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Polepp und Leitmeritz

Bericht Nr. 288
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Mißhandlungen
Berichter: Franz Richter Bericht vom Weihnachten 1948

Lage von Polepp und LeitmeritzIn einer Regennacht nach Pfingsten 1945 war ich nach Polepp heimgekommen. Es war kein Mensch zu Hause zu finden. Während meiner Abwesenheit hatten sich schon schlimme Dinge in unserem Heimatort ereignet. Am 30. 5. 1945 um 9 Uhr abends erschienen plötzlich zwei junge tschechische Zivilisten. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet. Ein Frauenzimmer war auch dabei. Die Maschinenpistolen hielten sie mir sofort unter die Nase. Im Auto wurde ich nach Leitmeritz zur Gendarmerie gebracht. Dort begannen die ersten Mißhandlungen. Ich mußte mich mit dem Gesicht zur Wand stellen, wurde geohrfeigt und mit Fußtritten bedacht. Anschließend Personalaufnahme und neuerliche Mißhandlungen. Noch in der Nacht wurde ich ins Kreisgericht eingeliefert. Personalaufnahme, Abnahme der Wertsachen usw., Faustschläge mit dem Schlüsselbund auf den Kopf. Der Wärter war ein schmächtiger Kerl, hatte ein gelblich-graues Gesicht und furchtbar schmutzige Hände. Seine Augen waren entzündet. Die ganze Zeit sprach er kein Wort, seine Mißhandlungen waren absolut unpersönlich, geradezu sachlich. Die Kerkerzelle wurde aufgesperrt, ich mußte den Oberkörper waagrecht nach vorne beugen, damit er mir vom Gesäß bis zum Genick Schläge mit dem Gummiknüppel verabreichen konnte. Dann murmelte er, daß meine eigentliche Behandlung erst morgen erfolgen würde.

Ein Strohsack war in der Zelle, aber keine Decke. Am nächsten Morgen und Mittag anstatt Essen eine Tracht mit dem Pendreck. Am Abend weder Essen noch Prügel. Plötzlich nachts Schlüsselgeklapper. Am nächsten Tag kam ich in eine Zelle des ersten Stockes, wo schon zwei Leidensgenossen waren. Einer von ihnen mußte mir zur Begrüßung eine Ohrfeige geben. Beide waren schon länger hier. Sie versicherten mir, daß wir gut weggekommen sind, weil sonst diese Begrüßungsszenen unter 40 bis 50 Schlägen nicht beendet wurden. Ich habe in Theresienstadt diese Methode zur Entlastung der Wachorgane kennengelernt. Heller aus Prosmik, der mich schlagen mußte, beruhigte mich, indem er mir erklärte, daß im ersten Stock die Mißhandlungen nicht so häufig seien. Die ersten Tage nach der Einlieferung wären am schlimmsten. Beide wunderten sich, daß ich schon aus der Korrektion (Strafabteilung - Kellergeschoß) heraufgebracht wurde. Ursache dafür war das kolossale Anwachsen der Verhaftungen, wie wir später erfuhren. Am nächsten Morgen gabs schwarzen Kaffee, für mich aber noch kein Brot.

Es mag ½8 Uhr gewesen sein, als ich aus der Zelle geholt wurde. Diesmal waren drei Aufseher da, die mich aufmerksam musterten. Unterwegs gesellte sich noch einer dazu. Sie machten ihre Spässe mit mir, stellten mir den Fuß, traten mich ins Kreuz, stießen und boxten mich. Aus ihrer Unterhaltung entnahm ich, daß ich zum Verhör sollte. Sie sprachen tschechisch. Im Baderaum angekommen, entsicherten zwei von ihnen ihre Pistolen, ich wurde plötzlich angeschrieen. Trotzdem mir niemand sagte, was ich tun sollte, wußte ich doch, daß ich mich zu entkleiden hatte. Inzwischen waren noch einer oder zwei gekommen. Alle hatten fingerstarke Kabel. Hie und da erhielt ich einige sehr schmerzhafte Schläge. Ich mußte mich in die leere Badewanne legen und kaltes Leitungswasser strahlte auf mich. Noch hatte ich eine Weile Ruhe. Die Füße mußten dann auf den Rand der Wanne gelegt werden und ich erhielt die Bastonade. Ich hielt nicht lange aus, dann riß ich einen Fuß weg. Dabei war das Verspritzen von Wasser nicht zu vermeiden. Jetzt war der Teufel los. Ich wurde gewürgt und minutenlang unter Wasser getaucht. Dann mußte ich aus der Wanne heraus und nun hagelte es Schläge und Fußtritte von allen Seiten. Der enge Raum behinderte sie, sie waren außer Atem. Wieder wurde ich in das eiskalte Wasser gestoßen und die Tortur wurde nun systematisch betrieben. Bastonade, wobei das Stöhnen durch Untertauchen erstickt wurde. Als ich auf das Anbrennen der Füße mit brennenden Papierstreifen nunmehr langsam reagierte, wurde ich endlich in Ruhe gelassen. Mit Mühe schleppte ich mich in die Zelle und bekam noch einmal mit dem Pendreck den Rücken massiert, wie sie es nannten.

