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Unser Kampf in Polen. Die 
Vorgeschichte - Strategische Einführung - Politische und kriegerische
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zu den politischen und kriegerischen Ereignissen



Der Nichtangriffsvertrag mit der Sowjetunion vom 23. August 1939

Der Reichsminister des Auswärtigen, v. Ribbentrop, hatte gestern nachmittag im Beisein des deutschen Botschafters in Moskau, Graf. v. d. Schulenburg, eine dreistündige Unterredung mit den Herren Molotow und Stalin. Der Reichsaußenminister hat sich gestern abend 10 Uhr erneut zur Fortsetzung der Besprechungen in den Kreml begeben. Die Verhandlungen haben mit der Einigung über einen Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der UdSSR. geendet, der von dem Herrn Reichsaußenminister und Herrn Molotow in Anwesenheit des Herrn Stalin und des deutschen Botschafters gezeichnet wurde.

Der Vertrag hat folgenden Wortlaut:

Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland
und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken.

Die Deutsche Reichsregierung und die Regierung der UdSSR., geleitet von dem Wunsche, die Sache des Friedens zwischen Deutschland und der UdSSR. zu festigen, und ausgehend von den grundlegenden Bestimmungen des Neutralitätsvertrages, der im April 1926 zwischen Deutschland und der UdSSR. geschlossen wurde, sind zu nachstehender Vereinbarung gelangt:

Artikel 1: Die beiden vertragschließenden Teile verpflichten sich, sich jeden Gewaltaktes, jeder aggressiven Handlung und jeden Angriffes gegeneinander, und zwar sowohl einzeln als auch gemeinsam mit anderen Mächten zu enthalten.

Artikel 2: Falls einer der vertragschließenden Teile Gegenstand kriegerischer Handlungen seitens einer dritten Macht werden sollte, wird der andere vertragschließende Teil in keiner Form diese dritte Macht unterstützen.

Artikel 3: Die Regierungen der beiden vertragschließenden Teile werden künftig fortlaufend mit Konsultation in Fühlung miteinander bleiben, um sich gegenseitig über Fragen zu informieren, die ihre gemeinsamen Interessen berühren.

Artikel 4: Keiner der beiden vertragschließenden Teile wird sich an irgendeiner Mächtegruppierung beteiligen, die sich mittelbar oder unmittelbar gegen den anderen Teil richtet.

Artikel 5: Falls Streitigkeiten oder Konflikte zwischen den vertragschließenden Teilen über Fragen dieser oder jener Art entstehen sollten, würden beide Teile diese Streitigkeiten oder Konflikte ausschließlich auf dem Weg freundschaftlichen Meinungsaustausches oder nötigenfalls durch Schlichtungskommissionen bereinigen.

Artikel 6: Der gegenwärtige Vertrag wird auf die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen mit der Maßgabe, daß, soweit nicht einer der vertragschließenden Teile ihn ein Jahr vor Ablauf dieser Frist kündigt, die Dauer der Wirksamkeit dieses Vertrages automatisch für weitere fünf Jahre als verlängert gilt.

Artikel 7: Der gegenwärtige Vertrag soll innerhalb möglichst kurzer Frist ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen in Berlin ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt sofort mit seiner Unterzeichnung in Kraft.

Ausgefertigt in doppelter Urschrift, deutscher und russischer Sprache.

Moskau, am 23. August 1939

für die Deutsche Reichsregierung
gez. Ribbentrop
in Vollmacht der Regierung der UdSSR.
gez. Molotow



Schreiben des Französischen Ministerpräsidenten an den Führer
vom 26. August 1939

(Übersetzung)

Paris, den 26. August 1939
Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Der Französische Botschafter in Berlin hat mir Ihre persönliche Mitteilung zur Kenntnis gebracht.

In der Stunde, wo Sie von der schwersten Verantwortung sprechen, die zwei Regierungschefs unter Umständen übernehmen können, das heißt, das Blut von zwei großen Völkern, die sich nur nach Frieden und Arbeit sehnen, zu vergießen, bin ich Ihnen persönlich und unseren beiden Völkern schuldig zu sagen, daß das Schicksal des Friedens noch in Ihren Händen liegt.

