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Süddeutschland - Eberhard Lutze

Obersee beim Königssee (Oberbayern).
[842]      Obersee beim Königssee (Oberbayern).
Und im Süden die Berge...

Mit den Seen beginnt sie, die erhaben feierliche Bergwelt der bayerischen Alpen, ewig schön sowohl im grünen Glanze sommerlicher Frische, wie in schneeiger Reinheit unter den Strahlen winterlicher Höhensonne flimmernd. Donnernd sausen die elektrischen Züge am Ammer- und Würmsee vorüber, die wie blaue Augen inmitten saftig-grünen Umlandes den Blick aufschlagen zu den schweigenden Höhen im Süden. Die Täler von Iller, Lech, Isar und Inn und ihrer Nebenflüsse Ammer, Loisach, Mangfall und Salzach münden aus der engen Umarmung der Berge ein in die Weite des Vorlandes. Sie sind der natürliche Zugang zum Gebirge. Heute kann man mit der Kraftpost von Lindau bis Berchtesgaden an den Alpen entlang fahren und in kurzer Zeit Wechsel, Großartigkeit und Wunder der sich auftuenden Berge schauen. Als blinkende Meilensteine begleiten Seen den Weg: der Alpsee bei Immenstadt im Allgäu, Kochel- und Walchensee, deren um 200 Meter voneinander abweichende Höhenlage zu dem Elektrizität erzeugenden Walchenseewerk genützt wurde, die beiden [858] von Fremdenverkehr, Bauerntheater, Schuhplatteln und Volkslied umklungenen Geschwister Tegern- und Schliersee, und endlich das "bayerische Meer" des von Wiesen und Feldern, fröhlichen Dörfern, Kapellen, Kirchen und Abteien umlagerten Chiemsees, dessen blanke Fläche das liebliche Eiland der Fraueninsel und die marmorkalte Pracht des Herrenchiemseer Prunkschlosses widerspiegelt.

Bayrische Alpen. Das Walchenseewerk.
[839]      Bayrische Alpen. Das Walchenseewerk.

Bayrische Alpen. Blick vom Staffelstein zum Chiemsee.
[846]      Bayrische Alpen. Blick vom Staffelstein zum Chiemsee.

St. Bartholomä am Königssee mit Watzmann.
[841]      St. Bartholomä am Königssee mit Watzmann.
Immer sind die Seen da, Geheimnis um sich breitend und rätselvollen Gegensatz zu den Bergriesen, deren Schneegipfel über ihren Spiegeln thronen. Kein schönerer Blick auf den gigantischen Felssturz des Zugspitzmassivs als von den Gestaden des zum Bade lockenden tiefgrünen, sommerlichen Eibsees oder von seiner sportbeliebten Eisfläche im Winter. Düster, von senkrechten Wänden steil umrahmt, von ernsten Fichtenwipfeln umrauscht, träumt der unheimlich stille oder im Gischt der über die Steilwände ins Wasser geworfenen Holzstürze gewaltig schäumende Königssee am Fuße des Watzmanns, das vielgeliebte, kalte Herz der Berchtesgadener Alpen. Immer sind die Seen da, von Anfang an, da durch die Kräfte des Erdinnern die Bergmassen in rascher und heftiger Hebung gefaltet wurden, und die nördlichen Kalkalpen, denen der reichsdeutsche Anteil zugehört, dank ihrer Zusammensetzung aus Kalk und Dolomit scharfe Grate und schroffe Talstürze, kühne und bizarre Felsformen ausbildeten. Der Eibsee wurde durch einen Bergsturz aufgestaut. In seiner Umgebung liegen gewaltige Trümmerfelder zusammengeschobener, von Schutt durchsetzter Wetterstein-Kalkblöcke. Die fjordartig schmale Rinne des Königssees ist 2000 Meter tief in ein altes Gletscherbett eingesenkt.

Bodensee. Bucht bei Immenstadt.
[749]      Bodensee. Bucht bei Immenstadt.

Fällt schon im Innern des Gebirges die eigentümliche "Verwilderung" der Flußläufe auf, ihre vielarmige Unregelmäßigkeit, die Schutt- und Kiesaufschüttungen, so beherrscht dieses Bild vollends die Landschaft im Jungmoränengebiet des Vorlandes, wo ein "alpennaher Gürtel der aufgefalteten Molasserippen" in eine hügelige Landschaft von Moränenhügeln und ‑wällen übergeht, wo die Gletscherzungen der Eiszeit als Seen stehengeblieben sind, und die Landschaft sich unmerklich in die Schotterflächen des Heide- und moorreichen Tertiärhügellandes südlich der Donau abflacht.

Zeichnen sich aus dieser Ferne die Berge in der ganzen Größe ihres Umrisses ab, so schieben sich dem Nähergekommenen die waldreichen Vorberge dazwischen. Landschaftsbilder von lieblichem Reiz tun sich dem Wanderer auf, der das Engtal der oberen Isar entlang wandert und dem nach dem bunten Wechsel der kleinen Wiesentäler, der Seen und Wälder der Blick von einem der Vorberge sich weitet auf die nicht mehr abreißende Kette der Alpen, die nun immer da sind, wohin der Blick auch schweift.

Zugspitzgipfel.
[847]      Zugspitzgipfel.
Gewiß, der reichsdeutsche Anteil an den Hochalpen ist gering. Alle die Eis-, Schnee- und Gletschererlebnisse, die Gefahren und Klimaeigentümlichkeiten, die aus den ewigen Schneegraten der österreichischen, italienischen und schweizer Zentralalpen höchste Wonne des Alpinisten, oftmals Kampf um das Leben und Spiel mit dem Tode bedeuten, dies alles vereinigt lediglich der höchste auf deutschem Boden gelegene Alpengipfel, die Zugspitze. Dafür weisen aber die Bayerischen Alpen Reize auf, die vollgültigen Ersatz bieten. Gibt es sonstwo [859] diese wie gemauert dastehende Felsenwand, wie eine zinnenbekrönte Burg von Ketten und Graten, Spitzen und Massiven gezackt?

Eibsee mit dem Zugspitzmassiv.
[848]      Eibsee mit dem Zugspitzmassiv.
Gibt es sonstwo diesen unvermittelten, hochreißenden Aufstieg aus kilometerweiter Hochebene, jenen unvergeßlichen Hochgebirgseindruck, den zumal das wie zu fantastischen Ruinenformen zerfranste Kalkgestein bewirkt? Und so verbindet diese südlichste deutsche Landschaft allen Zauber in wahrhaft überirdischer Schönheit. Wer könnte die Romantik und Klarheit, die Reinheit der Farben und der Luft, die frische unberührte Natur, die unvergeßliche Verbindung von Natur- und Kulturlandschaft, die Einsamkeit und Größe, die idyllische Zartheit der Pflanzenwelt und die Unheimlichkeit entfesselter Naturgewalten auch nur entfernt in Worte fassen, die die Alpenwelt geradezu mit dramatischer Kraft auf den modernen Menschen ausströmt? So vereinigt sich denn auch auf die Alpen ein Reise-, Winter- und Sommerfrischenverkehr, der es mit dem gesamten übrigen Süddeutschland aufnehmen kann. Das für das nervöse großstädtische "Bleichgesicht" überwältigend mannigfaltige Bergerlebnis, gleich beglückend zu allen Jahreszeiten, lockt und wirbt und gewinnt Jahr für Jahr mehr Freunde. Nicht zu vergessen sind die außergewöhnlichen Ereignisse, die dem Süden des Reiches ungezählte Tausende zuführen. – Da ist vor allem das Oberammergauer Passionsspiel zu nennen, das als gewaltigste dramatische Leistung des bayerischen Stammes nun über 200 Jahre seine starke, zündende Wirkung behalten hat. Das Jahr 1934 hat im Zeichen der Jubiläumsfestspiele gestanden, in Erinnerung an das Pestjahr 1634, als der Sechser- und Zwölferrat der Gemeinde das Verlöbnis tat, alle zehn Jahre das Drama vom Leiden und Sterben Christi aufzuführen. Und von dieser Zeit an ist niemand mehr in Oberammergau an der Pest gestorben, "obwohl noch etliche die Pestzeichen an sich trugen." Leo Weismantel hat im Anschluß an die Chronik ein Gelübdespiel geschrieben, darin berichtet wird, wie 1631/32 in Bayern und Schwaben der schwarze Tod gehaust hat, wie Oberammergau von dem großen Sterben durch ausgestellte Wachen verschont blieb, bis die Pest doch von einem Tagelöhner eingeschleppt wurde, dem es gelungen war, ungesehen durch die Postenkette in das Dorf zu gelangen.

