Qualisch
(bei Trautenau)
Bericht Nr. 291
Behandlung von Juden
Berichter: Dr. Rudolf Fernegg Bericht vom 21. 6. 1951
Der Sohn des
Inhabers der Firma Bendix in Qualisch bei Trautenau lebte während der Zeit
des "Dritten Reiches" in Amerika. Trotzdem er amerikanischer Staatsbürger war, war ihm
die Übernahme seines Betriebes unmöglich.
Radl
(bei Gablonz)
Bericht Nr. 292
Mord am Gatten
und Mißhandlungen Mai 1945 bis November 1946
Berichterin: Margarete Kaulfersch Bericht vom 16. 6. 1950
Am Sonntag, den 13.
5. 1945 kamen tschechische Partisanen in unsere Wohnung,
durchwühlten Kasten und Schränke und hielten mir und meinem Mann unter
Drohungen die Pistolen schußbereit ins Genick. Wohl durch den erheblichen Lärm
aufmerksam gemacht, kamen 2 Kommunisten, die es verstanden, die Partisanen zum Fortgehen
zu bewegen. Mein Mann war von Beruf Wagner, er hat von früh bis spät gearbeitet.
Am andern Tage kam wieder eine Horde Plünderer ins Haus und einer von ihnen befahl
meinem Mann, von Haus zu Haus zu gehen und dafür zu sorgen, daß jede deutsche
Aufschrift an Häusern und Straßen zu verschwinden hätte. Sie
verließen
das Haus, nicht ohne sich in wüsten Drohungen zu ergehen. Dienstag sah ich, wie eine
Rotte Partisanen unser Haus umstellte und, da es verschlossen war, die Türen einschlugen.
Mein Mann war nicht bei mir. In der Annahme, daß die Horde vielleicht von mir etwas
wissen wolle, erbot sich ein Bekannter, mit mir in das Haus zu gehen. Ich mußte einen
Zettel unterschreiben, gemäß welchem sich mein Mann auf dem
Bürgermeisteramte melden sollte, widrigenfalls man mich in Verwahrung nehmen
würde. Vorsichtshalber nahm man mich aber gleich mit. Mein Mann wurde durch einen
Bekannten von dem Befehl verständigt, wir trafen uns auf dem Gemeindeamte
(Národní výbor). Ohne daß ein Protokoll aufgenommen wurde,
mußte er mit Herrn Emil
Scheffel, den man auch herbefohlen hatte, einen Lastwagen besteigen und ich habe ihn nicht
mehr
gesehen. Nach 14 Tagen erhielt ich von Bekannten die Nachricht, daß er mit 4
Schicksalgenossen (unter ihnen Scheffel) zu Tode gequält und geschlagen worden war,
nachdem sie sich vorher ihr Grab hatten schaufeln müssen. Ich hatte Gelegenheit,
später mit dem Arzt sprechen zu können, der den Totenschein ausgefertigt hatte.
Ich
bat ihn um
nähere Angaben - er lehnte aber ab mit den Worten: "Behalten Sie Ihren Mann so in
Erinnerung, wie Sie ihn zu Lebzeiten gekannt haben."
Unser Haus wurde vollständig
ausgeplündert. Ich blieb bei Nachbarn, bis ich mit einem Transport ins Tschechische zur
Arbeit mußte. Wir kamen zunächst im Viehwaggon auf ein Gut bei Turnau. Der
ganze Transport war in einer großen Scheune untergebracht. Tagsüber kamen die
tschechischen Bauern, um sich die meistversprechenden Arbeitskräfte auszusuchen, wir
wurden zur Schau gestellt wie auf einem Markt. Nach 3 Tagen war ich mit 11 anderen Frauen
noch übrig. Nach der ersten Nacht mußten 2 Mädchen nach
Vergewaltigungen
ins Krankenhaus geschafft werden. Ein Aufseher verbürgte sich dafür, daß
"so
etwas nicht wieder geschehen würde".
