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Zusammenfassung

Es bleibt noch übrig, das vorstehend Gesagte kurz zusammenzufassen und den Schluß daraus zu ziehen. Es ist folgendes festgestellt worden:

Die Alliierten haben die vereinbarte Friedensgrundlage nicht innegehalten, sondern entgegen Punkt 5 Wilsons die deutschen Kolonien ohne jede Anhörung Deutschlands und ohne Berücksichtigung der Interessen der Eingeborenen nach machtpolitischen Gesichtspunkten, zum Teil auf Grund während des Krieges geschlossener [101] Geheimverträge, untereinander verteilt. Sie haben vorgespiegelt, daß moralische Gründe für die Enteignung deutschen Kolonialbesitzes maßgebend gewesen seien, indem sie die Behauptung aufstellten, Deutschland habe sich als unfähig und unwürdig zum Kolonisieren gezeigt und sei darauf ausgegangen, Stützpunkte zur Bedrohung anderer Nationen zu schaffen.

Die Beschuldigungen sind widerlegt worden. Es ist nachgewiesen, daß die Ziele deutscher Kolonialpolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung der Kolonien und die Erhaltung und kulturelle Hebung der Eingeborenen gerichtet waren; daß militärische Stützpunkte in den Kolonien weder vorhanden waren, noch geschaffen werden sollten; daß nur kleine, zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe in den Kolonien selbst bestimmte Truppen vorhanden waren; daß der Krieg in die Kolonien nicht von Deutschland, sondern von seinen Gegnern, für einen Teil jener Gebiete unter Mißachtung der Kongo-Akte, hineingetragen worden ist; daß schließlich in deutschen Kolonien von einer Militarisierung der Eingeborenen, wie sie in den französischen Kolonien stattfindet, nicht die Rede sein konnte. Es ist weiter nachgewiesen, daß die Beschuldigungen der üblen Verwaltungsmethoden, der grausamen Unterdrückung der Eingeborenen, der mangelhaften Rechtspflege, der schlechten Behandlung der Häuptlinge, der Entvölkerung der Kolonien durch Zwangsarbeit unbegründet sind; daß zwar, wie in den Kolonien aller anderen Länder, auch in den deutschen Schutzgebieten Fehler gemacht sowie Fälle von Übeltaten einzelner Weißer gegen Eingeborene vorgekommen sind, daß aber die deutsche Kolonialverwaltung in ehrlicher und erfolgreicher Arbeit bemüht gewesen ist, Mängel und Mißstände zu beseitigen. Es ist weiter dargelegt, daß Deutschland bedeutende kulturelle Leistungen für seine Kolonien und ganz besonders für die Eingeborenenbevölkerung vollbracht hat und daß die Mandatsverwaltungen nicht imstande gewesen sind, das Vorhandene zu erhalten, geschweige denn eine Weiterentwicklung besonders auf dem Gebiete der Fürsorge für die Eingeborenen eintreten zu lassen; daß die Eingeborenen zu keiner Zeit die Beseitigung der deutschen Herrschaft gewünscht haben, sondern im Gegenteil deren Wiederkehr ersehnen.

Welche Folgerungen ergeben sich aus diesen Tatsachen? Die Wegnahme der deutschen Kolonien ist begründet auf die Behauptung von Deutschlands Versagen in der kolonialen Zivilisation und von seinem aggressiven kolonialen Imperialismus. Diese Behauptung ist mit allem, was drum und dran hängt, als Lüge erwiesen worden. Damit fällt die Grundlage fort, auf der die Alliierten den auf die Kolonien bezüglichen Teil des Versailler Friedens aufgebaut haben. Es fallen auch die Gründe weg, mit denen die Alliierten Deutschland und der Welt gegenüber ihr Verfahren betreffend die deutschen [102] Kolonien gerechtfertigt haben. Es ergibt sich daraus die Forderung nach Rückgabe der deutschen Kolonien an Deutschland.