Trotz mancherlei Bearbeitungen, die der Text seit der ältesten Fassung, die bis in das 15. Jahrhundert zurückreicht, erfahren hat, eignet der Aufführung noch die Weihe der spätmittelalterlichen Mysterienspiele. Das macht, weil die ganze Bewohnerschaft innerlich und äußerlich sich auf das Spiel vorbereitet wie zu einem Gottesdienst, weil die großen Rollen in einer lebendigen Familienüberlieferung weitervererbt werden und jeder Ausersehene sich der Verantwortung seiner Darstellung voll bewußt ist. Insbesondere die Schnitzerfamilie Lang ist berühmt durch ihre hervorragenden Darsteller. 1930 haben drei Brüder aus dieser Familie, als Spielleiter, als Baumeister und als Christusdarsteller den Spielen eine neue, kraftvolle Gestalt gegeben. Die Größe von Oberammergau liegt in dem ergreifenden Gemeinschaftserlebnis, das Spieler und Hörer inmitten der Bergnatur für Tage umschließt.

Zwei Jahre nach den Jubiläumsfestspielen war der Blick der Welt auf Garmisch-Partenkirchen gerichtet, wo unter den Augen des Führers die [860] Besten der Nationen um die Lorbeeren der olympischen Winterspiele rangen. Eine gewaltige Sprungschanze und ein vorbildliches Eisstadion mehren noch seither die sportliche Anziehungskraft dieser für alle Arten verwöhntesten Wintersportes in herrlicher Tallage besonders geeigneten Doppelortschaft.

Wenn wir eingangs von dem Wechsel der Bergwelt sprachen, die der Autofahrer zwischen Lindau und Berchtesgaden an seinem Auge vorüberziehen sieht, so ist damit nicht nur die Vielzahl der einzelnen Berge, sondern auch der Charakter der Landschaft gemeint. Allgäuer, Altbayerische und Salzburger Alpen tragen verschiedene Gesichter. Schwer zu sagen, an welche Gegend sich das Herz am liebsten hängt. Die Allgäuer Alpen

Karwendelgebirge.
[843]      Karwendelgebirge.
fügen sich, zusammengebaut aus den Verwitterungsformen verschiedener Kalke und Dolomite, zu unvergeßlichen "geradezu abenteuerlichen, keck und schief aufgesetzten Gipfelgestalten" zusammen. "Da sind Charakterköpfe darunter wie des Hochvogels Adlergestalt, die zweizinkige Mädelegabel, der pultförmige Hohennifen, die vielzackige, übersteile Hofäts, die messerscharfe Schneide des Schneck" (R. Gradmann). Wenn in den Hochalpen Hängetäler mit Tobeln und Wasserfällen, wenn eine üppige Flora auf den Matten blüht, wenn in der bis zu 2000 Meter hohen, davorgelagerten sogenannten Flieschlandschaft die zerklüfteten Schroffen und jähen Klammen herrschen, so liegt darunter die Heimat der Allgäuer Sennereien. Der klug rechnende alemannische Unternehmergeist hat sich hier mit der Natur verbündet; er hat den Wald beseitigt und läßt das bergtüchtige silbergraue Allgäuer Rind auf den Almen weiden oder steigert - nach schweizer Vorbild - den Milchertrag durch planmäßige Stallfütterung. Milch und Käse sind der Reichtum des Landes. Mehr als bei den übrigen oberbayerischen Rinderrassen - Oberbayerns Viehdichte übersteigt den Reichsdurchschnitt um 70 Prozent! - wird im Allgäu auf höchste Milchleistung gezüchtet. Rund 35 000 Hektoliter Milch mit einem Gesamtwert von 500 bis 600 Millionen Mark werden jährlich durchschnittlich in Bayern erzeugt. Dank der Umstellung des einstigen nomadenhaften und romantischen Wanderns ganzer Hochgebirgsorte in die Almhüttendörfer auf Zusammenfassung der Kleinbuttereien zu zentralen Großbutterwerken hat sich das Allgäu zu unserer führenden Butter und Käse produzierenden Landschaft entwickelt. Vorwiegend die in Kempten und in Lindenberg, der Strohhutmetropole, stehenden mustergültigen Großwerke versorgen unseren Markt mit den in saubere Schachteln verpackten Käsesorten und den vielen marktgängigen Artikeln der Milchindustrie.

Berchtesgaden.
[840]      Berchtesgaden.

