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Gablonz / Neisse

Bericht Nr. 21
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Beraubung im Juni 1945
Berichter: Bruno Hofmann Bericht vom 15. 5. 1950

Lage von GablonzWir lebten seit 16. Januar 1939 in Gablonz/Neiße. Ich wurde als stellvertretender Leiter der dortigen neuerrichteten Devisennebenstelle dorthin versetzt; diese Maßnahme brachte meine völlige Übersiedlung von D. nach Gablonz mit sich.

Da meine Frau und ich niemals Anhänger des Hitlerregimes waren, meine Frau sogar 1942 wegen antifaschistischer Tätigkeit sich vor der Gestapo zu verantworten hatte, glaubten wir nicht, daß man etwas Unfreundliches uns gegenüber unternehmen würde.

Viele der Reichsdeutschen, die in ähnlicher Lage waren wie wir, die aber meist Mitglieder der NSDAP gewesen waren, rückten kurz vor oder gleich nach dem Einmarsch der Russen ab und versuchten die alte Heimat zu erreichen. Da kam Ende Mai das Unglück über uns. Uns wurde kurz und bündig mitgeteilt, daß wir innerhalb 24 Stunden die Tschechoslowakei zu verlassen hätten, daß unsere gesamte Habe einschließlich unserer Vierzimmer-Wohnung entschädigungslos enteignet sei, wir aber von unserer Habe für jede Person 30 kg Reisegepäck mitnehmen dürften. Endgültig mußten wir am 2. Juni 1945 Gablonz verlassen.

Natürlich hatten wir die 30 kg pro Person nicht genau abgewogen und können es wohl 45-50 kg pro Person gewesen sein, welche wir versuchten, auf unserer Flucht mitzunehmen. Auf dem Bahnhof in Gablonz wurden wir gleich von der tschechischen Polizei in Empfang genommen. Wir hatten sofort den Eindruck, daß man glaubte, einen guten Fang im Hinblick auf gute Beute gemacht zu haben. Diese Polizeihorde bestand aus etwa 6-8 schlimm aussehenden Burschen jeden Alters, deren Anführer ein dicker ehemaliger tschechischer Gendarm sein sollte, wie uns von Einheimischen gesagt wurde. Ein ganzer Koffer und verschiedene wertvollere Dinge aus Rucksack und sonstigen Behältnissen wurde uns sofort abgenommen. Da ich selbstverständlich nichts freiwillig hingab, sondern mich im guten Glauben auf mein Recht der Beraubung widersetzte, wurde ich einfach von der tschechischen Polizei an die Wand gestellt und mit Erschießen bedroht, wenn ich mich gegen die polizeilichen Maßnahmen auflehnen würde. Auf die Bitte meiner Frau und da ich wohl einsehen mußte, daß hier jeder Widerstand vergebens sei, ließ ich schließlich alles über mich ergehen. Infolge des durch diese Polizeiaktion entstandenen Zeitverlustes war unser Zug längst davongefahren. Der nächste Zug nach Reichenberg ging erst in 6 Stunden, welche Zeit wir auf dem Bahnhof unter Bewachung einiger sog. Hilfspolizisten verbringen mußten. Als der Zug einlief und wir mit dem uns verbliebenen Gepäck einsteigen wollten, wurde uns von einem Hilfspolizisten noch ein Koffer mit den besten Sachen entrissen.

Es ging Reichenberg entgegen. Auf dem Bahnsteig wurden wir von der sog. Revolutionsgarde nach dem Aussteigen schon von dieser erwartet und sie ließ ihre Wut an uns aus. Während die meisten Reisenden unbeobachtet blieben, weil in uns ein fetter Bissen vermutet wurde, wurden wir von etwa 12 fürchterlichen Gestalten umringt, welche mit allen möglichen Waffen, aber auch schweren Knuten bewaffnet waren und suchte man noch nach den allerletzten nur einigermaßen wertvollen Dingen. Ich mußte die Arme seitwärts heben und während zwei Männer die Revolver auf mich richteten, durchsuchte einer meine sämtlichen Taschen und sonstigen Behältnisse. Auch nicht die einfachsten Dinge wurden mir gelassen. Alle Vorhalte meiner Frau, uns doch wenigstens die allernötigsten Sachen zum täglichen Gebrauch zu belassen, wurden nur mit drohender Knute beantwortet. Nur mit viel Mühe gelang es meiner Frau, die Bilder unseres gefallenen Sohnes für uns zu retten. Obwohl wir kaum noch etwas zu verlieren hatten, so verbrachten wir nun noch eine schlimme Nacht im Wartesaal auf dem Bahnhof Reichenberg, da durch Aufenhalte ein Anschluß an diesem Tage nicht mehr bestand.