In manchen englischen Besprechungen meines Buches ist kritisiert worden, daß ich keine positiven Vorschläge zu machen habe, die zu einer Lösung der kolonialen Frage geeignet seien. Aber was für Vorschläge sollte man machen, als daß unser Eigentum uns zurückgegeben wird? Welche sonstigen Vorschläge erwartet man von Seiten der Alliierten? Wo sind sonst Kolonien zu vergeben, wenn man uns unsere eigenen Kolonien vorenthält? Im übrigen gelüstet es uns nicht nach dem Besitz anderer. Wir fordern nur das, was uns gehört. Die Verwaltung unseres Eigentums zu treuen Händen ist nicht mehr nötig. Sie sollte aufhören. Wenn die koloniale Schuldlüge nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, so heißt das, daß wir fähig sind, unsere Kolonien selbst zu verwalten. Also, meine positiven Vorschläge lauten: Gebt uns unsere Kolonien zurück! Sofern Ihr mit der Gleichberechtigung Deutschlands im Völkerbund und mit dem Mandatssystem Ernst machen wollt, so übertragt uns die Kolonialmandate über unsere Kolonien!

Es handelt sich bei der Forderung auf Rückgabe der deutschen Kolonien um eine Lebensnotwendigkeit für Deutschland, dessen zu schmale Bodengrundlage zur Erhaltung seiner Bevölkerung nicht ausreicht. Die Tatsache, daß das beständig wachsende deutsche Volk in zu engen Grenzen eingeschlossen ist und keinen Auslaß für seine überschüssigen Kräfte besitzt, birgt die Gefahr innerer Konflikte in sich, die unter Umständen auch eine Auswirkung nach außen erlangen können. Es liegt im Interesse der übrigen Nationen Europas, daß dem großen deutschen Volke die notwendige Erweiterung seiner Bodengrundlage und der jetzt fehlende Auslaß durch Rückgewährung überseeischen Besitzes zuteil wird.

An dieser Angelegenheit hat schließlich die ganze Menschheit Interesse. Sollen die Eingeborenen jener großen Kolonialgebiete weiter darunter leiden, daß sie in ihrer überwiegenden Zahl Nationen zugeteilt sind, die ohnehin mit größeren kolonialen Aufgaben belastet sind, als sie mit ihren verfügbaren Kräften bewältigen können? Sollen sie weiter der Zunahme der Seuchen und der Vermehrung der Krankheiten ausgesetzt bleiben, für deren Bekämpfung in den Mandatsgebieten Engländer, Franzosen und Belgier das erforderliche ärztliche Personal nicht aufbringen können? Soll das große deutsche Kulturvolk, das gerade auf dem Gebiet der Gesundheitspflege wie des Schulunterrichts und der wirtschaftlichen Unterweisung der Eingeborenen selbst von den Alliierten anerkannte Leistungen vollbracht hat, welches über eine Fülle wissenschaftlichen Wissens und Könnens, über eine große Zahl besonders für die Tropen vorgebildeter Ärzte, ausgezeichneter Missionare und erprobter Lehrer für den Einge- [103] borenenunterricht verfügt, von diesen Kulturaufgaben ausgeschlossen bleiben?

Die Sache geht aber noch unter einem anderen Gesichtspunkt die Menschheit an. Es ist auf dem Grund einer Lüge ein Gebäude aufgebaut worden, das Gebäude der fremden Mandatherrschaft über die deutschen Kolonien. Egoistische Handlungen haben sich fälschlich mit dem Mantel moralischer Tugend umhüllt. Soll immer weiter die Lüge triumphieren? Sollen wir nie aus dieser Atmosphäre von Lug und Trug herauskommen? Es ist eine Forderung der Moral, daß die Wahrheit an die Stelle der Lüge tritt und daß mit dem hohen Ideal der Gerechtigkeit nicht länger ein frevles Spiel getrieben wird. Die Welt kann nur dann wieder zum wirklichen Frieden gelangen, wenn eine gerechte Regelung eintritt. In seiner kolonialen Sache kann Deutschland dem Spruch jedes unparteiischen Gerichtshofes mit Zuversicht entgegensehen. Ein nach Recht und Gerechtigkeit, auf Grund der Tatsachen gefälltes Urteil kann nur dahin lauten: Deutschland ist zu Unrecht beschuldigt worden. Die Rückgabe seiner Kolonien liegt nicht nur im Interesse jener Länder und ihrer Eingeborenenbevölkerung, sie liegt im Interesse der Menschheit.








Die koloniale Schuldlüge.
Dr. Heinrich Schnee
ehemaliger Gouverneur von Deutsch-Ostafrika