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Das Blutbad in Aussig

Maria Benatzky: "Am 30. Juli 1945 hörte ich gegen 16 Uhr 30 eine starke Detonation in der Richtung Schön-Priesen. Gleichzeitig flog aus derselben Richtung ein Flugzeug gegen die Stadt. Ich befand mich zu dieser Zeit in einem Friseurgeschäft am Marktplatz in Aussig. Kurz darauf sah ich, wie tschechische Eisenbahner in Uniform und auch tschechische Zivilisten die Deutschen, die ja alle weiße Armbinden tragen mußten, jagten.

Zu 30 und 40 stürzten sie immer auf ein Opfer, schlugen es zu Boden und traten es mit Füßen, bis es liegen blieb. Der Kopf und das Gesicht waren dann nur mehr eine blutige, unförmige Masse. Ich selbst sah mindestens 12 Deutsche in so zugerichtetem Zustand. Unter den Opfern befanden sich auch Frauen und Mädchen. Ich selbst hörte die Todesschreie eines Mädchens und sah, wie es niedergetrampelt wurde. Um dieselbe Zeit kamen die Arbeiter aus den Schichtwerken über die neue Brücke, auf die in derselben Weise Jagd gemacht wurde. Es wurden 30-50 deutsche Arbeiter auf den Brückenplatz geworfen und von tschechischen Soldaten mit Maschinengewehren in die Grube geschossen, wenn sich noch immer einer rührte. Viele Deutsche wurden in schwerverletzten Zustand in die Elbe geworfen und beschossen, wenn sie aus dem Wasser auftauchten. Die Leute, die dem Blutbad entgingen, wurden wahllos in das Lager Lerchenfeld getrieben. Schätzungsweise haben an diesem Tag 600 Deutsche in Aussig ihr Leben verloren.

Viele Anzeichen deuten darauf hin, daß dieses Blutbad planmäßig vorbereitet war. Eine halbe Stunde nach der Detonation haben die tschechischen Soldaten in der Körnerschule ihre Waffen ergriffen und haben sich ohne besonderen Befehl an der Straßenjagd beteiligt.

Ein gutmütiger tschechischer Arbeiter schickte um 3 Uhr nachmittags einige deutsche Arbeiter, denen er gut gesinnt war, aus dem Munitionslager, das später explodierte, vorzeitig nach Hause, trotzdem sie selbst eingewendet hatten, daß es noch nicht Arbeitsschluß sei."



 
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220 Menschen ermordet
Frauen als Sadisten

Ehrenhart Adam: "Am 12. Juni 1945 wurde ich in Aalen bei Stuttgart aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen und begab mich, mit einem amerikanischen Grenzübertrittsschein versehen, in die Tschechoslowakei, um meine Familie zu suchen. Beim Grenzübertritt hatten mir die tschechischen Grenzorgane sämtliche Lebensmittel, die ich bei meiner Entlassung von der amerikanischen Lagerkommandantur für die Reise bekam, sowie mein Geld, Decken und Mantel abgenommen. In Warnsdorf wurde ich, trotz meiner Entlassungspapiere, verhaftet und ins Kriegsgefangenenlager eingeliefert. Dort war ich vom 24. Juli 1945 bis 28. Mai 1946. Bei meiner Entlassung befanden sich dort noch gegen 2000 deutsche Kriegsgefangene, trotzdem sie schon früher aus amerikanischer oder russischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurden. Sie lebten unter denkbar schlechtesten Verhältnissen, unterernährt, und wurden ohne Lohn zur gröbsten Arbeit verwendet.

Besonders in meinem Lager wurden wir alle von einem Arzt aus Prag auf das SS-Blutgruppenzeichen untersucht und dabei ungefähr 200 SS-Angehörige festgestellt. Diese wurden dann in das Brauhaus in Nachod gebracht und der Zivilbevölkerung zur Mißhandlung ausgeliefert. Ich war selbst Augenzeuge, wie sämtliche 220 Mann von der Zivilbevölkerung aufs Grausamste ermordet wurden.

Tschechische Frauen, darunter eine gewisse Frau Zinke aus Nachod-Komenskeho 233, haben sich dabei besonders hervorgetan. Frau Zinke rühmte sich, sie würde noch mehr umbringen, wenn sie könnte. Die SS-Leute wurden von den Frauen mit Messern und Dolchen erstochen, mit Knüppeln und Gewehrkolben erschlagen. Körper, die noch Leben zeigten, wurden mit Benzin übergossen und verbrannt. Ich selbst habe mitgeholfen, die Leichen auf Autos verladen und sie in drei Massengräbern im Schloß von Nachod zu begraben.

Die Kriegsgefangenen wurden täglich verprügelt. Mehrere haben Kieferbrüche und Messerstiche erlitten. [82] Einigen wurden die Augen ausgeschlagen. Am 8. Mai 1946 wurden am Marktplatz von Nachod um 5 Uhr nachmittags bei alliierter Beflaggung alle Deutschen von der Zivilbevölkerung schwer mißhandelt. Die Deutschen wurden ungefähr 500 Meter weit, durch eine Staffel tschechischer Zivilisten einzeln durchgejagt und dabei - Männer und Frauen und Kinder - von der tschechischen Zivilbevölkerung mit Stöcken geschlagen. Vielen wurde ein Bein gestellt; wenn sie fielen, wurden sie mit Füßen getreten. Sie wurden namentlich zur Mißhandlung aufgerufen. Die tschechische Polizei war Zeuge dieses Schauspiels, ohne einzuschreiten."



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Die Toten in der Latrine

Alfred Gebauer: "Ich wurde als Deutscher am 6. Mai 1945 in Prag verhaftet und war der Reihe nach in den Lagern Schulministerium, Scharnhorstschule, Wehrmachtsgefängnis, Stadion und Arbeitsanstalt bis Ende September untergebracht, wo ich in das Gerichtsgefängnis Troppau eingeliefert wurde. Von dort wurde ich am 12. Juni 1946 zur Aussiedlung entlassen. Ich bin Schwerkriegsbeschädigter und wurde bei der Verhaftung von Wlassowsoldaten geohrfeigt und sämtlicher Sachen beraubt. Ich sah mit eigenen Augen:

In der Scharnhorstschule mußten sich weibliche SS-Angestellte ohne Kleider, die ihnen vom Leibe gerissen wurden, in einem Wassertümpel wälzen. Dann wurden sie mit Fußtritten und Gewehrkolben mißhandelt, bis sie bewußtlos waren. Am Stadion wurde auf SS-Soldaten vor 5000 Häftlingen mit Maschinenpistolen eine Hasenjagd veranstaltet. Dabei wurden 20 SS-Soldaten erschossen. Einige mußten in die Latrine springen, wo sie mit Maschinenpistolen erschossen wurden. Sie blieben in der Latrine liegen und die Häftlinge mußten die Latrine weiter benützen. Frauen wurden beim Abtransport so mit Gummiknüppeln geschlagen, daß sie blutüberströmt zusammenbrachen. In der Reitschule wurden vor den Augen anderer Häftlinge einige wahllos herausgegriffen und so [83] geschlagen, daß sie blutüberströmt zusammenbrachen. Dann wurden sie hinausgeschleppt, man hörte einige Schüsse fallen. Auch viele tschechische Kollaboranten wurden dort erschlagen. Die ersten fünf Tage nach meiner Verhaftung bekamen die Häftlinge außer einem Kübel Wasser für 600 Mann keine Verpflegung. Am 6. Tage wurde ein Würfel Zucker und ein Keks ausgegeben. Vom 7. Tage an bekamen wir eine dünne Suppe, so daß täglich 15-20 Leute an Entkräftung starben.

Bei der Einlieferung in Troppau wurde ich schwer verprügelt. Durch acht Wochen hindurch wurden die Lebensmittelpakete, die mir meine Schwester nach Troppau ins Gefängnis schickte, von den Aufsehern unterschlagen.

Ich kann diese Aussage beeiden."



 


Menschliches Inferno

Erika Grissmann: "Ich wurde am 4. Okt. 1927 in Maßhaupt bei Kladno geboren und lebte mit meinen Eltern seit dieser Zeit ununterbrochen in Kladno. Wir gehören also nicht zu den Reichsdeutschen, die erst nach Angliederung des Protektorates nach Kladno gekommen waren.