Ich war froh, als wir am 4. Tage fortgeführt wurden. Wir kamen nach Sychrov in ein
schönes Gebäude, das während des Krieges als Jugendheim gedient hatte.
Das
Heim war eine Sammelstelle der tschechischen Partisanen. Wir hatten keine Gelegenheit, unsere
Angehörigen zu benachrichtigen oder von draußen Nachricht zu empfangen. Das
Essen war denkbar schlecht und wenig. Unsere Arbeit bestand ganztägig aus
Abortwaschen. Ich bekam Erbrechen und Durchfall. Ein junger Arzt, der erkannte, daß ich
Bauchtyphus hatte und Ansteckung für die anderen befürchtete, beantragte bei
einem
ihm vorstehenden älteren Arzte, mich wegzuschicken. Aber dieser Menschenfreund sagte
nur: "Die Deutschen müssen arbeiten". Endlich ließ man mich nachhause gehen.
Ein
Partisan brachte mich mit Mühe und Not bis zum Arbeitsamt nach Turnau. Bekanntlich
durften Deutsche nur in tschechischer Begleitung den Zug benützen, mich ließ man
allein fahren. Vier Wochen war ich fort gewesen. Ich durfte die kleinste Stube in unserem Hause
bewohnen.
Nach vier Wochen, ich war noch auf das Äußerste erschöpft,
überbrachte mir ein Ukrainer den Aussiedlungsbefehl. Ich brach zusammen; als ich
wieder
zu mir kam, lag ich im Bett und er saß zu meinen Füßen. Er rang die
Hände und sagte: "Ich bitte Dich, ich will nicht ein Mörder sein!" Er ging fort und
holte Nachbarn und befahl ihnen, mich nicht zu verlassen. Dann kam er mit dem
národní výbor zurück. Dr. Köhler wurde gerufen, der
Nervenzusammenbruch feststellte.
Im November 1946 wurde ich ausgesiedelt.
Radonitz
(bei Kaaden)
Bericht Nr. 293
Bericht über die Vorgänge im Mai
1945
Berichter: Friedrich Merten
Das kleine etwas
entlegene Städtchen Nordwestböhmens, in dem ich über 20
Jahre an der dortigen Bürgerschule als Fachlehrer gedient hatte, lag zwischen den beiden
Fronten: etwa eine Stunde im Westen standen die Amerikaner, ebenso weit im Osten waren
russische Abteilungen. Statt der erwarteten Amerikaner kamen zunächst die Russen.
Es waren bewaffnete Zivilisten, die durch unser Städtchen zogen; alle saßen auf
größeren oder kleineren Fahrzeugen russischer Bauart, wurden von russischen
berittenen Offizieren angeführt und waren militärisch gut diszipliniert. Es kam bei
diesem ersten Durchzuge nirgends zu Gewalttätigkeiten. Wer zu plündern begann,
das waren die mit den geflüchteten Schlesiern mitgekommenen polnischen und
ukrainischen Kutscher und Knechte. Sie nahmen die Waffen an sich, welche die in den letzten
Tagen durch den Ort gekommenen deutschen Soldaten am Ausgange des Städtchens
weggeworfen hatten und begannen unter einem Anführer ein Schreckensregiment im
Orte. Kaum hatte die erste russische Abteilung den Ort verlassen, begannen die ersten
Plünderungen. Ihr Unwesen trieben die Plünderer hauptsächlich bei Nacht.
Bei
Tage ging - eingedenk der Aufrufe im Rundfunk - ein jeder seiner gewohnten Arbeit nach, aber
alle fürchteten die Nächte. Die Hilfe kam unerwartet durch einen russischen
Offizier,
der auf einer Dienstfahrt durch unser Städtchen kam. Einer unserer Mitbürger
tschechischer Abstammung trug dem Offizier die Bitte der Bevölkerung um Schutz vor.
