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Franz Karl Gizenkey
Schriftsteller
Warum wir zu Deutschland müssen, o Freunde in
Deutsch-Österreich? Lassen wir alle gefühlsseligen Worte
schweigen, sie sind zur Stunde allzu sehr in Mißkredit geraten. Zu viel hat
das deutsche Volk in Österreich um seine einstigen vaterländischen
"Ideale" geblutet, um dem Klang der hohen Worte noch zugänglich zu sein.
Aber gesagt muß es doch werden, daß es für uns endlich
einzumünden gilt in die große Gemeinschaft des trotz allem und nun
erst recht unsterblichen deutschen Geistes, der durch die
äußerliche, sagen wir scheinbare Niederlage, die er erlitten,
eher eine (vielleicht als Gottesprüfung gesandte) Stärkung als
Schwächung seiner inneren Energie erfahren hat.
Ferner: nicht zu unsern Stammesbrüdern zu halten, weil uns zur Stunde
vielleicht von anderer Stelle der fettere Happen winkt, hieße sich dem
wohlverdienten Hohngelächter der ganzen übrigen Welt preisgeben,
hieße sich um den letzten Rest von Achtung bringen, derer man
schließlich auch von Feindesseite in manchem bedarf.
Ferner, und das scheint mir das Wichtigste, noch viel zu selten Gesagte: es gilt
für uns zu lernen von unseren deutschen Brüdern, zu lernen
in der Disziplin der Lebensführung, der Arbeitsfreudigkeit und vor allem in
der Geschäftsmoral. Gerade die zur Stunde von mancher Seite so
gefürchtete Konkurrenz der deutschen Industriekraft und
Geschäftstüchtigkeit könnte das Heilbad werden, dessen wir
zu unserer eigenen Behauptung bedürfen. Nie hätte der Vampir des
Wuchers, der brudermörderischen Preistreiberei unseres armen Volkes Blut
bis aufs letzte ausgesogen, wenn das, was wir "deutsche Geschäftsmoral"
nennen wollen, bei uns genügend im Schwunge gewesen wäre.
Davon weiß jeder ein Lied zu singen, der Deutschland während der
Kriegsnot an seiner bürgerlichen Arbeit sah, wie es die Warenpreise zu
drosseln wußte, wie es im Kampf mit dem Gespenst des Hungers doch noch
ehrlich und brüderlich empfand. Was unser eigenes so reich begabtes,
kluges, vielseitiges und einsichtsvolles Volk in
Deutsch-Österreich zu seiner staatlichen Genesung braucht, ist
überhaupt nichts
als - Disziplin. Worunter nicht etwa militärischer Drill im
Stechschritt und im rücksichtslosen Konkurrenzkampf zu verstehen ist; ich
meine jene tiefere Disziplin des Geistes, die im letzten [41] die Mutter aller ersprießlichen
Tätigkeit, aller gegenseitigen Förderung, aller Erkenntnis der
Staatsverpflichtungen ist.
Stehen wir an Deutschlands Seite, so wird sein starker gesunder und sicherer
Herzschlag auch unseren leichteren Puls zum brüderlichen Takt bewegen.
Es wird nicht unser Schaden sein. Wir bleiben, es mag uns nicht bangen,
für Zeit und Ewigkeit doch das "Volk der Tänzer und der Geiger",
und wo wir Kraft empfangen, werden wir Schönheit geben aus dem tiefen
Born einer hellen, tausendjährigen Kultur.
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