Sie können weder an meinen Gefühlen Deutschland gegenüber noch an den friedlichen Gefühlen Frankreichs für Ihre Nation einen Zweifel hegen. Kein Franzose hat mehr als ich selbst getan, um zwischen unseren beiden Völkern nicht nur den Frieden, sondern eine aufrichtige Mitarbeit in ihrem eigenen Interesse, sowie im Interesse Europas und der Welt zu bekräftigen. Es sei denn, Sie trauen dem französischen Volke einen weniger hohen Begriff der Ehre zu, als ich selber dem deutschen Volke anerkenne, so können Sie nicht bezweifeln, daß Frankreich seine Verpflichtungen anderen Mächten gegenüber treu erfüllt, Mächten, wie zum Beispiel Polen, die, davon bin ich überzeugt, mit Deutschland in Frieden leben wollen.

Diese beiden Überzeugungen sind vollkommen vereinbar.

Bis heute gibt es nichts, das eine friedliche Lösung der internationalen Krise in Ehren und Würden für alle Völker verhindern könnte, wenn auf allen Seiten der gleiche Friedenswille besteht.

Mit dem guten Willen Frankreichs bekunde ich denjenigen aller seiner Verbündeten. Ich übernehme selbst die Garantie für diese Bereitschaft, die Polen immer gezeigt hat für die gegenseitige Anwendung eines Verfahrens des freien Ausgleichs, wie man es sich vorstellen kann zwischen den Regierungen zweier souveränen Nationen. Mit dem besten Gewissen kann ich Ihnen die Versicherung geben, daß es unter den zwischen Deutschland und Polen mit Bezug auf die Danziger Frage entstandenen Differenzen keine gibt, die nicht einem solchen Verfahren unterbreitet werden könnte, zwecks einer friedlichen und gerechten Lösung.

Auf meine Ehre kann ich auch bekunden, daß es in der klaren und aufrichtigen Solidarität Frankreichs mit Polen und seinen Verbündeten nichts gibt, das die friedliche Gesinnung meines Vaterlandes irgendwie beeinträchtigen könnte. Diese Solidarität hat uns niemals daran gehindert und hindert uns auch heute nicht, Polen in dieser friedlichen Gesinnung zu erhalten.

In einer so schweren Stunde glaube ich aufrichtig, daß kein edelgesinnter Mensch es verstehen könnte, daß ein Krieg der Zerstörung unternommen würde, ohne daß ein letzter Versuch einer friedlichen Lösung zwischen Deutschland und Polen stattfindet. Ihr Friedenswille könnte sich in aller Bestimmtheit dafür einsetzen, ohne der deutschen Ehre irgendwie Abbruch zu tun. Ich, als Chef der französischen Regierung, der ich eine gute Harmonie zwischen dem französischen und dem deutschen Volke wünsche, und der ich andererseits durch Freundschaftsbande und durch das gegebene Wort mit Polen verbunden bin, bin bereit, alle Anstrengungen zu machen, die ein aufrichtiger Mensch unternehmen kann, um diesen Versuch zu einem guten Ende zu führen.

Sie waren wie ich selbst Frontkämpfer im letzten Kriege. Sie wissen wie ich, welche Abscheu und Verurteilung die Verwüstungen des Krieges im Gewissen der Völker hinterlassen haben, ganz gleich wie der Krieg endete. Die Vorstellung, die ich mir von Ihrer hervorragenden Rolle machen kann als Führer des Deutschen Volkes auf dem Wege des Friedens, der Vollendung seiner Aufgabe in dem gemeinsamen Werk der Zivilisation entgegen, führt mich dazu, eine Antwort auf diesen Vorschlag zu erbitten.

