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Aussig
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Bericht Nr. 1
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Explosion am 30. Juli 1945
Berichter: A. U. Bericht vom 8. 2. 1951

Lage von Aussig[Der Verfasser dieses Berichts ist durch verschiedene Umstände in die Lage versetzt worden, das einwandfreieste und objektivste Bild über diese Explosion und ihre folgenschweren Ereignisse zu geben:]

Ich ging an diesem Tage um 10 Uhr vormittags in die innere Stadt. Schon als ich in die belebteren Straßen kam, merkte ich sowohl in der ehemaligen Dresdner, als auch in der Schmejkalstraße, daß Soldaten der berüchtigten Svoboda Garda in ihren bekannten Uniformen, alle Deutschen mit weißer Armbinde von den Gehsteigen hinunterjagten oder gar hinunterwarfen. Ich erkundigte mich, was los wäre und erfuhr, daß in der Nacht die Svoboda Garda erstmalig in Aussig eingetroffen war.

Aus den Ereignissen in den anderen Bezirken des Sudetenlandes war mir sofort klar, daß nun harte Zeiten für die Deutschen der Stadt und des Bezirkes Aussig kommen würden.

Am Bahnhof sah ich gerade, wie einem aus Prag kommenden Zuge ca. 300 Personen sehr zweifelhaften Aussehens entstiegen. Diese Leute waren ungefähr im Alter von 18 bis 30 Jahren und ich bekam den Eindruck, daß wieder einmal irgendwo eine Strafanstalt entleert worden ist.

Nachmittags 15.30 Uhr saß ich in meiner Wohnung, als plötzlich ein furchtbarer Schlag erfolgte. Im Moment war ich der Meinung, daß im Nebenzimmer ein Schrank umgefallen wäre. Ich sah gleich nach, konnte aber nichts feststellen. Ich vermutete dann sofort eine Explosion und stieg auf das Hausdach. Da sah ich hinter dem Marienberg einen großen Rauchpilz aufsteigen. Es erfolgten auch noch kleinere Explosionen. Ich ging sogleich in die Stadt, eine weiße Armbinde trug ich nicht und das war mein Glück. Die Jagd auf Deutsche hatte begonnen. Daran beteiligten sich auch die Soldaten der Svoboda Garda und einzelne russische Soldaten waren dabei ebenfalls zu bemerken. Mit allerlei Instrumenten, wie Zaunlatten, Brechstangen, Schaufelstielen usw., die sie sich irgendwo verschafft hatten, waren diese Elemente bewaffnet. Sie schlugen damit wahllos auf die Deutschsprechenden und weiße Armbinden Tragenden ein, bis diese zusammenbrachen. Ich hatte den Eindruck, daß das nicht die im Bezirk wohnhaften Tschechen waren, sondern vielmehr die, die vormittags mit dem Zuge angekommen waren. Für diese Auffassung sprach auch der Umstand, daß sie sich rnit Behelfswaffen beholfen haben, die ihnen gerade in die Finger kamen.

Ich bewegte mich ungefähr zwei Stunden in der Stadt, was ich dabei sah, war grauenhaft. Sprechen durfte ich natürlich nicht, ich hätte mich sonst als Deutscher verraten.

Da um 15 Uhr Betriebsschluß war und vor allem die bei der Firma Schicht Beschäftigten über die Elbebrücke nach Hause gehen mußten, waren in der Nähe des Marktplatzes und Bahnhofes die wildesten Gruppen tätig. Frauen mit Kinderwagen wurden in die Elbe geworfen und dann von den Soldaten als Zielscheiben benutzt, dabei wurde so lange auf die Frauen geschossen, bis diese nicht mehr aus den Fluten auftauchten. In das Wasserreservoir am Marktplatz warf man ebenfalls Deutsche hinein und sobald sie wieder hoch kamen, drückte man sie mit Stangen wieder unter das Wasser. Erst gegen 17 Uhr konnte man einige russische Offiziere beobachten, die versuchten, die Straße freizumachen, dabei halfen ihnen auch einige tschechische Uniformierte. Durch Lautsprecher wurde dann ein Ausgehverbot tschechisch verkündet. Am 31. 7. erschien ein gedruckter Anschlag, der anordnete, daß für die Deutschen beschränktes Ausgehverbot besteht und diese ab 18 Uhr nicht mehr auf die Straßen dürfen. Für die Tschechen galt das Ausgehverbot ab 20 Uhr.

