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Dr. Wilhelm Exner
Ingenieur, Präsident des Technischen Versuchsamtes Wien

Die technische Geistesrichtung des deutschen Volkes

Als nach Lavoisier und James Watt die deutschen Vertreter der Naturwissenschaften sowie ihrer Anwendung auf die technische Seite der Gütererzeugung und des Verkehrswesens die Führung auf diesen Gebieten gewannen, entstanden die innigsten Beziehungen zwischen den autoritativen Fachmännern in allen von Deutschen besiedelten Erdstrichen. Ein besonderer Zweig der Kultur unserer Zeit entwickelte sich, durch staatliche Grenzen in keiner Weise behindert. Erst als im Jahre 1866 der Kampf um die Vorherrschaft zwischen Preußen und Österreich, zwischen den Hohenzollern und Habsburgern zuungunsten der letzteren entschieden worden war, traten mancherlei Störungen in der Gemeinschaftsarbeit der deutschen technischen Welt ein. Vielfach mußten die Ingenieure gesonderte Wege gehen, da ihr Beruf, durch politische Verhältnisse und wirtschaftliche Aufgaben bedingt, ihnen oft voneinander abweichende Pflichten diesseits und jenseits der Grenze der mitteleuropäischen Großstaaten auferlegte. Es konnte in dem darauffolgenden Halbjahrhundert eine völlige Trennung nicht eintreten, - aber die staatliche Ausschließung der deutsch-österreichischen Techniker aus dem "reichsdeutschen" Betrieb von Forschung und Lehre, die Behinderung der Freizügigkeit hat uns in Österreich ungünstigere Schaffensvoraussetzungen auferlegt. Daß das aufhöre und daß wir mit den wertvollen Resten unserer Ebenbürtigkeit - wieder mit unseren Berufsgenossen unter gleichen Bedingungen gleichen Zielen zuzustreben haben werden, das ist unser Wunsch, unsere Hoffnung.

[42] Zur Zeit der Anfänge des technischen Hochschulunterrichts waren es die Deutsch-Österreicher Redtenbacher und Karmarsch, der erstere einer der Begründer der Maschinenbau-Wissenschaft, der andere der Schöpfer der mechanischen Technologie, denen die Blüte und der Ruf der polytechnischen Institute in Karlsruhe und Hannover zuzuschreiben ist, unsere Ingenieure Gerstner, Vater und Sohn, wurden Pioniere des Eisenbahnwesens in Mitteleuropa usw. Später gingen wir im technisch- und kunstgewerblichen Unterrichtswesen voran und lieferten in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zahlreiche Intelligenzkräfte an Deutschland, wo sie leitend wurden. Dort überholte man uns dann in wissenschaftlichen Spezialinstitutionen unter staatlicher Fürsorge. Jetzt aber wollen wir nicht mehr zurückbleiben, sondern einheitlich und einig am Wettbewerb in technischer Wissenschaftlichkeit teilnehmen zur Ehre unseres Berufes und zur wirtschaftlichen Wiedergeburt des deutschen Volkes zu beiden Seiten des Rheins, der Elbe und der Donau. - Unsere Kraft soll fühlbar werden bis über die Weltmeere hinaus in allen Sphären des Ingenieurwesens.

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Herausgegeben von Dr. Alfred Christ