Am andern Tag ging die Fahrt gegen 6 Uhr weiter nach Bodenbach über Böhm.-Leipa. In letzterem Orte hatten wir 7 Stunden Aufenthalt, wobei wir durch die sog. Eisenbahnpolizei nochmals mit allen Reisenden einer schlimmen Plünderung ausgesetzt waren, doch konnte man uns nicht mehr viel nehmen. Wir wurden während des Aufenthaltes zu teils recht schweren Arbeiten herangezogen, durften die Bahnhofswirtschaft nicht betreten, nur Brunnenwasser stand uns zur Verfügung. Obwohl es den meisten unserer Leidensgefährten auch nicht gut in der Behandlung ging, so war unschwer festzustellen, daß die Tschechen es besonders auf uns abgesehen hatten. Warum -- ist uns unbekannt geblieben. In Bodenbach mußten wir wiederum eine Nacht zubringen, konnten aber in eine Schule, welche als Flüchtlingslager eingerichtet war, gehen und die Nacht verbringen; am andern Morgen sind wir nur durch die freundliche Hilfe von Bahnangestellten deutscher Nationalität, welche uns schnell in den einfahrenden Zug schmuggelten, einer weiteren Beraubung entgangen.

Völlig ausgeplündert gelangten wir endlich am Abend des 4. 6. nach D. Nicht einmal die allernötigsten Bedürfnisse des täglichen Lebens schienen diesem Kulturvolk der Tschechen bekannt zu sein, denn man ließ uns keinen Strumpf zum Wechseln und ebenso kein Reservetaschentuch, von anderen Bekleidungsstücken ganz zu schweigen.



 

Bericht Nr. 22

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Tödliche Mißhandlung eines Greises
Berichter: Adolf Vogel Bericht vom 4. 11. 1946 (Gablonz / Neisse)

Lage von GablonzEnde November v. J. ging mein Schwiegervater Anton Weis, wohnhaft in Gablonz/Neiße, Alpengasse 18, 81 Jahre alt, zu einem Waldrand, ungefähr 800 m von seinem Haus entfernt, um von dort etwas Moos für seine Weihnachtskrippe zu holen, die er wie jedes Jahr für die Kinder seiner Nachbarschaft zusammenbaute. Dabei wurde er von zwei SNB-Soldaten angehalten, geschlagen und mit Füßen getreten, bis er bewußtlos liegenblieb. Die beiden Soldaten ließen ihn liegen, ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Als er das Bewußtsein wiedererlangte, schleppte er sich mühsam nachhause. Der herbeigerufene Arzt stellte fest, daß ihm die Nieren losgeschlagen waren und er auch andere innere Verletzungen erlitten hatte. 2 Tage darauf erlag er seinen Verletzungen. Niemand konnte es wagen, eine Anzeige zu machen.

Ich kann diese Aussage beeiden.



 

Bericht Nr. 23

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Aussiedlung
Berichter: Anton Nitsche Bericht vom 4. 11. 1946 (Gablonz)

Lage von GablonzAm 15. 6. 1945 wurde in Gablonz die Josef-Pfeifferstraße und Siedlung innerhalb weniger Minuten vollkommen geräumt. Gegen 850 Leute wurden so ihrer Wohnungen beraubt und zwar völlig wahllos, ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit oder sonstige politische Tätigkeit. Es ging vor allem um die Leermachung von besseren Wohnungen und Häusern. Diese 850 Leute, darunter dreiwöchige Kinder und Greise bis zu 80 Jahren, wurden nahezu ohne Gepäck noch in derselben Nacht mit Auto bis Harrachsdorf gebracht und am nächsten Tage im Fußmarsch gegen Jakobsthal getrieben. Die Polen jenseits der Grenze übernahmen uns nicht, deshalb mußten wir an der Grenze in 1000 m Höhe im Walde 3 Tage und 3 Nächte kampieren. Viele Leute hatten überhaupt keine Decken mit. In der Nacht lag Reif. Verpflegt wurden wir sehr mangelhaft vom Deutschen Roten Kreuz in Schreiberhau unter polnischer Unterstützung. Die Verpflegung war für uns durch sogenannte "Löffelspenden" von Haus zu Haus aufgebracht worden. Nach 3 Tagen erhielten wir von den Tschechen die Erlaubnis, nach Harrachsdorf zurückzugehen.

Am nächsten Morgen wurden wir nach Grüntal getrieben. Am Nachmittag desselben Tages wurden wir entlang der Eisenbahnstrecke auf einem sogenannten Pascherweg durch den Eisenbahntunnel wieder über die Grenze geführt. Die Polen haben die Aufnahme wieder verweigert, aber doch in Empörung über die tschechischen Aussiedlungsmethoden uns gestattet, in Hoffnungsthal zu übernachten. Das war wieder im Freien. Am nächsten Tag hatten wir durch einen Wolkenbruch schwer zu leiden. Nach Verhandlungen mit den Tschechen führten uns die Polen über die Grenze zurück und wir wurden von den Tschechen wieder im Fußmarsch nach Grüntal gebracht. Von dort wurden wir nachts im Bahntransport nach Gablonz zurückgebracht und im Reinowitzer Lager einquartiert. Wir waren eine Woche unterwegs gewesen.

Aus dem Lager wurden dann die Industriearbeiter herausgezogen und in den Gablonzer Betrieben wieder eingesetzt. So kam ich auch selbst in meinen Betrieb zurück. Meine Wohnung war allerdings unterdessen völlig ausgeraubt worden. In meine Wohnung kam auch ich nicht mehr hinein. Die Behandlung der Deutschen war völlig von der Laune und Willkür der Tschechen abhängig, die Bestechungen jederzeit zugänglich waren. Die Deutschen die nichts hatten und nichts geben konnten waren sehr schlecht dran. Auch bei der jetzigen Gepäckkontrolle war das dieselbe Sache.


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Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort