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Anlage 9
Auszug aus dem Text des "Kaschauer Statuts vom 5. April 1945"
Programm der neuen tschechoslowakischen Regierung, der nationalen Front der Tschechen und
Slowaken, angenommen im ersten Ministerrat am 5. April 1945.
(Übersetzt aus dem Tschechischen)
Dokumenten-Sammlung, herausgegeben
vom Informationsministerium, Publikation Nr. 2/45
Kapitel VIII.
Die schrecklichen Erfahrungen, welche die Tschechen und Slowaken mit der deutschen und
ungarischen Minderheit erlebten, welche großenteils zu nachgiebigen Instrumenten einer
Eroberungspolitik gegenüber der Republik von außen wurden und von denen
besonders die tschechoslowakischen Deutschen ihre Kräfte geradzu zu einem
Vernichtungszug gegen das tschechische und slowakische Volk geliehen haben, zwingt die
erneuerte Tschechoslowakei zu einem tiefen und dauerhaften Eingriff. Die Republik will und
wird
ihre loyalen deutschen und ungarischen Staatsbürger nicht strafen, besonders nicht
diejenigen, die in den schwersten Zeiten ihre Treue zu ihr bewahrten, mit den Schuldigen wird
sie aber streng und unerbittlich umgehen, wie es das Gewissen unserer Völker, das
heilige Andenken unserer unzähligen Märtyrer, die Ruhe und Sicherheit der
zukünftigen Generationen verlangen. Die Regierung wird sich demzufolge nach diesen
Regeln richten.
Hinsichtlich der Staatsbürger der Tschechoslowakei deutscher und ungarischer
Nationalität, die die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft vor München
1938 besaßen, wird die Staatsbürgerschaft bestätigt und eine eventuelle
Rückkehr in die Republik gesichert: bei Antinazisten und Antifaschisten, bei denen, die
schon vor München einen aktiven Kampf gegen Henlein und gegen die ungarischen
irredentistischen Bestrebungen und für die Tschechoslowakei führten, die nach
München und nach dem 15. März wegen ihres Widerstandes und Kampfes gegen
das dortige Regime und für ihre Treue zur Tschechoslowakei verfolgt und in die
Gefängnisse und KZ's eingesperrt wurden, oder die vor dem deutschen und ungarischen
Terror ins Ausland fliehen mußten und sich dort aktiv am Kampf für die
Erneuerung
der Tschechoslowakei beteiligt haben.
Bei den übrigen tschechoslowakischen Staatsbürgern deutscher und ungarischer
Nationalität wird die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft aberkannt. Diese
Staatsbürger können erneut für die Tschechoslowakei optieren, wobei sich
die
Ämter der Republik das Recht der individuellen Entscheidung über jedes Gesuch
vorbehalten. Diejenigen Deutschen und Ungarn, die wegen Verbrechen gegen die Republik und
gegen das tschechische und slowakische Volk beurteilt und verurteilt werden, werden der
tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft für verlustig erklärt und werden
für immer aus der Republik ausgewiesen, insofern sie keine Todesstrafe erhalten.
Deutsche und Ungarn, die in das Gebiet der Tschechoslowakei nach München 1938
einwanderten, werden, insofern sie nicht einem Strafverfahren unterliegen, gleich aus der
Republik ausgewiesen. Eine Ausnahme bilden diejenigen Personen, die zugunsten der
Tschechoslowakei gearbeitet haben.
Kapitel IX.
Die Regierung wird es als ihre höchst verantwortliche Aufgabe und für ihre
moralische Aufgabe vor dem tschechischen und slowakischen Volke betrachten, alle
Kriegsschuldigen, alle Verräter, bewußten und aktiven Mithelfer der deutschen und
ungarischen Unterdrücker dem Gericht auszuliefern und zu bestrafen. Diese Aufgabe wird
die Regierung ohne Verzögerung, ohne Schranken und ohne Rücksicht wem immer
gegenüber durchführen.
Was die deutschen und ungarischen Kriegsschuldigen betrifft, wird die Regierung für ihre
augenblickliche Unschädlichmachung, Verhaftung und Übergabe an
außerordentliche Volksgerichte Sorge tragen. Dabei werden bei diesen deutschen und
ungarischen Kriegsschuldigen nicht nur die Verbrechen, die sie an den Völkern der CSR
und
am tschechoslowakischen Territorium, sondern auch ihre Verbrechen, die sie an anderen
Völkern, in erster Reihe an der verbündeten UdSSR begangen haben, untersucht
und
bestraft. Die festgestellten deutschen und ungarischen Schuldigen dieser Art werden
sowjetischen
Organen übergeben. Es werden Lager für die Konfinierung deutscher und
ungarischer Volkszugehöriger, welche irgendwelchen Zusammenhang mit nazistischen
und
faschistischen Formationen gehabt haben, errichtet.
Die Regierung wird besondere Maßnahmen dafür treffen, um die Aburteilung und
Bestrafung der Verräter, Kollaboranten und faschistischen Elemente aus den Reihen des
tschechischen und slowakischen Volkes zu sichern. In Verbindung mit den
Nationalausschüssen werden außerordentliche Volksgerichte in Tätigkeit
gesetzt, wobei ihre Zuständigkeit durch den örtlichen Umkreis und durch den
Charakter der Schuld bestimmt wird. Für besondere Fälle, die bekannte und
besonders verantwortliche Schuldige betrifft, wird ein Nationalgericht in den böhmischen
Ländern und in der Slowakei errichtet. Für das Strafverfahren gegenüber den
Verrätern und Kollaboranten werden als Grundlage im allgemeinen die Bestimmungen
des
Dekrets des Präsidenten der Republik über die Bestrafung der Kriegsverbrecher
dienen.
