Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung,
Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im
Heere
[257]
Kapitel 5: Die Fürsorge
für die Kriegsbeschädigten
und Kriegshinterbliebenen1
Dr. jur. et rer. pol. Kurt Schwarz
1. Gesetzliche Bestimmungen der Vorkriegszeit und
erste Ergänzungen.
Der Weltkrieg mit all seinen Folgeerscheinungen hat unserem Vaterland und den
meisten unserer Volksgenossen schwere Wunden geschlagen, Wunden ganz
verschiedener Art. Die schmerzlichsten aber sind wohl die, die er unseren
Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen zugefügt hat. Wem
blutet nicht das Herz immer wieder von neuem, wenn er zurückdenkt an die
vielen deutschen Männer und Jünglinge, die in heller Begeisterung,
in tiefem Pflichtbewußtsein gesund und frisch hinauszogen in den heiligen
Kampf für Deutschlands Ehre und die nicht zurückgekehrt sind zu
Weib und Kind, denen sie Lebenskameraden, Erzieher und Ernährer
gewesen, die nicht heimgekommen sind zu Geschwistern und Eltern, denen sie
Stütze und Trost im Alter sein sollten, oder an die vielen, die zwar in die
Heimat zurückkehren durften, aber wund und siech mit gebrochenem
Lebensmut, häufig nicht mehr imstande, ihren Beruf auszuüben und
für sich und die Familie den Unterhalt wie bisher zu verdienen. Mit
unerbittlicher Härte hat das große Kriegsgeschick in manches
Menschenleben eingegriffen und manches Familienglück
zerstört.
Nach der Begründung zur Novelle zum Reichsversorgungsgesetz2 beträgt die Zahl der
Kriegerwitwen aus dem letzten Kriege über 533 000, die der
Kriegerhalbwaisen 1 134 000, die der Doppelwaisen 58 000,
die der Kriegereltern 220 000. Die Zahl der Kriegsbeschädigten wird
auf 1 275 000 ohne die 262 000 gemäß
§ 94 des Reichsversorgungsgesetzes abgefundenen angegeben. Sie
haben 1 530 000 Kinder. Das Wort vom Dank des Vaterlandes
gegenüber Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, das in den
ersten begeisterten Kriegswochen des Jahres 1914 geprägt worden ist und
in den verschiedensten Tonarten immer widerhallte, ist vielfach bös
mißbraucht und auch mißverstanden worden und hat dadurch viel an
seinem guten Klang verloren. Und doch gibt [258] es so trefflich das
Empfinden des ganzen Volkes, besonders der Daheimgebliebenen, wieder. Der
allgemeinen Wehrpflicht, nach der jeder wehrfähige Deutsche sein Leben
einsetzen mußte für die Heimat, steht die Pflicht der Allgemeinheit
gegenüber, für die zu sorgen, die in diesem Kampfe ihre Gesundheit
geopfert, oder für ihre Hinterbliebenen, falls sie auf dem Schlachtfelde
geblieben.
Andererseits war es menschlich ja nur begreiflich, daß diejenigen, die beim
Ausmarsch ins Feld Angehörige zurücklassen mußten, deren
Ernährer sie gewesen waren oder hätten werden sollen, die Sorge
bewegte: was wird aus Weib und Kind? wer sorgt für die greisen Eltern,
wenn ich nicht oder als erwerbsunfähiger Invalide zurückkehre? Der
Gedanke, daß das Reich dann für sie eintreten würde und auf
Grund der Gesetze den Hinterbliebenen und gegebenenfalls im Falle der
Erwerbsunfähigkeit ihnen selbst eine auskömmliche
Rentenversorgung gewähren wird, ließ sie ruhiger in den Kampf
ziehen.