Am 5. Mai brach in Kladno der Aufstand der tschechischen Untergrundbewegung aus. Bewaffnete Mitglieder der 'Narodni Garda' sperrten alle Straßen, räumten die Quartiere der deutschen Wehrmacht und die Lazarette und warfen die Verwundeten auf die Straße. Ich sah, wie dieselben von der Menge gesteinigt wurden. Am 6. Mai 1945 begannen die sogenannten Hausdurchsuchungen, bei denen wahllos alle deutschen Wohnungen ausgeplündert wurden. Mein Vater, der Beamter bei der Poldihütte war, wurde am Abend desselben Tages verhaftet und blieb seitdem verschwunden. Ich selbst bekam bei der ersten Hausdurchsuchung von einem tschechischen Soldaten eine Ohrfeige, weil ich angeblich nicht angegeben hätte, wo wir unseren Schmuck vergraben hätten.

Am darauffolgenden Montag gingen die Wogen der deutschen Verfolgung besonders hoch. Wir sahen vom [84] ersten Stock unseres Hauses aus zahllose deutsche Männer über die Felder laufen, die ihren Verfolgern entgehen wollten, die aber wie Hasen mit Maschinengewehren abgeschossen wurden. Dieses Schicksal traf jeden Deutschen ohne Unterschied, ob er Zivilist oder Soldat, ob er Parteimitglied war oder nicht.

Am Mittwoch zogen die Russen in Kladno ein und zur selben Stunde wurden alle deutschen Siedlungen geräumt. Unsere tschechische Nachbarin hörte ich auf der Straße weinen. Sie sagte mir, jetzt kämen wir, die Grissmanns, auch bald daran und niemand könne uns helfen. Nach einer Viertelstunde kamen Angehörige der 'Revolucni Garda' in unser Haus. Der Anführer, ein großer, mit Blut besudelter Kerl, warf eine Handgranate durchs Fenster. Als er mich mit meiner Mutter und meinem 15jährigen Bruder allein im Hause antraf, warf er mich auf die Ottomane und sagte: 'Vergewaltigen tu ich Dich nicht, das werden schon die Russen besorgen.' Während die Tschechen unter ständigen Bedrohungen unser Haus plünderten, entkamen meine Mutter und mein Bruder durch das Haustor, während ich durch ein Fenster entfloh. Durch unsere eigene Straße, die Wras-Gasse, mußten wir Spießrutenlaufen.

Die tschechische Menge stürzte sich auf uns und schlug uns mehrmals zusammen. Nur einen Teil der ehemaligen Nachbarn sah ich weinend aus den Fenstern schauen.

Ohne jedwede Habe, so, wie wir aus unserem Hause geflüchtet waren, schlossen wir uns hierauf einem Flüchtlingshaufen an, der aus der Gegend von Unhozd kam. Die meisten von ihnen bluteten, denn die Tschechen warfen Handgranaten in den traurigen Zug.

Auf einem Fabriksplatz mußten wir uns mit erhobenen Händen gegen eine Wand stellen. Zuerst wurde mein 15jähriger Bruder mit Striegeln geschlagen. Dann fielen mehrere Tschechinnen über mich und meine Mutter her. Meine Mutter blutete am ganzen Kopf. Mir selbst nahmen sie Ohrringe und Haarschleifen ab, dann wollten sie mir die Zöpfe abschneiden. Während dieses Treibens erschien ein Tscheche und rief laut über die Menge hinweg: 'Die Schönsten kommen zu den russischen Offizieren!'

[85] Wir wurden daraufhin weitergetrieben und immer wieder geschlagen. Endlich erwischte mich einer und zog mich bei den Haaren in ein Auto; ich wurde ohnmächtig.

Als ich aufwachte, lag ich auf einem Sofa, am Kopfe und an den Händen verbunden. Etwa fünf hohe russische Offiziere standen um mich herum. Einer fragte mich, ob ich Hunger hätte und wohin ich wolle. Ich erklärte ihm, daß ich zu meiner Mutter möchte. Er ließ mich hierauf mit einem Auto auf den Fußballplatz fahren, wo ich meine Mutter mit dem Bruder gleich am Tore antraf.

Als mich meine Mutter in diesem Zustande sah, fiel sie auf die Knie und schrie laut, man möchte uns doch nicht weiterquälen und endlich erschießen. Sie brach hierauf ohnmächtig zusammen. Das alles spielte sich am Vormittag des 9. Mai 1945 in Kladno ab. Kurz nach Mittag wurden wir vor eine Grube getrieben, und es hieß, da würden wir nun erschossen werden. Es erschien aber ein tschechischer Offizier und sagte, so weit sei es noch nicht.