Der
erwähnte russische Offizier entwaffnete den Anführer der Plündererbande
und
erschoß ihn auf der Stelle. Von diesem Offizier wurde ich über Vorschlag meiner
Mitbürger auf dem Rathause als Bürgermeister eingesetzt ("Du bist
Bürgermeister") und später von einem russischen Kommando als solcher
bestätigt.
Zunächst sorgte ich für Ruhe und Ordnung im Städtchen. Das Exempel, das
der russische Offizier statuiert hatte, wirkte nach. Die bei uns seit der Beendigung
des Frankreich-Feldzuges in Arbeit gestandenen französischen Kriegsgefangenen, mit
denen unsere Bevölkerung in gutem Einvernehmen stand, boten sich zur Bildung einer
Polizeimannschaft an, zu der sich etwas später noch englische Kriegsgefangene gesellten.
Diese ehemaligen Kriegsgefangenen bewaffneten sich und legten den Plünderern das
Handwerk. Ich erwähne die Haltung der ehemaligen Kriegsgefangenen gern und mit aller
Achtung und Anerkennung. Das Städtchen war zu einer Insel des Friedens geworden,
jeder
konnte seiner Arbeit wieder in Ruhe nachgehen. Die Bevölkerung sah in den ehemaligen
Kriegsgefangenen ihre Beschützer.
Es gelang mir auch, die Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigsten
Lebensmitteln
in Gang zu bringen, sodaß niemand Hunger leiden mußte.
Unterdessen hatte sich aus den wenigen ansässigen Tschechen ein
"Národní výbor" (tschechischer Nationalausschuß) gebildet, der
mich unter seiner Patronanz als "Bürgermeister" weiter amtieren ließ. Selbst dann
noch, als Mitte Juni 1945 ein tschechischer Kommissar eingesetzt wurde, war ich dem Namen
nach immer noch der "Bürgermeister", wenn sich meine Amtsbefugnisse auch nur noch
darauf beschränkten, den Gang der Geschäfte im Rathaus im Laufen zu erhalten.
Der
Kommissar war ein anständiger, rechtlich denkender Mensch. Da er bei uns ganz fremd
war, zog er mich häufig zu Rate und hörte auch auf meine Vorschläge. Er
wurde damit beauftragt, die von der Prager Regierung beschlossenen harten Maßnahmen
gegen die Deutschen durchzuführen und er tat dies in einer sehr toleranten Weise. In guter
Erinnerung ist mir noch, wie dieser Mann eines Tages die erste Ausweisungsordre aus der
Bezirksstadt mitbrachte und mir den Auftrag gab, eine Liste der sogenannten Intelligenz des
Ortes
aufzustellen. Ich war sofort im Bilde. Der Kommissar, dessen Namen ich lieber verschweige,
meinte damals: "Es kommen allerhand unschöne Sachen. Ob sie gut sein werden, diese
Maßnahmen? Aber es läßt sich dagegen gar nichts tun."
Obwohl diese Aktion geheim gehalten werden sollte, brachte ich es nicht fertig, meinen
Bekannten gegenüber zu schweigen. In diesen Tagen kamen dann Kundmachungen des
Inhaltes zum Aushang, daß die Deutschen des tschechischen Staatsbürgerrechtes
verlustig gegangen seien und ihr gesamtes Eigentum entschädigungslos dem
tschechischen
Staate verfallen sei.
Aus der Umgebung waren unterdessen Flüchtlinge bei Bekannten und Verwandten
eingetroffen oder auf der Flucht durch unser stilles Tal gekommen. Sie brachten die ersten
Schreckensnachrichten mit: von der Austreibung der Deutschen aus ihren Wohnungen, von
Erschießungen, von der Jagd auf deutsche Frauen und Mädchen.
Eine tschechische Militärabteilung wurde in unseren Ort gelegt. Für jeden Soldaten
mußte ein vollständiges Bett, weiß überzogen, in der Turnhalle bereit
gestellt werden. Am 22. Juni 1945 kurz nach dem Mittagessen zogen die Soldaten, von einem
Offizier geführt, von einer Wohnung zur anderen der auf der ersten Ausweisungsliste
verzeichneten Personen. Der Offizier überbrachte den Ausweisungsbefehl und verlangte
als
erstes die Übergabe sämtlicher Wertsachen. In jedem Hause blieb eine Wache
zurück. Am Abend wurde der erste Zug der Ausgewiesenen formiert; es ging
zunächst in ein Lager in der Nachbarstadt und nach Ausplünderung durch die
Kontrollorgane zu Fuß bis zur Grenze.
Nach einer längeren Pause im Winter 1945/46, während welcher viele meiner
Landsleute wieder auf eine Wendung zum Guten zu hoffen wagten, setzten Enteignungen und
Ausweisungen im Frühjahr 1946 wieder ein.
Radwanitz
(bei Mährisch Ostrau)
Bericht Nr. 294
Verschleppung eines amerikanischen
Staatsbürgers
Berichter: Josef Horbas Bericht vom 6. 10. 1946
Ich bin 15 Jahre alt und
amerikanischer Staatsbürger. Meine Mutter lebt seit 1937 in den
Vereinigten Staaten in Pittsburgh und ist seit 1944 im Besitz der amerikanischen
Staatsbürgerrechte. Ich wohnte in Setzdorf bei meiner Tante. Im August 1945 wurde ich
auf das Gemeindeamt Setzdorf vorgeladen und als ich meine amerikanische
Staatsbürgerschaft angab, wurde ich in das Lager der Gemeinde gesperrt und am
nächsten Tag in die Kohlengrube Radwanitz abtransportiert. Erst als aus Washington
selbst
ein Schreiben nach Radwanitz kam, wurde ich entlassen. Die Monate in der Kohlengrube waren
eine schwere Leidenszeit für uns alle. Trotz unserer Jugend arbeiteten wir wie die
Erwachsenen 8 Stunden in der Grube und dann noch mehrere Stunden obertags. Wir
mußten um ½4 Uhr aufstehen und kamen erst wieder abends um 8 Uhr oder noch
später nach Hause. Das Essen bestand durch Monate hindurch nur aus
Rübenschnitzeln. Viele sind gestorben.
Gewöhnlich 3-4 in der Woche. Dabei kamen täglich schwere Mißhandlungen
vor. Auf dem Weg zur und von der Grube wurden wir mit Gewehrkolben geschlagen. Oft
mußten wir unterwegs anstrengende Gelenksübungen machen. Wir konnten uns oft
vor Müdigkeit kaum auf den Beinen halten. Am Abend mußten wir oft mehrmals
um
die Baracken Laufschritt machen.
Bericht Nr. 295
Schacht, Mißhandlungen, Morde
Berichter: Josef Langenickel Bericht vom 1. 7. 194[7?] (Radwanitz)
Ich war vom 27. 8. 1945 bis
13. 8. 1946 im Internierungslager Radwanitz bei Mährisch
Ostrau. Die Lagerinsassen arbeiteten im Hedwigsschacht und Fortschrittschacht untertags. Nach
einer 8-stündigen Schicht untertags mußte 4-5 Stunden obertags gearbeitet werden.
Der erste freie Tag war am Ostersonntag.
Die Behandlung und Verpflegung war sehr schlecht. Die Prügelstrafe war offiziell
eingeführt. Es wurde auch bei der Arbeit untertags von den tschechischen Bergleuten
geprügelt. Wegen der Unterernährung ging die Arbeitsleistung zurück. Jeder,
der nicht sein volles Arbeitsmaß verrichten konnte, wurde von den Posten
geprügelt.
Das geschah im Keller bei verschlossenen Türen durch ein besonderes
Prügelkommando von 6-8 Mann. An den Folgen der Unterernährung und der
Mißhandlungen sind viele gestorben. Kremer Josef starb im November auf dem Marsch
vom Schacht ins Lager. So oft sich jemand krank meldete, wurde er geprügelt. Weinert
Johann starb am 7. 3. 1946 an Unterernährung und hatte bis zuletzt arbeiten
müssen.
Ich selbst wurde am 11. 11. 1945, da ich wegen völliger Entkräftung und
geschwollenen Füßen nicht mehr arbeiten konnte, aufs Schwerste im Dreischlag
verprügelt. Erst am 1. 2. 1946 erhielt ich dann eine leichtere Arbeit obertags. Im Lager
herrschte Schreibverbot. Der Besitz eines Bleistiftes war verboten und wurde mit schweren
Mißhandlungen bestraft.
Reichenau
(bei Mährisch Trübau)
Bericht Nr. 296
Schwere Mißhandlungen von Frauen
Berichterin: Franziska Hübl Bericht vom 15. 6. 1946
Im Juli 1945 fand ich mit meiner Schwiegertochter in der Scheune 2
Stück Leder von
einem
Treibriemen, ungefähr 30 cm lang. Wir nahmen an, daß diese zwei Stück
Leder von einem Treck, der sich über zwei Monate bei uns aufgehalten hatte, mit vielen
anderen Sachen wie Bügeleisen, Krawatten, Hausschuhen usw. mit zurückgelassen
worden seien. Im Januar 1946 wollten wir beim Schuster Schuhe sohlen lassen. Er hatte keine
Sohlen. Da erinnerte ich mich an die zwei Stücke Leder und trug sie zum Schuster. Der
Schuster machte uns aber die Schuhe nicht gleich, da er viel Arbeit hatte. Im März wurde
ich mit meiner Schwiegertochter auf die Gemeindekanzlei geholt. Der Kommissar Petr zeigte
uns
die beiden Stücke Leder vor und fragte uns, woher sie seien. Bevor wir noch eine
Erklärung geben konnten, wurden wir vom Kommissar geschlagen. Zuerst wurde ich in
ein Zimmer geführt und wurde von ihm mit der Hand, einem Riemen und einer
Hundepeitsche
ins Gesicht und auf den Kopf geschlagen, daß ich ganz blutunterlaufen war. Dann wurde
meine Schwiegertochter in derselben Weise geschlagen. Das wiederholte sich dreimal. Als Folge
dieser Mißhandlung erlitt meine Schwiegertochter einen Abortus.
Reinowitz
(Lager bei Gablonz)
Bericht Nr. 297
Einlieferung und Geldabnahme in diesem
Lager
Berichter: Alfred Porsche Bericht vom 20. 6. 1950
Am 26. 3. 1946
kam ich nach Plünderung meines Gepäcks durch Mitglieder des
Ortsausschusses von Grünwald a. N. mit meiner Familie in das Lager Reinowitz. Gleich,
vor der Entlausung noch, mußte jeder im Büro dem Lagerleiter Václav
Vostrák seine Sparbücher, Reichsmark und Tschechenkronen abgeben.
Anfang April wurden Transporte in das Lager Reichenau zusammengestellt. Von dort sollte es
dann endgültig nach Deutschland gehen. Die Teilnehmer an den einzelnen Transporten
wurden auf dem Hofe ausgerufen. Ich kam am 10. 4. 1946 fort. An diesem Tage oder dem Tag
vorher, das weiß ich nicht mehr genau, wurden die Teilnehmer an diesen Transporten
aufgerufen, im Büro gegenüber dem des Lagerleiters etwas zu unterschreiben. Jeder
wollte doch fort und beeilte sich, dem Befehl nachzukommen. Ich sah mir an was da in
tschechischer Sprache vorgedruckt war. Die meisten konnten ja nicht tschechisch und
unterschrieben, ohne etwas vom Inhalt zu wissen. Es war der Empfang des abgenommenen
Geldes (Sparbuchbeträge und Bargeld) zu bestätigen. Selbstverständlich
haben wir dieses Geld nicht bekommen.