Am Abend des 30. Juli wurden die Toten an drei Stellen zusammengetragen und mit Lastautos abtransportiert. An diesen drei Stellen wurden gegen 400 Tote gezählt. Wieviele noch an anderen Stellen abtransportiert wurden und wieviele außerdem die Elbe hinunterschwammen, konnte nicht festgestellt werden. Darüber konnten nicht einmal die eingeweihtesten Kreise des Národní Výbor Aufschluß geben.

Am 30. 7. abends erfuhr ich dann noch, daß die Absicht bestünde, den ganzen Aussiger Bezirk mitsamt den angrenzenden Bezirken Teplitz und Tetschen-Bodenbach von allen Deutschen zu säubern und diese ins Innere des Landes zu verschicken, wo sie dann zur Zwangsarbeit herangezogen werden sollten.

Man beschuldigte die Deutschen offen der Sabotage und der Urheberschaft der Explosion.

Was war nun wirklich geschehen?

Im Stadtviertel Schönpriesen war die aus den Maitagen stammende Artillerie-Munition, Panzerfäuste usw. gesammelt gelagert. Nach tschechischer Aussage soll es sich dabei um 2 Millionen Stück aller Art gehandelt haben. Beim Sortieren dieser Munition beschäftigte man Häftlinge aus dem KZ-Lager Lerchenfeld, darunter auch einige prominente Nazi. Diese Häftlinge hatte man am 30. 7. überraschenderweise bereits um 14 Uhr 45 Min. aus den Fabriksanlagen entfernt und es befand sich 40 Minuten vor der Explosion kein Deutscher mehr auf dem Boden der Anlage, sondern nur noch tschechische Bewachungsorgane. Einige Sekunden vor der Explosion flog ein Flugzeug über den Stadtteil - später stellte sich heraus, daß es ein englisches war, das mit der Explosion nichts zu tun hatte, ich habe 1947 mit einem Insassen desselben gesprochen, der mir dabei seine Wahrnehmungen geschildert hat. Dieses Flugzeug spielte anfänglich bei meinen Behauptungen gegenüber tschechischen Stellen, die Ursache der Explosion betreffend, keine geringe Rolle.

Der Polizeileiter des Okresní Národní Výbor hatte sich zur Zeit der Explosion bei einem deutschen Arzt zur Visite eingefunden (Alibi) und verließ ihn erst nach der Explosion.

In der Kanzlei des Okresní Národní Výbor waren einige Amtspersonen anwesend, darunter auch der Militärkommandant. Dieser verließ sofort nach der Explosion die Kanzlei mit den Worten: "Jetzt machen wir Revolution gegen die Deutschen", und dann begann die Schlächterei.

Ich selbst fuhr am 31. 8. nach Prag, wandte mich dort an einige, mir bekannte, prominente tschechische Funktionäre und schilderte meine Wahrnehmungen. Dort erklärte ich auch, daß das ein Reichstagsbrand sei, der wohl den Anlaß dazu geben sollte, ein Massaker unter den Deutschen zu veranstalten.

Inzwischen waren auch drei tschechische Minister in Aussig gewesen, darunter auch der General Svoboda. Ich hatte den Eindruck, daß bei den Prager Amtsstellen große Verlegenheit über die Vorgänge in Aussig herrschte. Von unserer Seite wurde auch die Nachricht verbreitet, daß ausländische Journalisten die Vorgänge gefilmt hätten und dieser Film bereits in Sicherheit wäre. Die damalige tschechische Regierung hatte noch einigen Respekt vor der Meinung des westlichen Auslandes. Die Evakuierungsabsichten wurden unterdrückt und eine weitere Verfolgung der Deutschen verboten.

Bezeichnend ist, daß von den damaligen Hauptfunktionären des Okresní Národní Výbor, die die sogenannte engere Leitung bildeten, heute nur noch ein einziger lebt, die anderen sind inzwischen alle verstorben. Zugegeben muß werden, daß der damalige tschechische Bürgermeister von Aussig, Herr Vondra, mit allen Mitteln versuchte, dem Wüten des zugereisten Mobs Einhalt zu gebieten, er wäre deshalb beinahe ebenfalls in die Elbe geworfen worden.

Ende November 1945 fuhr ich abermals nach Prag und kam mit einem Tschechen aus Schönpriesen ins Gespräch. Dieser sagte mir, daß er zu einer Einvernahme wegen der Explosion als Zeuge nach Prag fahren muß. Er erklärte auch, daß er wie viele andere davon überzeugt sei, daß die Explosion von einer Kamarilla vorbereitet und durchgeführt worden sei und daß auch die Vorgänge nach der Explosion in diesen Vorbereitungsrahmen hinein gehörten. Was weiter aus dieser Untersuchung wurde, konnte ich nicht erfahren, da ich den Betreffenden nicht mehr treffen konnte.

Das sind die wahren Vorgänge. Alle anderen Darstellungen, die darüber auch von tschechischer Seite veröffentlicht wurden, entsprechen nicht ganz der Wahrheit. Ebenfalls nicht der Wahrheit entsprechend ist die Darstellung im neuesten Buch von Bruno Brehm, Am Rande des Abgrunds.



 

Bericht Nr. 2

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Augenzeugenbericht über das Blutbad am 30. Juli 1945
Berichterin: Therese Mager Bericht vom 11. 8. 1946 (Aussig)

Lage von Aussig Ich wohnte bis zur Evakuierung in Aussig, Teplitzer Straße 36. Am Nachmittag des 30. Juli 1945 ging ich um 16.30 durch die Schönpriesener Straße nach Aussig. Plötzlich hörte ich aus der Richtung der Zuckerfabrik Schönpriesen Detonationen und sah hierauf auch Rauchwolken aufsteigen. Zur gleichen Zeit begannen die Tschechen das Gerücht auszustreuen, daß die Deutschen die Explosion verursacht hätten und begannen eine Verfolgung aller derer, die weiße Armbinden trugen. Ich selbst stand im Sanitätsdienst und war durch eine Rot-Kreuzbinde deutlich als Schwester gekennzeichnet. Die Tschechen stürmten durch alle Straßen, schlugen die Deutschen nieder oder schossen auf sie, wenn sie das Weite suchten.

Ich selbst lief zur Elbebrücke und sah hier, wie hunderte deutscher Arbeiter, die aus den Schichtwerken kamen, in die Elbe geworfen wurden. Auch Frauen und Kinder sowie Kinderwagen stießen die Tschechen in den Strom. Es waren meistens schwarz uniformierte Tschechen mit roten Armbinden (SNB-Leute). Sie warfen Frauen und Kinder, die sich nicht wehren konnten, von der 20 Meter hohen Brücke in die Fluten. Ich selber vermied es, die Brücke zu überschreiten, sondern lief, nachdem ich diese schrecklichen Szenen gesehen hatte, durch die Töpfergasse zurück zum Aussiger Schulplatz. Dort begab ich mich in das Ordinationszimmer meiner Chefin Dr. N., wo bereits 4 Verwundete anwesend waren. In diesem Augenblick kam dann Dr. N. selbst, die einen Schwerverwundeten von der Straße hereingezogen hatte. Es handelte sich um den 70 Jahre alten Josef Horn aus Aussig, der drei schwere Kopfverletzungen aufwies und dem man den Hals durchschnitten hatte. Wir brachten den Horn zum Krankenhaus, wo man zunächst die Aufnahme verweigerte und den alten Mann erst nach langem Bitten in Pflege nahm. Die Massenverfolgung der Deutschen dauerte bis in den späten Abend. Wir hörten aus allen Ecken und Straßen Schreie und Weinen. Weder eine Behörde noch die russische Besatzungsmacht schritten gegen diesen Massenmord ein. Zahlreiche Deutsche, die sich aus der Elbe schwimmend gerettet hatten, wurden durch Maschinengewehre beschossen. In Aussig schätzte man die Gesamtzahl der auf solche Weise ums Leben gekommenen auf 800 bis Tausend.

Am 31. Juli ebbten die Verfolgungen ab. Die Deutschen, die sich wieder auf die Straße trauten, mußten die Gehsteige verlassen und wurden, wenn sie das nicht sogleich begriffen, verprügelt. Alle, die weiße Binden trugen, waren von dieser Zeit an jeder Willkür ausgesetzt und wurden wie Freiwild behandelt.