Der furchtbare Schmerz in den Füßen ist nicht zu beschreiben. Bald wurde ich wieder geholt. Lange stand ich mit vielen deutschen Männern mit dem Gesicht zur Wand im Vorraum der Polizei in der Neutorstraße. Hie und da wurde einer ohnmächtig, da und dort wurde einer geschlagen. Es durfte kein Wort gesprochen werden. Ungefähr 5 m von mir stand ein guter Kamerad. Den Tumult anläßlich der Schlägereien und der Ohnmachtsanfälle benützte ich, um ihm näherzukommen. Vorsichtig tauschten wir unsere Meinung aus und sprachen uns Mut zu. Er kam später bei der Flucht ums Leben.

Mein Name wurde aufgerufen, es ging zum Verhör. Pistole und Pendreck lagen auf dem Tisch. Ich wurde aufgefordert, alles zu sagen, sonst - eine drohende Bewegung. Das Verhör erfolgte verhältnismäßig ruhig und war kurz. Ich konnte nicht erkennen, daß mir etwas Konkretes zur Last gelegt wurde. Es handelte sich um allgemeine Fragen, Parteizugehörigkeit - berufliche und private Tätigkeit. Die stereotypen, überall und bei jedem Verhör auftretenden Fragen: "Wieviele hast Du ins KZ gebracht? Wieviele hast Du umgebracht?" usw. wurden begleitet von Schilderungen, wie schlecht es den Tschechen seit 1938 angeblich gegangen ist.

Ich kam wieder ins Kreisgerichtsgefängnis in eine Zelle mit 10 Mann. Geschlagen wurde hier seltener und ich erholte mich rasch. Nach einigen Tagen war ich so weit, daß ich mit zu verschiedenen Arbeiten gehen konnte. Mitte Juni, den Tag weiß ich nicht mehr genau, durften einige nicht zur Arbeit gehen. Ich war dabei und wir standen am Gang. Die Zahl der Gefangenenaufseher wurde immer größer. Wir erhielten jeder ein Päckchen, welches angeblich unsere Wertsachen enthielt, doch wurde uns strengstens verboten, es zu öffnen. Ein besoffener Wärter hielt uns eine Rede voller Kraftausdrücke und gemeinster Beschimpfungen. Aus ihr ging hervor, daß wir zu sterben hätten, daß wir uns die Gnade des Todes erst durch angestrengteste Arbeit verdienen müßten.

Ich kam in die kleine Festung in Theresienstadt. Ich stand mit vielen anderen lange Zeit wenige Zentimeter vor der grauen Wand. Wer sich rührte, wurde furchtbar geschlagen und mußte dann mit dem Kinn oder der Nase ein Blatt Papier an die Mauer drücken. Wehe, wenn es herunterfiel. Endlich wurden wir von den sogenannten Kapos übernommen. Die Kapos waren ausnahmslos kriminelle Verbrecher. Um vollkommen objektiv zu sein, es gab vereinzelt auch Ausnahmen. Die Herren Kapos führten uns in eine große Zelle, wo wir uns vollkommen entkleiden mußten. Vor jedem stand ein Korb, in welchem zuerst die Kleider, dann die Wäsche und obenauf das Päckchen mit den Wertsachen gelegt werden mußte.