Wenn das französische und das deutsche Blut von neuem fließen, wie vor 25 Jahren, in einem noch längeren und mörderischen Krieg, dann wird jedes der beiden Völker kämpfen im Vertrauen auf seinen eigenen Sieg. Siegen werden am sichersten die Zerstörung und die Barbarei.

gez. Daladier



Antwortschreiben des Führers an den Französischen Ministerpräsidenten
vom 27. August 1939

Berlin, den 27. August 1939
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Ich verstehe die Bedenken, die Sie aussprechen. Auch ich habe niemals die hohe Verpflichtung übersehen, die denen auferlegt ist, die über das Schicksal der Völker gestellt sind. Als alter Frontsoldat kenne ich wie Sie die Schrecken des Krieges. Aus dieser Gesinnung und Erkenntnis heraus habe ich mich auch ehrlich bemüht, alle Konfliktstoffe zwischen unseren beiden Völkern zu beseitigen. Ich habe dem französischen Volk eins ganz offen versichert, daß die Rückkehr des Saargebietes die Voraussetzung dazu sein würde. Ich habe nach dieser Rückkehr sofort feierlich meinen Verzicht bekräftigt, auf irgendwelche weitere Ansprüche, die Frankreich berühren können. Das deutsche Volk hat diese meine Haltung gebilligt. Wie Sie sich selbst bei Ihrem letzten Hiersein überzeugen konnten, empfand und empfindet es gegen den einstigen tapferen Gegner im Bewußtsein seiner eigenen Haltung keinerlei Groll oder gar Haß. Im Gegenteil. Die Befriedung unserer Westgrenze führte zu einer steigenden Sympathie, jedenfalls von seiten des deutschen Volkes. Einer Sympathie, die sich bei vielen Anlässen geradezu demonstrativ zeigte. Der Bau der großen Westbefestigungen, der zahlreiche Milliarden verschlang und verschlingt, stellt für Deutschland zugleich ein Dokument der Akzeptierung und Festlegung der endgültigen Reichsgrenze dar. Das deutsche Volk hat damit auf 2 Provinzen Verzicht geleistet, die einst zum alten Deutschen Reich gehörten, später durch viel Blut erobert und endlich mit noch viel mehr Blut verteidigt wurden. [Anm. d. Scriptorium: die Rede ist hier von den alten deutschen Provinzen Elsaß und Lothringen.] Dieser Verzicht stellt, wie Sie, mir, Exzellenz, zugeben müssen, keine taktische, nach außen gezeigte Haltung dar, sondern einen Entschluß, der in allen unseren Maßnahmen seine konsequente Erhärtung erfuhr. Sie werden mir, Herr Ministerpräsident, nicht einen Fall nennen können, in dem auch nur durch eine Zeile oder eine Rede gegen diese endgültige Fixierung der deutschen Reichsgrenze nach dem Westen hin verstoßen worden wäre. Ich glaubte, durch diesen Verzicht und durch diese Haltung jeden denkbaren Konfliktstoff zwischen unseren beiden Völkern ausgeschaltet zu haben, der zu einer Wiederholung der Tragik von 1914-1918 würde führen können. Diese freiwillige Begrenzung der deutschen Lebensansprüche im Westen kann aber nicht aufgefaßt werden als eine auch auf allen anderen Gebieten geltende Akzeptierung des Versailler Diktats. Ich habe nun wirklich Jahr für Jahr versucht, die Revision wenigstens der unmöglichsten und untragbarsten Bestimmungen dieses Diktats auf dem Verhandlungswege zu erreichen. Es war dies unmöglich. Daß die Revision kommen mußte, war zahlreichen einsichtsvollen Männern aus allen Völkern bewußt und klar. Was immer man nun gegen meine Methode anführen kann, was immer man an ihr aussetzen zu müssen glaubt, so darf doch nicht übersehen oder bestritten werden, daß es durch sie möglich wurde, ohne neues Blutvergießen in vielen Fällen nicht nur für Deutschland befriedigende Lösungen zu finden, sondern daß durch die Art des Verfahrens die Staatsmänner anderer Völker von der für sie oft unmöglichen Verpflichtung enthoben wurden, diese Revision vor ihren eigenen Völkern verantworten zu müssen: Die Revision mußte kommen. Das Versailler Diktat war untragbar. Kein Franzose von Ehre, auch Sie nicht, Herr Daladier, hätte in einer ähnlichen Lage anders gehandelt als ich. Ich habe nun in diesem Sinne auch versucht, die allerunvernünftigste Maßnahme des Versailler Diktats aus der Welt zu schaffen. Ich habe der polnischen Regierung ein Angebot gemacht, über das das Deutsche Volk erschrocken ist. Kein anderer als ich konnte es überhaupt wagen, mit einem solchen Angebot vor die Öffentlichkeit zu treten. Es konnte daher auch nur einmalig sein. Ich bin nun zutiefst überzeugt, daß, wenn besonders von England aus damals, statt in der Presse gegen Deutschland eine wilde Campagne loszulassen, Gerüchte von einer deutschen Mobilmachung zu lancieren, Polen irgendwie zugeredet worden wäre, vernünftig zu sein, Europa heute und auf 25 Jahre den Zustand des tiefsten Friedens genießen könnte. So aber wurde erst durch die Lüge von der deutschen Aggression die polnische öffentliche Meinung aufgeregt, der Polnischen Regierung die eigenen notwendigen klaren
Anm. d. Scriptorium vom April 2003:
Wie der amerikanische Präsident Ronald Reagan 1983 treffend sagte: "Die Geschichte lehrt, daß Kriege beginnen, wenn die Regierungen glauben, daß der Preis der Aggression niedrig ist."
Entschlüsse erschwert und vor allem durch die dann folgende Abgabe des Garantieversprechens der Blick für die Grenze realer Möglichkeiten getrübt. Die Polnische Regierung lehnte die Vorschläge ab. Die polnische öffentliche Meinung begann in der sicheren Überzeugung, daß ja nun England und Frankreich für Polen kämpfen würden, Forderungen zu erheben, die man vielleicht als lächerliche Verrücktheit bezeichnen könnte, wenn sie nicht so unendlich gefährlich wären. Damals setzte ein unerträglicher Terror, eine physische und wirtschaftliche Drangsalierung der immerhin über 1½ Millionen zählenden Deutschen in den vom Reich abgetretenen Gebieten ein. Ich will hier nicht über die vorgekommenen Scheußlichkeiten sprechen. Allein auch Danzig wurde mit fortgesetzten Übergriffen polnischer Behörden steigend zum Bewußtsein gebracht, daß es scheinbar rettungslos der Willkür einer dem nationalen Charakter der Stadt und der Bevölkerung fremden Gewalt ausgeliefert ist.

