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Kurzer Marsch in den Tod
Da kommen am Dienstag, dem 5. September 1939, also mehrere Tage, nachdem
die Truppe von Dr. Weise ihren Marsch begonnen hatte, polnische Truppen
auf dem Rückzug durch das Dorf Neutecklenburg. Es ist immer noch
warmes Wetter, die Stimmung der letzten Sommertage und des beginnenden
Herbstes liegt über den Fluren, auf die durch polnischen
Größenwahn plötzlich die Brandfackel geschleudert ist. Ein
Volksdeutscher, Karl Schmidt, berichtet über das, was er erlebt hat, in
folgenden Worten:
"Die letzte Abteilung dieser Truppen, anscheinend Infanterie, mit Drillich,
Mütze und Karabiner, holte mich mit 14 anderen
Volksdeutschen - im ganzen 9 Frauen und
6 Männer - aus den Häusern und führte uns weg.
Es waren meine Frau, meine Schwiegermutter, mein Schwager und meine
Schwägerin dabei. Unterwegs wurden wir mit Gewehrkolben bedroht,
wenn wir nicht schnell genug gingen. Die Polen riefen uns auch zu: "Euer Hitler
wird euch schon vergehen." Etwa 2 km vom Dorf entfernt wurden wir vor
einen Wassergraben gestellt, mit dem Gesicht zum Graben, es wurden uns Uhren
und Geld abgenommen, dann wurde von rückwärts aus etwa 20 oder
30 m auf uns geschossen. Es wurde am rechten Ende angefangen. Ich stand
am weitesten links und bekam als letzter den Schuß. Die Kugel traf mich in
die rechte Brustseite. Ich blieb bei Bewußtsein, warf mich aber hin und fiel
in den Graben. Es wurden dann alle, die erst nicht im Wasser lagen, in den Graben
geworfen. Die meisten schrien dabei. Es wurde dann nochmals auf sie geschossen.
Mein Schwager wurde auf mich geworfen, ich konnte aber meinen Kopf
über Wasser halten.
Die Polen zogen ab. Nach einer halben Stunde wagte ich aus dem Graben zu
kriechen. Es war alles still, nur zwei Hunde, die mit erschossen wurden, heulten
noch. Sonst gab niemand ein Lebenszeichen. Ich habe mich dann 30 m vom
Graben weggeschleppt. Da kamen zwei Polen, anscheinend aus dem Dorf
Grünhof, ich glaubte sie an der Stimme zu erkennen, und rührten in
dem Wasser, in dem die Toten lagen, herum. Als die beiden weg waren, schleppte
ich [23] mich noch 150 m weiter.
Dort wurde ich durch Rufen und Stöhnen gefunden und zu einem
Deutschen des Ortes gebracht. Nach zwei Tagen kam ich in meine Wohnung und
fünf Tage nach der Verwundung ins Krankenhaus Wreschen in
ärztliche Behandlung. Es waren unterdessen die deutschen Truppen
eingerückt. Die Verstümmelung der Leichen ist wahrscheinlich am
nächsten Morgen vor dem Verscharren gemacht worden."
Hier handelt es sich also um keinen großen, tagelangen Marsch, sondern um
eine kleine Strecke von zwei Kilometern. Aber wieviel Spannung und Grauen ist
in diesen kurzen Marsch zusammengedrängt! Noch einmal sahen diese
Menschen über das Land, das sie liebten, noch einmal sahen sie zu dem
weiten Himmel auf, der sich über der Ebene wölbt. Jahre und
jahrzehntelang haben sie dieses Land betreut, gepflügt, geerntet, verbessert,
wobei ihnen die Polen in keiner Weise behilflich waren; sie ließen ja alles
verkommen. Nun sollte diese Welt für immer vor den der Ausrottung
Anheimgefallenen verschwinden. Aber es war ja immer noch eine leise Hoffnung,
zu entkommen. Deutsche Truppen konnten eintreffen oder irgendwelche
Vorgänge unter den polnischen Soldaten konnten bewirken, daß sie
von ihrem Vorhaben abstanden. Ja, vielleicht konnte sogar ein menschliches
Rühren in diesen herzlosen Menschen auftauchen, irgendwoher, ohne
Begründung inmitten dieser von Launen und Grausamkeit getriebenen
Soldateska. So kam es ja in einigen, verzweifelt wenigen Fällen vor.
Dadurch wurde die schmerzliche Spannung nur erhöht. Der Psychiater, der
das Seelenleben der Menschen erforscht, wird hier reiche Ausbeute finden und
seine Erkenntnisse vom Verlauf seelischer Spannungen und von der Grenze
zwischen Gesundem und Krankhaftem vertiefen.
Auch dieser Bericht bringt uns vom ärztlichen Standpunkte
Aufschlüsse. Das Verhandlungsprotokoll, datiert vom 27. September
1939 in Wreschen, ist von Oberstabsarzt Dr. Zeiher und Assistenzarzt
Dr. Gutwinski unterzeichnet. Zwei Ärzte übernehmen also die
Verantwortung für die Glaubwürdigkeit des Vorganges, insbesondere
nach der medizinischen Seite. Dieser Volksdeutsche ist gerettet worden, wenn
sich auch natürlich erst nach längerer Zeit entscheiden kann, welche
dauernden gesundheitlichen Schaden er davongetragen hat. Wieviele aber sind
nicht gerettet worden? Dann traten in mehreren Hunderten von Fällen die
pathologischen Anatomen ihr düsteres Amt an.
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