Teil 3: Als Segelfliegerin auf Auslandsexpedition Als Deutschland aufgrund des Versailler Diktats das Motorfliegen verboten worden war, entdeckte Oskar Ursinus, mit der Sehnsucht zum Fliegen im Herzen, die Rhön als ein ideales Segelfluggebiet. Auf der Wasserkuppe treffen sich junge Segelflieger Sommer für Sommer. Mit hohem Idealismus bringen sie Opfer an Zeit und Geld. Fliegen ist ihnen wichtiger als ihre Karriere, und manch einer findet bei den ersten halsbrecherischen Flügen den Tod. Im Sommer 1933 nimmt Hanna zum ersten Mal am Rhönwettbewerb teil. Ihr "Grunau-Baby" ist keine Konkurrenz für die Leistungsmaschinen der anderen Wettbewerber. Auch das Gelände ist ihr unbekannt. Ihre Flüge auf der Wasserkuppe werden zu einer einzigen Pechsträhne. Bei der Preisverteilung ist sie mit am Schwanz, und zum großen Gelächter aller schenkt die Preiskommission ihr - eine Küchenwaage und einen Fleischwolf! Trotzdem endet ihr Rhönerlebnis auf einer positiven Note. Der "Segelflugprofessor" Georgii fragt sie nach der Preisverteilung, ob sie an seiner geplanten Südamerikaexpedition teilnehmen wolle. Der Professor und Oskar Ursinus waren von Hannas Durchhaltevermögen beeindruckt. Obwohl dauernd 'abgesoffen', war sie doch immer wieder gestartet. Und "nicht der Sieg, sondern der Geist entscheidet beim Segelfliegen." Für die Südamerikafahrt muß sie aus eigener Tasche 3.000 RM beisteuern. Sie greift daher auf ein früheres Angebot der UFA zurück, als 'double' bei einem Segelfliegerfilm mitzuwirken. Die Aufnahmen sollen in Rossitten gemacht werden. Eine Anfängerin darstellend, findet sie ihre Rolle einfach herrlich. Denn hier darf sie einen Bruch nach dem andern machen, was sie sich sonst nie hätte erlauben dürfen. Darüber hinaus kann sie ihre Freizeit für private Flüge benutzen. Und welch eine Gelegenheit! Einmal bleibt sie dabei 9, ein andermal 11 Stunden und 20 Minuten in der Luft. Zwei neue Frauenweltrekorde! Am 3. Januar 1934 startet die Expedition von Hamburg aus. Professor Georgii hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Aufwindverhältnisse in Südamerika zu erforschen. Daneben fällt der Expedition, ohne daß es im Programm steht, eine andere wesentliche Aufgabe zu: Die Herzen der Menschen in den angesteuerten Ländern für den Segelflug und für Deutschland zu gewinnen. Die deutschen Flieger und ihre Leistungen finden bei den temperamentvollen Südländern eine wahrhaft überwältigende Anteilnahme. Am meisten interessiert sich das Publikum für Kunstflüge. Obwohl es Hanna nicht liegt, mit dieser Kunst zu glänzen, fügt sie sich der Rolle, ihre Loopings und Wendungen zum Entzücken der Zuschauer vorzuführen. Über Sao Paulo gibt es um Haaresbreite ein Fiasko. Sie hatte sich zu früh ausgeklinkt. Zu ihrem Entsetzen gerät sie in einen Abwind, der sie dicht auf das unter ihr liegende Häusermeer mit seinen von Menschen und vom Verkehr wimmelnden Straßen herunterdrückt. Als sie schon Tote und Verletzte bei einer Straßenlandung befürchtet, entdeckt sie im letzten Moment ein Sportfeld. Aber auf diesem Feld ist gerade ein Fußballspiel in vollem Gange. Statt der anrauschenden Maschine aus dem Wege zu springen, halten Spieler und Zuschauer ihren Tiefflug für eine kontrollierte Schau. Begeistert winken sie ihr zu. Schweißtriefend vor Schreck reißt sie das Fenster auf. Aus voller Kehle brüllt sie ihr "cuidado, cuidado", und in jähem Begreifen werfen die Spieler sich im letzten Augenblick auf die Erde. Mit klopfendem Herzen kann sie ihren Segler aufsetzen. Auch die argentinische Regierung läßt der Expedition jede erdenkliche Hilfe zukommen. Auch hier ist die Begeisterung ungeheuer, besonders als Wolf Hirth mit 76 Loopings einen neuen Rekord aufstellt. "Alemana" rufen Kinder und Erwachsene bewundernd, als