Ich bekräftige diese Angaben mit meiner eigenhändigen Unterschrift und bin jederzeit bereit, sie unter Eid zu wiederholen.



 

Bericht Nr. 3

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Massaker
Berichter: Herbert Schernstein Bericht vom 9. 12. 1945 (Aussig)

Lage von Aussig Ich war schon vor dem Kriege Mitglied der kommunistischen Partei und bin vom 18. 10. 1938 bis zum 9. 12. 1945 in dem Konzentrationslager Theresienstadt, Sachsenhausen und Ravensbrück gewesen. Am 8. Juli kam ich aus dem KZ nach Aussig zurück, wo die Tschechen gerade meine Mutter evakuiert hatten. Trotz meiner Ausweise (Kommunistische Partei und KZ) traf ich überall auf schroffe Ablehnung. Mit den Worten "Nemec jest nemec!" (Deutscher ist Deutscher) wurde mir überall gesagt, daß ich keine Aufnahme finden könne. Viele meiner ehemaligen Genossen wurden trotz der Antifaschistenausweise ebenso behandelt. So wurde meinem Freunde Willi Krebs in Leitmeritz, welcher der Gründer der Kommunistischen Partei in Prödlitz war, schon vor 2 Monaten binnen 5 Minuten sein Lebensmittelgeschäft weggenommen. Die Tschechen und Kommunisten unterstützten uns in keiner Weise. Ich bin auch der Überzeugung, daß sich viele faschistischen Elemente in der KPC befinden. So befindet sich in Aussig ein Kriminalinspektor Dibisch, der heute der größte Kommunist zu sein vorgibt, mich selbst vor dem Kriege aber ob meiner kommunistischen Parteizugehörigkeit verfolgte.

Über die Vorkommnisse bei der großen Explosion neben der Zuckerfabrik in Schönpriesen, bei der an die 1000 Deutsche ums Leben kamen, kann ich genaue Angaben machen, weil ich zufällig auf der Fahrt von Schreckenstein nach Aussig dort vorbeikam. Es handelte sich um die Explosion eines Granatenlagers, welches neben der Zuckerfabrik Schönpriesen, der während des Krieges eine chemische Fabrik angeschlossen war, errichtet ist. Die Tschechen sprachen die Schuld an der Explosion den Deutschen zu und gingen gegen sie in brutaler Weise vor. Nach 4 Uhr nachmittags trieben Angehörige der Svoboda garda alle Deutschen aus den umliegenden Häuserblöcken aus ihren Wohnungen und hetzten sie massenweise in den Elbestrom. Ich sah Frauen und Kinder in den Wellen verschwinden, auf der Ferdinandshöhe hatten sich tschechische MG-Nester eingegraben, die von dort aus auf die im Strom treibenden Deutschen schossen. Meiner Schätzung nach sind an die 1000 Deutsche durch dieses Vorgehen ums Leben gebracht worden. Besonders scharf gingen die Tschechen gegen deutsche Antifaschisten vor, die durch rote Armbinden gezeichnet waren. Die Tschechen erklärten, daß diese Deutschen mit die Hauptschuld an dem Ereignis trügen. Viele Deutschen, so die mir bekannte Tochter der Familie Klinger aus Prödlitz, sind heute noch vermißt.

Viele Deutsche wurden in das Lager nach Lerchenfeld getrieben, wo sie unter den kümmerlichsten Verhältnissen leben mußten. Das Lager wurde später nach Schöbritz verlegt. Dort konnte man oft die gelbe Fahne sehen, welche Außenstehende wegen ansteckender Krankheiten vor dem Besuch warnten, und "Vorsicht, Hungertyphus!" bedeutete. In Schöbritz starben täglich 300-400 Deutsche an dieser Seuche. Ehemalige KZ-Häftlinge, darunter ein gewisser Vlcek und der Arbeitseinsatzführer Cuba, gingen besonders rücksichtslos gegen die deutschen Häftlinge vor und übertrumpften bei weitem die mir selbst bekannten und am eigenen Leibe erfahrenen KZ-Methoden der Nazi.



 

Bericht Nr. 4

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Massenmord
Berichter: Max Becher Bericht vom 14. 12. 1946 (Aussig)

Lage von Aussig Am 31. 7. 1945 explodierte in einem Vorort von Aussig (Schönpriesen) ein Munitionslager. Natürlich sollten das die Deutschen gewesen sein, jedenfalls benützten die Tschechen diesen Vorwand, um die Deutschen zu überfallen.