Darf ich mir nun die Frage erlauben, Herr Daladier, wie würden Sie als Franzose handeln, wenn durch irgendeinen unglücklichen Ausgang eines tapferen Kampfes eine Ihrer Provinzen durch einen von einer fremden Macht besetzten Korridor abgetrennt würde, eine große Stadt - sagen wir Marseille - verhindert würde, sich zu Frankreich zu bekennen und die in diesem Gebiete lebenden Franzosen nun verfolgt, geschlagen, mißhandelt, ja bestialisch ermordet würden? Sie sind Franzose, Herr Daladier, und ich weiß daher, wie Sie handeln würden. Ich bin Deutscher. Herr Daladier, zweifeln Sie nicht an meinem Ehrgefühl und an meinem Pflichtbewußtsein, genau so zu handeln. Wenn Sie nun dieses Unglück hätten, das wir besitzen, würden Sie dann, Herr Daladier, verstehen, wenn Deutschland ohne jede Veranlassung dafür eintreten wollte, daß der Korridor durch Frankreich bleibt, daß die geraubten Gebiete nicht zurückkehren dürfen, daß die Rückkehr Marseilles nach Frankreich verboten wird? Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, Herr Daladier, daß Deutschland aus diesem Grunde gegen Sie kämpfen würde, denn ich und alle Welt haben auf Elsaß-Lothringen verzichtet, um ein weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Um so weniger würden wir Blut vergießen, um ein Unrecht aufrechtzuerhalten, das für Sie untragbar sein müßte, wie es für uns bedeutungslos wäre. Alles, was Sie in Ihrem Brief, Herr Daladier, schreiben, empfinde ich genau so wie Sie. Vielleicht können gerade wir uns als alte Frontsoldaten auf manchen Gebieten am leichtesten verstehen, allein ich bitte Sie, verstehen Sie auch dies: daß es für eine Nation von Ehre unmöglich ist, auf fast 2 Millionen Menschen zu verzichten und sie an seinen eigenen Grenzen mißhandelt zu sehen. Ich habe daher eine klare Forderung aufgestellt: Danzig und der Korridor müssen an Deutschland zurück. Die mazedonischen Zustände an unserer Ostgrenze müssen beseitigt werden. Ich sehe keinen Weg, Polen, das sich ja nun im Schutze seiner Garantien unangreifbar fühlt, hier zu einer friedlichen Lösung bewegen zu können. Ich würde aber an einer ehrenvollen Zukunft meines Volkes verzweifeln, wenn wir unter solchen Umständen nicht entschlossen wären, die Frage so oder so zu lösen. Wenn das Schicksal nun dadurch unsere beiden Völker wieder zum Kampfe zwingt, dann würde doch in den Motiven ein Unterschied sein. Ich, Herr Daladier, kämpfe dann mit meinem Volk um die Wiedergutmachung eines uns zugefügten Unrechts, und die anderen um die Beibehaltung desselben. Dies ist um so tragischer, als viele der bedeutendsten Männer auch Ihres eigenen Volkes den Unsinn der Lösung von 1919 ebenso erkannt haben, wie die Unmöglichkeit seiner dauernden Aufrechterhaltung. Ich bin mir im klaren über die schweren Konsequenzen, die ein solcher Konflikt mit sich bringt. Ich glaube aber, die schwerste würde Polen zu tragen haben, denn ganz gleich, wie auch ein Krieg um diese Frage ausginge, der Polnische Staat von jetzt wäre so oder so verloren.