sie sich die Segelflugzeuge, in denen manch einer einen versteckten Motor vermutete, nachher anschauen: "Die Deutschen können alles!" Südamerika hat Hannas Wunsch noch verstärkt, ihr Leben der Fliegerei zu widmen. Auf der Heimreise steht sie, diesem Gedanken nachhängend, mit Prof. Georgii an der Reling. Sie fällt aus allen Wolken, als sie ihn plötzlich sagen hört: "Jetzt lassen wir Sie aber nicht mehr los. Sie gehören zu uns nach Darmstadt an die Forschungsanstalt." Bis Mai 1945 gehörte Hanna Reitsch dieser Anstalt an. Außerhalb ihrer offiziellen Aufgaben gelingt ihr in den ersten Wochen ihres Darmstadtaufenthalts noch ein Streckenflug von Griesheim nach Reutlingen. Mit 160 km ein neuer Frauenweltrekord! Ein knappes Vierteljahr später erläßt die finnische Regierung eine Einladung an deutsche Segelflieger, um das finnische Volk mit dem Segelflug vertraut zu machen. Die Expedition wird von Graf Ysenburg geleitet. Neben anderen prominenten Segelfliegern gehört auch Hanna Reitsch zu den Eingeladenen. Hanna und ihre Kameraden sind zutiefst beeindruckt von der unendlichen Weite der finnischen Landschaft mit seinen dunklen Wäldern und den unzähligen Seen. Und ebenso vom finnischen Volk. "Schweigsam, stolz, wahrhaftig und gewissenhaft, vor allem aber gesund", beschreibt sie diese Menschen. Ihre Schüler sind Zivilisten und Soldaten. Hanna widmet sich ihrer Aufgabe mit ihrem üblichen Enthusiasmus und Pflichtbewußtsein. Jede freie Stunde steht sie außerhalb der Lehrzeiten ihren Schülern zur Verfügung. In Finnland verläuft alles glatt. In der ganzen Zeit kein Unfall, kein Absturz! Vom Luftfahrtministerium wird Hanna eine Auszeichnung angetragen. Doch auf Dekorationen legt sie keinen besonderen Wert. Statt dessen erbittet sie sich die Teilnahme an der Verkehrsfliegerschule in Stettin, um auch das Fliegen mit großen Maschinen zu erlernen. Die Schule für Verkehrsflieger wird straff männlich, fast militärisch geführt. Einem Mädchen scheinen hier wenig Chancen offenzustehen. Die Ordnung ist in der Tat so stramm soldatisch, daß Hanna bei jedem Schritt Angst hat, alles falsch zu machen. Und genau das tut sie auch. Es gibt Anpfiffe, es gibt sogar Strafexerzieren. Sie hat den Eindruck, daß man einen Grund sucht, sie nach Hause zu schicken. Mehr aus Schalk als aus Böswilligkeit hecken Offiziere wie Mannschaften ständig etwas aus, um sie irgendwie reinzulegen. Doch sie nimmt nichts übel und zeigt ihr stets gleichbleibendes Gemüt. So kommt sie letzten Endes gut mit ihren Fliegerkameraden aus. Die spartanisch strenge Disziplin in diesem Betrieb hatte auch durch die Anwesenheit einer jungen Frau nicht gelitten. Alle merken, daß sie sich mit dem gleichen Ernst und der gleichen Hingabe dem Fliegen verschrieben hat wie sie. Vor Abschluß des Lehrgangs hat sie noch ein ebenso peinliches wie belustigendes Erlebnis. Nach einem Kunstflug mit ihrem Fluglehrer im Doppeldecker 'Stieglitz' fordert er sie auf, es anschließend allein zu versuchen. Glücklich über dieses Vertrauen tollt sie sich in allen erdenklichen Kapriolen: Loopings, Turns, Rollen nach Herzenslust. Sturzflug, dann wieder steil nach oben, bis es ihr plötzlich schlecht wird. Auf gar keinen Fall will sie die Maschine verschmutzen. Die Sticheleien ihrer Kameraden hätten kein Ende gefunden. In ihrer Verzweiflung nimmt sie erst ihren linken, dann als der Brechreiz unvermindert anhält, auch den rechten Handschuh als 'Abfalltüte' zu Hilfe. Rauswerfen kann sie die fatalen Dinger nicht. Ein Finder hätte sie garantiert als die ihren erkannt. Kurz entschlossen steckt sie sie in ihre Manteltaschen. Nach der Landung geht sie frisch und unbekümmert und nun wieder mit Appetit zum Kasino, wo Berge von Kuchen auf sie warten. Ihren Mantel hatte sie im Flur aufgehängt. Alle