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Deutschland und der Korridor

 
Danzigs Schicksal seit Versailles (Teil 3)
Karl Hans Fuchs

Danzig unter dem Nationalsozialismus -
Die Abrechnung mit dem Völkerbund -
Die Ära der Verständigung mit Polen (Teil 2)

Es war keinesfalls Polens Verdienst, wenn deutscherseits damals die Konsequenzen aus dem polnischen Verhalten nicht gezogen wurden. Die bereits vollzogene Aufhebung der deutsch-Danziger Zollgrenzen, die zur Sicherstellung der Danziger Ernährung und seiner wirtschaftlichen Existenz vorgenommen worden war, hätte sehr wohl ein erster Schritt zur allmählichen Überleitung Danzigs in das Reich werden können. Und kein Mensch hätte es Deutschland verübeln können, wenn es damals die alten Forderungen nach einer Gesamtrevision der deutsch-polnischen Grenzziehung wieder aufgenommen hätte. Im Interesse des allgemeinen Friedens und in der Hoffnung, daß Polen schließlich doch noch die Linie eines vernünftigen Ausgleichs finden würde, wurden diese Konsequenzen deutscherseits damals nicht gezogen.

[198] Bereits mehrfach wurde die Tatsache der Erbauung Gdingens und die sich daraus ergebenden politischen, rechtlichen und praktischen Folgen für den Danziger Hafen bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme erwähnt. Wie gestaltete sich nun dieses Hafenproblem in der Zeit der Verständigung zwischen Polen und Deutschland-Danzig?

Gleich nach dem Regierungsantritt der Nationalsozialisten in Danzig im Juni 1933 wurde im Geiste der Politik der direkten Aussprache mit Polen eine Verständigung über die Frage der Konkurrenz Gdingens gegen Danzig gesucht, obwohl Danzig einen international bestätigten Rechtsanspruch auf volle Ausnutzung seines Hafens besaß, also an sich keinerlei moralische Veranlassung hatte, über diesen Anspruch überhaupt noch zu verhandeln. Es stellte also ein sehr großzügiges Entgegenkommen dar, wenn Danzig - allerdings bei voller Aufrechterhaltung seines grundsätzlichen Rechtsanspruches - praktisch auf der Basis der Gleichberechtigung Gdingens mit Danzig verhandelte, obwohl es die "volle Ausnutzung" seines Hafens durch Polen beanspruchen konnte! So kam es am 5. August 1933 zu einem Danzig-polnischen Übereinkommen, in dem sich Polen verpflichtete, den Danziger Hafen "unter Berücksichtigung der Quantität und der Qualität der Ware" an dem seewärtigen Warenverkehr Polens in gleicher Weise zu beteiligen wie Gdingen. In einem Protokoll vom 19. September 1933 wurde diese Verpflichtung präzisiert.

Die Hoffnungen, die seitens der vielgeprüften Danziger Wirtschaft an diesen Verständigungsversuch geknüpft wurden, waren nicht gering. Um so größer war die Enttäuschung. Bereits nach kurzer Zeit mußte festgestellt werden, daß der Umschlag des Danziger Hafens trotz dem Übereinkommen eine weiter anhaltende Benachteiligung in wertmäßiger und struktureller Beziehung gegenüber Gdingen erfuhr. Eine erneute Vereinbarung vom 5. Januar 1937, in der von Danziger Seite wesentliche Zugeständnisse bezüglich der Behandlung polnischer Firmen in Danzig gemacht wurden, hat diese Entwicklung ebenfalls nicht zu ändern vermocht. Während die erwähnten Verpflichtungen von Danziger Seite in loyalster Weise erfüllt wurden, wurden und werden polnischerseits keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, um der Benachteiligung Danzigs zugunsten Gdingens ein Ende zu setzen. Der Anteil Danzigs am Wert des seewärtigen Warenverkehrs Polens unterliegt weiter einer fortgesetzten Schrumpfung zugunsten Gdingens, die Veränderung der Struktur des Danziger Umschlages durch die Abwanderung des hochwertigen Stückgüterverkehrs setzt sich in beängstigender Weise fort. Ebenso wurden in den vergangenen sechs Jahren von den zentralen Warschauer Stellen keine Ansätze gemacht, um die Maßnahmen abzustoppen, die eine völlige Ausschaltung des Danziger Kaufmanns und Unternehmers aus dem Außenhandel Polens bezwecken.

Das Hafenproblem ist die Lebensfrage Danzigs, in das alle anderen Probleme auf irgendeine Weise immer wieder einmünden. Ja, darüber hinaus kann man dieses Problem Danzig-Gdingen als die deutsch-polnische Kardinalfrage bezeichnen, als den eigentlichen Kreuzungspunkt der deutsch-polnischen Interessenüberschneidung. Polen ist derjenige Partner im deutsch-polnischen Verhältnis gewesen, der das erste Interesse daran haben mußte, den bestehenden Zuständen den Charakter eines Normalzustandes zu verleihen. Auch während der Ära der Verständigung hat Polen jedoch in der entscheidendsten Danziger Frage, der Hafenfrage, nach wie vor jede Einsicht und jeden guten Willen vermissen lassen.

Auch in allen anderen Fragen, die vor dem Jahre 1933 Gegenstand von Danzig-polnischen Konflikten gewesen waren, war in den sechs Jahren deutsch-polnischer Verständigungspolitik ganz deutlich die Tendenz Polens zu beobachten, an seinen Maximalzielen festzuhalten. Das gilt, [199] wie bereits erwähnt, ebenso in der Frage der "Führung der auswärtigen Angelegenheiten Danzigs", wie in der Eisenbahnfrage, im Postwesen wie überhaupt ganz besonders für das Gebiet der militärischen Aspirationen. Mit auffälliger Konsequenz wurden von Polen immer wieder aus lächerlichen Anlässen Beschwerden vorgebracht über angeblich mangelhafte polizeiliche Sicherungen in Danzig. Das Schwergewicht dieser militärpolitischen Bemühungen aber wurde in den letzten Jahren ganz offensichtlich auf die Institution der polnischen Zollinspektoren in Danzig verlegt. Zwar ist diese Frage erst im Mai dieses Jahres akut geworden, als im Zusammenhang mit der Ermordung des Danziger Nationalsozialisten Max Grübnau in Kalthof das Interesse der Öffentlichkeit auf die polnischen Zollinspektoren aufmerksam gemacht wurde; sie ist jedoch schon seit mehreren Jahren Gegenstand sorgfältiger Beobachtung und energischer Proteste der Danziger Regierung. Die polnischen Zollinspektoren bei den Danziger Zollämtern und Zollgrenzstationen sind eine durch das sogenannte "Warschauer Abkommen" zwischen Danzig und Polen vom 24. Oktober 1921 zugestandene Einrichtung. Ihre Zuständigkeit ist dort ganz eindeutig auf eine rein beobachtende und gegebenenfalls konsultative Tätigkeit beschränkt; sie besitzen weder administrative Funktionen noch irgendeine Anweisungsbefugnis gegenüber den Danziger Zollbeamten. Die Zahl dieser polnischen Zollinspektoren ist nun innerhalb der Jahre von 1929 bis 1939 von 27 auf 100 gestiegen. Vierzig Danziger Oberbeamten im Zolldienst stehen jetzt hundert polnische Zollinspektoren gleichen Ranges gegenüber. Diese Vermehrung führt zu so grotesken Zuständen, daß bei den Zollämtern an der deutsch-Danziger Grenze, zum Beispiel in Kalthof, auf einen Danziger Oberbeamten zwölf polnische Zollinspektoren, in Einlage an der Nogat auf einen Danziger zehn polnische und in Pieckel auf zwei mittlere Danziger Beamte fünf polnische Zollinspektoren kommen. Die Tendenz, die Polen damit verfolgt, ist klar: Die Polen vertraglich zustehende generelle Kontrolle der Danziger Zollverwaltung wird in eine spezielle Kontrolle einzelner Diensthandlungen umgewandelt und so zu einer administrativen Funktion ausgebaut. Auf diesem Wege versucht Polen, dem als autonome Danziger Staatsbehörde verwalteten Zolldienst auf dem Gebiet der Freien Stadt allmählich den Charakter einer paritätischen Danzig-polnischen Institution zu verleihen. Auch hier wieder das gleiche, immer wiederkehrende Prinzip: Systematische Aushöhlung der Rechtsgrundlage zwecks Ausdehnung des polnischen Einflusses.

Nun ist es durch wiederholte Vorkommnisse besonders in der letzten Zeit zweifelsfrei erwiesen, daß diese "Zollinspektoren", die besonders gern an die Grenzstationen zwischen Danzig und dem Deutschen Reich geschickt werden, ganz andere als zolltechnische Aufgaben für den polnischen Staat auf Danziger Boden zu versehen haben, nämlich militärische. Sie tragen nicht etwa, wie die entsprechenden Beamten in Polen selbst, die Uniform der Zoll- und Finanzbeamten sondern die Uniform des polnischen "Grenzschutzkorps", das der Aufsicht des Kriegsministeriums untersteht und rein militärische Aufgaben erfüllt. Es hat sich denn auch immer wieder gezeigt, daß diese Beamten von Zollfragen so gut wie gar keine Ahnung haben, dagegen ein auffälliges Interesse für Dinge beweisen, die von militärischer Bedeutung sein könnten. Seit langer Zeit und besonders im Jahre 1939 wurden wiederholt Fälle beobachtet, für die das Wort "Spionage" die einzig richtige Bezeichnung ist.

Ein ganz besonderes Kapitel war die Entwicklung der Tätigkeit innerhalb der polnischen Volksgruppe in Danzig. Bekanntlich ist diese mit 3,4 v.H. der Bevölkerung eine Minderheit von absoluter zahlenmäßiger Bedeutungslosigkeit. Nachdem Polen mit seiner während des Krieges verbreiteten Propagandalüge, daß Danzig eine polnische Mehrheit [200] habe, keinen Erfolg gehabt hatte, wollte es wenigstens nachträglich diesen Zustand erreichen. Dazu bediente es sich der verschiedensten Mittel, wovon einige, wie die der wirtschaftlichen Verdrängung der Danziger deutschen Bevölkerung durch polnische Elemente, die Schaffung von aufgeblähten Beamtenkörpern bei Eisenbahn und Post und anderes mehr, bereits erwähnt wurden. Alle diese Maßnahmen fanden jedoch darin ihre Grenze, daß das landfremde, zugewanderte Element in Danzig nicht eingebürgert werden konnte und seine polnische Staatsangehörigkeit behalten mußte. In den polnischen Vorschlägen zum Pariser Vertrag von 1920 war daher bereits die Forderung enthalten, daß die in der Freien Stadt ansässigen polnischen Staatsbürger dort auch die politischen Rechte der Danziger Staatsbürger genießen sollten und umgekehrt, was praktisch eine Aufhebung oder wenigstens eine Entwertung der besonderen Danziger Staatsangehörigkeit bedeutet hätte. Auch in dieser Frage wieder hat Polen nicht geruht, über die Vertragsgrundlagen, in denen die polnische Forderung nicht erfüllt worden war, hinauszugelangen. Im Jahre 1930 richtete der damalige diplomatische Vertreter Polens in Danzig, der oft zitierte Minister Strasburger, einen Klageantrag zum Minderheitenschutz in Danzig an den Völkerbund. Dort verlangte Polen dieselben Vorteile und Vorrechte, deren sich die Bevölkerung erfreue, "die heute die nationale Mehrheit in Danzig bilde". Dieses Wörtlein "heute" war außerordentlich vielsagend! Es sollte doch offenbar nichts anderes
Ehrenbürger
Am 20. April 1939, dem 50. Geburtstag des Führers, überreichte Gauleiter Albert Forster Adolf Hitler den Ehrenbürgerbrief der deutschen Stadt Danzig.
bedeuten, als daß die heutige nationale Mehrheit Danzigs, die eine deutsche ist, künftig durch eine andere, nämlich eine polnische, ersetzt werden würde. Als interessante Tatsache sei nebenbei erwähnt, daß der polnische Außenminister Beck am 5. Mai 1939 dieselbe Formulierung gebrauchte, indem er sagte: "Die Bevölkerung Danzigs ist heute in ihrer überwiegenden Mehrheit deutsch."