Mit einem alten Strumpf oder Fetzen wurde geknebelt. Tiefe Beugung des Oberkörpers, den Kopf klemmte ein Martergehilfe zwischen die Knie, die Hände hielt je ein anderer am Gelenk fest. Der Schläger stand seitlich und schlug mit einem mit Bandeisen beschlagenen Krampenstiel auf Gesäß und Kreuz. Oder ohne Gehilfen - wobei die Schläge kniend empfangen wurden. Der Festungskommandant, Stabskapitän Prusa mit seinen beiden Töchtern (ca. 18-25 Jahre) - der Lagerkommandant Alfred Klink und Verwalter Otto haben diese Prozedur anfangs meist persönlich vollzogen. Eine der Prusa-Töchter hat sich gerühmt, mindestens 18 deutsche Männer totgeschlagen zu haben. Diese bestialischen Morde erfolgten vorwiegend durch brutale Schläge auf Rücken und Hinterkopf, wobei es zu Nierenrissen, Schädelbrüchen oder Rückgratverletzungen kam. Wochenlang hatten wir Blut im Harn.

Nach der Eintragung wurden uns alte Wäsche und Kleidungsstücke zugeworfen und ich wurde der Zelle 43 zugewiesen. Unsere Sachen wurden weggeschafft und wir sahen sie nie mehr wieder. Ich kann nur schlaglichtartig das Bild von Theresienstadt vom Sommer bis Herbst 1945 aufzeichnen. Wie viel Menschen hier erschlagen wurden - verhungerten - an Ruhr, Typhus und anderen Krankheiten durch die Schuld der tschechischen Regierung zu Grunde gingen, und zwar Männer, Frauen und Kinder, weiß ich nicht. Es waren aber mehr als 1000 und viele von ihnen trug ich hinaus. Ich sah die geschundenen, mißhandelten und zu Skeletten abgemagerten Körper.

Eine beliebte Unterhaltung für die Tschechen war damals der "Sport". Meist abends und nachts wurden wir aus den Zellen getrieben und mußten im scharfen Lauf den Hof umkreisen. "Kommandos" mußten ausgeführt werden. Am Rande standen Wachposten, tschechische Zivilisten und einige Kapos mit Peitschen, Ochsenziemern und Stecken und trieben die keuchenden Menschen bis zur völligen Erschöpfung. Zerschlagungen an den zum Schutze des Kopfes erhobenen Armen - besonders an den Ellenbogen - waren häufig. Die tschechischen Zuschauer auf den Schanzen bezeugten durch Johlen ihr Vergnügen.

Am Abend mußten sich die Frauen und Mädchen entkleiden, um von den tschechischen Wachorganen und Russen für die Nachtorgien gemustert zu werden.

Kurz will ich nur erwähnen, daß diese grausamen, sadistischen Verfolgungen verschiedene Höhepunkte aufwiesen, zwischen denen etwas ruhigere Perioden zu verzeichnen waren. Teilweise bedingt durch das starke Auftreten von Ruhr und Typhus, wodurch die Tschechen aus Angst vor Ansteckung das Betreten der Festung vermieden, teils infolge des Wechsels in der Lagerleitung und Wachmannschaft. Kling und Prusa mit den beiden Töchtern waren verhaftet worden. Ich sah sie später im Kreisgericht Leitmeritz als Häftlinge wieder.

Mit der Ankunft der SNB (Sbor Národní Bezpecnosti) begann eine neue Leidenszeit. In diese Zeit fiel auch die Aussig-Nestomitzer Explosion, die man einfach den Deutschen in die Schuhe schob. Was sich damals dort zutrug, war furchtbar. Eine kleine Gruppe unschuldiger, unglücklicher Jungens, im Alter von 13-17 Jahren, die in Aussig zusammengefangen wurden, wurden in die kleine Festung gebracht. Nacht für Nacht wurden sie aus den Sonderzellen geholt, mit Polizeihunden gehetzt, geschlagen und gemartert, bis kaum mehr etwas übrig blieb.

Normalerweise gab es pro Mann eine Decke. Wer Glück hatte, fand auf den vierfach übereinander angebrachten Pritschen Platz. Sie waren notdürftig mit ungleich starken Schwartenbrettern belegt. Wer Pech hatte, schlief auf dem Betonboden.

Im August wurden vereinzelt einige Verhöre durchgeführt - auch ich kam dran. Mein Untersuchungsrichter war Herr Dr. Ocadlík. Er bezeigte an mir ein spezielles Interesse. Unter anderem behauptete er, mich und meine Familie schon lange genug zu kennen, machte versteckte Drohungen, um jedes Geständnis zu erzwingen. Manchmal war noch ein großer schwarzer Mann dabei. Ocadlík war sichtlich unbefriedigt und versuchte immer wieder, mir ein Verbrechen nachzuweisen. Das dritte Verhör erfolgte im Kreisgericht Leitmeritz, wohin ich schwer gefesselt gebracht wurde. Ich war damals ständig in Kopitz in der Landwirtschaft beschäftigt. Z. B. wurde mir die Schuld am Tode von Anton Kaiser und Tyle zur Last gelegt. Beide hatten aus mir unbekannten Gründen Selbstmord begangen. Tyle war mir nicht einmal näher bekannt. Da ich alle mir zur Last gelegten Vorwürfe zurückwies und ersuchte, mir eine entsprechende Verteidigung zu ermöglichen, sagte mir O. höhnisch: "Sie werden schon beim nächsten Verhör merken, was gespielt wird."

Ich war daher überrascht, daß ich von Theresienstadt wieder nach Kopitz gebracht wurde. Durch einen Freund, der Beziehungen zur Schreibstube hatte, erfuhr ich, daß gegen mich strengste Maßnahmen angeordnet waren. Ich hätte gar nicht außerhalb der Festung beschäftigt sein dürfen. Meine Frau zu verständigen war gelungen. Ich wußte, daß sie kommen würde. Da kam mir am Abend vorher durch Zufall zur Kenntnis, daß ich am nächsten Tag wieder zum Verhör bestimmt war. Früh zog ich in Ketten nach Leitmeritz.

In Leitmeritz wartete ich in einer Einzelzelle des ersten Stockes mehrere Tage auf die Vorführung zum entscheidenden Verhör. Zur Arbeit außerhalb des Gerichtsgebäudes durfte ich laut Vorschrift nicht. Arbeitsantritt war früh nach der Kaffeeausgabe. Da unser Gang erst Kaffee erhielt, wenn schon die ersten von den anderen Gängen zur Arbeit gingen, meldete ich dem neu auf unserer Abteilung eingesetzten Wärter mit der selbstverständlichsten Miene: "Do práce!" - zur Arbeit - und begab mich hinaus auf den langen Gang. Es war gerade eine ruhigere Periode. Wieder einmal hatte ich Glück, bei einem Kommando wurden noch Leute gebraucht, ich wurde in die Liste eingetragen und ging wieder regelmäßig aus dem grauen Hause. Vom Verhör keine Spur.

Soviel ich weiß, waren von Polepp verhaftet: Trojan Wenzel und Hermine Schafferbinder, Langer und Frau, die junge Frau Sipetzky, Oberlehrer Welser (verurteilt zu 8 Jahren), Weithofer, Munzig Albin, Franz Schwabge und ich.

Wir arbeiteten häufig bei den russischen Besatzungstruppen, konnten manchmal unsere Angehörigen verständigen und sie hie und da sehen oder sogar sprechen. Sie wußten natürlich, was los war und nahmen Mühsal, Anpöbelungen und Mißhandlungen in Kauf.

Die Verhaftungen gingen weiter, das Gefängnis war überfüllt. Vereinzelt begannen die Volksgerichte zu tagen. Keinem der Angeklagten wurde die Gelegenheit gegeben, sich ordnungsgemäß zu verteidigen. Oft wurden die Urteile verlesen, ohne den Fall verhandelt zu haben. Manchmal wurde ein längerer Schauprozeß mit viel sensationslüsternen Zuschauern veranstaltet - meist erfolgte dann ein Todesurteil. Die verhängten Strafen waren durchwegs hoch. 10 Jahre, lebenslänglich und Tod. Als leichte Strafen galten 5-10 Jahre und kamen verhältnismäßig selten vor. Ausnahmsweise wurden Strafen unter 5 Jahren verhängt.

Weihnachten nahte. Zur Entlastung der Gefängnisse gingen Transporte nach Theresienstadt und in die Kohlengruben. Die Verurteilten mit über 5 Jahren gingen in die großen Strafhäuser ab. Immer wieder war ein neues, blutunterlaufenes, verängstigtes Gesicht in der Zelle und nahm den kaum leer gewordenen Platz ein.

Weihnachten und Neujahr war vorbei. Am 7. 3. wurde ich geholt. Lediglich die Anklageschrift wurde mir vorgelegt. Ich durfte nur drei Zeugen angeben. Die Anklageschrift enthielt 7 Belastungspunkte.