Anwesenden blicken sie erwartungsvoll an. Sie freuen sich schon auf den Spaß, daß sie nach diesem tollen Flug doch noch 'madig' geworden sein muß. Aber Hanna tut, als sei nichts vorgefallen, und langt munter zu. Als der Kommandeur in Begleitung einiger Offiziere den Raum betritt, setzt es einen gehörigen Anpfiff: "Welch ein entsetzlicher Gestank in Flur! Sofort für Beseitigung sorgen!" Stillschweigend macht Hanna sich bei der ersten besten Gelegenheit mit ihrem Mantel aus dem Staube. Erst bei der Abschiedsfeier beichtet sie ihren Kameraden diese Geschichte, die natürlich ein unbeschreibliches Gelächter auslöst. Ihren ersten Nachtflug führt Hanna mit der Motormaschine He 46 aus. Er verläuft ohne Zwischenfälle. Anders geht es bei ihrem Flug über Genf, Lyon, Avignon nach Lissabon zu, wo im Mai 1935 die "Festivas Lisboa" stattfinden. In diese Festspiele soll auch ein internationaler Flugtag und dabei zum ersten Male ein Segelflugzeug eingeschoben werden. Hanna soll Deutschland im Segelflug vertreten. Mit einem Segelfliegerkameraden startet sie in einer kleinen 'Sportklemm'. Deutschland hatte gerade die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt, und die internationale Lage ist gespannt. Hanna ist sich bewußt, daß ein gutes Abschneiden bei den Festspielen und auch ein reibungsloser Anflug durch die Nachbarländer unbedingt wichtig sind. Die deutsche Teilnahme soll zum friedlichen Völkerverständnis und zu internationaler Fliegerkameradschaft beitragen. Doch eine unfreiwillige Zwischenlandung auf einem Militärflughafen in der Nähe von Lyon wird ihr beinahe zum Verhängnis. Trotz strengen Verbotes hatte ihr Fliegerkamerad (seinen Namen verschweigt sie fairerweise) eine Leica in seinem Gepäck mitgeschmuggelt. Sie werden vom französischen Flugplatzkommandanten als Spione angesehen und entsprechend hart behandelt. Erst durch einen deutschfreundlichen jungen Franzosen gelingt es, heimlich mit dem deutschen Konsul in Lyon Verbindung aufzunehmen. "Wir Jungen", sagt der unerwartete Helfer, "verstehen Euch, die Ihr jung seid in Deutschland. Diese da sind alt und blind." In der Nähe von Avignon, wo eine weitere Zwischenlandung stattfindet, sehen sie am Horizont den deutschen Zeppelin auftauchen. "Kein Deutscher, der sein ruhiges majestätisches Dahinziehen in fremdem Land erlebt hat," schreibt Hanna, "wird diesen Anblick vergessen können, auch nicht das Gefühl des Stolzes und Beglücktseins in der Verbundenheit des gemeinsamen Vaterlandes." Die Flugtage in Lissabon werden ein voller Erfolg für Veranstalter, Teilnehmer und Besucher. Von den sich auf den Straßen abspielenden bunten Szenen verdient ein spannungsgeladenes Begebnis festgehalten zu werden. Das Tragen von langen Hosen war in Portugal für Frauen streng verpönt. Als Hanna einmal im Fliegerdress nichtsahnend auf die Straße geht, wird sie plötzlich von zwei "Landsknechten" gestellt und festgenommen. Man führt sie in eine Art Gefängnis und anschließend vor ein Richtertribunal in einem großen Zelt. Zuerst ergreift ihr Verteidiger das Wort. Er hält eine Lobrede auf die berühmte deutsche Fliegerin. Noch immer ist Hanna sich nicht sicher, ob hier Ernst oder Scherz gespielt wird. Dann spricht der Richter. Und jetzt wird ihr klar, daß hier ein Schauspiel abläuft. Der Richter wendet sich nicht allein an Hanna Reitsch. "Sein Lob galt vor allem Deutschland, den deutschen Menschen, die nach einem verlorenen Krieg Tatkraft und Mut zu neuem Aufstieg gefunden hatten. War es ein Wunder, daß ich mich glücklich und stolz fühlte?" Auf seine Aufforderung muß sich dann das Publikum erheben, um das deutsche Volk und Hanna Reitsch als Fliegerin zu begrüßen. Und als sie das Zelt verläßt, wird ihre Hand fast lahm von all dem Drücken und Schütteln.
. Teil 4: Einfliegerin für Zivil- und Militärmaschinen Als Angehörige des von Hans Jacobs geleiteten Instituts für Segelflug findet Hanna sich 1936 in der Rolle des Einfliegers. Wieder einmal war ein Zufall am Werk gewesen. Der für diese Aufgabe vorgesehene Ludwig Hoffmann war durch eine plötzliche schwere Erkrankung verhindert. Hanna fühlt sich zwar auf dem Gebiet der technischen Konstruktion gänzlich unerfahren. Dafür verfügt sie jedoch um so mehr über Fluggefühl und genaue Beobachtungsgabe, ganz zu schweigen von ihrem Interesse und ihrer Begeisterung. Der Einflieger muß ein in seinen Flugeigenschaften und seiner Flugsicherheit noch unbekanntes Flugzeug bis an die äußerste Grenze seiner Leistungs- und Belastungsfähigkeit erproben. Das erfordert begreiflicherweise nicht nur ungewöhnlichen Mut, sondern darüber hinaus ein systematisches Durchspielen aller zu erwartenden Flugmanöver. Dazu ein lückenloses, genaues Aufzeichnen sämtlicher durch Auge, Ohr und Gefühl wahrnehmbarer Reaktionen des Flugzeuges. Die hohe Zahl der oft tödlichen Unfälle redet eine beredte Sprache über den gefahr- und opfervollen Beruf des Einfliegers. In dieser nervenaufreibenden Zeit, als Hanna mehr als einmal ihr Leben in die Schanze schlägt, erhält sie jeden Morgen einen Brief ihrer Mutter. Wie alle Mütter bangt sie um das Leben ihres Kindes, obwohl sie weiß, daß Hanna nicht leichtsinnig ist. Sie möchte aber auch verhindern, daß ihre Tochter durch ihre unbestreitbaren Erfolge der Gefahr der Eitelkeit erliegt. Und noch etwas anderes drückt sie in ihren am späten Abend geschriebenen Briefen aus: Daß jeder Versuchsflug dem Leben anderer und dem Namen Deutschlands dient! Es naht ihre bisher schwerste und gefährlichste Prüfung. Nach anfänglichen hochriskanten Versuchen des Sturzflugs hatte Hans Jacobs zur Stabilisierung der Maschine spezielle Bremsklappen entwickelt. Der nächste Test mit diesen "Bremsen": ein senkrechter Sturz aus 6.000 m Höhe! Kein Mensch wird in solchen Augenblicken frei von Angst und Zweifel sein, ob die Maschine dabei diesem ungeheuren Druck standhalten wird und nicht auseinanderfällt. Hanna bezwingt diesen Anflug von Furcht. Wieder und wieder setzt sie zum Sturz in die Tiefe an. Beim letzten Versuch stürzt sie senkrecht aus einer Höhe von 3.000 m, und erst 200 m über dem Boden fängt sie die Maschine ab und landet. Das Blut hämmert ihr noch in den Schläfen. Diese Versuche mit Sturzflugbremsen werden namentlich für die junge deutsche Luftwaffe von grundlegender Bedeutung. Die neue Erfindung wird Ernst Udet, General v. Greim und anderen Generalen der Luftwaffe auf dem Flugplatz von Darmstadt-Griesheim vorgeführt. Hanna wird nach den gelungenen Vorführungen von Udet zum Flugkapitän ernannt, das erste Mal, daß dieser Titel einer Frau verliehen wird. Nach der triumphalen Überquerung der Alpen von fünf deutschen Segelfliegern, darunter auch Hanna Reitsch in ihrem 'Sperber Junior', wird sie im September 1937 von Ernst Udet an die Flugerprobungsstelle für Militärmaschinen nach Rechlin berufen. Ihr Auftrag ist, mit den neuen Bremsvorrichtungen ausgestattete Kriegsflugzeuge auszuprobieren. Sie ahnt damals noch nicht, daß sie für die folgenden Jahre unauslöslich in die Militärfliegerei einbezogen wird. Die Erprobung von Stukas, Bombern, Jagdmaschinen usw. wird für sie eine patriotische Aufgabe, die sie als größere Ehre empfindet als Titel und Auszeichnungen. Doch auch hier spürt sie zunächst wieder die schlecht verhohlene Ablehnung des 'stärkeren Geschlechts'. Nicht nur wegen ihres überlegenen Könnens, sondern seltsamerweise auch wegen ihres selbstlosen Idealismus. Wer ihr heute vorwerfen möchte, daß sie damit zur 'Vorbereitung eines Angriffskrieges' beitrug, sollte ihre eigenen Worte beherzigen: "Wir jungen Menschen wollten den Frieden, aber den gerechten, der uns leben ließ. Das deutsche Volk wollte ihn, auch wenn es die Welt heute nicht mehr wahrhaben will. Ein Volk, das in der Mitte zwischen anderen Völkern einen engen Wohnraum hat und jetzt, nach den Jahren der Armut und Unsicherheit, wieder Brot sah und einen Aufstieg erlebte und wußte, daß in der Welt stets der Schwache bedroht sein wird, und weil es glaubte, wie alle ein Recht auf Schutz zu haben, sah es in der wehrmässigen Erstarkung ein Erstarken seiner Kraft und die Möglichkeit, den Frieden zu wahren. Welches andere Volk in der Welt hätte dabei nicht berechtigten Stolz empfunden?"... 'Wenn Du den Frieden willst, sei für den Krieg vorbereitet.' "So sah ich sie, ohne daß ich an dieses Wort der Römer gedacht hätte: die Stukas, die Bomber, die Jäger - Wächter vor den Toren des Friedens. Und so flog ich sie, jeden Flug mit dem Gefühl, mit meiner Vorsicht und Zuverlässigkeit jene zu schützen, die nach mir als Piloten in der Kanzel sitzen würden, und daß wiederum jeder einzelne von ihnen allein durch sein Dasein jenes Land schützen würde, das ich eben im Flug unter mir sah: Land mit Äckern und Feldern, mit Bergen und Hügeln, Wäldern und Wassern. Land, das es auf der Erde vielleicht großartiger gab - und doch nur dieses eine für mich, weil es meine Heimat war. War es nicht wert, dafür zu fliegen?" So mußten sich auch in Rechlin jene, denen "Weiber" ein Greuel waren, an ihr Wirken gewöhnen. Leistung imponierte letztlich immer. Bei den exotischen, unter dem Reklamewort KISUAHELI stattfindenden Festlichkeiten im Februar 1938 in Berlin stand auch Hannas Name als letzte Nummer auf den Plakaten: "Hanna Reitsch fliegt den HUBSCHRAUBER." Ihr Auftreten vor diesem grellen Hintergrund, inmitten von allerhand Varieté-Vorstellungen, schien manchem eines Flugkapitäns unwürdig zu sein. Doch es handelte sich dabei - die Idee kam von Udet - um eine sehr ernsthafte Angelegenheit. Weltweit erstmalig sollte nun in der Deutschlandhalle ein "Hubschrauber" vorgeführt werden, und es sollte gezeigt werden, daß diese Lösung von Deutschen gefunden worden war (entwickelt von Professor Focke in Bremen). Nach den ersten, von Karl Franke aus Rechlin und Hanna durchgeführten Versuchsflügen mit dem noch gänzlich unbekannten Hubschrauber stattete der berühmte amerikanische Flieger Charles Lindbergh, bekannt durch seinen wagemutigen Transatlantik-Alleinflug, Deutschland einen Besuch ab. Dieser sympathische, schlicht-natürliche Mann nannte den ihm vorgeführten Hubschrauber sein bisher stärkstes technisch-fliegerisches Erlebnis. Vor ihrem Auftritt treten noch einmal alle Widersacher gegen diese "billige Revue" auf den Plan. Auch Hannas Eltern sind zunächst ehrlich entsetzt, daß ihre Tochter in einem Milieu von Clowns, Fakiren und Seiltänzern erscheinen soll. Aber der Gedanke, durch ihren Flug mit dem Hubschrauber, den Namen DEUTSCHLAND groß auf dem Rumpf, das Ansehen ihres Landes zu heben, läßt sie ihre Abneigung überwinden. "Denn meine Eltern liebten Deutschland mit der Innigkeit von Menschen, die - der Welt gegenüber großzügig in Auffassung und Geist - in der Heimat den Widerhall ihres eigenen Herzens fanden und ihr zugetan waren, wie Kinder es natürlicherweise Vater und Mutter gegenüber sind. Der Dienst an diesem Vaterland war ihnen deshalb eine so hohe Pflicht, daß sie ihn ganz in den Vordergrund stellten. Diese Einstellung gab den Ausschlag."
Die Berliner sind anfangs - nach den Schlagworten der Reklame von "300
Sachen" - vom langsamen Hubschrauber enttäuscht. Doch die Erregung und Bewunderung
aller Fachleute pflanzt sich schließlich auch auf das breite Publikum fort. Zudem gibt es
ein
erfreuliches Echo in der Presse aus aller Welt. "So wurde die Vorführung des
Hubschraubers zuletzt doch noch, was sie hatte werden sollen: Ein Lob deutschen Geistes und
deutscher Technik. Der Flug in der Deutschlandhalle war eine geschichtliche Festlegung des
Anspruchs auf ein Erstrecht."
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