Aussig liegt am linken Elbeufer, mein Arbeitsplatz, die Firma Georg Schicht AG., in Schreckenstein am rechten Ufer. Eine einzige Brücke führt über die Elbe.

Um 16.30 Uhr nach Arbeitsschluß wurden wir beim Fabrikstor gründlich nach Waffen untersucht, vor dem Aufgang zur Brücke noch einmal. Wer einmal auf der Brücke war, durfte nicht mehr zurück. Am Aussiger Ufer empfingen uns Hunderte von Tschechen mit Knüppeln und Eisenstangen. Ich hatte schon einige schwere Kopfverletzungen, meinem Begleiter, einem 67-jährigen Obermeister, wurde vor mir der Kopf eingeschlagen. (Er wurde, wie ich später erfuhr, in die Elbe geworfen und darin 10 km stromabwärts ans Ufer geschwemmt.) Mir wurde dann. gesagt, ich soll einen am Gehsteig liegenden Toten, der den Schädel zertrümmert hatte, in eine nahe Grube tragen und wenn ich zurückkomme, sei ich an der Reihe, erschlagen zu werden. Ich mußte dann meinen Rock ausziehen und die Blutlache aufwischen, da fielen die Schläge auf mich ein. Es gelang mir aber doch weiter zu kommen, jedoch verfolgte mich ein Tscheche bis in eine Nebengasse. Er hatte einen 5-8 cm starken Knüppel und dieser Mann brachte mir die schwersten Verletzungen bei; er ließ erst von mir ab, als er wahrscheinlich glaubte, daß ich tot sei. Ich kam dann wieder zu Bewußtsein und mit Hilfe von zwei Tschechen kam ich in eine Wohnung, deren deutsche Bewohner die Rot-Kreuz-Station verständigten. Mit Tragbahre wurde ich abgeholt und kam durch einige glückliche Zufälle am selben Tag um 22 Uhr noch ins Krankenhaus, was für mich die Lebensrettung bedeutete. Meine Verletzungen waren: 3 Rippen gebrochen, linker Unterarm gebrochen, 6 Kopfverletzungen, die mit 23 Stichen genäht wurden, der ganze linke Arm, den ich zur Abwehr über den Kopf gehalten hatte, war derartig verschwollen, daß der Unterarmbruch erst zufällig bei einer Durchleuchtung 2 Monate nachher festgestellt wurde. Krankenhausaufenthalt vom 31. VII. - 20. X. 45. Heimpflege vom 20. X. bis 19. XI. 1945.

Die Folgen bis heute sind starkes Schwindelgefühl beim Kopfheben und Aufwärtsschauen, Schmerzen an der Rippenbruchstelle bei Anstrengung und Witterungswechsel.



 

Bericht Nr. 5

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Beraubung eines Blinden
Berichter: Franz Habelt Bericht vom 6. 11. 1946 (Aussig)

Lage von Aussig Am 5. 7. v. J. mußte ich, wie viele andere "Aussiedler", in 10 Minuten meine Wohnung räumen, um ins russische Gebiet evakuiert zu werden. Dabei wurden mir zahlreiche Geigenbestandteile und Saiten usw. entwendet, die mir als blinden Musiker sehr wertvoll waren. Durch Vorsprache einer deutschen Ärztin, Dr. Schiel, wurde mir dann die Rückkehr in die Wohnung ermöglicht. Am 2. 9. ds. J. wurden mir vom Kulturreferenten Antonin Tyc zwei Meistergeigen aus den Jahren 1700 und 1866 beschlagnahmt. Die beiden Geigen hatte ich 1913 auf einer Auktion in Wien erworben. Bei der Aussiedlung wurden mir die Federbetten abgenommen, ferner eine Aktentasche mit Berufswerkzeugen, die ich zur Reparatur von Instrumenten als Klavierstimmer und Musiklehrer dringend brauche. Ferner verlor ich mein gesamtes Notenmaterial, darunter Manuskripte eigener Kompositionen. Dadurch bin ich in meiner weiteren Existenz als Blinder schwer geschädigt.