Die geringfügige polnische Minderheit war eine allzu schmale Basis für die Forderung nach einer erweiterten Rechtsgrundlage. So mußte denn die Propaganda die Wirklichkeit ersetzen. Von den rund 12.000 Polen mit Danziger Staatsangehörigkeit sind nur 7.562 in der Danziger Organisation der polnischen Volksgruppe "Gmina Polska-Polenverband" organisiert. Die übrigen 3.937 Mitglieder dieses Verbandes sind keine Danziger Staatsangehörige. Wenn man diese Zahl von 7.562 mit der Gesamteinwohnerzahl Danzigs von 407.517 vergleicht, so erkennt man, daß an sich von einem polnischen Minderheitenproblem in Danzig nicht einmal gesprochen werden kann. Trotzdem ist unter der Ägide der diplomatischen Vertretung Polens in Danzig ein System von Vereinen und Verbänden aufgezogen worden, deren Zahl in keinem Verhältnis zu den genannten Kopfzahlen der Minderheit steht und nur dadurch zu erklären ist, daß jeder polnische Minderheitsangehörige mehreren Organisationen gleichzeitig angehört. Dieses System dient dazu, durch die Addierung von Mitgliederzahlen, durch konsequente Entsendung von Delegationen zu allen möglichen Veranstaltungen und Kongressen, vor allen Dingen aber durch unzählige Pressemeldungen über an sich bedeutungslose Veranstaltungen dieser Vereine, deren Mitglieder meist polnische Staatsangehörige sind, vor dem polnischen Volk und im Ausland den Eindruck einer starken polnischen "Bevölkerung" in Danzig zu erwecken. Die Propaganda nach innen und nach außen ist denn auch nach eigenem Eingeständnis das Haupttätigkeitsgebiet der polnischen Dachorganisation in Danzig. Auf diesem fiktiven Hintergrund mußten natürlich die konsequent wiederholten Beschwerden und die alarmierenden Nachrichten über eine angebliche Benachteiligung und Unterdrückung der polnischen "Bevölkerung" in Danzig eine ganz andere Wirkung haben. Die polnischen Beschwerden in der Frage des Minderheitenschutzes stellen den größten Teil der von 1920 bis 1933 vor die Völkerbundsinstanzen gebrachten Streitfragen dar!

[201] Im Jahre 1933 nun haben die Polen ganz besonders günstige Bedingungen für diese ihre "Volkstumsarbeit" gewonnen. Die nationalsozialistische Regierung hatte in dem stolzen Gefühl der nationalen Geschlossenheit des Deutschtums der Danziger Bevölkerung mit Polen am 18. September 1933 ein Minderheitenabkommen abgeschlossen, das gewissermaßen eine besondere Danziger Zusatzleistung zu dem von Polen bekanntlich nicht eingehaltenen Hafenabkommen von 1933 darstellte. In diesem Minderheitenabkommen räumte die Danziger Regierung ihren Staatsangehörigen polnischer Nationalität eine Rechtsstellung ein, wie sie keine nationale Minderheit in der ganzen Welt besitzt. Einige Formulierungen in diesem Vertrage werden polnischerseits in einer Weise interpretiert, die praktisch auf eine völlige Gleichstellung der Polen mit Danziger und der Polen mit polnischer Staatsangehörigkeit hinausläuft und eine Eximierung dieser Personen von allen denjeniger Danziger Grenzen und Verordnungen bedeuten würde, die von ihnen als unbequem empfunden und deshalb als mit den polnischen Anschauungen angeblich nicht vereinbar bezeichnet werden. Auf Grund dieses Abkommens konnte ferner ein großzügiger Ausbau des polnischen Schulwesens auf Danziger Gebiet erfolgen, über dessen Entwicklung polnische Veröffentlichungen mit großem Stolz berichten.

Es konnte keineswegs überraschen, daß Polen sich nicht darauf beschränkte, in diesem großzügigen Rahmen seinen völkischen Besitzstand in Danzig zu wahren, sondern in diesen Vorteilen eine neue Basis zu Polonisierungsvorstößen erblickte. Es liegen zahlreiche Beweise dafür vor, daß Polen immer wieder versuchte, mit materiellen Versprechungen und Androhungen wirtschaftlicher Repressalien gegen Personen, die von polnischen Instituten und Firmen abhängig sind, in deutsche Familien einzudringen und deren Kinder für die polnische Schule einzufangen. Protestiert Danzig dagegen, so gibt man die zynische Antwort, es handele sich nicht um unerlaubte Entnationalisierungsversuche sondern nur um eine Rückführung, "Repolonisierung", gewaltsam germanisierter Elemente. Wird von Danzig wirksamer Widerstand gegen diese Methoden geleistet, so ertönt in Presse und Rundfunk ein Geschrei von angeblicher "Unterdrückung des Polentums in Danzig", das gewöhnlich empfindliche Repressalien gegen das Deutschtum im Korridor zur Folge hat. Diese Minderheitenfragen, die meist außerordentlich geringfügigen Charakters waren, sind im Laufe der sechs sogenannten "Verständigungsjahre" von den Polen systematisch mit allen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Problemen verquickt worden, die zwischen Danzig und Polen zur Debatte standen. Sie haben die Danziger Regierungsstellen notgedrungen unverhältnismäßig stark beschäftigt und oft genug verhindert, daß überhaupt praktische Ergebnisse auf den einzelnen Sachgebieten erzielt werden konnten.

