Danzig und Gdingen (Teil 2) Kurt Peiser Der Erfolg ist dem polnischen Staat in seiner Gdingen-Politik nicht versagt geblieben. Der seewärtige Warenverkehr über den polnischen Staatshafen Gdingen hat in dem ersten Jahrzehnt seit Baubeginn folgende mengenmäßige Entwicklung aufzuweisen gehabt: Es betrug in Tonnen:
Auf Kosten des Danziger Hafens ist diese Entwicklung Gdingens vor sich gegangen. Ungeachtet der Verpflichtung, vollen Gebrauch vom Danziger Hafen
So betrug die Einfuhr von Tee in Tonnen:
Die Einfuhr von Kakobohnen betrug in Tonnen:
Die Einfuhr von Wolle betrug in Tonnen:
Die Einfuhr von Baumwolle betrug in Tonnen:
Die Ablenkung des Warenverkehrs von Danzig nach Gdingen machte auch vor der Ausfuhr nicht halt.
Ein Blick in die Statistik des seewärtigen Warenverkehrs über die Nachbarhäfen Danzig und Gdingen zeigt in geradezu erschütternder Weise die systematische Ablenkung zahlreicher Warenarten von Danzig nach Gdingen. Einige wenige Beispiele seien hierfür genannt.
Die Einfuhr von Tabak über Danzig wurde durch den Bau und die
Betriebnahme eines großen Lagerhauses für das polnische
Tabakmonopol in Gdingen fast völlig zum Erliegen gebracht. Sie betrug in
Tonnen:
Die Einfuhr von Reis über Danzig erfuhr eine starke Einschränkung, seitdem im Gdingener Hafen die Reisschälmühle der Benutzung übergeben wurde. Sie betrug in Tonnen:
Die Einfuhr von Schrott nach Polen sollte nach einer Verlautbarung der Polnischen Telegraphen-Agentur "je nach Maßgabe der Entwicklung des Gdingener Hafens" auf Wunsch des polnischen Industrie- und Handelsministeriums über diesen Hafen gehen. Sie betrug in Tonnen:
Für die Ablenkung namentlich wertvoller Stückgüter, die bis dahin über den Danziger Hafen eingeführt worden waren, nach Gdingen wurde eine am 14. Januar 1932 in Kraft getretene Verordnung über die Seevorzugszölle von größter Bedeutung. Diese Verordnung sieht eine gestaffelte Zollbegünstigung bei der Einfuhr gewisser Waren bei Benutzung des See- [268] weges vor, um die Gewährung der niedrigsten Zollsätze lediglich in das Ermessen des polnischen Finanzministers zu stellen. Wie die von den zuständigen polnischen Ministerien herausgegebene Zeitschrift Polska Gospodarcza im Dezember 1931 mitteilt, verfolgte diese Maßnahme der polnischen Regierung den Zweck, die Konzentration der in der Verordnung genannten Waren in Gdingen herbeizuführen. Kaffee, Kakaobohnen, Tee, Südfrüchte und eine Reihe anderer Stückgutwaren wurden infolgedessen in wenigen Jahren ganz oder teilweise dem Danziger Hafen entzogen und nach Gdingen gelenkt, andere Waren, die zuvor über die Landgrenze gegangen waren, unter Ausschaltung Danzigs dem Hafen von Gdingen zugeführt. Die Ausfuhr von Bacons erfolgte bis zum Jahre 1929 ausschließlich über den Danziger Hafen. Mit der Inbetriebnahme des großen Exportkühlhauses in Zusammenhang mit der Eröffnung der Linie Gdingen-England änderte sich das Bild. Das durch eine Exportprämie unterstützte polnische Bacon-Export-Syndikat schaltete Gdingen ein. Es betrug die Ausfuhr von Bacons in Tonnen:
Die gleiche Entwicklung zeigte die Ausfuhr von Eiern. Sie betrug in Tonnen:
Die Ausfuhr von Zucker hat, nachdem in Gdingen große Zuckermagazine errichtet worden waren, folgende Entwicklung genommen. Sie betrug in Tonnen:
Aus der Statistik lassen sich mühelos zahlreiche ähnlich gelagerte Beispiele für die Ablenkung des Warenverkehrs von Danzig nach Gdingen erbringen. Im Laufe weniger Jahre erhielt der polnische Staatshafen ein Übergewicht, wie es anteilsmäßig in folgender Übersicht zum Ausdruck kommt:
Von dem über die Danzig-polnische Seegrenze gegangenen Warenverkehr
entfielen in Prozenten
[269-272=Fototeil] [273] Es ist immerhin kennzeichnend für die Haltung der polnischen Regierung dem Danziger Hafen gegenüber, daß die Verlagerung des Schwergewichts im polnischen Seehandel von Danzig nach Gdingen am stärksten in jenen Jahren vor sich ging, in denen die Danziger Regierung vor den Instanzen des Völkerbundes, der ja der "Beschützer" der Freien Stadt Danzig sein sollte, um die Lebensrechte des Danziger Hafens und der Danziger Wirtschaft rang. Am 9. Mai 1930 hatte der Senat der Freien Stadt Danzig an den Hohen Kommissar des Völkerbundes in Danzig einen Klageantrag gerichtet, der davon ausgeht, daß entsprechend der Entscheidung Sir Richard Hakings vom 15. August 1921 "einerseits die polnische Regierung verpflichtet ist, den Hafen von Danzig voll auszunutzen, welche andere Häfen sie in Zukunft auch an der Ostseeküste errichten mag, und andererseits die Danziger Regierung verpflichtet ist, die Interessen Polens bezüglich des freien Zuganges zum Meere zu allen Zeiten zu wahren". Die Danziger Regierung bat den Hohen Kommissar, dahin zu entscheiden, daß die polnische Regierung verpflichtet ist, alle Maßnahmen zu treffen, um den nicht über die Landesgrenze Polens gehenden Verkehr über den Danziger Hafen gehen zu lassen; alles zu tun, um den Hafen von Danzig und die Zufahrtswege der Eisenbahnen und Wasserstraßen entsprechend zu entwickeln und zu verbessern; alle Maßnahmen in Bezug auf andere Häfen zu unterlassen, durch welche der Waren- und Personenverkehr von Danzig abgelenkt wird. |