Freilich mit einer solchen Ausdehnung des Krieges, wie der des letzten, hatte bei
Erlaß der bei Kriegsausbruch noch geltenden
Militärversorgungsgesetze niemand rechnen können. Als sich infolge
der Länge des Krieges und der Einberufung auch der ältesten (und
jüngsten) Jahrgänge die Friedensvorbereitung auf diesem Gebiet als
unzulänglich erwies, wurde die Versorgung und vor allem auch die
Fürsorge für die Kriegsbeschädigten und
Kriegshinterbliebenen immer weiter ausgebaut. Die Fürsorge der Heimat
für die Familien der Krieger und für die Hinterbliebenen gab auch
den Kämpfern an der Front immer wieder neuen Mut, wenn die Sorge um
die Angehörigen ihnen das Herz schwer machen wollte.
Die Rechtsgrundlage für die Versorgung der Kriegsopfer in der Zeit vor
1813/14, als noch keine Wehrpflicht bestand, war ganz anders. Auf sie
näher einzugehen, wäre zum Vergleich äußerst
verlockend und auch sehr lehrreich; es ist an dieser Stelle aber nicht
möglich und im Hinblick auf zahlreiche andere Arbeiten nicht
nötig.3
[259] Im klassischen
Altertum finden sich schon vereinzelte bemerkenswerte Ansätze einer
Versorgung der Kriegsopfer. Zur Zeit der Landsknechte kann von einer staatlichen
Versorgung derer, die im Kriegsdienst ihre Gesundheit und
Erwerbsfähigkeit eingebüßt haben, nicht gesprochen werden.
Wenn sie sich während ihrer Dienstzeit nichts zurückgelegt hatten,
um sich in ein Stift einzukaufen, waren sie auf den Bettel angewiesen. Sie
wußten auch meistens durch Auftreten in größerer Zahl und mit
entsprechenden soldatischen Gebräuchen ihren Bitten den nötigen
Nachdruck zu verleihen.
Von der Zeit an, da stehende Heere gebildet wurden, zeigen sich in den meisten
Staaten Anfänge zu einer staatlichen Versorgung. Sie beruhte häufig
auf einem Vertrag des Feldherrn mit dem Landesherrn, meistens aber war es ein
Gnadenakt des Fürsten. Deshalb hießen auch die
Versorgungsgebührnisse häufig Gnadentaler, Gnadensold. Neben
einfacher Rentenversorgung kam vielfach die Anstellung im Zivildienst, die
Einreihung in Invalidenkompagnien, die Ansiedlung in Militärkolonien
oder die Unterbringung in Invalidenhäusern in Betracht. Unter den letzteren
sei besonders das große Invalidenhaus in Berlin hervorgehoben, das schon
der preußische König Friedrich I. nach dem Vorbild des von
Ludwig XIV. gegründeten Invalidendomes (hôtel des
invalides) in Paris bauen wollte, das aber erst unter Friedrich dem
Großen zur Ausführung kam.
Für die Höhe der Versorgung war neben der Finanzfrage vor allem
mitbestimmend, ob der Landesfürst größere Zuneigung
für das Heer hatte und ob er mit Rücksicht auf die politische Lage
besonders auf tüchtige und tapfere Truppen angewiesen war; denn eine
günstige Vorsorge für die Soldaten selbst und ihre Hinterbliebenen
bildete natürlich ein zugkräftiges Werbemittel und ließ die
Truppen auch sorgloser in den Kampf ziehen.
Damals war der Militärdienst einfach ein Beruf, gegründet auf ein
Vertragsverhältnis, ähnlich etwa dem des Beamten, wie dies jetzt
wieder dank des Diktates unserer Feinde bei unserer Reichswehr
und Reichsmarine der Fall ist.
Auf einer ganz anderen Rechtsgrundlage beruhte der Heeresdienst seit
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, wie sie in Preußen schon
während der Befreiungskriege durch § 1 des Wehrgesetzes vom
3. September 1814, für Bayern durch Titel IX der
Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818 bestimmt worden ist.
Für das Deutsche Reich sprach diese Verpflichtung die Reichsverfassung
vom 16. April 1871 mit den Worten aus: "jeder Deutsche ist wehrpflichtig und
kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen".
[260] Daraus ergab sich
für das Reich auch die Pflicht, für eine Versorgung derer Vorsorge
zu treffen, die in Erfüllung dieser Pflicht Leben und Gesundheit aufs Spiel
setzen. Dies geschah durch das Reichsgesetz vom 27. Juni 1871 betr. die
Pensionierung der Militärpersonen des Reichsheeres und der kaiserlichen
Marine, sowie die Bewilligungen für die Hinterbliebenen solcher
Personen,4 das durch spätere Gesetze5 einige Änderungen erfuhr. Eine
weitere erhebliche Verbesserung brachte das Gesetz betr. Versorgung der
Kriegsinvaliden und der Kriegshinterbliebenen vom 31. Mai 1901.6
Bei Kriegsausbruch galten drei Militärversorgungsgesetze: das
Offizierspensionsgesetz vom 31. Mai 1906,7 das
Mannschaftsversorgungsgesetz vom gleichen Tage8 und das
Militärhinterbliebenengesetz vom 17. Mai 1907.9 In diesen drei Gesetzen sind die
Versorgungsansprüche sowohl der Militärpersonen, die sich durch
lange Dienstzeit, als auch derer, die sich durch eine Dienstbeschädigung ein
Anrecht auf Versorgung erworben haben, wie auch ihrer Hinterbliebenen geregelt.
An dieser Stelle interessieren diese Vorschriften nur so weit, als sie die
Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen
betreffen.
Nach dem Offizierspensionsgesetz haben die Offiziere des Friedensstandes, zu
denen neben den aktiven auch die des Beurlaubtenstandes und die
Feldwebelleutnante gehören, und denen auch die
Sanitäts- und Veterinäroffiziere und die höheren
Militärbeamten gleichgestellt sind, bei kürzerer als 10jähriger
Dienstzeit nur Anspruch auf Pension, wenn sie infolge einer
Dienstbeschädigung zu jedem
Militärdienst - nicht nur zum Felddienst, sondern auch zum
Garnisondienst - unfähig sind. Die Pension beträgt bei
10jähriger oder kürzerer Dienstzeit 20/60 des zuletzt bezogenen
pensionsfähigen Diensteinkommens. Nach vollendetem 10. Dienstjahr
steigt die Pension für jedes weitere Dienstjahr um 1/60 bis zum
Höchstbetrag von 45/60 des
pensionsfähigen Diensteinkommens, wobei die Kriegsjahre 1914, 1915,
1916, 1917, 1918 bei Kriegsteilnehmern, die in den einzelnen Jahren an einer
Gefechtshandlung teilgenommen haben oder sich wenigstens 2 Monate im
Kriegsgebiet aufgehalten haben, doppelt gezählt werden.
Für die Zuerkennung eines Pensionsanspruches nach dem
Offizierspensionsgesetz ist nur die Fähigkeit oder vielmehr
Unfähigkeit zur Fortsetzung des
Militär- [261] dienstes
maßgebend. Ob und in welchem Grade der Beschädigte für
seinen Zivilberuf oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch
erwerbsfähig ist, ist belanglos.
Anders das Mannschaftsversorgungsgesetz, durch das die Versorgung der
Unterklassen des Soldatenstandes (der Unteroffiziere und Mannschaften
einschließlich der Personen der Freiwilligen Krankenpflege, soweit sie auf
dem Kriegsschauplatze verwendet worden sind) geregelt ist. Diese haben bei der
Entlassung aus dem aktiven Dienst Anspruch auf eine Rente, wenn und solange
ihre Erwerbsfähigkeit infolge einer Dienstbeschädigung, die sie sich
bei einer Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der
Ausübung des Militärdienstes oder durch die dem
Militärdienst eigentümlichen Verhältnisse zugezogen haben,
aufgehoben oder um mindestens 10% gemindert ist.
Die Höhe der Rente bemißt sich nach dem Grade der
Erwerbsbeschränkung und nach dem militärischen Dienstgrad.
Bei der nach bestimmten Normen durch den Arzt zu beurteilenden
Erwerbsbeschränkung ist der Beruf zu berücksichtigen, den der
Beschädigte vor seiner Einstellung ausgefüllt hat. Hatte er noch
keinen, so ist die allgemeine Erwerbsfähigkeit zugrunde zu legen.