Daß nun dafür unsere beiden Völker in einen neuen blutigen Vernichtungskrieg eintreten sollen, ist nicht nur für Sie, sondern auch für mich, Herr Daladier, sehr schmerzlich. Ich sehe aber, wie schon bemerkt, von uns aus keine Möglichkeit, auf Polen in einem vernünftigen Sinne einwirken zu können zur Korrektur einer Lage, die für das Deutsche Volk und das Deutsche Reich unerträglich ist.

gez. Adolf Hitler



Erlaß des Führers
über die Bildung eines Ministerrats für die Reichsverteidigung

Erlaß des Führers über die Bildung eines Ministerrats für die Reichsverteidigung vom 30. August 1939.

Für die Zeit der gegenwärtigen außenpolitischen Spannung ordne ich zur einheitlichen Leitung der Verwaltung und Wirtschaft folgendes an:

I.

Aus dem Reichsverteidigungsrat wird als ständiger Ausschuß ein "Ministerrat für die Reichsverteidigung" gebildet. Dem Ministerrat für die Reichsverteidigung gehören als ständige Mitglieder an:
Generalfeldmarschall Göring als Vorsitzender,
der Stellvertreter des Führers,
der Generalbevollmächtigte für die Reichsverwaltung,
der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft,
der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei,
der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht.
Der Vorsitzende kann auch andere Mitglieder des Reichsverteidigungsrates sowie weitere Persönlichkeiten zu den Beratungen zuziehen.

II.

Der Ministerrat für die Reichsverteidigung kann Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen, falls ich nicht die Verabschiedung eines Gesetzes durch die Reichsregierung oder den Reichstag anordne.

III.

Die Befugnisse des Generalfeldmarschalls Göring aus der Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes vom 18. Oktober 1936 (Reichsgesetzblatt I, Seite 887), im besonderen sein Recht, Weisungen zu erteilen, bleiben bestehen.

IV.

Die Geschäfte des Ministerrats für die Reichsverteidigung führt der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei.

V.

Den Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Erlasses bestimme ich.

Berlin, den 30. August 1939

Der Führer, gez. Adolf Hitler
gez. Göring, Generalfeldmarschall

Der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei
gez. Dr. Lammers



Dem Reichsminister des Auswärtigen am 30. August 1939 nachts 24 Uhr vom Britischen Botschafter übergebenes Memorandum der Britischen Regierung

(Übersetzung)

1. Die Regierung Seiner Majestät weiß die Tatsache zu würdigen, daß die Deutsche Regierung in der in ihrer Antwort enthaltenen Erklärung freundlichst auf ihren Wunsch einer deutsch-englischen Verständigung hinweist, und weiß ebenso den Hinweis zu würdigen, daß diese Erwägung ihre Politik beeinflußt hat.

