sowjetunion, Frankreich und England über die künftige Zugehörigkeit zu Deutschland oder Polen entscheiden. Gdingen sollte polnisch bleiben und ebenso wie Danzig entmilitarisiertes Gebiet sein. Durch das Ausbleiben eines bevollmächtigen polnischen Unterhändlers sah die Reichsregierung "auch diesmal ihre Vorschläge praktisch als abgelehnt an".

Am 1. September setzte die deutsche militärische Abwehraktion gegen Polen ein, nachdem noch vor Mitternacht schwerste Übergriffe auf deutsches Reichsgebiet gemeldet waren. "Polen hat nun heute Nacht zum erstenmal auf unserem eigenen Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen. Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!" Mit diesen Worten bestätigte der Führer am 1. September vor dem Reichstag den Beginn der Aktion, nachdem er in den ersten Morgenstunden seinen Aufruf an die Deutsche Wehrmacht erlassen hatte. Danzigs Aufnahme ins Reich wurde Gesetz. Am Abend des gleichen Tages überreichten erst der britische und anschließend der französische Botschafter gleichlautende Noten mit der Forderung, die deutschen Truppen "unverzüglich aus polnischem Gebiet zurückzuziehen", widrigenfalls die beiden Westmächte "ohne Zögern ihre Verpflichtung gegenüber Polen erfüllen" würden. Der Reichsaußenminister lehnte die in den beiden Noten enthaltene Behauptung eines deutschen Angriffes auf Polen sofort ab. Am 2. September vormittags teilte der italienische Botschafter mit, Italien habe "noch die Möglichkeit, von Frankreich, England und Polen eine Konferenz annehmen zu lassen" auf der Grundlage eines "Waffenstillstandes, der die Armeen läßt, wo sie jetzt sind". Am gleichen Abend jedoch mußte der italienische Botschafter den Reichsaußenminister dahin verständigen, daß die von Deutschland wie von Frankreich begrüßte Initiative des Duce durch England mit Berufung auf die "Invasion" Polens und die "einseitige Lösung" in Danzig abgelehnt sei. Der diplomatische Schlußakt in zwei Auftritten spielte sich dann am 3. September ab. 9 Uhr vormittags überreichte der britische Botschafter ein auf zwei Stunden befristetes Ultimatum, nach dessen begründeter Ablehnung durch die Reichsregierung England sich im Kriegszustand mit dem Reich befindlich erklärte. Der französische Botschafter brachte mittags der Reichsregierung zur Kenntnis, daß Frankreich sich verpflichtet sehe, seine vertraglichen Bindungen gegenüber Polen ab 3. September 17 Uhr zu erfüllen.

Der Verlauf der militärischen Ereignisse hat in wenigen Tagen und Wochen gezeigt, wie die deutschfeindliche, ganz auf England eingestellte Konfliktspolitik der polnischen Nation zum Verhängnis geworden ist. Die beiden Westmächte waren nicht imstande, ihr Beistandsversprechen zu erfüllen. Rumänien erklärte sich neutral. Schon nach zwei Wochen Kampf lösten der Zusammenbruch der polnischen Armee und der siegreiche deutsche Vormarsch über Weichsel, Bug und San automatisch das Eingreifen der Sowjetunion im Einverständnis mit uns aus. Während die frühere polnische Regierung und Marschall Rydz-Smigly nach Rumänien flüchteten, teilte der Stellvertretende Außenkommissar Potemkin dem polnischen Botschafter in Moskau mit, daß am 17. morgens russische Truppen die Grenze überschreiten würden. Der Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen, der zur Wahrung der Sowjetinteressen und zum Schutz der weißrussischen und ukrainischen Minderheiten befohlen sei, erfolge "unter gleichzeitiger voller Wahrung der Neutralität Sowjetrußlands im gegenwärtigen Konflikt. Da der polnische Staat zur Zeit nicht mehr als existierend zu betrachten ist, kommen nach Ansicht der Sowjetregierung die mit ihm früher abgeschlossenen Verträge in Fortfall". Einen Tag später, am 18. September, stellte eine gemeinsame deutsch-russische Erklärung fest, die Aufgabe der beiderseits in Polen tätigen Truppen bestehe darin, "Ordnung und Ruhe in Polen herzustellen, die durch den Zerfall des polnischen Staates zerstört sind, und der Bevölkerung Polens zu helfen, die Bedingungen ihres staatlichen Daseins neu zu regeln". Damit war das Schicksal des Versailler Polens besiegelt. Deutschland und Rußland jedoch schritten auf dem in der gemeinsamen Erklärung angedeuteten Weg konsequent weiter. Am 28. September 1939 wurden in Moskau wiederum in Anwesenheit Stalins durch Reichsaußenminister v. Ribbentrop und den Regierungschef und Außenkommissar Molotow drei deutsch-russische Vereinbarungen unterzeichnet. Abgesehen von dem dritten Text, der die gemeinsame deutsch-sowjetische Wirtschaftsplanung auf lange Sicht vorsieht, handelte es sich um die unmittelbaren politischen Folgen "aus dem Verfall des polnischen Staates". Von der deutsch-litauischen bis zur ungarisch-slowakischen Grenze haben Deutschland und die Sowjetunion "als Grenzen der beiderseitigen Reichsinteresse im Gebiete des bisherigen polnischen Staates" eine Linie festgelegt und "werden jegliche Einmischung dritter Mächte in diese Regelung ablehnen. Die erforderliche staatliche Neuregelung übernimmt in den Gebieten westlich der im Artikel I angegebenen Linie die deutsche Reichsregierung, in den Gebieten östlich dieser Linie die Regierung der UdSSR." Dieser "Grenz- und Freundschaftsvertrag" fand seine Erläuterung und Ergänzung in einer gemeinsamen politischen Erklärung, wonach nunmehr "ein sicheres Fundament für einen dauerhaften Frieden in Osteuropa geschaffen" ist. Gleichzeitig wurde die deutsch-russische Übereinstimmung zwecks gemeinsamer Bemühungen zur Beendigung des Kriegszustandes zwischen dem Reich und den Westmächten sowie die Konsultierung "über die erforderlichen Maßnahmen" in einem auf englisch-französische Verantwortung fortgesetzten Krieg bestätigt.

So hat das Versailler Polen im Augenblick seines Verschwindens seine beiden großen Nachbarreiche wieder zusammengebracht, auf deren vorübergehender Schwäche und Zwietracht sein ganzes politisches Dasein fälschlicherweise aufgebaut war.


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