Waldarbeiter aus Garmisch.
[842]      Waldarbeiter aus Garmisch.
Im Sommer bieten die sanft geneigten Almen inmitten der unvermittelt aufsteigenden Berge mit ihren glockenläutenden Kuhherden Bilder arkadischen Friedens; im Winter ist das Allgäu ein "geschlossenes Schnee-Dorado". Oberstdorf und Füssen sind seine Mittelpunkte. Es ist eine gesegnete Gegend, gleichermaßen geliebt vom "großen" Publikum, das skigewohnt auf Tour geht, wie von kleinen, lernenden "Halbalpinen", denen die waldlosen Grasberge als beliebte Übungshänge ihrer ersten Versuche auf den Brettern dienen.

Wer in Berchtesgaden aussteigt, steht in einer anderen Welt. Zwar liegt der schöne Ort in lichtgrünem Talkessel, mit dem Blick über sanft steigende, [861] von reichen Bauernhöfen und Landhäusern durchsetzte Hänge, aber dahinter türmen sich die Berge zu dräuender, fast beängstigend steiler Majestät. Einzelne scharfprofilierte Hochgipfel lösen sich aus den durch Kare und Schneefelder zergliederten Hochflächen: Hoher Göll und Hagengebirge, Hochkönig, Reiteralpe, Lattengebirge und Untersberg, im Westen alles überragend der dreigipflige, bis zu 2714 Metern ansteigende Watzmann und der 100 Meter niedrigere Hochkalter. Bis zu 1500 Metern deckt Wald die Felsen, darüber aber stürzen die fast weiß ausgewaschenen nackten Wände jäh herab. Wenig Almen, Waldwirtschaft und Holzgewerbe, das ist das Wirtschaftsbild der Berchtesgadener und darüber hinaus der Salzburger Berge. Nur vier Prozent der Fläche sind dem Roggen und Hafer kultivierenden Ackerbau abgetrotzt. "So ist alles weites, wildzerrissenes und zum Teil sehr schwer begehbares Gebirgsland voll grellen Kalkgewändes und dunkler Waldgehänge, worin die braunen Einzelhöfe nur dünn über die Berglehnen der Täler verstreut liegen. Jäger und Holzknechte sind die Bewohner dieser einsamen Gebirge, und ihr Jodler schwebt weit über felsiges Tal zu einem Schuß hinüber, der von irgendwo aus Wolken und Winden hervorhallt" (E. Banse). Und nicht zu vergessen ist der Fremdenverkehr, der Leben und Geld in diese Berge getragen hat. Schon seit 1817 beziehen Reichenhall, Traunstein und Rosenheim durch eine Röhrenleitung Sole aus der Berchtesgadener Saline. Am Obersalzberg steht Haus Wachenfeld, das Heim des Führers. Endlose Wallfahrten dankbar begeisterter Deutscher führen allezeit an die Stätte, da des Reiches Kanzler und Führer Erholung sucht in stillen Stunden, im Aufblick zu den Bergen des Berchtesgadener Landes, die ihm schon 1923 Zuflucht geboten hatten.

Mittenwald (Oberbayern). Dorfstraße.
[845]      Mittenwald (Oberbayern). Dorfstraße.

Mittenwald (Oberbayern). Der obere Markt.
[845]      Mittenwald (Oberbayern). Der obere Markt.
Das Herzstück der Bayerischen Alpen sind das Karwendel- und das Wettersteingebirge, ersteres nur noch mit der östlichen Karwendelspitze, deren Massiv drohend über dem Geigenmacherdorf Mittenwald lastet, auf deutschem Reichsboden gelegen, dieses dem ganzen Gebirgsabschnitt mit der formschönen Alpspitze und dem massigen Block der Zugspitze Schönheit und Profil schenkend. Man hat das grüne Breittal der Loisach bei Garmisch-Partenkirchen die Triumphpforte der Bayerischen Alpen genannt. Wirklich, hier am Zugang zum Werdenfelser Land, erschließt sich der ganze Zauber der Vorberge, die herrliche Rundblicke auf die steinerne Schneepracht der Zentralalpen vermitteln, erschließen sich die Wiesenfrische der von altbayerisch behaglichen Dörfern und von modernen, in Streulage gebauten Landhäusern und Hotels besiedelten Täler, waldreiche Spaziergänge, wildromantische Klammen, lockende Hochtouren. Lieblichkeit und Größe liegen nebeneinander. Der Isarwinkel, das Werdenfelser Land, der nördlich anschließende Ammergau und die Lechtaler Alpen sind das Gebiet der Pässe und Fernstraßen. Ihnen danken die Siedlungen ihre Anfänge. Sie zogen von Anfang an Fremde herbei. So ist es kein Zufall, daß Garmisch-Partenkirchen internationalen Klang hat. Und doch, allein die ausgiebige Zertalung durch zahlreiche Längsadern sorgt schon dafür, daß trotz allem modischen Getriebe, das sich zumal in Garmisch sammelt, trotz der vielbesuchten Partnach- und Höllentalklamm, [862] trotz den vielen Bergbahnen und dem regen Fremdenstrom, den allein die wunderlich phantastischen Königsschlösser herbeilocken, auch dem einsamen Wanderer unzählige Möglichkeiten zu ständig neuem Erleben verbleiben.

Garmisch. Oberbayrisches Bauernhaus.
[844]      Garmisch. Oberbayrisches Bauernhaus.

Bad Tölz.
[838]      Bad Tölz.
Hier ist Gelegenheit, für die noch unterhalb der Latschenregion bleibenden bayerischen Aussichtsberge zu schwärmen. Da schiebt sich zwischen Staffel-, Kochel- und Walchensee der Doppelgipfel von Herzogsstand und Heimgarten. Östlich, die Gegend von Bad Tölz beherrschend, schließt die Benediktenwand an. Und über Rosenheim, bis weit in den Chiemgau grüßend, erhebt sich Bayerns beliebtester Berg, der kapellenbekrönte sonnige Wendelstein. Sonne und Höhenluft, das ist auch das Erlebnis auf dem Wank, dessen Zugspitz- und Loisachblick alle "überirdische" Wonne des Bergsteigers oder Bergfahrers umschließt. Wie zum Skiparadies des Kreuzeck, zum Nebelhorn bei Oberstdorf, zum Predigtstuhl bei Reichenhall und zum Wendelstein führt auf den Wank eine Bergbahn hinauf.

Seit 1930 ist auch Deutschlands höchster Berg durch die Bayerische Zugspitzbahn bezwungen. Als glänzende Leistung deutscher Technik nimmt die Bahn den Höhenunterschied von über 2800 Metern, bis Grainau als Reibungsbahn, bis zum Schneefernerhaus mit Zahnradbetrieb, wobei in einem 4,6 Kilometer langen Hangtunnel eine Höchststeigung von 25 Prozent erreicht wird, um endlich vom Schneefernerhaus bis zur Spitze als Seilschwebebahn zu endigen. Wundervolles, dem Irdischen enthoben scheinendes Erlebnis, nur dem Flug durch die Lüfte vergleichbares Erklimmen und Schweben über Wald und Tal

Wendelstein (Oberbayern).
[847]      Wendelstein (Oberbayern).
und See! Die ewige Schneewelt des Platts und Schneeferners weht uns entgegen, eine Welt des Pulverschnees, dessen Schwaden unter den sausenden Brettern der Skifahrer, unter brennenden Höhensonnenstrahlen stäuben; eine Welt brauender Wolken und Nebel, der alles verhängenden Schneestürme, der alles vereisenden Temperaturstürze. Als ehrfürchtiger Gast ist der Mensch in diese Region eingebrochen; übermütig vergißt er im Genuß der neuzeitlichen Hotelannehmlichkeiten des Schneefernerhauses die schauerliche Allgewalt der Bergnatur. Droben aber, auf dem Ostgipfel des Berges, wo das 1851 von 29 Männern auf die Höhe getragene Kreuz dunkel gegen die überirdische Reinheit der Firnfelder und das seidige Azurblau des Himmels steht, dort, näher dem Ewigen, spürt der Erdenbürger erschauernd die Zeitlichkeit, Kleinheit und Begrenztheit eigenen Wesens. Hier droben leuchtet das Erlebnis, angesichts der die Länder trennenden und dennoch sie verbindenden Alpen: Deutschland als das europäische Herz zu begreifen. Hier droben, näher den Sternen, "die hell und klar und rein über Deutschland stehen", wächst der Glaube, der weit drunten, in den grauen Tälern und Ebenen, um Sieg und Zukunft kämpft:

Ewiges Deutschland!


[Anm. d. Scriptorium: auf Seiten 863-874 erscheint im Original dieses Buches ein Namensregister, welches wir in diesem online-Nachdruck weglassen, da Personen- und Ortsnamen viel leichter über unsere Suchmaske zu finden sind.]

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Das Buch der deutschen Heimat
Hermann Goern, Georg Hoeltje, Eberhard Lutze und Max Wocke