Riegersdorf
(Kreis Tetschen)
Bericht Nr. 298
Bericht eines Antifaschisten,
Sozialdemokratischer Vertrauensmann
Berichter: Josef Willkomm
Die Verdrängung der
Deutschen aus ihren Wohnungen 1945 geschah ohne
Rücksicht auf ihre politische Einstellung. Auch Inhaber eines von den tschechischen
Behörden
ausgestellten Antifaschisten-Ausweises erhielten ihre Sachen nicht mehr heraus.
In den ersten Tagen nach dem 8. Mai 1945 hatte ein immer hier ansässig gewesener
Tscheche die Leitung der Gemeinde kommissarisch übernommen. Bis zu unserer
Aussiedlung, innerhalb eines Jahres, war schon der zehnte kommissarische Bürgermeister
am Ruder. Dieser war aber dann der erste anständige und vernünftige.
Die Wohnungen waren in der Nacht nach der Austreibung sofort ausgeplündert worden,
mit Lastwagen hatte man einen großen Teil der Sachen ins Innere der Tschechei gebracht,
wenn nicht sofort tschechische Familien in die Wohnungen gezogen waren.
Der Leidensweg auch der Antifaschisten begann. Wenn ich als Antifa-Vertrauensmann für
unsere Leute verhandeln ging, weil ich etwas Tschechisch konnte, wurde mir zuerst ein Bild
vorgehalten, wo fünf Deutsche aufgehängt waren, mit dem Hinweis, wenn ich
zuviel
verlangte oder gar Nazis helfen wollte, dann ginge es mir ebenso. Ich war auch schon mit meiner
Frau aus meinem eigenen Häuschen vertrieben worden in eine Elendswohnung, wo uns
die
Ratten die paar Stücke Kleider und Wäsche annagten und in der Nacht über
unser Lager krochen.
Als ich von den tschechischen Behörden den Ausweis als Antifaschist zuerkannt bekam
und den Versuch machte, etwas von unserem Hausrat zurückzuerhalten, legte man mir
einen Revolver auf den Tisch mit der Behauptung, daß er in meinem Hause gefunden
worden wäre, dabei besaß ich nie einen. Entweder sollte ich auf meine Sachen
verzichten oder sie würden mich sofort einsperren lassen.
Als wir nordböhmischen Sozialdemokraten mit dem Lande Thüringen einen
Vertrag
für die Aussiedlung nach Thüringen abgeschlossen hatten und ich aus unserer
Gemeinde die Papiere für 69 Familien erhalten hatte und der Transport schon losgehen
sollte, sperrte der tschechische Kommissar die Ortschaft ab und begann von Haus zu Haus vor
den
Türen 30 kg Gepäck pro Kopf unserer Leute abzuwiegen. Dies dauerte ein paar
Tage.
Es gab Prügel, an deren Folgen ein junger Mann sogar starb. Er hatte seine Frau vor
Anzüglichkeiten schützen wollen. Manche Frauen mußten sich nackt
ausziehen
und betrunkene Tschechen belästigten sie. Das taten
tschechische Kommunisten mit deutschen Arbeitern.
Da die Aussiedlung nach Thüringen vereitelt wurde, mußten wir uns ein anderes
Aussiedlungsland suchen, das war dann Hessen. Wir erlebten noch eine bittere Zeit. Auch
als anerkannte Antifa-Leute wurden wir ebenso behandelt wie die Nazis. Entweder umsonst oder
um ein Stückchen Brot mußten unsere Frauen bei den tschechischen Familien oder
Landwirten arbeiten. Die Männer arbeiteten im Walde oder sonstwo schwer um 50 Heller
Stundenlohn.
Sonntags gab es Extraarbeiten wie Klosettputzen, Bachbett reinigen, Alteisen sammeln usw.
Jeden dritten Sonntag, der dann als "frei" gelten sollte, mußten sich alle über 14
Jahre
alten Personen am Gemeindeamt melden, anstellen und wurden unter Polizeiaufgebot ins Kino
geführt. Dort mußten wir den dreifachen Eintrittspreis zahlen und es wurden uns
dann Hitler-Greueltaten auf der Leinwand vorgeführt.
