JAN MASARYK
5. Mai 1942
Mein lieber Herr Weinreich:
Bitte verzeihen Sie, daß
ich Ihren interessanten Brief vom 14. April noch unbeantwortet ließ. Ich war von New
York
abwesend und erst heute komme ich dazu, die Korrespondenz zu erledigen.
Ich kann verstehen, daß
unter den beispiellos tragischen Umständen das heroische und schwer geprüfte
jüdische Volk heute annimmt, daß Dr. Beneschs Erwähnung der
Möglichkeit eines Bevölkerungsaustausches neue Qualen bedeuten
könnten.
Es war mir eine Ehre und ein
Vergnügen während der letzten 25 Jahre für Benesch zu arbeiten, und ich
weiß, wenn er von "Bevölkerungsaustausch" spricht, so meint er, daß wir
innerhalb der Grenzen der Möglichkeiten versuchen
müssen - nach diesem Kriege - einen Teil der Deutschen rund um die Grenzen von
Deutschland, welche uns niemals viel genützt haben, los zu werden und ich denke nicht,
daß diese eine Belastung für Deutschland sind. Natürlich, es sind einige
anständige unter ihnen. Nach dem Kriege werden wir sehen, welche zu diesen
gehören.
Ich möchte feststellen,
und Sie haben meine Genehmigung diesen Brief ganz nach Ihrem Belieben zu verwenden,
daß die Juden ganz gewiß nicht in diese bis jetzt noch unklaren Pläne
eingeschlossen sind. Und ich habe Dr. Beneschs Vollmacht, diesen Punkt ausdrücklich zu
betonen.
Ich bin im Begriff ein
Sanatorium zu besuchen um dort ein bißchen Kur zu machen nach sieben urlaubslosen
Jahren. Wenn ich nach New York zurückkomme, möchte ich gerne diese Frage
diskutieren, damit jede mögliche Befürchtungen Ihrerseits und der Ihren, die Sie
noch nach Lesen dieses Briefes haben mögen, zerstreut werden.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr aufrichtiger
gez. Jan Masaryk
Herrn Max Weinreich
Forschungsdirektor
Jüdisch-wissenschaftliches Institut YIVO
New York City