Militärische Betrachtung des
polnischen Feldzuges
von Oberstleutnant a. D. George Soldan
Mit Überraschung, oft mit Verblüffung ist die zuschauende Welt dem Verlaufe des
Feldzuges gegen Polen gefolgt. Auch der Fachmann, der in militärischen Entwicklungen
seiner Zeit lebende Offizier
des In- wie des Auslandes hat an dieser Überraschung um so mehr teilgehabt, als er von
den Vorgängen selber entfernt war. Ein solch schneller Verlauf mit derart vernichtenden
Schlägen war nicht zu erwarten gewesen. In 18 Tagen ein Volk von 34 Millionen
Menschen, zu dessen Schutz
eine zahlen- und waffenmäßig gut vorbereitete Armee bereits an den Grenzen des
Landes aufmarschiert war, über den Haufen zu rennen, nachdem diese mit ebenso kurzen
wie harten Schlägen zermürbt worden
war - das umfaßt ein Kriegserleben, dem die Geschichte kaum etwas Vergleichbares an die
Seite zu stellen vermag. Es war ersichtlich, daß hier irgend etwas Neuartiges
mitgesprochen haben mußte, denn mit Überlegenheit von Führung und
Truppe, mochte sie noch so gewaltig gewesen sein, wie sich in der Tat hier ein soldatisches
Können im strahlenden Lichte abhebt, war allein dieser schnelle Vernichtungsfeldzug
nicht zu erklären. Die Ursachen liegen denn auch tiefer. Es heißt an der
Oberfläche schürfen, wenn man sie nur in menschlicher Leistung sehen
will, so ausschlaggebend diese letzten Endes, wie stets in der Kriegsgeschichte, auch gewesen
ist. Man muß seinen Blick rückwärts bis zum Weltkriege und darüber
hinaus schweifen lassen, um die wahrhafte Größe dieses einzigartigen kriegerischen
Geschehens voll würdigen zu können.
Nach allen großen Schlachten des 19. Jahrhunderts ist der Besiegte bestrebt gewesen, so
schnell wie möglich sich von dem Sieger weit abzusetzen, um Zeit für die
Neuordnung seiner Verbände zu gewinnen. Zum erstenmal sah die Kriegsgeschichte im
größeren Ausmaße das Gegenteil, als
im Russisch-Japanischen Kriege 1904-1905 selbst nach ihrer sehr schweren Niederlage bei
Mukden die Russen schon nach zwei Tagemärschen wieder in Kampffront stehen
konnten. Und die weitere Überraschung war, daß es keines Halts an einer Festung,
an irgendeinem Hindernis bedurfte, um diesen Halt zu stützen, sondern daß ein
einfaches Eingraben in die Erde genügte, um die völlige Niederlage aufzufangen,
den Sieger zu erneuten Vorbereitungen zu veranlassen, über die er aber zunächst
selber einmal in die Erde zu versinken hatte. Abermals entsteht danach ein verbissener,
über Wochen und Monate währender Stellungskampf, ein Ringen um jeden Meter
Boden, wobei Dörfer zu Festungen, Wälder zu Bollwerken werden, ein
Kampfverfahren im freien Felde sich entwickelt, das man ehedem nur um vorbereitete
Befestigungsanlagen gekannt hatte. Je länger
der Russisch-Japanische Krieg dauerte, um so aussichtsloser wurde eine Entscheidung durch
Waffengewalt. Er fand sein Ende durch das vermittelnde Eingreifen dritter Mächte.
Damals stand man diesen Erscheinungen mit einer offenkundigen Ratlosigkeit gegenüber.
Man tröstete sich mit der Zuversicht, daß die Ursache wohl nur in der Eigenart des
Kriegsschauplatzes und der kämpfenden Parteien gelegen hatte.
Zehn Jahre später schienen die große deutsche Offensive des Jahres 1914 an der
Westfront und die gewaltigen Erfolge im Osten das zunächst auch zu bestätigen.
Aber gleichzeitig wurde immer klarer, daß auch jetzt durchschlagende
Waffenerfolge, selbst ein Vernichtungsschlag, wie es Tannenberg gewesen ist, noch
ausgeprägter
als 1904-1905 im Vergleich zu Schlachten vergangener Zeiten keine nennenswerte Auswirkung
auf den Verlauf der Operationen, geschweige denn auf den Ausgang des Krieges, zu gewinnen
vermochte. Die gewaltigsten militärischen Anstrengungen konnten das im Verlaufe des
Weltkrieges nicht mehr ändern. Das militärische Ringen wurde von Jahr zu Jahr
über einem mit allen Mitteln entfesselten Wirtschafts- und Propagandakrieg mit dem Ziele
körperlicher und seelischer Zermürbung des Volkes in den Hintergrund
gedrängt. Es entstand der Begriff "Totaler Krieg", in welchem der bisherige alleinige
Träger eines Krieges, der Soldat, in Abhängigkeiten geriet, die jede
ungehemmte - und deshalb allein aussichtsreiche - Operationsfreiheit unterbanden. Als die
Heere des Weltkrieges in die Erde versanken, ein Stellungskrieg sich so fesselnd um sie legte,
daß kein Versuch zur Rückgewinnung des Bewegungskrieges, in dem ganz allein
militärische Entscheidungsmöglichkeiten ruhen, gelingen wollte, war das
Ausdruck eines völligen Erschöpfungszustandes für beide Parteien, ja, es war
in gewisser Weise auch ein Ausdruck einer Resignation, eines dumpfen Ahnens, daß
etwas Unvorhergesehenes der überkommenen militärischen Kriegsführung
enge Grenzen gezogen hatte.
Das war das äußerliche Bild. Zunächst ungern oder auch gar nicht
zugestanden! Aber unter bewundernswertem Aufbäumen nicht nur deutscher, sondern
auch französischer Truppen konnte die niederziehende Erkenntnis immer weniger
bestritten werden, daß die Verteidigung zur unbedingt stärkeren, durch keinerlei
Mittel mehr zu überwindenden Kriegsform geworden war, sobald zwei vor allem auch in
technischer Hinsicht einigermaßen gleichstarke Gegner miteinander rangen. Die Ursache
lag in der vergleichsweise zu früheren Zeiten rapide gewachsenen
abstoßenden Kraft der Waffen, insbesondere des Maschinengewehrs, wobei aber
auch die Wirkung moderner Mehrladergewehre einzubeziehen ist, die schon im Burenkriege zu
eigenartigen Erscheinungen geführt hatte. Bei der Artillerie hoben sich zumindest, in der
Auswirkung gesehen, die einer Verteidigung oder einem Angriff dienenden, gegeneinander
ausgespielten Kräfte sehr bald wieder auf.
