Hofrat Dr. Wilhelm Suida
ordentl. Professor der Technischen Hochschule in Wien
Die kulturellen, wirtschaftlichen und politischen
Vorteile des Anschlusses an Deutschland vom Standpunkt des Technikers
betrachtet.
Wirft man einen Blick auf die jüngst vergangenen Kriegsjahre und die
während dieser Zeit erfolgte Entwicklung der menschlichen Erkenntnis
zurück, so tritt einem als springender Punkt der enorme technische
Fortschritt entgegen. Nicht allein in den Mitteln zur Kriegführung, den
kriegerischen
Angriffs- und Verteidigungswaffen, sondern insbesondere in all den wichtigen
Mitteln zur Befriedigung der friedlichen menschlichen Bedürfnisse tritt uns
eine staunenerregende Entwicklung der Technik vor Augen. Es ist bei genauer
Betrachtung der Verhältnisse vor allem das deutsche Volk, welches auch
hier, wie in so vielen Zweigen menschlicher Erkenntnis, die Führerrolle
übernommen hat, eine Führerrolle, die selbst Deutschlands ehrliche
Feinde anerkannt haben, eine Führerrolle, welche [28] die hohe geistige und kulturelle Entwicklung
des deutschen Volkes kennzeichnen und in jeder Beziehung nachahmenswert
machen.
Hatte doch Deutschland, um nur ein Beispiel zu nennen, in bezug auf die
Entwicklung der chemischen Gewerbe und Industrien schon lange vor dem
Ausbruche des letzten fürchterlichen Völkerkrieges die
führende Rolle übernommen; waren wir doch schon lange gewohnt,
stets nach Deutschland zu blicken, stets von unseren dortigen Brüdern
Aufschluß und Hilfe zu empfangen und neidlos Deutschlands höhere
Kulturstufe anzuerkennen und zu bewundern.
Einem in solch hoher geistiger und kultureller Entwicklung befindlichen Volke
sich anschließen zu können, demselben einstens voll auch staatlich
anzugehören und an seiner weiteren Entwicklung teilnehmen zu
dürfen, muß doch als das Erstrebenswerteste für ein stammlich
zugehöriges, kleines, bisher im steten Kampfe um die Erhaltung seiner Art
befindlichen Volk sein und diesem die reichste ideale und auch wirtschaftliche
Befriedigung gewähren.
Deutsch-Österreich ist aus dem alten Länderverband
"Österreich-Ungarn" herausgerissen; es ist nicht in der Lage, sich
selbständig zu entwickeln, fortzuhelfen, auch
technisch-wirtschaftlich und kreditlich nicht. Fehlen
Deutsch-Österreich doch wichtige Energiequellen nahezu
vollständig, wie die Kohle und das Erdöl, und schon
gegenwärtig stehen die meisten Betriebe infolge des Mangels an Kohle.
Freilich besitzen wir in unseren Gebirgen zahlreiche Wasserkräfte, die indes
zu einer reichen Entwicklung von Industrien und Gewerben nicht genügen;
um diese noch in unserem Besitz befindlichen Energiequellen scheint schon ein
heißer Wettbewerb zu entstehen und es dürfte mehr als fraglich sein,
ob diese Quellen zu unserem oder der Stammverwandten Vorteil
ausgenützt werden dürften. Auch hier wäre es von
großem Vorteile, wenn die wirtschaftlich und kreditlich viel stärkeren
Deutschen die Ausnutzung dieser Energiequellen in die Hand nehmen
würden und wir in Zukunft so an diesen teilnehmen könnten.
Ein großer Teil der Industrien und Gewerbe ist bei der Trennung
Österreich-Ungarns in andere Teile des ehemaligen Kaiserstaates
hinübergegangen, ja nicht einmal unsere Landwirtschaft kann unseren
Bedürfnissen genügen. Wir sind zu unserer Erhaltung gezwungen uns
an einen größeren Staat, an ein größeres Volk
anzuschließen, und dieser Staat kann doch nur, im Interesse aller
Deutsch-Österreicher gedacht, Deutschland, dieses [29] Volk doch nur das deutsche sein. Denn man
kann doch nicht behufs besserer Entwicklung des eigenen Volkes den
Anschluß an minder entwickelte Staaten des Ostens wünschen, in der
ein großer Teil unserer eigenen Kraft ausstrahlend verbraucht wird, um dort
die kulturelle Entwicklung zu fördern; wir sollen und wollen uns
entwickeln und nicht andere und noch dazu stammfremde Völker auf
unsere Kosten entwickeln helfen.
Alle diese Gründe führen zu der Konsequenz, daß der
Anschluß
Deutsch-Österreichs, der, wie schon angeführt wurde, erfolgen
muß, nur an Deutschland erfolgen kann, welcher einzig richtige Vorgang
auch der natürlichen nationalen, kulturellen und wirtschaftlichen
Entwicklung entspricht.
Im Augenblicke werden infolge der noch unklaren Verhältnisse manche
Industrielle und Gewerbetreibende es für wünschenswert halten,
besonders in Anbetracht der momentan vorhandenen Schwierigkeiten in der
Fortführung der Betriebe, sich anderen als dem deutschen Volke
anzuschließen. Doch selbst, wenn dieses Verhalten für den Moment
von Erfolg begleitet wäre, würde es sich in nicht zu langer Zeit
erweisen, daß ein solches Verhalten ein kurzsichtiges, für die Dauer
unhaltbares gewesen ist und bitter bereut werden müßte. Jedenfalls
wäre aber ein solches Verhalten ein selbstsüchtiges, der
natürlichen Grundlagen entbehrendes und nicht im Interesse
Gesamt-Deutsch-Österreichs gelegenes zu nennen.
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