Neben der Offizierspension oder Militärrente wird die einfache
Verstümmelungszulage gewährt, wenn die
Dienstbeschädigung den Verlust eines Gliedes, der Sprache oder des
Gehörs auf beiden Ohren zur Folge hat, bei Erblindung auf beiden Seiten
die doppelte Verstümmelungszulage. Ist die durch die Beschädigung
bedingte Störung der Bewegungs- und Gebrauchsfähigkeit eines
dieser Glieder so hochgradig, daß sie dem Verlust desselben gleichzuachten
ist, oder ist sie bei anderen schweren Gesundheitsstörungen so schwer,
daß sie fremde Pflege und Wartung nötig macht, so kann die einfache
Verstümmelungszulage bewilligt werden, ebenso bei Verlust eines Auges,
wenn auch das andere Auge nicht völlig gebrauchsfähig ist. Wenn
durch das Versorgungsleiden so schweres Siechtum verursacht ist, daß der
Beschädigte dauernd ans Bett gefesselt ist, und ebenso bei Geisteskrankheit
kann die Verstümmelungszulage bis zum doppelten Betrag erhöht
werden. Bei mehrfacher Verstümmelung, z. B. Verlust oder
Gebrauchsunfähigkeit mehrerer Glieder, wird auch die
Verstümmelungszulage mehrfach gewährt.
Die Beschränkung des Personenkreises der zum Bezug der
Verstümmelungszulage berechtigten Personen auf die im Gesetz genannten
meist äußerlich Verstümmelten, die sich den Bestimmungen
älteren Rechts anschließen, erwies sich als zu eng und deshalb als
Härte gegenüber den in anderer Weise, aber ebenso
schwerbeschädigten Kriegern. Es wurde deshalb schon während des
Krieges gestattet, daß aus anderen Kapiteln des Kriegsetats Zuwendungen in
Höhe der Verstümmelungszulage gegeben werden. Durch diese
Ergänzungen sollte vor allem ermöglicht werden, daß auch
innerlich Kranke, z. B. Tuberkulöse,
Epilep- [262] tiker usw., eine
der Verstümmelungszulage entsprechende Zuwendung erhalten
können, die häufig viel schlimmer daran sind als
Arm- oder Beinamputierte, die aber in früheren Gesetzen von der
Rentenversorgung ausgeschlossen waren, und die zwar nicht völlig
erwerbsunfähig sind, aber bei denen infolge der Notwendigkeit besonderer
Krankenpflege oder wegen Schonungsbedürftigkeit die Lebenshaltung
außerordentlich erschwert ist. Auch Kiefer- und Kopfschußverletzte
zählen unter gewissen Voraussetzungen hierher. Gleich behandelt werden
sollen auch Kriegsbeschädigte mit gleichzeitiger
Halb-Blindheit auf beiden Augen oder mit Störung der
Bewegungs- und Gebrauchsfähigkeit beider unteren oder oberen
Gliedmaßen, wenn sie dem Verlust eines dieser Glieder gleichzuachten ist,
ferner bei schweren Entstellungen des Gesichts, Verlust der Zeugungsorgane oder
bei Verlust oder Erblindung eines Auges. Bei Erblindung beider Augen,
schwerem Siechtum oder Geisteskrankheit wird die doppelte
Verstümmelungszulage durch solche Zuwendungen vom doppelten Betrag
auf den dreifachen erhöht.
Diejenigen Militärpersonen, deren Pensions- oder Rentenanspruch sich auf
eine durch den Krieg erworbene Dienstbeschädigung gründet,
erhalten außerdem noch die Kriegszulage.
Die Verstümmelungs- und die Kriegszulage werden auch neben einer
Teilrente in voller Höhe gegeben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen
vorliegen.
An Stelle der Kriegszulage - aber nicht neben
ihr - kann auch die Luftdienstzulage nach dem Fürsorgegesetz für
militärische Luftfahrer vom 29. Juni 191210 oder die
Tropenzulage gewährt werden.
