Teil 2 - Die Masse wird leicht zum Henker...
Der Franzose Gustave le Bon (1841-1931) war einer der bedeutendsten Psychologen. Er
wußte sehr viel über die Reaktionsfähigkeit der Menschen auszusagen.
Darum
zitiere ich ihn gleich zu Beginn:
"Die Masse wird leicht zum Henker, ebenso leicht aber auch zum Märtyrer."
Wir werden uns noch des öfteren seiner erinnern müssen, denn unser Volk ist seit
langer Zeit einem grausamen Feind ausgeliefert, von dem es immer noch so gut wie nichts
weiß. Schon darum müssen wir endlich die Karten auf den Tisch legen, damit wir
Deutschen - alle zusammen - nicht durch eine nicht enden wollende Verleumdung langsam aber
sicher entmenscht werden.
Unser Volk ist - ohne es wahrhaben zu wollen - längst zum Märtyrer geworden.
Vielleicht gerade darum, weil es eben nicht die Eigenschaft hat, zum Henker zu werden. Die
Deutschen sind seit eh und je zu gutgläubig, zu anständig und zu ehrlich gewesen,
vor allem aber: zu offenherzig - besonders dann, wenn es ihnen gut ging. Dann erzählten
sie
allen von ihrem Glück. Und das hatte unabsehbare Folgen, denn es gibt nichts besseres,
um
sich Feinde zu schaffen. Bald nämlich fanden sich Menschen in der Welt, die auf dieser
an
sich harmlosen Tatsache ein politisches Geschäft größeren Umfangs
aufzubauen begannen: die weltweite Verleumdung unseres Volkes.
Le Bon schreibt, "...daß die Masse dem alleinstehenden Menschen intellektuell stets
untergeordnet ist.
Hinsichtlich der Gefühle aber und der durch sie bewirkten Handlungen kann sie unter
Umständen besser oder schlechter sein. Es hängt alles von der Art des Einflusses
ab,
unter dem die Masse steht."
Wir Deutschen haben von jeher eine sonderbare Neigung dazu gehabt, im Unglück stets
die
Schuld bei uns zu suchen. Das öffnet der Verleumdung Tor und Tür.
Le Bon: "Der Nimbus verschwindet immer im Augenblick des Mißerfolges. Der Held,
dem die Masse gestern zujubelte, wird morgen von ihr angespien, wenn das Schicksal ihn
schlug.
Je größer der Nimbus, umso heftiger der Rückschlag. Die Masse betrachtet
dann den gefallenen Helden als ihresgleichen und rächt sich dafür, daß sie
sich
einst einer Überlegenheit gebeugt hat, die sie nun nicht mehr anerkennt. Als Robespierre
seinen Kollegen und einer ganzen Anzahl seiner Zeitgenossen den Hals abschneiden ließ,
besaß er einen ungeheuren Nimbus. Die Verschiebung weniger Stimmen beraubte ihn
augenblicklich dieses Nimbus, und die Masse folgte ihm mit ebenso vielen
Verwünschungen zur Guillotine wie am Tag zuvor seinen Opfern. Die Gläubigen
zertrümmern stets voller Wut die Bildwerke ihrer früheren Götter.
Durch Mißerfolge aufgehoben, ist der Nimbus schnell verloren. Er kann sich jedoch auch
abnutzen, indem man ihn diskutiert; das geht langsamer aber sicherer. Der diskutierte Nimbus ist
kein Nimbus mehr. Die Götter und die Menschen, die ihren Nimbus lange zu bewahren
wußten, haben Erörterungen nie geduldet. Wer von der Masse bewundert sein will,
muß sie stets in Abstand halten."
Weil ich nunmehr eine vierte Epoche deutscher Geschichte erlebe, glaube ich, besonders viel
gesehen zu haben und sehr wohl vergleichen zu können und zu dürfen. Bitte fassen
Sie es, lieber Leser, nicht als anmaßend auf, wenn ich meine, hinsichtlich dieses
Zeitabschnittes einer der ganz wenigen Menschen zu sein, denen es überhaupt zusteht und
möglich ist, aus eigener Erfahrung zu
schildern - und zu urteilen.
Sie werden vielleicht sagen: wenn das so ist, warum melden Sie sich dann erst nach über
vierzig Jahren?
Aus zwei Gründen:
a) weil ich immer noch glaubte, andere wären dazu weitaus mehr berufen als
ich,
dies zu
tun, da sie durch besonders verantwortungsvolle Positionen einen größeren Einblick
gehabt haben müßten,
b) weil ich einfach nicht zu fassen vermochte, daß ein und dasselbe Volk so
schrecklich
verschieden sein kann. Leider muß ich zugeben, daß es sich nicht mehr um dasselbe
Volk handelt. Sonst wäre heute sehr vieles ganz anders in deutschen Landen, und zwar
besser für alle.
Also, so sagte ich mir, ist es meine "verdammte Pflicht und Schuldigkeit", zur Feder zu greifen.
Zu schreiben, was ich selbst erfahren und erlebt habe, und was ich aus eigener Erfahrung guten
Gewissens gegen die Verleumder und für unser Volk auszusagen in der Lage
bin - der Wahrheit wegen.
Ich habe zu Zeiten der Monarchie gelebt, als Sohn eines Regierenden Fürsten. Als Kind
erlebte ich, wie eng, aufrichtig und treu unser Volk mit unserer
Familie - und umgekehrt: unsere Familie mit unserem Volk sich verbunden fühlte. Der
klarste Beweis dafür war die Tatsache, daß
der schaumburg-lippische Landtag noch wenige Tage vor der Abdankung meines ältesten
Bruders einstimmig seinen Landesherren bat, nicht abzudanken, sondern zu bleiben. Damals war
die SPD im Parlament die stärkste Partei! Aber der Druck von Seiten des Kaisers sowie
der
Reichsregierung war zu
stark - und unser Land zu klein - als daß ein Einzelgang denkbar gewesen wäre. Die
Landesverteidigung wurde aufgegeben, das Militär und auch die Jägerei
rückten ab. Aber ich fühlte mich mit
unseren Schaumburg-Lippern nach 1928 dermaßen verbunden, daß ich allein mit
meiner Frau ein Volksbegehren durchführen und gewinnen konnte, so daß der
Landtag die unmittelbar vor dem Abschluß stehenden Abschlußverhandlungen mit
Preußen abbrechen mußte und das
Land Schaumburg-Lippe bis nach 1945 ein Freistaat blieb.
Mitte der dreißiger Jahre bemühte sich Hitler, die Reichsreform durchzusetzen. Das
hieß, die kleinen Staaten den großen einzuverleiben, damit die Verwaltung um
vieles
besser und billiger werde, um die Einheit des Reiches zu stärken. Ich bat, ihn sprechen zu
dürfen und erzählte von dem, was ich 1928 mit größtem Erfolg
für
unser Schaumburg-Lippe getan hatte. Er war so begeistert davon, daß er sogleich den
Reichsinnenminister bestellte und
ihn - mit den Worten: "Dieser junge Prinz ist der beste Demokrat von uns allen, ihm muß
geholfen
werden!" - aufforderte, schnellstens zu prüfen, ob die
Eigenstaatlichkeit Schaumburg-Lippes aufrechterhalten werden könne.
Sehr bald darauf teilte mir Hitler persönlich mit, daß meine Heimat ein Freistaat
bleiben würde, also selbständig im Rahmen des Reiches. Und
unsere Schaumburg-Lipper waren sehr froh. Hitler hatte eine Ausnahme gemacht
gegenüber seiner Reichsreform, gegen sein eigenes
Prinzip - war das Diktatur? Ich glaube eher, das krasse Gegenteil.
Ein Ereignis wie dieses, wenn auch politisch nicht von besonderer
Bedeutung - außer für das kleine Land und seine Menschen
selbst - ist niemals nach 1945 zugunsten Hitlers erwähnt worden.
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