Wir wurden zusammen mit vielen anderen Deutschen in ein Lastauto verladen und auf den Marktplatz von Maßhaupt gebracht. Nachdem wir dort von der Menge bespien wurden und mit Steinen beworfen worden waren, schaffte man uns wieder auf den Fußballplatz von Kladno zurück.

Viele deutsche Soldaten lagen mit Kopf- und Bauchschüssen auf dem Boden herum und keiner kümmerte sich um die Schwerverwundeten. Da brach meine Mutter neuerdings zusammen. Ein deutscher Arzt, den ich bat, ihr zu helfen, wurde von den tschechischen Wachen verprügelt.

Wir mußten uns dann auf dem freien Platze bis auf das Hemd ausziehen und wurden von den Tschechen durchsucht. Hierauf wurden wir wieder in Autos verladen und in die Kaserne von Kladno gebracht. Dort sah ich Furchtbares: Zivilisten und Soldaten lagen in ihren eigenen Blutlachen herum und niemand konnte ihnen helfen. Überaus groß war die Zahl der Selbstmörder, die auf kurzem Wege den Qualen entkommen wollten.

Ich sah eine Menge kleiner Kinder, denen ihre Eltern den Hals durchschnitten hatten, um sie durch den raschen Tod vor weiteren Folterungen zu bewahren. Ein tschechi- [86] scher Arzt, der mit einer Krankenschwester erschienen war, legte einigen von ihnen Verbände an. Zu essen bekamen wir während der ganzen Zeit nichts.

Am Nachmittag hieß es plötzlich, wir müßten uns alle flach hinlegen, weil in der Nähe gesprengt würde. Man hörte eine ungeheure Detonation. Als der Lärm vorbei war, sagte ein Tscheche in meiner Nähe: 'Das war nicht nahe genug!'

Am Nachmittag des 10. Mai wurden die Schwerkranken und Schwerverwundeten in Krankenautos verladen, die Leichtverletzten stellten sich zum Abmarsch bereit. Vor den Kasernentoren hatte sich mittlerweile eine johlende Menge angesammelt, die uns mit Steinen bewarf.

Ein Tscheche verlas von einem großen Blatt Papier einen Aufruf, in dem er alle Deutschen als Verbrecher erklärte. Er schrie uns an, wir hätten dies alles jetzt, wenn wir die Kaserne verlassen, zu büßen. Plötzlich flogen wieder Handgranaten in die Menge der deutschen Gefangenen, die ein großes Blutbad anrichteten.

Ein tschechischer Priester erschien und teilte einer Menge Sterbender die letzte Ölung aus. Viele Verwundete wiesen aber sein Anbieten zurück.

Dem Betreiben meiner Mutter gelang es, uns mit in die Krankenwagen unterzubringen. Ich selbst erhielt von einer deutschen Krankenschwester eine DRK-Haube, wodurch ich mich einigermaßen schützen konnte. Auf der Fahrt aus Kladno wurden wir von russischen Posten angehalten. Ein Rotarmist öffnete unsere Sankawagen und forderte mich auf, mit ihm zu kommen, da ich gar keine Krankenschwester sei. Die Verwundeten nahmen aber für mich Stellung. Der Russe erklärte hierauf, sie sollten ihm entweder alle ihre Uhren geben oder mich. Die schwerverwundeten deutschen Soldaten lieferten alle ihre Uhren und Ringe ab und kauften mich auf solche Weise frei.

Unsere Kolonne fuhr hierauf gegen den Westen Böhmens. Wir mußten bald die Sanitätswagen verlassen und schlossen uns großen Flüchtlingsströmen an, die sich gegen die amerikanische Besatzungszone zu bewegten. Zu essen bekamen wir während der ganzen Zeit nichts. Wir [87] schliefen meist auf offenem Feld und wurden des öfteren zur Nachtzeit von tschechischen und russischen Soldaten bedrängt. Unter anderem wurden kurz vor Petschau mehrere der uns begleitenden DRK-Schwestern von russischen Posten vergewaltigt. Mit meiner Mutter und meinem Bruder gelangte ich schließlich zu meinen Großeltern nach Hermannshütte bei Mies, wo ich zunächst auf einem tschechischen Bauernhof Arbeit fand. Im November 1945 nahmen mich die Amerikaner bei ihrem Abzuge nach Bayern mit."


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Das andere Lidice
Die Tragödie der Sudetendeutschen