Während die Kapitulanten nach entsprechender Dienstzeit den
Zivilversorgungsschein beanspruchen können, der eine bevorzugte
Berücksichtigung im mittleren,
Kanzlei- und im Unterbeamtendienst bei
Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden gewähren soll
(Militäranwärter), kann den nicht zu den Kapitulanten
gehörigen Unteroffizieren und Mannschaften auf Antrag neben ihren
Versorgungsgebührnissen ein Anstellungsschein für den
Unterbeamtendienst verliehen werden. Neben Würdigkeit und
Brauchbarkeit zum Beamten ist Voraussetzung, daß der
Kriegsbeschädigte infolge seines Versorgungsleidens die frühere
oder eine ähnliche Erwerbstätigkeit nicht wieder aufnehmen kann.
Inhabern des Anstellungsscheines stehen an sich nur Stellen des
Unterbeamtendienstes offen. Sie stehen den Inhabern des
Zivilversorgungsscheines immer nach. Angehörige der Unterklassen des
Soldatenstandes, die wegen körperlicher Gebrechen aus dem aktiven Dienst
ausscheiden müssen, bei denen aber kein Rentenanspruch besteht,
können bei vorliegender dringender Bedürftigkeit
vorübergehend eine sogenannte "bedingte Rente" bis zur Hälfte der
Vollrente erhalten.
Nach dem Militärhinterbliebenengesetz erhalten die Witwe und die
ehelichen oder legitimierten Kinder der zum Feldheer gehörigen Offiziere,
Sanitätsoffiziere und Beamten wie auch der Unteroffiziere und
Mannschaften, sowie der [263] auf dem
Kriegsschauplatz verwendeten Personen der Freiwilligen Krankenpflege ein nach
dem Dienstrang abgestuftes Kriegswitwen- und Kriegswaisengeld, wenn ihr Gatte
oder Vater im Kriege geblieben oder infolge einer Kriegsverwundung oder einer
sonstigen Kriegsdienstbeschädigung gestorben ist; bei Tod infolge einer der
zuletzt genannten sonstigen Kriegsdienstbeschädigung jedoch nur, wenn
der Tod binnen 10 Jahren nach Friedensschluß eingetreten ist.
Den Eltern oder Großeltern der im Kriege Gefallenen kann ein
Kriegselterngeld gewährt werden - aber nur für die Dauer der
Bedürftigkeit. Voraussetzung ist, daß der verstorbene
Kriegsteilnehmer vor Eintritt in das Feldheer oder nach seiner Entlassung aus
diesem zur Zeit seines Todes oder bis zu seiner letzten Krankheit ihren
Lebensunterhalt ganz oder überwiegend bestritten hat.
Witwen von kriegsbeschädigten Kriegsteilnehmern können, wenn sie
nicht aus den angegebenen Gründen schon einen Anspruch auf
Kriegswitwengeld haben, also wenn z. B. der ursächliche
Zusammenhang zwischen dem Tode des Kriegsteilnehmers und seiner
Kriegsbeschädigung nicht festgestellt werden kann, Witwenbeihilfe
erhalten.
Die Militärversorgungsgesetze 1906/07 berücksichtigten zwar in
weitgehendem Maße den Kriegsfall; sie trugen aber in der Hauptsache den
normalen Verhältnissen des Friedensheeres Rechnung, indem der
Berufsoffizier, ähnlich dem Beamten, nach langer Dienstzeit wegen hohen
Alters und dadurch bedingter Dienstunfähigkeit in den Ruhestand oder der
Kapitulant nach Erlangung des Zivilversorgungsscheines in den Zivildienst
übertrat. Den Bedürfnissen des Weltkrieges, in dem das ganze
wehrfähige Volk bis zur höchsten Grenze des wehrpflichtigen Alters
unter die Fahnen gerufen wurde, konnte es nicht genügen. Dies wurde auch
schon in den ersten Monaten des Krieges erkannt und dem wurde auch wegen der
Rückwirkung auf die Stimmung der Frontkämpfer durch
entsprechende Fürsorgemaßnahmen Rechnung getragen.