 

Bericht Nr. 6

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Blindentransport
Berichterin: Martha Rauscher Bericht vom 6. 11. 1946 (Aussig)

Lage von AussigSeit Beginn des Jahres waren Verhandlungen mit dem Internationalen Roten Kreuz und den zuständigen tschechischen Behörden, auch mit dem tschechischen Hygieniker der Prager Universität betreffs Aussiedlung der Anstaltsblinden und der berufstätigen Blinden und ihrer Familienangehörigen aus Aussig im Gange. Auf Intervention des Internationalen Roten Kreuzes war beabsichtigt, den Blinden die Mitnahme eines Teiles ihrer Habe über das sonst übliche Maß hinaus zu gestatten. Das tschechische Gesundheitsministerium hatte sogar schon die Bereitstellung eines Sanitätszuges zugesagt. Durch Quertreibereien einer tschechischen Gruppe in Aussig kam der Transport in der beabsichtigten Form schließlich nicht zustande. Trotzdem wurden wir bis zum letzten Augenblick in dem Glauben belassen, daß der Transport unter günstigen Bedingungen durchgeführt werden sollte. Schließlich aber gestattete der Kulturreferent Tyc in Aussig den blinden Berufsmusikern nicht einmal die Mitnahme der für ihren Erwerb nötigen Musikinstrumente, obwohl eine Verordnung bestand, daß zum Erwerb notwendige Gegenstände und Werkzeuge allgemein ausgeführt werden dürfen. Ebenso wurde dem blinden Schriftsteller Hacker und einem blinden Stenotypisten die Mitnahme der Schreib- und Stenomaschinen mit Blindenvorrichtung nicht gestattet. Durch die Verhandlungen hatte sich der Transport zwar bis in die kalte Jahreszeit verzögert, wurde aber schließlich genau so wie jeder andere Ausgewiesenentransport durchgeführt, obwohl die Transportteilnehmer die Verzollungen des Gepäcks und andere Sondergebühren aus eigener Tasche zahlen mußten, wie es sonst bei bevorzugten Transporten üblich ist.

In den letzten Monaten war bereits unter den Blinden eine solche Not gewesen, daß sie sich vielfach nicht einmal das tägliche Brot kaufen konnten, da sie durch die Verhältnisse erwerbslos geworden waren und trotz zahlreicher Vorsprachen keinerlei Unterstützung für sie zu erlangen war, obwohl den deutschen Arbeitern allgemein 20% ihres Lohnes zur Unterstützung Erwerbsunfähiger abgezogen wurde. Ich selbst wurde mehrmals mit Lagerhaft bedroht, da ich mich für die Blinden einsetzte. Am 29. 10. v. J. wurden wir trotz meiner Bitte, die Blinden nicht durch das Aussiedlungslager gehen zu lassen, in das Lager Schöbritz befohlen. Die Verhältnisse im Lager waren grauenvoll. Wir mußten auf blanken Brettern schlafen und am nächsten Tage wurden wir bei strömenden Regen ab 7 Uhr aus den Baracken gejagt und mußten mit dem gesamten Handgepäck stundenlang im Regen stehen, bis wir verladen wurden. Statt der zugesagten 24 Waggons wurden wir in 8 Waggons mit dem gesamten Gepäck zusammengepfercht. Durch den Regen ist das Gepäck zum großen Teil verdorben. In jedem Waggon waren 30 Personen mit dem gesamten Gepäck untergebracht, sodaß viele Personen nicht einmal sitzen konnten. Die Verpflegung von Dienstag früh bis Mittwoch abends bestand nur aus schwarzem Kaffee, aus einer ungenießbaren Suppe, die keiner essen konnte, und aus etwas Brot. Infolge der Strapazen und Aufregungen, die durch die ganze unmenschliche Art des Transportes hervorgerufen wurden, sind eine Reihe von alten Leuten zusammengebrochen. In Wiesau mußten zwei Leute mit Psychosen und ein Mann mit totaler Erschöpfung ins Krankenhaus abgegeben werden. Einige andere schwere Fälle von Erschöpfung wurden auf Wunsch der Angehörigen bis Augsburg in einem zu diesem Zweck erst in Wiesau beigestellten Krankenwagen mitgenommen. Von diesen letzteren starb in Augsburg Frau Witek im Krankenrevier des Regierungslagers B.


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Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort