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Ernst Krause
Maschinenfabrikant, Mitglied der Wiener Handels- und Gewerbekammer

Die Wirtschaftskreise Deutsch-Österreichs sind bezüglich der Frage, ob der Anschluß an das Deutsche Reich oder eine Zollunion mit dem früheren Staate der österreichisch-ungarischen Monarchie vorzuziehen ist, in zwei Lager gespalten.

Die Verfechter der letzten Ansicht, die Bank -und schwerindustriellen Kreise, weisen darauf hin, daß Deutsch-Österreich sowohl bezüglich Ernährung als bezüglich der wichtigsten Rohstoffe, wie Kohle und Eisen, auf die früheren Staaten der Monarchie angewiesen ist, daß ferner die tausendfachen kaufmännischen Fäden, welche die Zentrale des Wirtschaftslebens Wien mit allen Teilen der früheren Monarchie verbinden, nicht zerschnitten werden dürfen, ohne daß dadurch das gesamte Geschäftsleben Deutsch-Österreichs zusammenbrechen würde.

Dieser Ansicht steht die Meinung der ersten Gruppe entgegen, zu der sich der Schreiber dieser Zeilen bekennt und die dahin geht, daß die Frage nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine nationale ist und daß es unmöglich angeht, sich an die alten Staaten der Monarchie wieder anzubiedern, nachdem sie uns treulos im Stich gelassen haben und nachdem die Bildung einer neuen Zollunion, wie der tschechische Finanzminister sagt, nur bei Auslieferung der urdeutschen Randstaaten Böhmens an die tschechischen Machthaber möglich wäre.

Aber auch die nationalst fühlenden Deutsch-Österreicher sind sich klar darüber, daß aus nationalen Gründen die wirtschaftliche Existenz von zehn Millionen Deutsch-Österreichern nicht geopfert werden dürfte. Diese Notwendigkeit besteht nun aber auch in keiner Form, sondern die nationalen Belange lassen sich ohne Schädigung der wirtschaftlichen Interessen durchführen, wenn man die Zeit eines gewissen Übergangs, der nicht leicht sein wird, mit in den Kauf nimmt.

Bei Öffnen der Grenzen für überseeische Bezüge, welche bisher zugunsten Ungarns verboten waren, wird unsere Versorgung mit Lebensmitteln besser und billiger werden und Deutsch-Österreich, besonders Wien, wird seine Kohle und Eisen von Oberschlesien und bei Ausbauen der Rhein-Donau-Wasserstraßen von Ruhrort billiger bekommen wie aus Mährisch-Ostrau. Alsdann wird der tschechisch-slowakische Staat glücklich sein, uns konkurrenzfähig liefern zu dürfen, wie überhaupt bis zum Aus- [34] bruch des Krieges diejenigen Staaten die stärkeren waren, welche als Absatzgebiet in Frage kamen, weil bei der allgemeinen Überproduktion die Kundschaft mehr gesucht war als der Lieferant.

Dann wird auch bei den deutschen 30 bis 40 Prozent billigeren Materialien in Deutsch-Österreich die eisenverarbeitende Industrie wieder aufblühen, wozu, wie die Geschichte zeigt, die besten Vorbedingungen gegeben sind, und der daraus sich ergebende Wohlstand wird sich über das ganze Land verbreiten.

Wie die eisenverarbeitende Industrie durch hohe Materialpreise unnatürlich zurückgehalten wurde, hat sich der Preis für alle Waren daraus auf die Allgemeinheit übergewälzt und aus diesen wie auch aus ähnlichen Gründen für andere Artikel eine Teuerung auf der ganzen Linie hervorgerufen, welche dazu führte, daß sich das tägliche Leben in ganz anderen Preishöhen abspielte wie im Deutschen Reiche.

Diese Teuerung machte es uns unmöglich, unseren Bedarf in ausländischen Rohstoffen mit Fertigfabrikaten zu bezahlen, wie es das Deutsche Reich infolge seiner großzügigeren, auf Export berechneten Wirtschaftspolitik einzurichten wußte. Jeder Deutsche, der nach Wien kam, sowohl vor dem Kriege als während desselben, war entsetzt über die hohen Preise. Vom Einspänner bis zum Theaterbillet, von der Stecknadel bis zur Nähmaschine, vom möblierten Zimmer des Studenten bis zum Aufenthalt in einem Sanatorium, und bei industriellen Investitionen von der Schraube bis zur Dampfmaschine war alles und jedes fast doppelt so teuer wie im Deutsche Reiche, und das ist nur auf die ungesunde Absperrung zurückzuführen, welche die Bankkreise und Schwerindustriellenkreise wieder aufzurichten wünschen, um weiter auf Kosten der Allgemeinheit ihre Geschäftspolitik treiben zu können, die dahin führte, daß z. B. die Eisenindustrie, welche in Deutschland etwa 8 Prozent Dividende zahlte, hier durchschnittlich etwa 30 Prozent ausschüttete.

Deutsch-Österreich ist in der Hauptsache ein Konsumentenland und verarbeitet ausländische Rohmaterialien und darf sich deshalb nicht weiter das Leben zugunsten der Rohstofflieferanten verteuern lassen, um so mehr, als es dabei den natürlichen Weg gehen und sich als Bundesstaat an das große Deutsche Reich anschließen kann.

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Herausgegeben von Dr. Alfred Christ