Es lag nicht in der Art der nationalsozialistischen Führung, sich im Jahre 1933 mit der Hoffnung auf die Früchte der Verständigung mit Polen für die Danziger Wirtschaft zufrieden zu geben beziehungsweise sich auf rein konservierende Maßnahmen zur Erhaltung des nationalen Besitzstandes zu beschränken. Auf allen Gebieten des staatlichen und völkischen Lebens setzte daher eine lebhafte Initiative ein. Von der allgemeinen weltanschaulichen und politischen Angleichung an das Deutsche Reich wurde bereits gesprochen. Darüber hinaus jedoch war die nationalsozialistische Führung Danzigs von dem Ehrgeiz beseelt, auch auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet trotz allen Schwierigkeiten den deutschen Aufstieg wenigstens annähernd mitzumachen. Mit größter Energie ging die Danziger Regierung daran, die Not der Wirtschaft aus eigenen Kräften zu überwinden, die Verluste auf dem Gebiet des Handels wettzumachen durch eine Binnenmarktordnung, durch Arbeitsbeschaffung, durch Ankurbelung der mittleren und kleineren Industrien, durch Förderung des Handwerks und die nach Durchführung einer umfassenden Entschuldung herbeigeführte Lebensfähigkeit der Landwirtschaft durch die mannig- [202] fachsten Maßnahmen aufrechtzuerhalten. Alles in allem ein Aufbauwerk, das nur durch die Geschlossenheit der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft möglich war. Mit berechtigtem Erstaunen nimmt man angesichts der unleugbaren Erfolge dieser Bemühungen Kenntnis von den Schlußfolgerungen, die man in England daraus gezogen hat. Diese lauten: Danzig biete ja den Eindruck einer völlig deutschen Stadt, in der die Bevölkerung die uneingeschränkte Möglichkeit zur Befriedigung ihrer völkischen, ideellen und parteilichen Bedürfnisse besitze. Sogar die Arbeitslosigkeit sei beseitigt, die Menschen seien zwar nicht übermäßig wohlhabend, machten aber einen gutgekleideten und wohlernährten Eindruck. Wenn sich also Danzig schon heute in keiner Weise von irgendeiner anderen Stadt des nationalsozialistischen Deutschen Reiches unterscheide, wozu wolle man dann überhaupt die polnischen Interessen schädigen durch eine Loslösung des "einzigen Zugangs" Polens zu Ostsee aus dem polnischen Wirtschaftsgebiet usw. usw. Darauf kann es nur eine Antwort geben: Wenn heute in Danzig niemand ohne Arbeit herumlungert, wie in anderen Kulturländern, wenn niemand hungert und friert, Anstand und Sauberkeit und geordnete Verhältnisse herrschen, wenn nicht zuletzt auch auf kulturellem Gebiet der gleiche Aufschwung zu verzeichnen ist wie im Deutschen Reich, so ist das nicht infolge sondern trotz der Zugehörigkeit Danzigs zum polnischen Wirtschaftsgebiet möglich gewesen, weil deutsche Tüchtigkeit eben die Nachteile selbst eines solchen Zustandes zu überwinden vermag. Es wäre einfach unfair und verlogen, wenn man diese Leistungen nun zum Nachteil der tüchtigen deutschen Danziger ausschlachten wollte, anstatt sie durch eine gerechte Lösung zu belohnen.




 
Der letzte Abschnitt hat begonnen!

