Kapitel 4: Bromberger Streiflichter Während dies in der Wladyslawa Belzy geschah, durchzog ein anderer Pöbeltrupp die Chausseestraße. Ihn führte der Blockkommandant des Gasschutzes, ein fanatischer Pole namens Owczarzak an. Die meisten des Haufens trugen Schlagringe, einige hatten auch nur Knüppel, andere wieder Brechstangen in den Händen. Als sie am Haus des Bankprokuristen Finger vorüberkamen, wies Owczarzak dem Haufen gestikulierend die Fenster. Wohl hat die Familie Finger die Tür verrammelt, aber die Soldaten zerschlagen sie mit ihren Kolben, stürzen sofort ins Herrenzimmer hinein, in dem sich das Ehepaar Finger versteckt hat. "Leg dich auf den Boden!" schreit ein Soldat den Mann an. Er legt sich auf den Boden, die Frau wirft sich neben ihn. Unter dem Johlen des Volkes drückt der Soldat ihm das Gewehr [25] aufs Herz, zieht mit mechanischer Selbstverständlichkeit den Hahn durch, es dröhnt in dem kleinen Zimmer, daß es fast die Trommelfelle zersprengt. Dann reißen sie die Frau wieder empor, bringen sie durch Schläge zum Stehenbleiben, durchwühlen das ganze Haus an allen Enden, werfen alles Wertvolle den Zivilisten zu, finden am Ende auch die beiden jungen Söhne. Unter fortwährenden Schlägen führt man sie hinaus, schließt sich draußen anderen Trupps an, die gleichfalls ganze Haufen zur Polizeiwache führen. Auf der Polizeiwache versucht man erst eine Weile, sie durch Schläge auch noch hinein zu bekommen, aber in die überfüllten Räume bringt man trotzdem nur mehr wenige. Da machen sie sich auf den Weg zum Regierungsgebäude, aber auf der Strecke dorthin begegnet der Trupp einem anderen, der von Eisenbahnern der französischen Gdyngener Eisenbahn geführt wird. "Wo wollt ihr denn hin?" fragt ein Zivilist hinüber. "Wir gehen Beyers jagen!" ruft ein Siebzehnjähriger, der den Namen Gaca trägt. Schnell entschließt sich der Trupp, diese Jagd noch mitzumachen, gemeinsam ziehen sie vor Beyers Grundstück. Auch hier beginnt es mit der immer gleichen Frage: Gebt das versteckte Maschinengewehr heraus!
Owczarzak liefert seine Gefangenen ordnungsgemäß ab, streift noch ein wenig im Regierungsgebäude umher. In einem Zimmer findet er zehn völlig entkleidete Deutsche, die man um irgendwelcher Geständnisse willen gefoltert hat. Sieben von ihnen sind schon tot, alle sind fürchterlich zerschlagen, drei aber wimmern noch vor sich hin. In diesem Augenblick kommt Roberschewsk wieder in dies Zimmer, hört das Wimmern, ruft den folternden Polizisten ungeduldig zu: "Die leben immer [28] noch?" Daraufhin ergreift einer eine blutige Axt, die neben den schon Toten an der Wand lehnt, schlägt den Wimmernden mehrfach über die Köpfe... Owczarzak geht wieder auf den Gang hinaus, sieht dabei verwundert, daß man einen ganzen Haufen entläßt. "Ihr könnt nach Hause gehen!" sagt der Offizier lächelnd. An zwanzig Deutsche laufen wie gehetzt hinaus, aber auch das ist nur ein Späßchen, sie haben kaum das Tor erreicht, als ein Dutzend Soldaten aus der Spießrutengasse anlegt, sie mit rasendem Schnellfeuer in den Rücken schießt. So liegen jetzt nicht nur zweihundert, sondern zweihundertzwanzig vor dem Regierungshaus. In diesem Augenblick ruft sie ein Bekannter an, der auch gerade einen Trupp eingebracht hat. "Ich weiß noch welche", ruft er ihm zu, "in der Thorner Straße, ziemlich weit draußen! Aber es ist ein Weib dabei, hast du schon eins gehabt heut...?"
"Deutsche seid ihr - und das genügt!" schreit der Zivilist - und ein Soldat setzt hinzu: "Herunter mit den Schweinen!" Gleichzeitig hebt er schon das Gewehr, schlägt den Mann mit dem Kolben ins Gesicht, gleich machen es ihm ein paar andere nach. Der alte Gannot fällt zu Boden, sie stechen mit den Bajonetten in ihn hinein, geben ihm im Liegen noch sechs Schüsse. Als die Tochter daraufhin nach Wasser läuft, mit einer Schüssel zurückkommt, um den blutigen Kopf des Vaters abzuwaschen, schlagen sie ihr rechts und links ins Gesicht, schlagen gleichzeitig auf die Mutter mit Knüppeln ein. Da entflieht das Mädchen entsetzt, rennt mit fliegenden Röcken zur Brahe hinab, die hinter ihrem Anwesen vorbeifließt, springt in ihrer Verzweiflung in die Flut. Aber der Zivilist schneidet ihr den Weg ab, faßt sie noch an dem aufgelösten Zopfe, zieht sie an ihren Haaren wieder aus dem Wasser. An zehn Mann packen sie an den Gliedern, tragen sie ins Schlafzimmer des Hauses. "Nun zieh dich um, bist ja ganz naß!" sagt der Zivilist, [30] plötzlich seltsam freundlich. "Sollst einmal sehen, wir Polen sind gar nicht so schlimm, kannst dich ruhig hier umziehen..."
Als aber niemand das Zimmer verläßt, macht das Mädchen keine Anstalten,
weint nur weiter still vor sich hin. Da ist ihre Geduld auch schon wieder zu Ende, stürzen
sich sechs jählings auf sie, reißen ihr die Kleidung in Fetzen vom Leibe, werfen sie
völlig nackt auf den Stubenboden. Während fast zehn Mann sie festhalten, einer ihr
den Mund zustopft, ein paar ihren Kopf auf die Erde drücken, vier ihr die Arme
festhalten,
zwei sich auf ihre Fußknöchel setzen, wirft sich der Zivilist wie ein Tier über
sie...
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