2. Die Regierung Seiner Majestät bringt wiederholt zum Ausdruck, daß sie den Wunsch der Deutschen Regierung nach einer Verbesserung der Beziehungen durchaus teilt, es ist jedoch dabei zu berücksichtigen, daß sie um dieser Verbesserung willen nicht die Interessen ihrer Freunde preisgeben kann. Sie hat volles Verständnis dafür, daß die Deutsche Regierung Deutschlands Lebensinteressen nicht opfern kann, aber die Polnische Regierung befindet sich in der gleichen Lage, und die Regierung Seiner Majestät glaubt, daß die Lebensinteressen beider Länder nicht unvereinbar sind.

3. Die Regierung Seiner Majestät nimmt zur Kenntnis, daß die Deutsche Regierung den britischen Vorschlag annimmt und bereit ist, mit der Polnischen Regierung in unmittelbaren Meinungsaustausch zu treten.

4. Die Regierung Seiner Majestät glaubt annehmen zu dürfen, daß die Deutsche Regierung im Prinzip die Bedingung annimmt, daß jedwede Regelung zum Gegenstand einer internationalen Garantie gemacht werden sollte. Die Frage, wer sich an einer solchen Garantie beteiligen sollte, wird später zu erörtern sein, und die Regierung Seiner Majestät hofft, daß, um Zeitverlust zu vermeiden, die Deutsche Regierung sofort Schritte unternehmen wird, um die Zustimmung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zu erreichen, deren Beteiligung an der Garantie die Regierung Seiner Majestät stets vorausgesetzt hat.

5. Die Regierung Seiner Majestät nimmt gleichfalls zur Kenntnis, daß die Deutsche Regierung den Standpunkt der Britischen Regierung hinsichtlich der Lebensinteressen und der Unabhängigkeit Polens anerkennt.

6. Hinsichtlich besonderer Forderungen, die die Deutsche Regierung in einem früheren Absatz ihrer Antwort anmeldet, muß die Regierung Seiner Majestät einen ausdrücklichen Vorbehalt machen. Sie glaubt zu verstehen, daß die Deutsche Regierung zur Zeit Vorschläge für eine Lösung ausarbeitet. Zweifelsohne werden diese Vorschläge während des Meinungsaustausches sorgfältig geprüft werden. Es kann dann entschieden werden, wie weit diese mit den wesentlichen Bedingungen vereinbar sind, die die Regierung Seiner Majestät bekanntgegeben hat, und die anzunehmen die Deutsche Regierung ihre Bereitwilligkeit zum Ausdruck gebracht hat.

7. Die Regierung Seiner Majestät wird die Polnische Regierung sofort von der Antwort der Deutschen Regierung verständigen. Die Art der Fühlungnahme und die Vorbereitungen für einen Meinungsaustausch müssen selbstverständlich in aller Eile zwischen der Deutschen und der Polnischen Regierung vereinbart werden. Die Regierung Seiner Majestät ist jedoch der Ansicht, daß es untunlich wäre, diese Fühlungnahme schon heute herzustellen.

8. Die Regierung Seiner Majestät erkennt voll an, daß bei der Aufnahme der Verhandlungen Eile geboten ist, und teilt die Befürchtungen des Herrn Reichskanzlers, die sich aus dem Umstand ergeben, daß zwei mobilisierte Armeen sich in allernächster Nähe gegenüberstehen. Sie möchte daher auf das dringendste nahelegen, daß beide Parteien sich verpflichten, daß während der Verhandlungen keine aggressiven militärischen Bewegungen stattfinden. Die Regierung Seiner Majestät vertraut darauf, daß sie von der Polnischen Regierung eine derartige Zusage erhalten würde, wenn die Deutsche Regierung eine gleichartige Versicherung abgeben wollte.

9. Die Regierung Seiner Majestät möchte ferner noch vorschlagen, daß vorläufig ein modus vivendi für Danzig geschaffen wird, um Zwischenfälle zu verhüten, die geeignet wären, die deutsch-polnischen Beziehungen noch schwieriger zu gestalten.

Berlin, den 30. August 1939.



Amtliche deutsche Mitteilung vom 31. August 1939 abends 21 Uhr, enthaltend den Vorschlag für eine Regelung des Danzig-Korridor-Problems sowie der deutsch-polnischen Minderheitenfrage

Die Königlich Britische Regierung hat sich in einer Note vom 28. Aug. 1939 gegenüber der Deutschen Regierung bereit erklärt, ihre Vermittlung zu direkten Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen über die strittigen Probleme zur Verfügung zu stellen. Sie hat dabei keinen Zweifel darüber gelassen, daß auch ihr angesichts der fortdauernden Zwischenfälle und der allgemeinen europäischen Spannung die Dringlichkeit des Vorganges bewußt wäre.