Deutsche Arbeitskräfte wurden in offenen Kohlenwagen ins innere Böhmen zur
landwirtschaftlichen und Industriearbeit verschickt.
Als wir dann im Juli 1946 nach Hessen ausgesiedelt werden sollten, war ich froh, daß der
10. kommissarische Bürgermeister der erste vernünftige war. Ich konnte für
manche Familien noch verschiedenes retten, auch für meine Frau und mich
Kleidungsstücke aus dem Hause meiner Schwiegereltern, die gestorben waren.
Fünfmal vor meiner Aussiedlung war ich in Prag
beim Innen- und Finanzministerium, um Ausreise- und Ausfuhrgenehmigungen zu beschaffen,
sodaß mancher noch ein Fahrrad, eine Nähmaschine, ein Radio und
Ähnliches
mitnehmen konnte.
Meine Schwester und ihr Mann mit 2 Töchtern und
der 84-jährigen Mutter kamen erst im April 1950 aus der Tschechoslowakei nach
Deutschland. Mein Schwager mußte noch 2 Jahre als Bergarbeiter für die
Tschechen
arbeiten. Dann verbrachte man sie zur Landarbeit. Sie hatten das Glück, bei einem
anständigen Gutsbesitzer zu arbeiten. Als sie sich von ihm verabschiedeten, sagte der
Tscheche weinend: "Ihr geht nun weg, aber was soll aus uns noch werden?"
Ich war vor dem Jahre 1938 14 Jahre lang sozialdemokratischer Lokalvertrauensmann in
Riegersdorf, Kr. Tetschen.
Riesengebirge
Bericht Nr. 299
Übersicht über Morde 1945
Auszüge aus den Heften "Riesengebirgsheimat"
Hermannseifen: 29. Juni 1945 vor der ganzen Gemeinde
erschossen: Pohl
Andreas, Fleischermeister; Pohl Franz, sein Sohn; Gaber Josef, Bäckermeister; Stransky
Josef, Friseurmeister; Struchlik Alois, Arbeiter; durch Urteil des Kommandanten von Arnau.
Frau
Pohl hat sich erhängt.
Mastig: Juni 1945 vor der versammelten Gemeinde erschossen:
Nittner (Hohenelbe); Rzehak Stephan, Bürgermeister; Gall Josef, Spinnmeister;
Tauchmann
Josef, Betriebsobmann
der Mandl-Fabrik; Jochmann Anton, Eisenbahner; durch tschechische Soldaten von Arnau und
Národní výbor.
Vordermastig: Mai 1945: Schröfel Josef, Gastwirt erhängte sich,
seine Frau nahm Gift, als sein Anwesen bei der Besetzung geplündert wurde.
Grossaupa: Hugo gefoltert und auf dem Friedhof erschossen (nähere
Daten fehlen).
Keilbaude: Braun, Gastwirt, umgebracht.
Schüsselbauden: Kraus Raimund und Hollmann Johann von Partisanen
erschossen.
Hütten-Witkowitz: Schwiegervater des Kaufmann Herbert Schier,
während Rudolf Schier im Gefängnis Jitschin starb.
Harta: Juni 1945. Fünf Personen wurden fürchterlich
geschlagen.
Theresiental: Juni 1945. Baruschka Alois mißhandelt, erschossen.
Jablonetz: 8. 9. 1945. Schimmer
in Karthaus-Jitschin nach Mißhandlung gestorben (verhaftet 9. 5. 45).
Mastig: Mai 1946. Kuhn Alfred, bei Jitschin erschlagen.
Spindelmühle: Fischer Alfred, Oberlehrer, Mai 1945 ermordet.
Buchberger Hans und Mutter, im Mai 1945 in Trautenau erschossen, der Vater Vinzenz
(St. Peter-Gastwirt) ist Gefangener im Uranbergwerk St. Joachimsthal.