Seit kurzer Zeit durften wir endlich alle zwei Wochen die Leibwäsche abgeben. Sie wurde jeden 2. Donnerstag von den Angehörigen abgeholt und die folgende Woche wieder zurückgebracht. Die Wäscheausgabe wurde vom Diensthabenden überwacht. Ein sogenannter Chodbar (Gangarbeiter) durchsuchte auf das genaueste und äußerst geschickt. Einmal bat ich den Aufseher, mir das Brot, das sich meine Lieben am Mund abgespart hatten, zu geben. Da zertrat er die Röstschnitten und schrie mich höhnisch an, ich solle doch meinen Dreck fressen, es werde sowieso bald der letzte sein. Ein willkommener Anlaß zum Prügeln.

Im April wurde die Abgabe von 2 kg Lebensmittelpaketen, alle 2 Wochen für die Häftlinge gestattet. Die Bestimmungen waren unklar. Anfangs wurde nur das Brot gelassen. Fett, Fleisch und Fleischwaren sowie Zucker und Obst eigneten sich die Aufseher an.

Am 30. April 1946 nach dem Frühkaffee wurde ich aus der Zelle geholt. Ich bekam eine bessere Uniform und wurde rasiert. Zásvorka, einer der dümmsten und brutalsten Aufseher, holte mich ab. Ungefähr 20 Minuten konnte ich mit dem Verteidiger sprechen. Meine Karte, die ich am 7. März schreiben durfte, war unterschlagen worden, er hatte sie nicht erhalten. Aber er nannte mir Zeugen (wohl an die 20). Er forderte mich auf, fest und klar zu bleiben, deutete die große Gefahr an, gab aber der Hoffnung Ausdruck, daß er das Schlimmste abwenden könne, wenn ich die Nerven behalte. Der Verteidiger deutete mir noch an, daß der Prozeß groß aufgezogen sei.

Die Zeit war um, ich wurde in das Gerichtsgebäude geführt. Die Gänge waren voller Menschen, beim Eingang zum Verhandlungssaal stand der Henker in voller Uniform, schwarz und rot. Meine Antworten waren kurz und knapp. Der Vorsitzende schien objektiv zu sein und ich wurde immer sicherer. Auch mit den Zeugen klappte es wunderbar. Die Belastungszeugen waren die Werkzeuge des Untersuchungsrichters Ocadlík. So ging es mit einer kurzen Mittagsunterbrechung bis abends. O. hatte, als er während der Verhandlung merkte, daß es mir gelang, die Anklage schwer zu erschüttern, versucht, den Staatsanwalt zu veranlassen, neue Anklage zu erheben. Der Vorsitzende gab zu bedenken, daß ich, wie aus dem Gang der Verhandlung ersichtlich sei, den neuen Anklagepunkt bereits entkräftet habe, stellte aber anheim, diesbezüglich Antrag zu stellen. Darauf verzichtete der Staatsanwalt. Am Ende der Verhandlung hatte ich das sichere Gefühl des Erfolges. Die Beratung dauerte lange. Ein großer Teil der Zuschauer hatte sich verlaufen. Der Fall war uninteressant geworden. Ich wußte, daß mich das Gericht trotzdem verurteilen würde. Aber 15 Jahre schweren Kerker mit vierteljährigem harten Lager zur Gänze als Zwangsarbeit abzubüßen, hatte ich doch nicht erwartet.

Abgesehen von der Übersiedlung in den 3. Stock änderte sich nicht viel. Hier waren nur Verurteilte über 10 Jahre. Der Raum war normal für 6 Verurteilte vorgesehen, jetzt aber mit 14 Verurteilten belegt.

Die einschneidendste Verbesserung nach der Verurteilung war das Recht, alle 6 Wochen einen kurzen Brief schreiben und empfangen und einen Besuch haben zu dürfen. Dadurch sah ich meine Frau und die Kinder einige Male, bis sie im Juli 1946 ausgesiedelt wurden. Ab 1. 8. 1946 ging ich wieder regelmäßig zur Arbeit auf den Oberbau der NWB nach Tschischkowitz in die Zementfabrik, nach Theresienstadt in die Kasernen usw. Die Bewachung war äußerst streng und wir mußten hart arbeiten. Aber es wurde selten geschlagen. Ab Mitte September wieder Arbeitsverbot, weil ich mit einer größeren Anzahl Kameraden am 24. 9. 46 über Prag nach Pilsen in das Strafgefängnis Bory gebracht wurde.

Nachdem die unangenehme und schmerzhafte Einführung in die Gebräuche der Strafanstalt Bory vorbei war, wurde ich einem Arbeitskommando zugeteilt. Die Arbeit war teilweise schwer, doch war die von der Firma gegebene Verpflegung ausreichend.