Die Deutsche Regierung hat sich in einer Antwortnote vom 29. August 1939 trotz ihrer skeptischen Beurteilung des Willens der Polnischen Regierung, überhaupt zu einer Verständigung zu kommen, im Interesse des Friedens bereit erklärt, die englische Vermittlung bzw. Anregung anzunehmen. Sie hat unter Würdigung aller der zur Zeit gegebenen Umstände es für notwendig erachtet, in dieser Note darauf hinzuweisen, daß, wenn überhaupt die Gefahr einer Katastrophe vermieden werden soll, dann schnell und unverzüglich gehandelt werden muß. Sie hat sich in diesem Sinne bereit erklärt, bis zum 30. August 1939 abends einen Beauftragten der Polnischen Regierung zu empfangen, unter der Voraussetzung, daß dieser auch wirklich bevollmächtigt sei, nicht nur zu diskutieren, sondern Verhandlungen zu führen und abzuschließen.

Die Deutsche Regierung hat weiter in Aussicht gestellt, daß sie glaubt, bis zum Eintreffen dieses polnischen Unterhändlers in Berlin der Britischen Regierung die Grundlagen über das Verständigungsangebot ebenfalls zugänglich machen zu können.

Statt eine Erklärung über das Eintreffen einer autorisierten polnischen Persönlichkeit erhielt die Reichsregierung als Antwort auf ihre Verständigungsbereitschaft zunächst die Nachricht der polnischen Mobilmachung, und erst am 30. August 1939 gegen 12 Uhr nachts eine mehr allgemein gehaltene britische Versicherung der Bereitwilligkeit, ihrerseits auf den Beginn von Verhandlungen hinwirken zu wollen.

Trotzdem durch das Ausbleiben des von der Reichsregierung erwarteten polnischen Unterhändlers die Voraussetzung entfallen war, der Britischen Regierung noch eine Kenntnis über die Auffassung der Deutschen Regierung in bezug auf mögliche Verhandlungsgrundlagen zu geben, da die Britische Regierung ja selbst für direkte Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen plädiert hatte, gab Reichsaußenminister v. Ribbentrop dem Britischen Botschafter anläßlich der Übergabe der letzten englischen Note eine genaue Kenntnis des Wortlautes der für den Fall des Eintreffens des polnischen Bevollmächtigten als Verhandlungsgrundlage vorgesehenen deutschen Vorschläge.

Die Deutsche Reichsregierung glaubt ein Recht darauf zu haben, daß unter diesen Umständen wenigstens nachträglich die sofortige Benennung einer polnischen Persönlichkeit stattfinden würde. Denn es ist der Reichsregierung nicht zuzumuten, ihrerseits fortgesetzt die Bereitwilligkeit zur Inangriffnahme solcher Verhandlungen nicht nur zu betonen, sondern auch dafür bereitzusitzen, von der polnischen Seite aber nur mit leeren Ausflüchten und nichtssagenden Erklärungen hingehalten zu werden.

Aus einer inzwischen stattgefundenen Demarche des polnischen Botschafters geht erneut hervor, daß auch dieser nicht bevollmächtigt ist, in irgendeine Diskussion einzutreten oder gar zu verhandeln.

Somit haben der Führer und die Deutsche Reichsregierung nun 2 Tage vergeblich auf das Eintreffen eines bevollmächtigten polnischen Unterhändlers gewartet.

Unter diesen Umständen sieht die Deutsche Regierung auch dieses Mal ihre Vorschläge praktisch als abgelehnt an, obwohl sie der Meinung ist, daß diese in der Form, in der sie auch der englischen Regierung bekanntgegeben worden sind, mehr als loyal, fair und erfüllbar gewesen wären.

Die Reichsregierung hält es für angebracht, der Öffentlichkeit Kenntnis von diesen dem britischen Botschafter durch den Reichsaußenminister von Ribbentrop mitgeteilten Verhandlungsgrundlagen zu geben.


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