Schon im März 1915 wurde die Reformbedürftigkeit der
Militärversorgungsgesetze im Reichstage besprochen. Am 19. März
1915 faßte der Reichstag den Beschluß, den Reichskanzler zu
ersuchen, nach Beendigung des Krieges einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die
Pensionierung und die Versorgung der Kriegsinvaliden angemessen zu regeln
hätte. Außerdem sollte noch in dieser, spätestens in der
nächsten Tagung des Reichstags ein neuer Gesetzentwurf in bezug auf die
Versorgung der Hinterbliebenen unterbreitet werden. Anschließend wurde
in der Reichstagskommission für den Reichshaushalt die soziale
Ausgestaltung des Mannschaftsversorgungs- und des
Militärhinterbliebenengesetzes durchberaten. Dabei wurde besonders der
Wunsch ausgesprochen, daß bei der Bemessung der Versorgung der
Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen die sozialen und
wirtschaftlichen Verhältnisse, das frühere Arbeitseinkommen und
der Familienstand des Beschädigten oder Gefallenen berücksichtigt
werden möge.
[264] Von den
verbündeten Regierungen wurde die Vorlage eines Gesetzentwurfs im
Sinne der Wünsche des Reichstags zum frühest möglichen
Zeitpunkt auch zugesagt. Immer aber ging man davon aus, daß dies erst
nach Beendigung des Krieges möglich sei. Inzwischen wurde ein
Härteausgleichsfonds gebildet, der dazu dienen sollte, anerkannte
Unbilligkeiten des damals geltenden Versorgungsrechts gegenüber den
Kriegsteilnehmern und ihren Hinterbliebenen möglichst auszugleichen und
vorhandene Lücken auszufüllen.
Aus diesem Fonds11 wurden widerrufliche oder einmalige
Zuwendungen z. B. den Personengruppen gewährt, die nach dem
Militärhinterbliebenengesetz keinen Anspruch auf
Hinterbliebenenversorgung hatten, aber nach dem allgemeinen
Volks- und Rechtsempfinden den Hinterbliebenen gleichzuachten und von dem
Gefallenen unterhalten worden sind, so uneheliche Kinder, Stiefkinder,
Adoptiv- und Pflegekinder, schuldlos geschiedene Ehefrauen, Eltern, zu deren
Lebensunterhalt der Gefallene nicht, wie es das Gesetz verlangt, ganz oder
überwiegend, sondern nur wesentlich beigetragen hat, oder auch
Geschwister und Stiefgeschwister, wenn der Verstorbene sie vor allem, weil sie
wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen erwerbsunfähig sind,
ganz, überwiegend oder wesentlich mitunterhalten hat.
Diesen widerruflichen Zuwendungen war fast durchweg eigen, daß sie nur
im Fall des Bedürfnisses gegeben werden durften und daß sich ihre
Höhe meist auch nach dem Grade der Bedürftigkeit richtete, wobei
die soziale Lage der Hinterbliebenen wohlwollend und nicht kleinlich beurteilt
werden sollte. Auf diese Zuwendungen bestand aber, wie freilich auch auf manche
gesetzliche Versorgungsleistung, kein rechtlich verfolgbarer Anspruch.
Von besonderer Bedeutung für die Hinterbliebenen der Unterklassen waren
die widerruflichen Zuwendungen, die ihnen auf Grund des Arbeitseinkommens
des Gefallenen neben der Rente gewährt wurden und die die
wirtschaftlichen Nachteile, die sie durch den Tod ihrer Ernährer erlitten
hatten, ausgleichen und so ein Hinabgleiten in eine tiefere soziale Schicht
vermeiden sollten.
Einmalige Zuwendungen konnten besonders Verwandten der aufsteigenden Linie
oder Geschwistern als Ersatz der Aufwendungen für die Berufsausbildung
ihres verstorbenen Sohnes oder Bruders gegeben werden, ferner Kriegerwitwen
im Falle ihrer Wiederverheiratung als Abfindungssumme.
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