Die ärztliche Betreuung im Gefängnis war verschieden. Häufig warf der diensthabende Aufseher in der Krankenabteilung die Entscheidung des Arztes einfach um.

Nach ungefähr 9 Monaten wurde unser Eisenkommando ausgewechselt und ich arbeitete in einem Steinbruch außerhalb Pilsens. Die Arbeit war äußerst hart, einzelne Kameraden fielen aus. Wir arbeiteten nur von 7 bis 14 Uhr und hatten dann unsere Ruhe. Was mich reizte, war aber etwas anderes. Von hier konnte man evtl. die Flucht riskieren. Als meine Orientierung soweit beendet war, daß ich die Durchführung vorbereiten konnte, wurde ich dem Landwirtschaftskommando Luhov mit ganz neuen unbekannten Leuten zugewiesen. An die neue Arbeit und Umgebung gewöhnte ich mich schnell. Ich ging daran, mich vorsichtig zu orientieren. Die Umgebung wurde genau studiert, Flußläufe, Bahnübergänge und Straßenverbindungen erforscht. Die Beschaffung von Zivilsachen, Landkarten und Kompaß war ausgeschlossen. Nur Brot konnte gespart und etwas Obst getrocknet werden. Seit einiger Zeit fuhr ich mit Pferden und gewöhnte systematisch Aufseher und Mithäftlinge daran, daß ich am Abend immer spät fertig wurde. - Abendnebel, seit längerer Zeit Trockenheit, für die nächsten Tage voraussichtlich kein Regen zu erwarten, zunehmender Mond und der 13., wir verschwanden in der Dunkelheit. Nach vier Nächten und drei Tagen hatten wir es geschafft.



 

Pössigkau und Taus
[Korrektur: im Original heißt es fälschlicherweise "Possigau"]


Bericht Nr. 289
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Mißhandlung von Frauen, Mai 1945
Berichterin: Anna Zitzmann Bericht vom 8. 6. 1946

Lage von Pössigkau und TausAm 2. Mai wurde von Partisanen mein Mann und mein 16-jähriger Sohn verhaftet und 8 Tage in Possigau [Pössigkau] in einem Eiskeller eingesperrt. Dort wurden sie an auf den Rücken zusammengebundenen Händen an einen Baum gehängt und mit Eisenketten geschlagen. Von Possigau [Pössigkau] wurden sie nach Taus überführt. Am Wege wurden sie wieder so verprügelt, daß der ganze Körper blau war.

Am 8. Mai wurde auch ich verhaftet, ohne daß ein Grund vorhanden war. Ich wurde auch zwei Tage im Eiskeller in Possigau [Pössigkau] festgehalten ohne Essen. Dort wurde ich auch verprügelt. Ich mußte mich über die Lehne eines Stuhles legen, dann wurden mir die Röcke aufgehoben. Zwei Männer schlugen mich dann mit Gummiknüppeln. Auch ins Gesicht wurde ich geschlagen. Dabei wurden mir fast alle Zähne ausgeschlagen. Durch 10 Tage hindurch wurde ich täglich auf diese Weise mehrmals verprügelt. Wenn ich urinierte, ging Blut ab. Von Possigau [Pössigkau] kam ich nach Taus in das Bezirksgericht. Auch dort wurde ich geprügelt. Drei Wochen wurde ich im Gefängnis gehalten, mit völlig unzureichender Verpflegung. Dort waren noch gegen 150 Frauen, die genau so geprügelt wurden wie ich. Mein Mann und mein Sohn befanden sich im selben Gefängnis. Am 17. 6. wurde mein Mann und mein Sohn abtransportiert. Ich habe nichts mehr von ihnen gehört. Eine Tschechin erzählte mir später, daß in einem Massengrab hinter dem Bahnhof von Taus 1200 deutsche Männer liegen sollten.

Von Taus wurde ich Ende Juni zu einem Bauern in Arbeit gegeben, wo ich es verhältnismäßig gut hatte. Im August kam ich ins Lager nach Taus zurück und mußte von dort in die Milchhalle arbeiten gehen, wo es ebenfalls erträglich war. Dann wurde ich als Haushälterin zu einem tschechischen Witwer mit 10 Kindern geschickt. Der Witwer machte mir mehrere Heiratsanträge, die ich abwies. Um seinen dauernden Belästigungen zu entgehen, floh ich im April 1946 über die Grenze.

Ich kann diese Aussage beeiden.


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Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort