Dr. Hermann Wanderscheck Teil 7 Die militärischen und diplomatischen Lügen, die England in den ersten Kriegsmonaten ersann, sind Legionen. Die Welt durch Falschmeldungen irrezuführen, war die Hauptaufgabe des englischen Informationsministeriums und der britischen Propagandastellen und Nachrichtenagenturen. Eine Gegenüberstellung von Lügen aus den ersten Kriegsmonaten des Jahres 1914 mit denen des Jahres 1939 beweist, daß die Methodik und lügnerische Aufmachung der englischen Propaganda die gleiche geblieben ist. Der Zweck der planmäßig gelenkten Lügenfeldzüge war 1914 und ist 1939 derselbe: die Weltöffentlichkeit zu täuschen, die Neutralen zu beeinflussen, den Mut der in den Krieg gehetzten Völker zu stärken und den Eindruck zu erzeugen, als sei Deutschland militärisch, wirtschaftlich und moralisch am Zusammenbrechen. Die Daily Mail meldete schon am 22. August 1914, daß in Berlin alle Lokale geschlossen seien und nur noch in der Friedrichstraße elektrisches Licht erlaubt sei. Nachts liege die Stadt in tiefem Dunkel. Berlin sei absolut von aller Kultur Europas abgeschnitten. Der Kaiser habe sich zum Journalisten verwandelt und schreibe selbst alle Nachrichten, die er wünsche. (Der Londoner Rundfunk verbreitete seit Beginn des Krieges Meldungen über eine totale Desorganisation in Deutschland.) Die Times vom 20. August 1914 wußte Allerneuestes von den militärischen Fronten zu berichten: Die Russen rücken auf Berlin vor, sie stehen 50 Kilometer davor; Marsch der Russen auf Danzig; die Serben besetzen Wien; großartige Begeisterung in Serbien; Aufstand in Österreich; die Tschechen meutern und erschießen ihre Offiziere. (Analog meldete der Londoner Sender am 23. September 1939, der Feldzug in Polen habe den Deutschen mindestens 1000 Flugzeuge gekostet, wenn nicht noch mehr; analog behauptete News Chronicle, zur Unterdrückung der Aufstände im Protektorat Böhmen und Mähren seien auf Befehl Neuraths zehntausend Personen hingerichtet worden.) Ein Kriegskorrespondent der Times telegraphierte Ende August 1914 aus Brüssel nach London: alle von der Front hierher gelangten Nachrichten zeigen, daß die deutsche Armee infolge ihrer schweren Verluste vor Lüttich unter Abschneidung ihrer Proviantzufuhr völlig demoralisiert sei. Alle deutschen Soldaten sind halbverhungert, mutlos und erbittert darüber, daß sie sich in einem hoffnungslosen Kriege zusammenschießen lassen müssen. (Reuter log am 23. September 1939 über Gesundheitsschädigungen bei 25 Prozent der deutschen Truppen in den Befestigungen der Siegfriedlinie; schlechte Luft und durch den Beton sickerndes Wasser hätten schwere Krankheiten hervorgerufen und die Stimmung der deutschen Soldaten sei keineswegs kriegsfreudig.)
Daily Chronicle log bereits am 5. August 1914, daß die Deutschen planen, in Holland einzufallen. Der Londoner Rundfunk übernahm 25 Jahre später dieselbe Lüge und erfand "12 deutsche Divisionen", die die Schweiz bedrohen. Der Verleumdungsfeldzug Knickerbockers in Gemeinschaft mit dem Londoner Lügenministerium war schon in der Weltkriegspropaganda vorhanden. Die London Financial News schrieben und logen am 10. September 1914, daß gleich nach Ausbruch des Krieges Kaiser Wilhelm ungeheure Summen auf der anderen Seite des Ozeans angelegt habe. Der Kaiser sei jetzt einer der größten Grundbesitzer in den westlichen Staaten der Union und in Kanada. Daily Telegraph beteiligte sich schon am 29. Oktober 1914 an der Revolutionshetze. "Trotz der Wachsamkeit der deutschen Behörden sind an den Anschlagsäulen in Berlin unzählige Zettel mit der Aufschrift erschienen: 'Wir wollen Frieden, nieder mit dem Kaiser!' Den Reisenden, die die Stadtbahn benutzen, ist es daher befohlen worden, die Vorhänge der Wagen geschlossen zu halten, damit sie die Zettel nicht lesen können." (Die Times fand am 14. November 1939 heraus, daß die Passanten in Berlin während der Verdunkelung plötzlich in ihren Taschen aufreizende Flugschriften fänden. Vier Tage zuvor behauptete das Reuter-Büro, daß kriegsfeindliche Kundgebungen in Düsseldorf, Hannover, Hamburg und Potsdam stattgefunden hätten und daß insgesamt 18 Personen hingerichtet worden seien.) Die Londoner Lügenpresse wiederholte Anfang November 1914 (Daily Telegraph, Times u.a.) die Meldung von einer schweren Verwundung des deutschen Kronprinzen. Man sagte den Kronprinzen auch tot. In "Privatbriefen" (der englischen Zeitungsschreiber) wurde sogar von einer erfolgten Beisetzung des Kronprinzen gesprochen, und die Briefschreiber wollten ausnahmslos dem Begräbnis beigewohnt haben. (Am 10. November 1939 berichteten englische und französische Nachrichtenagenturen, getreu dem alten Schema, von dem Tod des Polizeipräsidenten von Potsdam, Wedel. Daily Sketch meldete am 15. November, daß Prinz Max von Baden unter "Hausarrest" stehe, der genau zehn Jahre und zehn Tage vor dieser Meldung gestorben war.)
Eine üble diplomatische Verleumdung leistete sich der Daily Telegraph am 31. Dezember 1914. Aus "hochautoritativer" Quelle wollte das Blatt erfahren haben, daß Deutschland versucht habe, Schweden zur Teilnahme am Krieg gegen Rußland zu verleiten. Deutschland sollte Schweden für diese Hilfeleistung das Protektorat über Finnland sowie alle russischen Küstengebiete an dem Weißen Meer und alle russischen Inseln in der Ostsee versprochen haben. (Im Oktober 1939 entstellte News Chronicle eine Unterredung Sven Hedins mit Adolf Hitler und fälschte private Ansichten und Auffassungen des schwedischen Forschers, um sie als Äußerungen des deutschen Reichskanzlers auszugeben.) Daily Mail vom 21. November 1914 wußte zu berichten, daß 18 bayrische Soldaten des Landsturmes, zwischen 50 und 60 Jahre alt, in Lüttich erschossen wurden, weil sie nicht an die Front wollten. 450 andere wären nach Deutschland gebracht worden und vor ein Kriegsgericht gestellt. (Am 20. September 1939 log Reuter, daß mehr als tausend Nazis und 60 Unterführer wegen Sabotage und Defaitismus seit Kriegsbeginn erschossen worden seien. Daily Express behauptete am 26. September, daß Meinungsverschiedenheiten zwischen den Naziführern beständen. Am 18. November stellte auch das Pariser Oeuvre, der britischen Lügentradition hörig, wahnwitzige Kombinationen über angebliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb des deutschen Generalstabes auf.)
Schon 1915 erkannte Friedrich Leiter in seiner Schrift Die Zeitung im Kriege und nach dem Kriege die psychologische Methodik der englischen Lügenpropaganda, nämlich nicht Nachrichten zu vertreiben, wie sie
England bot im Weltkrieg alle Mittel auf, um eine umfassende Konzentration der Lügenpropaganda durchzuführen. Sie gipfelte in dem Propagandakomitee Lord Northcliffes, das im Februar 1918 durch die Zusammenlegung des "Wellington House" und des "Department of Information" begründet wurde. Northcliffe organisierte im "Crewe House" die sogenannte "British War Mission", die in engster Verbindung mit seiner Massenpresse und Reuter arbeitete. Hier wurden die Greuellügen, die Verleumdungsfeldzüge in der britischen Presse, die revolutionären Flugblätter, die Weltfriedensprogramme fabriziert und alle Maßnahmen des propagandistischen Geheimdienstes im neutralen Ausland festgelegt. Hier rief Northcliffe Journalisten, Schriftsteller, Nachrichtenoffiziere, Geschichtsprofessoren und Propaganda-Experten zusammen, um durch einen groß angelegten Werbefeldzug einen Keil zwischen das deutsche Volk und seine Regierung zu treiben. Anfang März 1918 fanden in London bereits interalliierte Propagandakonferenzen statt, und die Propaganda ergriff die Initiative, um der Politik als Schrittmacherin zu dienen. King-Halls im Sommer 1939 versandte Briefe an den "lieben deutschen Leser" waren schon in der Propagandazentrale Northcliffes bekannt. Crewe House schickte "Londoner Briefe" an deutsche, schweizerische und skandinavische Zeitungen. Die Methode des Londoner Rundfunks, die Namen der deutschen Kriegsgefangenen in England zu verbreiten, geht auf Northcliffe zurück. Er ließ durch geheime Agenten in den deutschen Kriegshäfen zur Abschreckung für Unterseebootsbesatzungen Listen von Namen der gefangenen U-Boot-Kommandanten verbreiten mit Beschreibung, Angabe ihres Ranges und ihrer Boote. Ein besonderes Propagandamittel Northcliffes war die "Schützengrabenzeitung" in deutscher Sprache, von der wöchentlich eine halbe Million Exemplare verbreitet wurden. In diesen Blättern wurde die völlige Nutzlosigkeit jedes Widerstandes betont und unter Auswertung der altbekannten britischen Schlagworte, wie Militarismus, Völkerbund, Abrüstung und Weltfriede den deutschen Truppen und dem deutschen Volke vorgespiegelt, daß es sich nicht um seine Vernichtung, sondern nur um seine Befreiung von den herrschenden militärischen Kreisen handelte. Im jetzigen Kriege Englands gegen Deutschland war die Konzentration der Propaganda nicht im vierten Kriegsjahr, sondern schon im ersten Kriegsmonat vollzogen. Lord MacMillan wurde zum Informationsminister des britischen Propagandaministeriums ernannt. Die Erfahrungen, die er im Jahre 1918 als Hetzkuli Lord Northcliffes machte, setzte er sogleich bei Kriegsbeginn in die "alte" Praxis um. Den "Höchstwert an Propaganda" zog MacMillan aus der Verbreitung falscher Nachrichten, aus infamen Lügen und bösartigen Verleumdungen. MacMillan begann den Propagandakrieg mit weißer Munition und genau den gleichen Parolen, ja sogar mit den gleichen Phrasen wie Northcliffe 1918. Die ganze Aufgabe MacMillans bestand bisher darin, die alten
Mit seinem Buch Weltkrieg ohne Waffen hat Hans Thimme die Wirkung und die Bedeutung der Propaganda fest umrissen: "Die Willensanspannung eines Volkes oder Heeres, die zum Erfolg führt, ist ihrerseits wieder durch geistige Voraussetzungen, wie zum Beispiel durch den Glauben an die gute Sache oder das Vertrauen zu den Führern, bedingt. Werden die Voraussetzungen erschüttert, wird auch das Handeln ebenso wie der Erfolg in Frage gestellt. Und hier spielt die Propaganda eine wichtige Rolle, denn sie beeinflußt die Überzeugungen der Massen und sie wird eine gewaltige Macht, wenn sie sich der zeitgemäßen Ideen bedient. Es kommt auf einen ziemlich oberflächlichen Materialismus heraus, wenn man glaubt, den Erfolg von seinen geistigen Voraussetzungen abtrennen zu können. Gewiß, der Erfolg übt nachträglich einen starken Einfluß auf die öffentliche Meinung aus. Aber das Umgekehrte ist genau so wahr: der Glaube bedingt den Erfolg." Wenn Lord Northcliffes Schüler heute wieder in England am Werke sind, so dienen sie damit nicht dem Weltfrieden und der Verständigung der Völker, sondern im Grunde einem Prinzip, das einen Vertrag von Versailles ermöglichte und erneut einen Friedensvertrag ermöglichen soll, mit dem verglichen der Vertrag von Versailles ein Kinderspiel ist (King-Hall). Die Spaltung des deutschen Nationalwillens im Weltkrieg ließ eine feindliche Propaganda den Krieg gewinnen. Heute steht der feindlichen Propaganda ein geballter und unerschütterlicher deutscher Nationalwille gegenüber und je stärker die Propagandawelle anbraust, desto kräftiger wird sie zurückgeschlagen. Im Weltkrieg bestand Englands Propaganda in einem gewissenlosen System von Lügen, Verleumdungen, Fälschungen und Entstellungen. Dieses System hat Deutschland längst durchschaut. Wieder glaubt England mit den gleichen Lügen Deutschland vernichten zu können. Diesmal wird die britische Anstrengung wirkungslos bleiben. Diesmal deckt die englische Presse mißmutig die gröbsten Fehler des Lügenministeriums auf. Diesmal mißglückt jede Spekulation der Propaganda auf eine "Opposition" in Deutschland, jede britische Hoffnung auf ein "heimliches, anderes" Deutschland. Diesmal klärt Deutschland die Welt mit der Wahrheit auf. Kann die Propaganda als wirklich politisches Mittel gelten, so heißt dies, daß sie wahre Macht schafft, ein Machtfaktor ist und zur Verstärkung einer Machtstellung angewandt werden kann. Nur die Propaganda der Wahrheit kann heute wahre Macht schaffen.
Mit der Propaganda der Unwahrheit konnte in vier Kriegsjahren das Ethos der
Weltpresse vernichtet werden. Für den Frieden der Welt aber hat in erster
Linie jene Propaganda abzurüsten, die die Gesetze der öffentlichen
Verantwortung boykottiert und deren einziges Ziel die Vergiftung der
öffentlichen Weltmeinung ist. Deutschland hat in seiner
Wahrheitspropaganda ein Beispiel vor der Welt gegeben. Möge auch die
übrige Welt das tun, was dem Frieden dient: der Wahrheit dienen.
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