Frei ist die Saar
In engster Schicksalsverbundenheit feiert Danzig mit dem Reich die Festtage der Nation. Im Bewußtsein seiner eigenen Zukunft gedenkt es des deutschen Sieges in der Saarabstimmung am 13. Januar 1935 und der Heimkehr des Saarlandes zum Reich. Es erlebt mit allen Deutschen in stolzer Dankbarkeit die Heimkehr der Ostmark und des Sudetenlandes, der alten Reichsländer Böhmen und Mähren und des Memellandes ins Großdeutsche Reich.
Wenn man die beiden Abschnitte des Danziger Schicksalsweges seit Versailles, das heißt die Zeit von 1928 bis 1933 und die letzten Jahre von 1933 bis 1939 einmal in dieser Zusammenfassung überblickt, so wird klar, daß Polen von vornherein die Tendenz hatte, den status quo in Danzig nicht zu achten sondern die vertragliche Lösung durch eine endgültige Einkassierung der "Freien Stadt" zu ersetzen. Man muß ferner feststellen, daß die deutsche Politik des Entgegenkommens polnischerseits nur mit einer Änderung der Taktik, nicht aber der Grundsätze beantwortet worden ist. Wenn später einmal die Archive geöffnet werden, wird sich erweisen, daß außer den in den normalen Verhandlungen liegenden Chancen auch sonst von deutscher Seite oft genug ausdrücklich die Möglichkeiten aufgezeigt worden sind, zu einem gentleman['s] agreement in der Danziger Frage zu kommen, was das Stadium der provisorischen Versuche beendigen und zu einer endgültigen Klärung der Situation überleiten sollte. Polen ist darauf nicht eingegangen sondern hat die praktischen Ausgleichsversuche, die von deutscher und Danziger Seite trotz allen üblen Erfahrungen seit 1933 immer wieder unternommen worden sind, stets zur einseitigen Ausweitung seiner Rechte und Vorteile mißbraucht. Da also auf dem organischen, evolutionären Wege keine vernünftige Endlösung zu erzielen war, erfolgte der Vorschlag zu einer klaren und radikalen Lösung der Danziger Frage, wie ihn der Führer in seiner Rede vom 28. April 1939 erwähnte.

Der Führer ging dabei von der Feststellung aus, daß "die eigenartige Festlegung des Korridors Polens zum Meer" "die schwerste Wunde" gewesen ist,
Wir wollen heim ins Reich!
Treuekundgebung der Danziger Bevölkerung zum Reich am 17. Juni 1939.
die Deutschland in Versailles zugefügt wurde und "das allerschmerzlichste Problem" Deutschlands genannt werden muß. Der Führer stellte ferner fest, "Danzig ist eine deutsche Stadt, und sie will zu Deutschland!" Angesichts dieser allgemeinen Voraussetzungen und der Kette von polnischen Vertrauensbrüchen, die den Weg der deutsch-polnischen Ausgleichspolitik seit 1933 säumten, [203] mußte das "einmalige" Angebot des Führers, das unter anderem die Rückkehr Danzigs "als Freistaat" zum Reich vorsah, wobei Polen "sämtliche wirtschaftlichen Rechte" in Danzig behalten und noch dazu einen Freihafen "beliebiger Größe und bei vollständig freiem Zugang" in Danzig bekommen sollte, als ein Beweis äußerster Mäßigung angesehen werden. Polen hat auch diesmal abgelehnt. Damit hat der letzte Abschnitt der Geschichte der "Freien Stadt" begonnen.

Auch die Polen scheinen dies begriffen zu haben und einzusehen, daß die Zeit der Kompromisse vorüber ist. Sie geben sich daher auch gar keine Mühe mehr, die wahren Absichten der polnischen Politik gegenüber Danzig zu verbergen. Ganz offen fordern Regierungsanhänger und Oppositionelle die Verbreiterung des polnischen Meereszuganges nach Westen und nach Osten durch den Erwerb Pommerns und Ostpreußens und darüber hinaus die Errichtung der polnischen Vorherrschaft in der Ostsee und im mitteleuropäischen Raum. So hat zum Beispiel der Stabschef des polnischen Regierungslagers Oberst Wenda erklärt, Polen, das niemals eine Verringerung seiner Rechte in Danzig zulassen werde, habe nicht nur etwas zu verteidigen sondern sogar noch einiges zu erobern. Damit wird erneut die Anschauung bestätigt, daß der Besitz des Korridors und die erstrebte Annexion Danzigs von Polen stets nur als eine Ausgangsstellung zur Erreichung imperialistischer Ziele gedacht worden ist. Die groteske Form allerdings, in der diese Bestätigung heute erfolgt, läßt auf einen bedenklichen Verfall des Selbstvertrauens und der Nervenverfassung in Polen schließen. "Nerven sind Nerven, und ein Entschluß ist ein Entschluß", dieser einst mit Bezug auf die deutsch-polnische Verständigung getane Ausspruch des polnischen Außenministers Beck dürfte die heutige Situation Polens und Deutschlands in der Danziger Frage am besten charakterisieren. Der Würfel ist gefallen!


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