Arnau: Rumler Josef und Frau Marie, geb. Petrik wurden am 18. Juni 1945
viehisch mißhandelt und erschossen. Soukup Heinz, Prokurist von Eichmann am 10. Juni
1945 standrechtlich erschossen. Kowarsch Erich, Brauereiangestellter, Anfang Juni 1945
erschlagen oder erschossen. Viele vergifteten sich
(Iwonsky, Schenk-Familie, Melichar usw).
Klein-Borowitz: 18. Juni 1945 Linhart und Frau, Müller, verhaftet
in Arnau, Eichmann-Keller geprügelt, gefoltert, dann am 21. 6. nach Mastig geschafft und
auf Befehl des Arnauer tschechischen Kommandanten Kapitän Wurm aus Horschitz in
dessen Anwesenheit erschossen.
Ponikla: 9. 5. 1945. Hirte Wenzel Anton verhaftet, nach Hochstadt gebracht,
mißhandelt. Knappe, Bürgermeister, wurden in Starkenbach hingerichtet
(Marktplatz).
Jablonetz: Ing. Schirmer, mit weiteren dann nach Semil gebracht, wo Hirte, der
am 11. 5. dazugekommen war, sich die Pulsadern durchschnitt.
Rochlitz: Seidel Fritz aus Oberrochlitz im Mai 1945 verhaftet, kam nach
Starkenbach im Januar 1946, dann Lager Hrabatschow, seither vermißt.
Zittau-Neuhammer: Auf dieser Strecke wurden
etwa 60-80 Kriegsgefangene von den Polen niedergemacht, darunter viele Sudetendeutsche, die
aus Lauban kamen, da sie den Todesmarsch im Tempo nicht mitmachen konnten. Endstation
über Sagan war Lager Jaworczno bei Auschwitz, wo alle im Bergwerk arbeiteten und
wobei 18 umkamen, 1 Selbstmord und 1 auf Flucht erschossen wurde (bis August 1947),
darunter
viele aus dem Riesengebirge.
Kukus: Mitte Mai 1945. Ginzkey, Erzieher aus Reichenberg, viehisch
geschlagen und gestorben. Petrak, Obererzieher aus Seidenschwanz und Schneider Karl,
Obergärtner aus Graslitz geschlagen und dann erschossen hinterm
Bahnhofsgelände.
Slaboch Alois, Amtmann; Areyczuk Eusebius, ukrainischer Gemüsehändler; beide
geschlagen und dann am
Stangendorfer Steinbruch erschossen. Frau Slaboch schnitt sich den Hals durch.
Gutsmuts-Arnau: Pradler Wilhelm, Bauführer und Frau Maria, am 23.
Juni 1945 in Proschwitz vor der Elbemühl erschossen. Die verleumderischen
Verräter sind: Amler, Nossek und Schiefert sowie ein Tscheche aus Proschwitz.
Schwarzenthal: Gall Julius, Oberlehrer und Baier Franz, Oberförster,
Juni
1946 verhaftet, seither vermißt. Wawra Hubert, Verwalter bei Mencik, bei Hohenelbe
ermordet. Insgesamt sollen 17 Einwohner verschwunden sein, die weiteren 14 heißen:
Munser Franz, Färbermeister; Kröhn Franz bei Mencik; Kröhn Franz,
Landwirt; Ettrich Josef, Kutscher; Seidel Franz, Tischler; Seidel Wenzel, Briefträger;
Maiwald, Sattlermeister; Kraus Johann, Färbermeister; Kraus Josef bei Mencik; Renner
Oswald, Telefonist; Wonka, Landwirt; Schneider Josef, Steinbrucharbeiter; Langer Josef,
Büroangestellter; Klust Edi, Webmeister.
Lauterwasser: 24.1.1946. Zirm Johann, Polizist in Jitschin gehängt.
Polkendorf: Sagasser Johann 1946, Selbstmord. Erben Franz, Selbstmord.
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