Als Hochverräter wird die Regierung den Protektoratspräsidenten Hacha
und alle Mitglieder der Regierung Beran, die ihre Zustimmung zu Hachas Unterschrift unter den
sogenannten Berliner Vertrag vom 15. März 1939 gaben und die Hitler bei seiner Ankunft
Prag begrüßt haben, vor das Nationalgericht stellen. Die Regierung wird
dafür
sorgen, daß alle Mitglieder der Protektoratsregierung vom 16. März 1939, ebenso
wie
auch Tiso und die Mitglieder der sogenannten slowakischen Regierung seit dem 14. März
1939, wie auch die Mitglieder des sogenannten slowakischen Parlaments vor Gericht gestellt
werden. Weiter die politischen und amtlichen Mithelfer Hachas, sowie auch die
verantwortlichen
führenden Beamten der Protektoratsverwaltung. Es wird auch mit den
verräterischen
Journalisten, die sich verkauften und den Deutschen dienten, abgerechnet. Es wird ein
Strafverfahren gegen die Funktionäre des "Kuratoriums für die Erziehung der
tschechischen Jugend", gegen die Mitglieder der "Vlajka", die Mitglieder des Ausschusses und
Funktionäre der "Nationalen Fachzentrale der Angestellten", des "Verbandes der Land-
und Forstwirtschaft" und ähnlicher Organisationen, die den Deutschen dienten und weiters
Funktionäre, welche tschechische und slowakische Menschen in die Hände der
Gestapo auslieferten, welche aktiv an der Verschleppung der Slowaken und Tschechen auf
Zwangsarbeit nach Deutschland beteiligt waren, aktiv die Evakuierung der
tschechoslowakischen
Bevölkerung unterstützt haben usw. eingeleitet. In der Slowakei werden vor Gericht
gestellt die aktiven Unterstützer Tisos und des Verräterregimes, die
Spürhunde
der Hlinka-Garde, der slowakischen Gestapo, die Werkzeuge von Gaspars nazistischer
Propaganda, besonders aber diejenigen, die aktiv und hinterlistig gegen den slowakischen
Nationalaufstand auftraten und auf welche Art auch immer an den Gewaltakten und
Bestialitäten der Deutschen gegen die Slowaken teilgenommen haben.
Die Regierung wird mit aller Entschiedenheit die Verräter aus den Reihen der Bank-,
Industrie- und Landwirtschaftsmagnaten, die während der deutschen Herrschaft in Bank-,
Industrie-, Handels- und Landwirtschaftsunternehmungen und wirtschaftlichen Organisationen
aller Art der deutschen Plünderung und der deutschen Kriegsführung behilflich
waren, vor Gericht stellen.
Wenn auch das bloße Angestelltenverhältnis im staatlichen und öffentlichen
Apparat des einstigen Okkupations- und Verräterregimes nicht als strafbar betrachtet
wird,
wird unter demokratischer Kontrolle eine individuelle Prüfung der Tätigkeit jedes
Einzelnen durchgeführt und die Regierung wird alle Maßnahmen treffen, damit der
neue Staatsapparat von allen Elementen, die sich an der Republik und am Volke
versündigt
haben, vollständig gereinigt wird, von den faschistischen und profaschistischen
Elementen,
von Elementen, die in den kritischen Ereignissen des Jahres 1938 und 1939 und während
der deutschen und ungarischen Okkupation gegenüber dem Volke und dem Staate
Treulosigkeit, Unzuverlässigkeit und Feigheit zeigten. Ebenso wird das Verhalten aller
Tschechoslowakischen Staatsbürger, die im Ausland der Republik untreu wurden und mit
ihrer zersetzenden Tätigkeit dem Feind geholfen haben, auch diejenigen, die die
Erfüllung ihrer bürgerlichen Pflichten verweigert haben, obwohl sie nicht unter
dem
Druck des nazistischen Terrors standen, untersucht und gerichtlich verfolgt werden.
Entschlossen, den Faschismus politisch und moralisch bis in alle Konsequenzen auszumerzen,
wird die Regierung das Verbot aller faschistischen Parteien und Organisationen erklären
und wird in keiner Form die Erneuerung derjenigen politischen Parteien erlauben, die sich so
schwer an den Interessen des Volkes und der Republik verschuldet haben (Agrarpartei und ihre
Filiale, die Gewerbepartei, die Nationale Vereinigung, sowie diejenigen Parteien, die sich im
Jahre 1938 mit der slowakischen Volkspartei vereinigten). Diesen Maßnahmen zufolge
entsteht kein Schaden an moralischer oder politischer Ehre den einstigen Mitgliedern der
erwähnten Parteien, die der Republik treu geblieben sind. Den politisch verantwortlichen
Funktionären der angeführten Parteien, die sich kompromittierten und die
Interessen
des Volkes und der Republik schwer schädigten, wird die politische Tätigkeit und
Beteiligung in den Organisationen der demokratischen Parteien verboten.
Unterschriften der Regierungsmitglieder in der Reihenfolge des genannten Dekretes:
Zdenek Fierlinger
Josef David, Klement Gottwald, Viliam Siroký, Dr. Jan Sramek, Jan Ursiny, Jan
Masaryk,
Ludwig Svoboda, Dr. Hubert Ripka, Václav Nosek, Dr. Vávro Srobár,
Dr.
Zdenek Nejedlý, Dr. Jaroslav Stránský, Václav Kopecký,
Bohumil Lausman, Julius Duris, Dr. Jan Pietor, Antonín Hasal, Frantisek Hala, Dr. Josef
Soltész, Dr. Adolf Prochaska, Václav Majer, Dr. Vladimir Clementis, Dr.
Mikulas Ferencik, Jan Lichner.
Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort
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