Jedenfalls - und alle Versuche, daran zu deuteln, ändern es nicht! - gab es in der
Kriegsgeschichte kein Mittel mehr, am wenigsten in Gestalt von todesverachtend eingesetzten
weit überlegenen Massen, um sich gegen diese abstoßende Waffenwirkung
durchzusetzen. Und das wurde im Verlaufe des Weltkrieges um so augenfälliger, je mehr
man diese wundervollen Waffen vermehrte und lernte, sie zweckmäßig
auszunutzen, d.h. sie auch taktisch richtig einzusetzen. Auf der anderen Seite ist man in den vier
Kriegsjahren nicht wesentlich über Ansätze hinausgekommen, nun auch solche
Waffen auszubauen, die der Wiedergewinnung des Bewegungskrieges vielleicht hätten
dienen können. Dazu gab es im Kriege selber allzu beschränkte
Möglichkeiten. Zu verkennen ist allerdings auch nicht, daß durch den langen
Stellungskrieg eine gewisse Erschlaffung eintrat, ein Sinken des Wagemuts, ein Erstarren in
geistiger Einförmigkeit, eine Überschätzung des eroberten
Landes - alles Erscheinungen, die vor allem der höheren Führung in menschlich
durchaus verständlicher Weise jenen hohen Schwung nahmen, der nun einmal
Vorbedingung ist, um einen auf Feindvernichtung zielenden Bewegungskrieg zu führen,
vor allem wenn nicht mehr Flanken vorhanden sind, die sich zu wirksamer Operationsrichtung
anbieten. Man mußte sie erst über einem Durchbruch schaffen. Dieser
aber wurde zu einem Problem, das in keinem Falle trotz gewaltiger Versuche an der Westfront,
wo die Entscheidung lag und wo ziemlich gleichstarke und gleichgute Kräfte miteinander
rangen, gelöst werden konnte. Gelang einmal der Durchbruch an sich, so versackte der
Angriff hier schneller, dort nach vereinzelt sogar beträchtlichen Erfolgen langsamer vor
neuen Wällen abstoßender Waffenwirkung. Verdun, Somme, Flandern und die
großen Schlachten des Jahres 1918 sind Marksteine solcher Enttäuschungen, wobei
die letzten Erfolge der Franzosen ausscheiden. Sie sind über das deutsche Heer erzielt
worden, das damals weniger durch Kampf als über Irrungen und über
Auswirkungen des inzwischen zu höchster Wirkung entfalteten Wirtschafts- und
Propagandakrieges in seinem Kern zermürbt, teilweise nach vier Jahren Kampf gegen
gewaltige Übermacht völlig am Ende seiner Kraft war. Ludendorff hat vor der
großen deutschen Offensive im März 1918 das Wort geprägt, daß die
Taktik über die Strategie zu stellen sei. Bei einer Auseinandersetzung mit einer
Heeresgruppe verbat er sich sogar das Wort "Operation", d.h. eine strategische Offensive mit
weiter gesteckten Zielen zur Herbeizwingung einer vernichtenden Entscheidung.
Unbewußt hat er damals das Fiasko einer militärischen Kriegführung
festgestellt, deren Ziel auf die Niederwerfung des Feindes gerichtet ist (Clausewitz, 9. Kapitel!).
Die durch den Weltkrieg gewonnene Erkenntnis von der schwer zu brechenden Kraft einer
stellungsmäßig sich stützenden Verteidigung hat auch nach ihm
zunächst zu einem weiteren Ausbau der Abwehrwaffen geführt. Die
Maschinengewehre erfuhren nicht nur zahlenmäßig, sondern auch konstruktiv eine
erhebliche Steigerung der Leistung. Das entsprang einem verständlichen
Sicherungsdrange, der bekanntlich, in Frankreich beginnend, auch zu der Anlage von
ständigen Grenzbefestigungen führte, die sich an den bewährten
feldmäßigen Stellungsbau anlehnen, aber durch im Frieden gegebene
Möglichkeiten einen festungsähnlichen Charakter gewinnen.
Sehr bald aber wandte man sich nun auch in schnell gesteigertem Ausmaße der
Vervollständigung ausgesprochener Angriffswaffen zu. Immer offener trat das Bestreben
zutage, durch neue, dem Maschinengewehr überlegene Waffen operative
Bewegungsfreiheit und hiermit wieder eine militärische Entscheidungsmöglichkeit
in einem kommenden Kriege zu gewährleisten. Deutschland scheidet bei diesen
vielfachen Versuchen aus. Mit
dem 100.000-Mann-Heer und unter dem wohl überlegten Verbot gerade der in erster Linie
hierzu auszugestaltenden Waffen konnte es nicht viel mehr tun als interessiert der Entwicklung
in den großen militärischen Machtstaaten zuzuschauen. Das war bitter, sollte sich
aber später doch auch als ein nicht zu unterschätzender Vorteil erweisen, denn die
nun eingeschlagenen Wege erwiesen sich zunächst als irrig und nebenbei auch recht
kostspielig.
Es lag nahe, daß man sich zunächst auf die Waffen stürzte, die im Weltkriege
noch in den Anfängen gesteckt, aber hinreichend in ihm bereits erwiesen hatten,
Giulio Douhet
[Fotoarchiv Scriptorium]
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daß in ihnen starke Möglichkeiten einer Entwicklung ruhten, die gerade in Hinsicht
auf die Wiedergewinnung operativer Bewegungsfreiheit Bedeutung erlangen konnten. Und
J. F. C. Fuller
[Fotoarchiv Scriptorium]
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ebenso nahe lag es, daß man nach den schweren Enttäuschungen zunächst
einmal nach einem Radikalmittel suchte, unter dessen kraftvoller Entfaltung man die dunklen
Mächte zu überwinden hoffte, die in erdversackten Linien und Löchern sich
militärischer Kriegsentscheidung entgegenstemmten. In der
Panzer- und in der Luftwaffe glaubte man solche Radikalmittel gefunden zu haben. Es erklang
die Sphärenmusik des Italieners Douhet, der in der Luftwaffe die allein entscheidende
sehen wollte. Dazwischen mischte sich mit grollenden, dumpferen Motiven die Herausstellung
der Panzerwaffe durch den Engländer Fuller, der mit ungezählten Tanks alles
Erdgebundene zu überwalzen hoffte. Allmählich mischten sich beide Motive,
suchten sich in bezwingender Harmonie zu einigen, gewisse Dissonanzen immer mehr
taktmäßig auszugleichen und so zu einem ungeheuren Furioso zu
gelangen - Tausende von Flugzeugen in der Luft, Tausende von Kampfwagen auf der
Erde - so erhoffte man eine gewaltige Vernichtungswelle schaffen zu können, der nichts
zu widerstehen vermochte, zumal im Flugzeug und im Kampfwagen nun zugleich auch die
erdgebundene Verteidigungsstärke des MG. zu einer beweglichen Angriffskraft
umgeformt wurde.
Dieser Traum von dem Radikalmittel war allzu schön gewesen, als daß er
hätte wahr werden können. Über einem mit Würde getragenen
Maestoso ist er schnell in immer zarterem Pianissimo abgeklungen. Es wiederholt sich die alte
Weisheit, daß jeder neuen Waffe die Gegenwaffe erwächst. In diesem Falle erfahren
die Abwehrwaffen, Flak und Tak, einen überraschend schnellen Ausbau. Es beginnt ein
Wettlauf, der allerdings für beide Seiten auch große Vorteile bringt. Flugzeug und
Kampfwagen werden schneller und gegen Geschoßwirkung unempfindlicher, die
Abwehrwaffen erfahren eine ständig
steigende - bisher niemals erreichte - Präzisionswirkung und Feuergeschwindigkeit. Aber
jetzt besinnt man sich darauf, daß man zwar mit diesen Waffen zerschlagen kann,
daß aber weder Kampfwagen noch Flugzeug imstande sind, zerschlagenen Feind vollends
zu vernichten, geschweige denn zerschlagenes Gelände zu behaupten. Auf sich gestellt
konnten beide die ersehnte Operationsfreiheit also doch nicht zurückbringen. Man konnte
schließlich auch derartige immerhin kostspielige Waffen nicht uferlos verwenden. Sie
gebrauchten Anlehnung und diese fand sich nun in den Möglichkeiten, die in der
Nachkriegszeit durch die Motorisierung allgemein sich in immer breiterem Ausmaße
ergeben hatte. Es beginnen
Versuche - um diese Zeit schaltet sich das nun auch wieder dank der Tat unseres Führers
aufrüstende Deutschland in solche gewissermaßen internationalen
Unsere Pioniere
[Atlantic]
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militärischen Entwicklungen
ein - die sich schließlich zu einigen Erkenntnissen verdichten. Motorisierte Infanterie mit
Pionieren und Artillerie werden jetzt mit den Kampfwagen in schnellen Divisionen oder wie
Deutsche Panzer im Vormarsch
[Associated Press - Schwahn]
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man es sonst nannte, gekoppelt. Das war der wesentlichste Schritt taktischer Entwicklung in der
Zeit nach dem Weltkriege. In solcher Verkoppelung von Motorisierung, Mechanisierung und
Panzerung auf der Erde vermutete man ein wirksames Mittel zur Erhaltung der Beweglichkeit,
zumal wenn sie von oben her durch die Luftwaffe überdeckt und verstärkt
wurde.
Darüber rückte nun auch die Infanterie wieder in ihre beherrschende Stellung als
Königin des Schlachtfeldes ein. Sie war über allen schönen Träumen
von neuartigen Radikalmitteln arg vernachlässigt worden. Man hatte ihr zwar eigene
Geschütze in Verfolg einer klaren Lehre des Weltkrieges sehr bald gegeben, aber das war
in Hinsicht auf die gleichzeitige Vermehrung der MG. völlig
unzureichend. Die Stetigkeit auch ihrer Angriffsbewegung mußte
möglichst sichergestellt werden, wobei man sich zu
vergegenwärtigen hatte, daß auch motorisierte Infanterie, selbst
wenn man sie in gepanzerten Fahrzeugen so nahe wie irgend möglich an
den Feind heranführt, [den Feind] doch schließlich zur Erringung
des Enderfolges mit den Beinen auf der Erde stehend niederkämpfen
muß. Was die Infanterie benötigt, erschöpfte sich nicht in
einigen Waffen, so sehr
diese - Granat- und Minenwerfer, überschwere MG.,
Abwehrgeschütze gegen Kampfwagen und
Flieger - auch geboten waren. Es handelte sich zugleich um
Organisationsfragen, die tief in ihr Gefüge einschnitten, um ein
umzugestaltendes Kampfverfahren, immer unter dem Gesichtspunkt, durch
konzentrierte Waffenwirkung auch die Stetigkeit ihres Angriffsweges zu
sichern.
Hierfür hatte vor allem der Krieg in Spanien mancherlei wertvolle
Erfahrungen gezeitigt. Im übrigen aber zeigte dieser Krieg das vom
Weltkriege her noch allzu gut bekannte Bild: sorgfältige Vorbereitung,
kurzer Erfolg, Festlaufen vor neuen Feindstellungen. Es gelang dem Angreifer
erst am Abschluß des Feldzuges durch rechtzeitiges Vorbringen seiner
schweren Waffen eine Stetigkeit des Angriffs zu erreichen; das aber geschah
zu einer Zeit, in welcher die Widerstandskraft des Feindes schon weitgehend
über verschiedene Ursachen zum Erlahmen gebracht worden war.
Nach diesem Feldzuge war in der militärischen Fachzeitschrift Deutsche
Wehr - es war im März 1938 - der Stand der derzeitigen
militärischen Entwicklung folgendermaßen geschildert
worden:1 "Erfolge werden stets errungen,
wenn ein inniges Zusammenarbeiten aller Waffen und Waffengattungen um
den Infanteristen herum zu einer höchsten Kraftauswirkung gelingt.
Wesentliche Erfolge konnten bei Erfüllung dieser Voraussetzungen
unter überraschend geringen Verlusten für den Angreifer
gebucht werden. Die durchschlagende Kraft des Angriffs ist
abhängig von der Aufrechterhaltung der Stetigkeit solcher intensiven
Zusammenarbeit. Sobald sie erlischt, stockt der Angriff. Die Stetigkeit
der Bewegung ist also abhängig von der Erhaltung der Stetigkeit des
Zusammenwirkens der Waffen und der Stetigkeit des Nachschubs.
Dieser Satz muß am Anfang aller Erwägungen in der Zukunft
stehen. Nur dann werden wir einen wirklichen Fortschritt erleben, wenn ein
von Macht getragener harter Wille rücksichtslos jede
Eigenbrötelei der Waffengattungen zu brechen vermag, d. h.
auch Luft- und Panzerwaffe zunächst einmal in die große
Aufgabe hineinzwingt, die eben skizziert wurde." Und diese Betrachtungen
abschließend, war die militärische Entwicklung seit dem
Weltkriege folgendermaßen zusammengefaßt worden: "In
früheren Zeiten konnte ein Feldherr großzügig über
operatives Denken die Vernichtung des Feindes erstreben. Er durfte sicher
sein, daß seine Gedankengänge von einer einigermaßen
tüchtigen
Truppe - und mit ein bißchen Glück - zu verwirklichen waren.
Heute weiß das kein Feldherr mehr, wenn er nicht ausnahmsweise
über ausgesprochen zahlenmäßige und materielle
Überlegenheit verfügt, und selbst dann kann es, wie wir
gelegentlich eben noch in China erlebt haben, Überraschungen geben.
Andererseits darf nicht verzagt werden. Wir stehen heute erst am Anfang
einer Entwicklung. Es stecken starke Möglichkeiten in ihr. Gelingt es,
sie folgerichtig zu vollenden, d. h. mit der Stetigkeit des Zusammenwirkens
aller Waffen wieder eine vernichtende Schlagkraft zu schaffen, so
wird der Weg zur operativen Freiheit geöffnet sein und auch eine
militärische Schlachten- und damit Kriegsentscheidung wieder in den
Bereich der Möglichkeit rücken. Gelingt es nicht, so wird auch
der Zukunftskrieg sehr bald wieder im Stellungskampf versacken und die
Kriegsentscheidung über Zermürbung fallen.
Gewiß wird auch in Zukunft kein Feldherr auf den Stellungskampf
verzichten. Er wird ihn aber bewußt als Mittel der Führung
einsetzen, um Kräfte des Feindes zu binden oder um einen feindlichen
Zugriff dort zu verhindern, wo er selber keine weiteren Interessen hat, als
irgendein Gebiet zu schützen. Ebenso wird es keinen wahren Feldherrn
geben, der in der Erkenntnis, daß nur dem Bewegungskriege eine
Entscheidungsmöglichkeit innewohnt, nicht heute schon vom
höchsten Wagemut getragen alle Wege und Mittel erschöpft, die
sich ihm teilweise in völlig neuartiger Weise zur Herbeizwingung von
entscheidenden Schlägen anbieten. Die Aussichten? ... Darüber
ist nach dem Stande der Dinge, wie sie heute noch liegen, keinerlei
Voraussage möglich."
Im Verlaufe des letzten Jahres war bekannt geworden, daß man gewillt
war, sowohl in Italien als auch in Sowjetrußland die über
Motorisierung auf der Erde und in der Luft der Kriegsführung nunmehr
sich eröffnenden Möglichkeiten im Falle eines Krieges
weitgehend anzuwenden und auszunutzen. Veröffentlichungen in der
Fachpresse, ja sogar Hinweise in den bekanntgewordenen Dienstvorschriften
konnten keinerlei Zweifel darüber lassen. In Deutschland schwieg man
sich für die Öffentlichkeit aus. Daß man aber in unserem
Generalstab nicht anders dachte, war selbstverständlich. In keinem
Generalstab der Welt ist von jeher die Offensive, auf Vernichtung des Feindes
zielende Kampfführung, so traditionell gepflegt worden wie im
deutschen. So konnte es keine Überraschung bedeuten, daß Polen
gegenüber, um mit den klassischen Worten von Clausewitz
zu sprechen, ein Kriegsplan aufgestellt wurde, der "die Vernichtung der
feindlichen Streitkraft, d. h. einen großen Sieg über dieselbe und
ihre Zertrümmerung" zum Ziele hatte.
Dazu konnte allerdings die Einschätzung des polnischen Gegners, wenn
es nötig war, nur noch anreizen. Der erste zusammenfassende Bericht
des Oberkommandos der Wehrmacht hat bereits betont, daß man
über das polnische Heer gut unterrichtet war. Der Chauvinismus
insbesondere polnischer Offiziere hat das ungemein erleichtert. Noch kurz vor
dem Ausbruch des Krieges hat u. a. ein polnischer Generalstabshauptmann in
zahlreichen Vorträgen, schließlich auch in einer kleinen, weit
verbreiteten Broschüre die Aussichten des bevorstehenden Kampfes
erörtert. Entkleidete man seine Darlegungen des rein
Propagandistischen, so blieb manches übrig, das unter
militärischen Gesichtspunkten auch für uns Interesse gewann.
Dieser Hauptmann hat "objektiv" die Merkmale des deutschen und
polnischen Soldaten verglichen, wobei er die Unterschätzung des
Gegners als Leichtsinn, die Überschätzung als ein Verbrechen
hinstellte. Charakteristischerweise führte er zur Erläuterung der
"hohen kriegerischen Werte" der polnischen Armee den von
Polen 1919-1920 gegen die Bolschewisten geführten Krieg an, der
bekanntlich nach eigenen schweren Rückschlägen mit dem
"Wunder an der Weichsel" die Niederlage der Sowjets besiegelte. Kein
Geringerer als der Marschall Pilsudski, damals der polnische
Oberkommandierende, hatte stets vor einer Überschätzung
dieses Feldzuges gewarnt, der ohne alle Kriegsregeln und unter Verleugnung
der einfachsten Grundsätze der Strategie und Taktik mehr einer
"Schlägerei" gleiche als einem Kriege. Trotzdem hat gerade die
Erinnerung an ihn im polnischen Heere eine Überheblichkeit
groß werden lassen, die von Jahr zu Jahr Steigerung erfuhr. Man bildete
sich ein, daß das polnische Offizierskorps im Laufe einer
18jährigen Ausbildung und Erziehung und einer vernünftigen
Beförderungspolitik organisch und systematisch fest
zusammengewachsen sei, daß die älteren Offiziere lediglich
über Stärke des Geistes, über militärisches Können
und vermöge hoher moralischer Werte in ihre verantwortlichen Stellen
aufgerückt seien, während die Ausbildung der deutschen Offiziere
über dem gewaltigen Ausbau der Wehrmacht hätte
vernachlässigt werden müssen, ganz abgesehen davon, daß
bei uns "Protektion und parteipolitische Tendenzen" des Wert des
Offizierskorps stark herabgemindert hätten. Man war sich auch in
Polen durchaus darüber klar, daß die Grundlage der Armeen, der
Mensch, gewissermaßen das Rohmaterial ist, aus dem das
Hauptwerkzeug des modernen
Kampfes - der Soldat - geschaffen wird, daß der moderne Krieg ein
solcher der Schnelligkeit, ein Krieg von Präzisionsmaschinen und von
Millionen von Geschossen sein werde, daß starke Nerven, die
Beherrschung der Gedanken und der eiserne Wille die Hauptbedingungen
für den Sieg seien, der auf dem modernen Schlachtfelde nur dem
moralisch starken Menschen zufalle. Das alles besaß, wie man sich fest
einbildete, der polnische Soldat überragend, während man den
deutschen als "dickbäuchig" und "bequem" und durch "parteipolitische
Auswirkungen" unzufrieden wähnte. Das ist in Polen um so mehr
geschrieben und geglaubt worden, je spannender die politische Lage
wurde.
Überschätzte man auf diesem so wesentlichen
moralischen Gebiet seine Eigenkraft in sehr bedenklicher Weise, so
übersah man zugleich die Schwächen der eigenen
Bewaffnung. Sie war, bedingt durch das zunächst völlige
Fehlen einer größeren eigenen Rüstungsindustrie auf
ausländische Fabrikate angewiesen, demgemäß
uneinheitlich, konnte aber auch mit dem zahlenmäßig sehr
schnellen Aufbau des Heeres nicht entfernt gleichen Schritt halten. Polens
Bevölkerung wuchs bekanntlich von Jahr zu Jahr in ständig
stärkerem prozentualem Ausmaße. Das Land stand mit einer
möglichen Kriegsstärke von über 3½
Millionen Mann nach Sowjetrußland und Frankreich an dritter Stelle
der Staaten, die für die Einkreisungspolitik Englands von
offenkundiger Bedeutung waren. Der Friedensstand des Heeres war
mit 90 Infanterie-Regimentern, die 274 Bataillone umfaßten, mit
40 Kavallerie-Regimentern, gleich 210 Schwadronen, mit
11 Kampfwagen-Bataillonen und 44 Artillerie-Regimentern mit 152
Abteilungen neben zahlreichen technischen Truppen bekannt. Was
an Reserve-Formationen aufgestellt werden konnte, entzog sich
näherer Kenntnis. Heute weiß man, daß die
geschätzte Möglichkeit eines Kriegsheeres von 3½
Millionen auch annähernd nicht erreicht worden ist. Immerhin
hätte jedoch im Falle einer längeren Dauer des Krieges die
große Menschenreserve die Möglichkeit zu langem Durchhalten
geboten, vor allem wenn die Belieferung mit Waffen vom Ausland eher
aufrechtzuerhalten war.
Die große Uneinheitlichkeit dieser Waffen kam der letzteren
Möglichkeit vielleicht entgegen, mußte aber die Ausbildung des
Heeres ganz ungemein im Verlaufe des Krieges noch mehr erschweren, als
das im Frieden bereits der Fall war. Am vorgeschrittensten war noch die
Einführung eines einheitlichen
Gewehrmodells - eine gute Mauserwaffe, Modell 29. Daneben aber
gab es noch ein Modell 24, ein Modell 24/25, sogar noch ein deutsches
Gewehrmodell 98 und verschiedene ältere französische. Nur das
Gewehrmodell 29 wurde, ebenso eine Pistole Modell 28, in Polen
selbst angefertigt. Auch eine Handgranate ("Pocisk C.F.E.F.") wurde
seit einiger Zeit in polnischen Werkstätten fabriziert, um endlich die
französische und die noch zahlreich vom Weltkriege her vorhandenen
alten Bestände deutscher Handgranaten zu ersetzen. In den letzten
Jahren hatte man auch planmäßig begonnen, die uneinheitliche
Ausrüstung mit
Maschinengewehren - es waren mindestens vier verschiedene Typen
im Gebrauch - durch zwei im Lande selber gebaute Browningmodelle zu
ersetzen.
Die polnische Infanterie war im übrigen in jeder Hinsicht
modernisiert worden. Jede Schützenkompanie verfügte
über neun leichte MG., eine gute Waffe, die etwa der in den
Vereinigten Staaten eingeführten entspricht. Luftgekühlt hat sie
eine Feuergeschwindigkeit von 600 Schuß in der Minute. Die
Patronenzuführung erfolgt durch ein Magazin mit 20 Patronen. Bei
jedem Infanteriezug befand sich eine Granatwerfertruppe zu 3 Werfern, die
bei 700 m Höchstschußweite Granaten im Gewicht von 700
Gramm verfeuerten. Die
schweren Maschinengewehr-Kompanien führten außer sechs
MG.2 zwei Panzerabwehrkanonen und
zwei schwere Minenwerfer, die den in Frankreich
benutzten Stokes-Brandt entsprechen [und] eine Höchstentfernung von
1.900 m bei 3,25 kg Geschoßgewicht erreichen. Bezüglich der
Panzerabwehrkanonen hatte man offenbar sich noch nicht endgültig
entschieden. Es waren mehrere Modelle im Gebrauch. Erst vor nicht
allzulanger Zeit war Neigung vorhanden, endgültig eine auch in
Schweden und Dänemark
gebräuchliche Bofors-Kanone einzuführen, die modernen
Anforderungen voll gerecht wurde.
Die polnische Feldartillerie war mit der
französischen 7,5-cm-Kanone von Schneider, Modell 97,
ausgerüstet, eine Waffe, die sich bereits im Weltkriege
vorzüglich bewährt hatte. Bei einer Schußweite von 11,2
km hat sie mit 1.140 kg ein verhältnismäßig sehr geringes
Gewicht. In jedem Regiment führte die 1. und 2. Abteilung je
zwölf solcher Geschütze, während die 3. mit
zwölf 10-cm-Feldhaubitzen ausgerüstet war. Diese sind
Erzeugnisse der Firma Skoda.
Das Geschütz ist von der ehemaligen
österreichischen Armee her bekannt. Auch eine
Gebirgshaubitze - auf Tragetieren oder zweirädrigen Karren
befördert - entspricht der ehemals österreichischen.
Die Geschütze der schweren Artillerie sind zum
größten Teil aus Frankreich bezogen worden. Man
findet 15,5-cm- und 22-cm-Kanonen, sowie 22-cm-
und 30,5-cm-Mörser. Als hervorragend muß
die 15,5-cm-Kanone angesprochen werden, die bei einem
Geschoßgewicht von 43 kg eine Schußweite von 24 km erreicht,
nebenbei das einzige in Polen geführte Geschütz mit moderner
Spreizlafette. Alles in allem schätzte man, daß Polen über
1.350 leichte und 430 schwere Geschütze verfügte.
Sehr schlecht stand es, zunächst einmal allgemein gesehen, um die
Motorisierung. Sie ist bis zum Jahre 1937 wenig von der Stelle
gekommen. Die [nachfolgende] Zusammenfassung mag das übersichtlich
aufzeigen.
|
1931 |
1932 |
1933 |
1934 |
1935 |
1936 |
1937 |
1938 |
Personenwagen |
19 887 |
13 964 |
11 672 |
13 566 |
13 756 |
13 862 |
15 885 |
19 548 |
Autodroschken |
5 152 |
7 140 |
5 426 |
4 941 |
4 578 |
4 298 |
4 453 |
4 946 |
Lastwagen |
7 440 |
5 801 |
5 623 |
5 466 |
4 945 |
5 000 |
5 545 |
6 843 |
Autobusse |
4 293 |
3 047 |
2 545 |
2 160 |
1 542 |
1 499 |
1 543 |
1 754 |
Motorräder |
7 940 |
8 047 |
8 182 |
8 322 |
8 305 |
8 395 |
8 898 |
9 876 |
Sonst. Kraftfz. |
631 |
726 |
749 |
836 |
1 047 |
1 075 |
1 144 |
1 233 |
|
45 343 |
38 725 |
34 197 |
35 291 |
34 173 |
34 129 |
37 468 |
44 200 |
Es liegt auf der Hand, daß die militärische Motorisierung in
mancherlei Hinsicht abhängig ist von der Entwicklung der allgemeinen
im Lande. Für Polen kam aber hinzu, daß man
zurückgehend auf eine Auffassung Pilsudskis glaubte, an der
Reiterwaffe festhalten zu müssen. Inwieweit dabei
Unvermögen auf der einen, Rücksicht auf die schlechten
Wegverhältnisse des Landes auf der anderen Seite mitgesprochen haben,
mag dahingestellt bleiben. Bemerkenswert ist jedenfalls, daß auch in der
deutschen Fachpresse von hervorragenden Offizieren immer wieder gewarnt
worden ist, in Hinsicht auf die Verhältnisse evtl. möglicher
östlicher Kriegsschauplätze auf eine berittene
Waffengattung ganz zu verzichten. Selbstverständlich hat man
dabei nicht an die Erhaltung der alten, allmählich schon im Weltkriege
nicht mehr brauchbaren Kavalleriedivisionen gedacht. Man glaubte aber, nicht
zuletzt auf Grund der in diesem Kriege in Polen und in Rußland
gemachten Erfahrungen, daß es in regenreichen Zeiten nicht
möglich sein werde, selbst mit geländegängigen
Motorfahrzeugen durchzukommen. Während in Deutschland durch eine
Entscheidung des Führers zugunsten des Motors und der Panzerwaffe sehr
bald entschlossen ein gradliniger Weg beschritten wurde, kam es in Polen zu
einem Dualismus. Bei Beginn des Feldzuges verfügte das Heer über
eine sehr starke
Kavallerie - sie dürfte die im Frieden bereits vorhandene Zahl von 40
Regimentern noch überschritten
haben - und über eine ungenügend betreute Panzerwaffe, man
schätzte sie auf 700 Kampfwagen. Ist es doch kaum zu einem wirklich
nennenswerten Einsatz einer Kavallerie gekommen, auf die man ganz besonders
große Hoffnungen gesetzt hatte. Und wo es dazu
kam - es dürfte zum letztenmal in der Kriegsgeschichte gewesen
sein - waren die Verluste katastrophal.
Nicht minder nachteilig war die ungenügende Anzahl militärischer
Motorfahrzeuge jeder Art. Erst seit 1937 bemühte sich die polnische
Heeresleitung durch verschiedene Maßnahmen den Bau von für
militärische Zwecke geeigneten Lastkraftwagen zu fördern. Das
geschah zweifellos mit achtbarem Erfolge, denn schon für 1941 hoffte man
den ganzen Inlandbedarf an Kraftfahrzeugen selber decken zu können. 1939
aber betrug die Gesamtzahl der im Verkehr befindlichen Lastkraftwagen und
Zugmaschinen kaum 9.000, eine vom Standpunkte der Armee aus gesehen absolut
ungenügende Zahl. Noch schlechter sah es mit Motorrädern aus. In der
34 Millionen zählenden Bevölkerung gab es nur 12.000.
Sehr viel günstiger sah es auf dem Gebiete des Militärflugwesens aus.
Polens Luftwaffe war in den letzten Jahren erheblich ausgebaut
worden. Es war dabei der Gedanke leitend, die Offensivkraft der
Luftstreitkräfte möglichst zu steigern. Die Zahl der bei Kriegsausbruch
vorhandenen Militärflugzeuge wurde in der Fachpresse auf mindestens 1.500
geschätzt. Sie dürfte aber nach den gemachten Erfahrungen niedriger
gelegen haben, wenigstens was verwendungsfähige Maschinen anbelangt.3 Dagegen waren vom technischen
Standpunkte aus die neuesten Erzeugnisse der polnischen Flugindustrie jedenfalls
sehr gut. Seit 1923 hat sie ständig Erweiterung gewonnen. Seit 1927 tritt
mehr und mehr eine Unabhängigkeit vom Auslande auf diesem Gebiete ein.
Die internationalen Europarundflüge, bei denen zwar nur Sportflugzeuge in
Wettbewerb traten, konnten 1930, 1932, 1934, 1937 und 1938 trotz
schärfster Konkurrenz von den Polen gewonnen werden. Auf der
Internationalen Luftfahrt-Ausstellung in Belgrad 1938 und auf dem letzten Pariser
Selon sind einige Gebrauchsmuster und Prototypen der polnischen Luftwaffe
gezeigt worden, die in Fachkreisen ein gewisses Aufsehen erregten. Die neuesten
polnischen Typen zeigten eine sehr starke und zweckmäßig
angeordnete Bewaffnung. So hatte z.B. der Eindecker
"Sum" (470-km-Stundengeschwindigkeit), ein absolut modernes dreisitziges
Fernaufklärungs- und Bombenflugzeug, 6 MG. Das
Nahaufklärungsflugzeug "Newa" zeichnete sich durch vorzügliche
Sicht nach allen Seiten aus. Das zweimotorige schwere Bombenflugzeug "PZL
37" vermochte bei einer Besatzung von 4 Mann eine Bombenlast von 2.580 Kilo
zu tragen. Schlecht dagegen stand es mit der Fliegerabwehr.
Anscheinend hatte man erst kürzlich begonnen, an Stelle einer
alten 7,5-cm-Flak von Schneider - senkrecht nur eine Reichweite von 5,5
km - neuere Konstruktionen von Frankreich zu übernehmen.
Alles in allem war das eine recht beachtliche Wehrmacht. Sie mußte sogar
als stark gelten, wenn man die Erfahrung noch des letzten Krieges in Spanien
zugrunde legte. Nicht in offensivem Sinne, so sehr polnische
Überheblichkeit von großen Eroberungen und Schlachten selbst vor
den Toren Berlins phantasierte. Dazu fehlte es an wirklich
zeitgemäßer Gestaltung des Heeres besonders in Hinsicht auf eine
hinreichende Verwendung des Motors. Dagegen war die Defensivkraft, wenn sie
zweckmäßig ausgenutzt wurde, eine sehr erhebliche, und hierauf
hatten sich denn auch vorzugsweise die englischen Absichten aufgebaut. Man
rechnete mindestens mit einer Widerstandskraft, mit der soviel Zeit zu gewinnen
war, daß ein direktes Eingreifen Englands möglich werden konnte,
und sei es auch nur in Form einer hinhaltenden Kampfführung, wie man
sie in Spanien nicht ohne Erfolg inszeniert hatte.
Detailkarten des polnischen
Feldzuges.
Zeichnungen von Lothar Helmcke.
Hier
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Alle solchen Hoffnungen waren bereits drei Tage nach Beginn des Vormarsches
der deutschen Truppen restlos zerschlagen: "Wir haben" sagt Clausewitz in
dem bereits zitierten Kapitel, "von einem vollständigen Siege, also von
einer Niederlage des Feindes und nicht von einer nur gewonnenen Schlacht
gesprochen. Zu einem solchen Siege aber gehört ein umfassender Angriff
oder eine Schlacht mit verwandter Front, denn beide geben dem Ausgang
jedesmal einen entscheidenden Charakter." Wir sind
über das Ziel und die Anlagen der deutschen Operationen durch eine
l: Gen.-Oberst List
r: Gen.-Oberst v. Reichenau
[Weltbild / Presse-Hoffmann]
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Verlautbarung des Oberkommandos der Wehrmacht unterrichtet. Es waren zwei
Heeresgruppen unter der Führung des Oberbefehlshabers des Heeres,
Generaloberst von Brauchitsch (Chef des Generalstabes General der Artillerie
Halder), gebildet worden, von denen die südliche unter dem Befehl des
Generaloberst von Rundstedt (Generalleutnant von Manstein als Chef des
Generalstabes) drei Armeen umfaßte (die Armee des Generaloberst List,
des Generaloberst von Reichenau und des Generaloberst Blaskowitz), und die
nördliche unter dem Befehl des Generaloberst von Bock (Generalleutnant
von Salmuth als Chef des Generalstabes) zwei Armeen zählte (die des
Generaloberst von Kluge und die des Generals der Artillerie von Küchler).
Die Heeresgruppe Süd sollte mit der mittleren Armee von Reichenau aus
dem Raum um Kreuzberg in nordöstlicher Richtung auf die Weichsel
durchstoßen. Hier lag gewissermaßen die Mittelrichtung, die
l: Gen.-Oberst d. Art. v. Kluge
r: Gen. d. Artillerie v. Küchler
[Weltbild]
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unmittelbar auf das Herz Polens zielte. Sie war gegen die in
Gegend Krakau-Lemberg stehenden polnischen Heeresteile durch die
südlicher aus Oberschlesien vorgehende Armee List in ihrer rechten
Flanke abgeschirmt. Generaloberst List hatte aber zugleich die Aufgabe, die hier
und am Nordrand
der West-Beskiden stehenden polnischen Kräfte zu stellen, um sie dann
mit den aus der Slowakei nach Norden vorstoßenden Teilen seiner Armee
zu umfassen und ihnen wenn möglich das Ausweichen nach Osten zu
verlegen. Hier deutete sich also von Anfang an der südliche
Umfassungsarm an. Gefährlicher war für die Armee von Reichenau
offenbar die linke Flanke. Deshalb wurde links von ihr die Armee Blaskowitz
rückwärts gestaffelt angesetzt. Man trug also der
Wahrscheinlichkeit Rechnung, daß die um Polen festgestellten Hauptteile
der polnischen Macht sich einer drohenden Umfassung durch einen
Vorstoß in südöstlicher Richtung zu entziehen suchen
würden, was auch tatsächlich eingetreten ist.
Die Heeresgruppe Nord stand von vornherein einer besonders schwierigen
Aufgabe gegenüber. Ihre beiden Armeen waren durch die Weichsel
getrennt. Die südliche Armee von Kluge, beauftragt in kürzester
Frist die Verbindung mit Ostpreußen herzustellen, wußte in ihrer
linken Flanke die im Korridor stehende polnische Armee. Vor sich sah sie das
bedeutende Hindernis der Weichsel, deren Übergang erzwungen werden
mußte - bei Bromberg-Graudenz war angeordnet - um
Gesamtübericht des polnischen
Feldzuges.
Zeichnung von Lothar Helmcke.
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auftragsgemäß nach Süden Verbindung mit der Armee
Blaskowitz herzustellen. Im weiten Raum dazwischen aber stand um Polen
herum das polnische Hauptheer! Zugleich aber war dieser Armee aufgetragen, in
kürzester Frist die Verbindung mit Ostpreußen herzustellen, von wo
die Nordarmee dieser Heeresgruppe, Armee v. Küchler, über Narew
und Bug östlich der Weichsel ausholend Verbindung mit der im Zentrum
vorgehenden Armee von Reichenau zu suchen, mindestens aber Warschau von
Osten abzuriegeln hatte. Man vergegenwärtige sich, daß man
eigentlich sofort drei Umfassungen angesetzt hat: die erste mit der
Südarmee gegen die
bei Krakau-Lemberg stehenden polnischen Kräfte, die zweite mit den
Armeen von Reichenau und von Kluge gegen das polnische Hauptheer um Posen
herum, mit einer dritten um Warschau herumholend den ganzen Nordteil der
Operationen noch einmal umschließend, sobald es der durch Blaskowitz in
der linken Flanke entlasteten Armee von Reichenau gelang, der aus
Ostpreußen vorstoßenden Armee von Küchler die Hand zu
reichen. Fast so ganz nebenbei kommt es außer diesen
Umfassungsbewegungen zu einem Abschnürungsprozeß des
Korridorgebietes mit Gdingen und Hela.
Die deutsche Oberste Führung hat mit der Möglichkeit gerechnet,
daß es wenigstens Teilen des polnischen Heeres gelingen würde,
rechtzeitig genug noch über die Weichsel ostwärts auszuweichen.
Aber auch dieser Fall war vorgesehen. Durch Erweiterung der
Umfassungsbewegung sollte dann der Ring hinter San und Bug geschlossen
werden. Man wollte also an dem vernichtenden Umfassungsgedanken
grundsätzlich festhalten und handelte dabei gleichfalls im Sinne von Clausewitz,
der dem Siege um so entscheidenderen Charakter zuspricht, je tiefer er im
feindlichen Lande erfochten werden kann. Es ist gelungen, die stärksten
Teile des feindlichen Heeres westlich der Weichsel zur Schlacht zu stellen und
zu vernichten, und zwar geschah das, wie das Oberkommando der Wehrmacht
mit berechtigtem Stolz aussprechen durfte, "in einem geschichtlich einmaligen
Ausmaße", es geschah mit solcher Schnelligkeit, "daß das Schicksal
des polnischen Heeres und damit des ganzen Feldzuges bereits nach acht Tagen
entschieden war".
Es ist oft davon gesprochen worden, daß die strategische Anfangslage der
Polen sehr ungünstig gewesen sei. In geographischer Hinsicht war das
gewiß richtig, schon allein infolge der flankierenden Lage
Ostpreußens. Auf der anderen Seite ergaben sich aber in
militärischer Hinsicht für die Polen ebenso Vorteile eines Kampfes
auf der inneren Linie. Sie konnten sich mit überlegener Kraft von Posen
aus nordwärts gegen die Armee von Kluge werfen oder
südwärts gegen die Armee Blaskowitz und an anderen Fronten
vorerst hinhaltend kämpfen. Auch die gefährliche Flankendrohung
der Armee von Küchler war mit starken Kräften im offensiven
Vorstoß zu bannen. Die deutschen Armeen gingen so weit voneinander
getrennt vor, daß darin für den Angegriffenen geradezu eine
Herausforderung lag, eine Heeressäule nach der anderen zu zerschlagen.
Zwischen der aus Oberschlesien und der aus Pommern vorgehenden Armee
klaffte anfänglich ein Zwischenraum von nahezu 300 km, in welchem
Raume das polnische Hauptheer stand. Die aus Ostpreußen angreifende
Armee war rund 200 km von der pommerschen entfernt, dazwischen lag zudem
das Hindernis der Weichsel. Ein entschlossener Gegner
mußte derartige Möglichkeiten ausnutzen, und
sicherlich hat die deutsche Oberste Führung auch mit ihnen gerechnet.
Die Strategie hat sich in diesem polnischen Feldzuge die ihr gebührende
Stellung wieder zurückerobert. Es kann wieder eine Kunst der
Führung geben, weil die Taktik über Motorisierung und
Mechanisierung in vielfacher Anwendungsmöglichkeit und
Anpassungsfähigkeit in Verbindung mit unmittelbar von der Luftwaffe
gegebener Unterstützung in einem Umfange die Stetigkeit der
Angriffsbewegung wiedergewonnen hat, daß der Feldherr sie als die
gegebene Größe, oder besser noch gesagt, als die
unerläßliche Voraussetzung zu behandeln vermag, über
welche kühne und hochfliegende Pläne wahrhaften Feldherrntums
Gestaltung zu finden vermögen. Gewiß hat auch dieser Feldzug
mehrfach ein verbissenes Ringen gezeigt, das im Weltkriege die Regel war. Aber
es konnte nicht mehr lähmend über ganze Fronten sich fortsetzen.
[Der Motor:] Er ist es, der gestattet, jeden Erfolg zu nutzen, er
macht die Infanterie schnellfüßig, wo es sein muß, ohne sie zu
ermüden, er bringt die Artillerie sofort dahin, wo ihre Wirkung
entscheidend sein muß, er vermittelt eine Aufklärung, die, gemessen
an Pferdebeinen, wie ein Wettlauf zwischen Igel und Hase anmutet, er
befähigt die
Nachrichtentruppen - hier in Verbindung mit dem Funkgerät -
Führung und Geführte fast ständig, die Waffengattungen und
hiermit das Zusammenwirken der Waffen in bisher nicht erreichter Weise zu
binden, er wirft die Pioniere mit ihrem schweren Gerät vor, er löst
die Frage des Nachschubs, an der siegreiche Heere so oft zerbrochen sind, er
ermöglicht, was die Kriegsgeschichte nur ganz vereinzelt zu berichten
weiß, Verfolgung und damit Zersprengung oder gar Vernichtung. Und
faßt man alles zusammen: der Motor war es, der
verhütete, daß jedes MG. und jeder Schützengraben Stop
gebieten konnte, der größte Erfolg an der nächsten
Bodenwelle versickerte und nur unter neuen umständlichen
Vorbereitungen wieder zu weiterer Auswirkung gebracht werden konnte, er war
es, der jene Stetigkeit der Angriffsbewegung zurückgab, um die im
Weltkriege vergeblich gerungen worden ist. Er trug neue Möglichkeiten
militärischen Erfolges in die Kriegführung und eröffnete
hiermit wieder die Aussicht
auf Schlachten- und hiermit militärische Kriegsentscheidung, die seit
dem russisch-japanischen Kriege der Jahre 1904-1905 verlorengegangen
war.
Eine Wende der Kriegskunst! Man darf es nach dem Erlebnis des Feldzuges in
Polen schon heute aussprechen. Noch ist sie gewiß nicht vollendet. In der
Kriegskunst gibt es niemals Vollendung, sondern nur Entwicklung. Wohl mag
sich manches anders gestalten, wenn durchaus gleichwertige Gegner, beide voll
gleichwertig in der Ausnutzung der durch den Motor gegebenen
Möglichkeiten, außerhalb friedensmäßig vorbereiteter,
auch motorsicherer Wallanlagen, miteinander zu ringen haben. Der Motor wird
auch dann seine in Bewegung umgesetzte Urkraft nicht verlieren. Sie ist
bahnbrechend nun in größerem Ausmaße zum erstenmal in
den Dienst der Kriegskunst gestellt worden. Das kühn gewagt zu haben,
ist das Verdienst deutscher Führung, es bewältigt zu haben, das
Verdienst des deutschen Soldaten, der wieder einmal unter Beweis gestellt hat,
daß er der
Beste der Welt ist.
Anmerkungen
1Eine
Aufsatzreihe des Verfassers in Deutsche Wehr, der Zeitschrift
für Wehrmacht und Wehrpolitik, Heft 8 u. 9, 1938. ...zurück...
2Man
schätzte die Gesamtzahl der in Polen vorhandenen leichten MG. auf
etwa 7.000, die der schweren MG. auf 4.300. ...zurück...
3Es waren
in
2 Luftgruppen mit 6
gemischten Flieger-Regimentern etwa 300 Aufklärer, 300 Bomber und
400
Jäger vorhanden. ...zurück...
Unser Kampf in Polen
Die Vorgeschichte - Strategische Einführung - Politische und kriegerische
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