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Deutschland und der Korridor

 
Danzig und Gdingen (Teil 2)
Kurt Peiser

Der Erfolg ist dem polnischen Staat in seiner Gdingen-Politik nicht versagt geblieben. Der seewärtige Warenverkehr über den polnischen Staatshafen Gdingen hat in dem ersten Jahrzehnt seit Baubeginn folgende mengenmäßige Entwicklung aufzuweisen gehabt:

Es betrug in Tonnen:

    die Einfuhr:     die Ausfuhr:     insgesamt:
1924 631 9 086 9 717
1925 1 568 51 142 52 710
1926 179 413 826 414 005
1927 6 702 889 439 896 141
1928 192 711 1 767 058 1 959 769
1929 329 644 2 492 858 2 822 502
1930 504 117 3 121 631 3 625 748
1931 558 549 4 741 565 5 300 114
1932 432 887 4 761 400 5 194 287
1933 870 704 5 235 162   6 105 866

Auf Kosten des Danziger Hafens ist diese Entwicklung Gdingens vor sich gegangen. Ungeachtet der Verpflichtung, vollen Gebrauch vom Danziger Hafen
Danzigs und Gdingens Anteil am Warenverkehr über die Danzig-polnische Küste Danzigs und Gdingens Anteil am Warenverkehr über 
die Danzig-polnische Küste
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zu machen, hat der polnische Staat alle ihm zur Verfügung stehenden wirtschafts- und finanzpolitische Machtmittel rücksichtslos eingesetzt, um unter eindeutigster Benachteiligung des Danziger Hafens Gdingens Aufgabenkreis von Jahr zu Jahr zu erweitern. Die Tatsache, daß im Jahre 1933 der polnische Staatshafen Gdingen den alt-eingearbeiteten Danziger Hafen im Umschlag bereits um fast eine Million Tonnen übertraf, ist nicht der Ausdruck eines freien Wettbewerbs, auch nicht das Ergebnis etwa einer regeren Initiative des polnischen Kaufmanns, wie dies gelegentlich in der polnischen Presse behauptet wurde; dieser Wettkampf zwischen Gdingen und Danzig war vom ersten Tage an ungleich, weil ein ohne Ansehen der Frage der wirtschaftlichen Rentabilität errichteter Staatshafen durch Kräfte gefördert wurde, über die der nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen arbeitende Danziger Hafen nicht verfügte. So mußte Gdingen, weil Polens seewärtiger Warenverkehr in jenen Jahren nicht ausreichte, um die stark ausgebaute Leistungsfähigkeit auch nur des Danziger Hafens voll und ganz in Anspruch nehmen zu können, zu einem Aderlaß für den Danziger Hafen werden. Auch hierfür seien einige Beispiele genannt.

Stück- und Massengüter in der Einfuhr Polens
über Danzig und Gdingen
Stück- und Massengüter in der Einfuhr Polens über Danzig und
Gdingen

So betrug die Einfuhr von Tee in Tonnen:

    über Danzig:     über Gdingen:
1930 1 829 ---
1931 1 287 166
1932 902 872
1933 661 1 048
[264-265=Abb.] [266]
Die Einfuhr von Kakobohnen betrug in Tonnen:

    über Danzig:     über Gdingen:
1930 2 953 ---
1931 3 094 95
1932 2 541 3 583
1933 2 652 6 369

Die Einfuhr von Wolle betrug in Tonnen:

    über Danzig:     über Gdingen:
1931 1 474 31
1932 3 791 5 083
1933 1 080 15 370

Die Einfuhr von Baumwolle betrug in Tonnen:

    über Danzig:     über Gdingen:
1930 1 064 564
1931 932 6 063
1932 891 26 839
1933 498 77 733

Die Ablenkung des Warenverkehrs von Danzig nach Gdingen machte auch vor der Ausfuhr nicht halt.

Einfuhr wichtiger Güter
im seewärtigen Umschlag
Danzigs und Gdingens
in 1000 t
Einfuhr wichtiger Güter im seewärtigen Umschlag Danzigs und Gdingens in
1000 t
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Ausfuhr wichtiger Güter
im seewärtigen Umschlag
Danzigs und Gdingens
in 1000 t
Ausfuhr wichtiger Güter im seewärtigen Umschlag Danzigs und Gdingens in
1000 t
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Ein Blick in die Statistik des seewärtigen Warenverkehrs über die Nachbarhäfen Danzig und Gdingen zeigt in geradezu erschütternder Weise die systematische Ablenkung zahlreicher Warenarten von Danzig nach Gdingen. Einige wenige Beispiele seien hierfür genannt.

Die Einfuhr von Tabak über Danzig wurde durch den Bau und die Betriebnahme eines großen Lagerhauses für das polnische Tabakmonopol in Gdingen fast völlig zum Erliegen gebracht. Sie betrug in Tonnen:
[267]

    über Danzig:     über Gdingen:
1928 6 347 ---
1929 6 903 2 035
1930 6 468 982
1931 1 583 4 495
1932 901 5 233

Die Einfuhr von Reis über Danzig erfuhr eine starke Einschränkung, seitdem im Gdingener Hafen die Reisschälmühle der Benutzung übergeben wurde. Sie betrug in Tonnen:

    über Danzig:     über Gdingen:
1927 20 654 230
1928 17 553 57 427
1929 1 859 56 665
1930 345 46 864
1931 4 560 75 286
1932 4 725 44 755

