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Nr. 28:

Aufzeichnung der Britischen Botschaft in Paris1
(Übersetzung)
24. Februar 1938

Am 7. Februar übermittelte der Niederländische Gesandte in London dem Foreign Office eine Denkschrift über die Beschränkung des Luftkrieges.2 Nach dem Hinweis auf die in den Artikeln 22 bis 24 des Haager "Juristen-Entwurfes" (1923) enthaltenen Bestimmungen über den Luftkrieg und auf das Memorandum der Deutschen Regierung vom 30. März und 1. April 1935 über das Verbot der Luftbombardierungen gibt diese Denkschrift der Auffassung Ausdruck, daß die Frage der Luftbombardierungen gesondert und außerhalb der damit in Verbindung stehenden Fragen behandelt werden könne, und gibt weiter zu bedenken, daß, da die beiden Weltfriedenskonferenzen im Haag stattgefunden hätten und die Niederlande an den politischen Problemen der Großmächte nicht unmittelbar interessiert seien, die Holländische Regierung besonders berufen sei, eine Initiative in dieser Frage zu ergreifen. Sie sei infolgedessen bereit, sich auf diplomatischem Wege um die Feststellung einer geeigneten Grundlage für weitere Besprechungen zu bemühen, und würde in erster Linie in Aussicht nehmen, sich an die Deutsche Regierung zu wenden, halte es jedoch für wesentlich, vorher die Ansichten der Englischen und der Französischen Regierung über eine solche Initiative kennenzulernen.

Die Denkschrift fügt hinzu, daß die Niederländische Regierung, ohne ein Programm für eine etwaige Konferenz vorschlagen zu wollen, glaubt, daß folgende Punkte in Erwägung gezogen werden könnten:

  1. a) Allgemeines Verbot der Bombardierung der Zivilbevölkerung innerhalb oder außerhalb
        des Kampfgebietes oder der Bombardierung des Privateigentums ohne militärischen
        Charakter;
    b) Verbot der Bombardierungen zum Zwecke der Durchsetzung von Requirierungen oder
        der Entrichtung von Kontributionen.
  2. In welchem Umfange sollten Ausnahmen zu vorstehender Ziffer 1 (a) zulässig sein? Begriffsbestimmung des Kampfgebiets.
  3. Soll die Bombardierung von militärischen Zielen aus der Luft außerhalb3 des Kampfgebiets erlaubt sein? Was ist unter einem militärischen Ziel zu verstehen? [54]
  4. Unbedingtes Verbot des Abwurfes von Giftgas- und Brandbomben.

Der Niederländische Gesandte wurde in Beantwortung seiner Mitteilung am 23. Februar davon verständigt, daß die Regierung Seiner Majestät im Vereinigten Königreich den Wunsch der Niederländischen Regierung, zum Abschluß eines allgemeinen internationalen Abkommens auf dem Gebiete des Luftkrieges zu gelangen, mit größter Sympathie aufnehmen würde. Die Regierung Seiner Majestät fügte hinzu, daß sie es ebenso wie die Niederländische Regierung für wesentlich halte, der Sympathie und Mitarbeit der Deutschen Regierung sicher zu sein, wenn man ein befriedigendes Ergebnis erzielen wolle, und daß nach ihrer Auffassung Grund für die Hoffnung bestehe, daß Herr Hitler jeden seitens der anderen beteiligten Regierungen etwa formulierten positiven Vorschlag günstig aufnehmen würde. Die Regierung Seiner Majestät stimmte ferner der Auffassung zu, daß es zweckmäßiger wäre, sich an die Deutsche Regierung unter Bezugnahme auf die von ihr auf diesem Gebiete bereits gemachten Vorschläge zu wenden.4

Gleichzeitig wies sie darauf hin, daß die Frage außerordentlich kompliziert sei und daß die Regierung Seiner Majestät bestrebt sei, die Gefahr zu vermeiden, die in jeder vorzeitig eingeleiteten Verhandlung liege. Die Regierung Seiner Majestät hoffe, daß die von Herrn Eden in seiner Unterhausrede vom 2. Februar erwähnte eingehende Prüfung der Entwicklung des Luftkrieges, namentlich in bezug auf die Bombardierung der Zivilbevölkerung,5 gestatten werde, die Frage mit anderen beteiligten Mächten in naher Zukunft wiederaufzunehmen, daß sie aber bedauere, zur Zeit ihre eigenen Ansichten in der in Betracht kommenden Frage nicht äußern zu können. Sie würde es deshalb vorziehen, wenn jede Initiative in Berlin vertagt würde, bis diese Prüfung beendet ist, und sie hoffe, daß die Niederländische Regierung ihre Bemühungen vorläufig einstellen werde. Was den Hinweis betreffe, daß die Regierung der Niederlande besonders berufen sei, in dieser Frage eine Initiative zu ergreifen, so wären offenbar beträchtliche Vorarbeiten unumgänglich, ehe ein Einvernehmen über den Zusammentritt einer internationalen Konferenz mit dem Ziele der Aufstellung von Bestimmungen für den Luftkrieg zustande kommen könne; es scheine aber zweifellos wünschenswert zu sein, daß eine der beteiligten Regierungen, wie etwa die Regierung der Niederlande, im Einvernehmen mit den Großmächten die erforderlichen Vorkehrungen für die Einberufung einer solchen Konferenz träfe, sobald diese vorbereitenden Arbeiten weiter vorangekommen sein würden.

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1Das in französischer Sprache abgefaßte und als Übersetzung bezeichnete Dokument ist unter den im Verlauf des Frankreich-Feldzuges in deutsche Hände gefallenen Akten des Französischen Außenministeriums aufgefunden worden. Das Schriftstück ist offensichtlich von der Britischen Botschaft in Paris dem Französischen Außenministerium übergeben worden. ...zurück...

2Diese Denkschrift entspricht offensichtlich der dem Französischen Außenministerium am 12. Februar 1938 übersandten Verbalnote der Niederländischen Gesandtschaft in Paris (vgl. Nr. 27). ...zurück...

3Hier liegt wohl ein Übersetzungsfehler vor; offenbar muß es "innerhalb" heißen; vgl. Nr. 27. ...zurück...

4sic! Vgl. jedoch Nr. 27. ...zurück...

5Am 2. Februar 1938 hatte der Britische Staatssekretär des Auswärtigen, Eden, im Unterhaus mitgeteilt, die Britische Regierung habe die zuständigen Behörden vor einigen Monaten mit einer erschöpfenden Prüfung der Entwicklung des Luftkrieges, namentlich in bezug auf die Bombardierung der Zivilbevölkerung, beauftragt. Die Regierung habe es für notwendig gehalten, eine sehr eingehende Untersuchung vorzunehmen, ehe sie irgendeine Initiative oder einen Schritt bei anderen Regierungen erwäge, da die Angelegenheit so verwickelt sei, daß es wenig Zweck habe, an andere Mächte heranzutreten, ehe man selbst die Schwierigkeiten geprüft habe und wisse, wie man den sehr ernsten Einwendungen begegnen wolle, die erhoben werden könnten. Er hoffe, die Prüfung werde in naher Zukunft beendet sein; sie erfolge mit der ausdrücklichen Absicht, die Frage mit anderen Mächten wieder aufzunehmen. Er könne sich nicht bezüglich des Zeitpunktes und der Methoden festlegen, aber das Haus könne versichert sein, daß das Ziel der Britischen Regierung ein allgemeines internationales Abkommen über diese Frage sei. ...zurück...

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Dokumente über die Alleinschuld Englands
am Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung

Hg. vom Auswärtigen Amt