SucheScriptoriumBücherladenArchiv IndexSponsor

Auf den Straßen des Todes. Leidensweg der 
Volksdeutschen in Polen.
[88]
"Ich bin allein übriggeblieben"
Das Wüten der Mordbanden im Landkreise Bromberg
Lisbeth Busse, Bauerntochter

Am Dienstag, dem 5. September, wurde ich frühmorgens durch Schüsse aus dem Schlaf gerissen. Eine deutsche Frau kam und sagte, wir sollten uns verstecken, überall sei polnisches Militär, das auf alle Deutschen schießt. Aus Angst lief ich mit unserem deutschen Knecht los, um uns im Walde zu verstecken. Wir kamen nicht bis in den Wald, sondern blieben auf der Wiese hinter Erlengebüsch versteckt liegen. Wir hörten in der Umgegend Schüsse fallen, die auf flüchtende Deutsche abgegeben wurden. Bald danach kam polnisches Militär und nahm uns gefangen. Die Soldaten wollten uns gleich erschießen, überzeugten sich dann, daß wir keine Waffen hatten und übergeben uns einem Offizier. Als dieser hörte, daß wir Deutsche seien, sagte er: "Wir werden Stücke aus euch machen und Riemen aus eurer Haut schneiden!"

Ich bat ihn, er sollte mich noch von der Mutter Abschied nehmen lassen, dann könnte er mich erschießen. Ein Soldat mußte mit uns mitgehen und bekam den Befehl, die Mutter und mich zu töten. Als wir zu uns kamen, war weder meine Mutter noch sonst jemand im Hause. Der Soldat führte uns noch bis zum Nachbarn, da es ihm bis zur Kommandostelle zu weit war. Hier wollte er uns erschießen. Er sagte: "Der Kommandeur erschießt die Deutschen eigenhändig wie die Hunde." Soldaten gruppierten sich jetzt um uns und begannen einen Streit. Eine Partei wollte uns auf den Kirchhof führen und dort erschießen, die andere nicht. Mein Begleiter, Hans Neubauer, war ganz verzweifelt. Ich habe ihm gesagt, er soll den Mut nicht verlieren. Zu unserer Rettung kamen zwei Soldaten mit einem Mann mit zugebundenen Augen. Dieser wurde unserem Soldaten übergeben.

[89] Dann wurden auch uns die Augen verbunden und wir mußten querfeldein zur Kommandostelle nach Kolankowo. Bei Behnke hinter der Scheune war die Schädelstätte. Man führte uns aber nicht dorthin, sondern zu Radtke auf den Hof. Wir mußten uns auf die Erde setzen und warten. Die Soldaten beschimpften uns und wir sollten angeben, wo die Deutschen hier Maschinengewehre versteckt hätten. Sie rasselten dauernd mit den Gewehren und taten, als wenn sie uns erschießen wollten. Wir konnten mit den verbundenen Augen nichts sehen. Sie beschuldigten uns, daß wir zu Hitler laufen wollten. Ich sagte, daß wir einzig und allein vor dem polnischen Militär Angst gehabt hätten und deshalb von Hause ausgerückt waren. Da sagten sie zu uns, wir sollten keine Angst mehr haben, sie würden uns nicht erschießen. Sie erzählten uns dann, daß die Deutschen die kleinen polnischen Kinder auf die Bajonette aufspießen. Wir wußten, daß das alles Lüge war. Der Kommandant kam und fragte uns aus. Warum er mit uns Mitleid hatte, weiß ich nicht; bei Behnke allein waren 15 Deutsche ermordet worden und bei Radtke befand sich das Oberkommando. Wir bekamen noch ein Mittagessen und ein Schreiben, damit sollten wir uns in Hohensalza melden. Wir durften nicht nach Hause gehen, sondern sollten ohne alle Mittel nach Kongreß fliehen und "nicht auf den Hitler warten", wie sie sagten.

Ein Soldat wurde zur Bewachung mit uns bis zur Chaussee mitgeschickt. Unterwegs kamen die Soldaten wie Bluthunde hinter uns her. Unser Begleitmann hatte Mühe, die Horde von uns abzuhalten. Ich sah keine Zivilpersonen mehr, keinen von den deutschen Nachbarn. Die meisten Männer waren während dieser Zeit erschossen und die Frauen geflohen, soweit sie lebten. Wir gingen nun ziellos die Straße entlang. Ich dachte nur an das Schicksal meiner Eltern, meiner Tante, meines Bräutigams, der in der Nacht zu uns gekommen war und mit dem Vater in den Wald flüchtete.

[90] Es war für mich eine Beruhigung, als ich die Nachbarin, Frau Ziesak mit ihren zwei kleinen Kindern und einem zwölfjährigen Verwandten aus Bromberg traf, ferner den alten Scherbarth und die jungverheiratete Frau Hammermeister aus dem Dorfe. Wir gingen zusammen weiter. Ich warnte alle [davor], deutsch zu sprechen, denn ein deutsches Wort konnte uns das Leben kosten. Es kam, wie ich befürchtet hatte. Frau Hammermeister sprach irgend etwas auf deutsch. Ein polnisches Flüchtlingsweib hörte das und schrie, daß hier Hitlerbanden seien. Der Pöbel schubste und stieß den alten siebzigjährigen Scherbarth und Frau Hammermeister mit Fäusten. Das Weib rief Militär herbei. Dieses durchsuchte Frau Hammermeister, wobei deutsche Briefe gefunden wurden. Man erklärte, sie sei eine Spionin.

Die polnische Bestie von Weib bestand nun darauf, daß die Soldaten uns alle sofort erschießen sollten.

Ich wollte uns in polnischer Sprache verteidigen. Da schob mich der ein polnische Soldat zur Seite und sagte, weil ich gut polnisch konnte, sollte ich weitergehen.

Der alte Scherbarth, Frau Ziesack, Frau Hammermeister, Hans Neubauer und die Kinder mußten sich mit erhobenen Händen im Rübenfeld zum Erschießen aufstellen. Ich war wie gelähmt, konnte nicht weitergehen und wollte die Kinder zu mir nehmen. "Die werden erschossen", sagte ein Soldat und "Machen Sie, daß Sie wegkommen!" Als die ersten Schüsse fielen, ging ich weiter. Wie sich später herausstellte, blieben Hans Neubauer und die drei Kinder am Leben. Sie wurden nicht von der Kugel getroffen. Hans Neubauer fiel um und blieb bis an den Morgen liegen und die Kinder sind wohl beim Schießen fortgelaufen.

Ich ging nun ganz allein als Deutsche weiter und zerriß das Papier, das mir die Soldaten ausgestellt hätten. Ich hatte eingesehen, wie nutzlos das war. Ich habe mich dann zwischen den polnischen Flüchtlingen aufgehalten und wenn ich Hunger hatte, um Essen gebettelt. Ich hatte immer [91] Angst, als Deutsche erkannt zu werden. Ich sah und hörte vieles von den Flüchtlingen, wie verbittert die Polen auf alles Deutsche waren.

In Hohensalza sah ich zufällig, wie ein Deutscher geschlachtet wurde. Man hatte dem armen Menschen die Kehle durchgeschnitten, und das Volk stand dabei und schrie wie eine Horde Wilder. In dieser Zeit habe ich die polnische Rasse hassen gelernt und werde sie hassen, solange ich lebe.

Ich bin 20 Kilometer hinter Kruschwitz geflüchtet. Als ich dort hörte, daß deutsche Truppen in Hohensalza seien, machte ich mich auf den Rückweg. Ich kam ungehindert bis Kruschwitz. Dort war schon die Rettung. Das deutsche Militär war schon da. Es war am Sonntag, dem 10. September, als ich endlich frei war und mich wieder als Deutsche ausgeben konnte. Ich habe viele Freudentränen vergossen. Ich war tief erschüttert, als ich den Unterschied zwischen unserem hilfreichen deutschen Militär und den polnischen Mordbuben sah.



Seite zurückInhaltsübersichtSeite vor

Auf den Straßen des Todes
Leidensweg der Volksdeutschen in Polen