Die Einfuhr von Schrott nach Polen sollte nach einer Verlautbarung der Polnischen Telegraphen-Agentur "je nach Maßgabe der Entwicklung des Gdingener Hafens" auf Wunsch des polnischen Industrie- und Handelsministeriums über diesen Hafen gehen. Sie betrug in Tonnen:

    über Danzig:     über Gdingen:
1928 477 343 11 161
1929 359 023 49 582
1930 52 068 272 479
1931 7 610 341 901

Für die Ablenkung namentlich wertvoller Stückgüter, die bis dahin über den Danziger Hafen eingeführt worden waren, nach Gdingen wurde eine am 14. Januar 1932 in Kraft getretene Verordnung über die Seevorzugszölle von größter Bedeutung. Diese Verordnung sieht eine gestaffelte Zollbegünstigung bei der Einfuhr gewisser Waren bei Benutzung des See- [268] weges vor, um die Gewährung der niedrigsten Zollsätze lediglich in das Ermessen des polnischen Finanzministers zu stellen. Wie die von den zuständigen polnischen Ministerien herausgegebene Zeitschrift Polska Gospodarcza im Dezember 1931 mitteilt, verfolgte diese Maßnahme der polnischen Regierung den Zweck, die Konzentration der in der Verordnung genannten Waren in Gdingen herbeizuführen. Kaffee, Kakaobohnen, Tee, Südfrüchte und eine Reihe anderer Stückgutwaren wurden infolgedessen in wenigen Jahren ganz oder teilweise dem Danziger Hafen entzogen und nach Gdingen gelenkt, andere Waren, die zuvor über die Landgrenze gegangen waren, unter Ausschaltung Danzigs dem Hafen von Gdingen zugeführt.

Die Ausfuhr von Bacons erfolgte bis zum Jahre 1929 ausschließlich über den Danziger Hafen. Mit der Inbetriebnahme des großen Exportkühlhauses in Zusammenhang mit der Eröffnung der Linie Gdingen-England änderte sich das Bild. Das durch eine Exportprämie unterstützte polnische Bacon-Export-Syndikat schaltete Gdingen ein. Es betrug die Ausfuhr von Bacons in Tonnen:

    über Danzig:     über Gdingen:
1929 15 073 ----
1930 15 173 11 196
1931 2 989 51 821
1932 2 234 51 878

Die gleiche Entwicklung zeigte die Ausfuhr von Eiern. Sie betrug in Tonnen:

    über Danzig:     über Gdingen:
1929 3 444 ----
1930 4 313 484
1931 578 5 601
1932 627 6 960

Die Ausfuhr von Zucker hat, nachdem in Gdingen große Zuckermagazine errichtet worden waren, folgende Entwicklung genommen. Sie betrug in Tonnen:

    über Danzig:     über Gdingen:
1928 104 649 ----
1929 207 027 23 577
1930 177 952 89 766
1931 192 440 115 529
1932 141 625 88 309
1933 5 238 93 871

Aus der Statistik lassen sich mühelos zahlreiche ähnlich gelagerte Beispiele für die Ablenkung des Warenverkehrs von Danzig nach Gdingen erbringen. Im Laufe weniger Jahre erhielt der polnische Staatshafen ein Übergewicht, wie es anteilsmäßig in folgender Übersicht zum Ausdruck kommt:

Von dem über die Danzig-polnische Seegrenze gegangenen Warenverkehr entfielen in Prozenten

    auf Danzig:     auf Gdingen:
1929 75,2 24,8
1930 69,2 30,8
1931 61,1 38,9
1932 51,3 48,7
1933 45,8 54,2


Anteil Danzigs und Gdingens
am Wert des polnischen Außenhandels 1938
Anteil Danzigs und Gdingens am Wert des polnischen Außenhandels
1938

[269-272=Fototeil] [273] Es ist immerhin kennzeichnend für die Haltung der polnischen Regierung dem Danziger Hafen gegenüber, daß die Verlagerung des Schwergewichts im polnischen Seehandel von Danzig nach Gdingen am stärksten in jenen Jahren vor sich ging, in denen die Danziger Regierung vor den Instanzen des Völkerbundes, der ja der "Beschützer" der Freien Stadt Danzig sein sollte, um die Lebensrechte des Danziger Hafens und der Danziger Wirtschaft rang. Am 9. Mai 1930 hatte der Senat der Freien Stadt Danzig an den Hohen Kommissar des Völkerbundes in Danzig einen Klageantrag gerichtet, der davon ausgeht, daß entsprechend der Entscheidung Sir Richard Hakings vom 15. August 1921 "einerseits die polnische Regierung verpflichtet ist, den Hafen von Danzig voll auszunutzen, welche andere Häfen sie in Zukunft auch an der Ostseeküste errichten mag, und andererseits die Danziger Regierung verpflichtet ist, die Interessen Polens bezüglich des freien Zuganges zum Meere zu allen Zeiten zu wahren". Die Danziger Regierung bat den Hohen Kommissar, dahin zu entscheiden, daß die polnische Regierung verpflichtet ist, alle Maßnahmen zu treffen, um den nicht über die Landesgrenze Polens gehenden Verkehr über den Danziger Hafen gehen zu lassen; alles zu tun, um den Hafen von Danzig und die Zufahrtswege der Eisenbahnen und Wasserstraßen entsprechend zu entwickeln und zu verbessern; alle Maßnahmen in Bezug auf andere Häfen zu unterlassen, durch welche der Waren- und Personenverkehr von Danzig abgelenkt wird.


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