Süddeutschland - Eberhard Lutze
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Obersee beim Königssee (Oberbayern).
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Und im Süden die
Berge...
Mit den Seen beginnt sie, die erhaben feierliche Bergwelt der bayerischen Alpen,
ewig schön sowohl im grünen Glanze sommerlicher Frische,
wie in schneeiger Reinheit unter den Strahlen winterlicher Höhensonne
flimmernd. Donnernd sausen die elektrischen Züge am
Ammer- und Würmsee vorüber, die wie blaue Augen inmitten
saftig-grünen Umlandes den Blick aufschlagen zu den schweigenden
Höhen im Süden. Die Täler von Iller, Lech, Isar und Inn und
ihrer Nebenflüsse Ammer, Loisach, Mangfall und Salzach münden
aus der engen Umarmung der Berge ein in die Weite des Vorlandes. Sie sind der
natürliche Zugang zum Gebirge. Heute kann man mit der Kraftpost von
Lindau bis Berchtesgaden an den Alpen entlang fahren und in kurzer Zeit
Wechsel, Großartigkeit und Wunder der sich auftuenden Berge schauen.
Als blinkende Meilensteine begleiten Seen den Weg: der Alpsee bei Immenstadt im
Allgäu, Kochel- und Walchensee, deren um 200 Meter voneinander
abweichende Höhenlage zu dem Elektrizität erzeugenden
Walchenseewerk genützt wurde, die beiden [858] von Fremdenverkehr,
Bauerntheater, Schuhplatteln und Volkslied umklungenen Geschwister
Tegern- und Schliersee, und endlich das "bayerische Meer" des von Wiesen und
Feldern, fröhlichen Dörfern, Kapellen, Kirchen und Abteien
umlagerten Chiemsees, dessen blanke Fläche das liebliche Eiland der
Fraueninsel und die marmorkalte Pracht des Herrenchiemseer Prunkschlosses
widerspiegelt.
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Bayrische Alpen. Das Walchenseewerk.
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Bayrische Alpen. Blick vom Staffelstein zum Chiemsee.
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St. Bartholomä am Königssee mit Watzmann.
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Immer sind die Seen da, Geheimnis um sich breitend und
rätselvollen Gegensatz zu den Bergriesen, deren Schneegipfel über
ihren Spiegeln thronen. Kein schönerer Blick auf den gigantischen
Felssturz des Zugspitzmassivs als von den Gestaden des zum Bade lockenden
tiefgrünen, sommerlichen Eibsees oder von seiner sportbeliebten
Eisfläche im Winter. Düster, von senkrechten Wänden steil
umrahmt, von ernsten Fichtenwipfeln umrauscht, träumt der unheimlich
stille oder im Gischt der über die Steilwände ins Wasser geworfenen
Holzstürze gewaltig schäumende Königssee am Fuße
des Watzmanns, das vielgeliebte, kalte Herz der Berchtesgadener Alpen. Immer
sind die Seen da, von Anfang an, da durch die Kräfte des Erdinnern die
Bergmassen in rascher und heftiger Hebung gefaltet wurden, und die
nördlichen Kalkalpen, denen der reichsdeutsche Anteil zugehört,
dank ihrer Zusammensetzung aus Kalk und Dolomit scharfe Grate und schroffe
Talstürze, kühne und bizarre Felsformen ausbildeten. Der Eibsee
wurde durch einen Bergsturz aufgestaut. In seiner Umgebung liegen gewaltige
Trümmerfelder zusammengeschobener, von Schutt durchsetzter
Wetterstein-Kalkblöcke. Die fjordartig schmale Rinne des
Königssees ist 2000 Meter tief in ein altes Gletscherbett
eingesenkt.
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Bodensee. Bucht bei Immenstadt.
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Fällt schon im Innern des Gebirges die eigentümliche
"Verwilderung" der Flußläufe auf, ihre vielarmige
Unregelmäßigkeit, die
Schutt- und Kiesaufschüttungen, so beherrscht dieses Bild vollends die
Landschaft im Jungmoränengebiet des Vorlandes, wo ein "alpennaher
Gürtel der aufgefalteten Molasserippen" in eine hügelige Landschaft
von Moränenhügeln
und ‑wällen übergeht, wo die Gletscherzungen der Eiszeit als Seen
stehengeblieben sind, und die Landschaft sich unmerklich in die
Schotterflächen des
Heide- und moorreichen Tertiärhügellandes südlich der Donau
abflacht.
Zeichnen sich aus dieser Ferne die Berge in der ganzen Größe ihres
Umrisses ab, so schieben sich dem Nähergekommenen die waldreichen
Vorberge dazwischen. Landschaftsbilder von lieblichem Reiz tun sich dem
Wanderer auf, der das Engtal der oberen Isar entlang wandert und dem nach dem
bunten Wechsel der kleinen Wiesentäler, der Seen und Wälder der
Blick von einem der Vorberge sich weitet auf die nicht mehr abreißende
Kette der Alpen, die nun immer da sind, wohin der Blick auch schweift.
Gewiß, der reichsdeutsche Anteil an den Hochalpen ist gering. Alle die
Eis-, Schnee- und Gletschererlebnisse, die Gefahren und
Klimaeigentümlichkeiten, die aus den ewigen Schneegraten der
österreichischen, italienischen und schweizer Zentralalpen höchste
Wonne des Alpinisten, oftmals Kampf um das Leben und Spiel mit dem Tode
bedeuten, dies alles vereinigt lediglich der höchste auf deutschem Boden
gelegene Alpengipfel, die Zugspitze. Dafür weisen aber die
Bayerischen Alpen Reize auf, die vollgültigen Ersatz bieten. Gibt es
sonstwo [859] diese wie gemauert
dastehende Felsenwand, wie eine zinnenbekrönte Burg von Ketten und
Graten, Spitzen und Massiven gezackt?
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Eibsee mit dem Zugspitzmassiv.
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Gibt es sonstwo diesen unvermittelten,
hochreißenden Aufstieg aus kilometerweiter Hochebene, jenen
unvergeßlichen Hochgebirgseindruck, den zumal das wie zu fantastischen
Ruinenformen zerfranste Kalkgestein bewirkt? Und so verbindet diese
südlichste deutsche Landschaft allen Zauber in wahrhaft
überirdischer Schönheit. Wer könnte die Romantik und
Klarheit, die Reinheit der Farben und der Luft, die frische unberührte
Natur, die unvergeßliche Verbindung von
Natur- und Kulturlandschaft, die Einsamkeit und Größe, die
idyllische Zartheit der Pflanzenwelt und die Unheimlichkeit entfesselter
Naturgewalten auch nur entfernt in Worte fassen, die die Alpenwelt geradezu mit
dramatischer Kraft auf den modernen Menschen ausströmt? So vereinigt
sich denn auch auf die Alpen ein
Reise-, Winter- und Sommerfrischenverkehr, der es mit dem gesamten
übrigen Süddeutschland aufnehmen kann. Das für das
nervöse großstädtische "Bleichgesicht"
überwältigend mannigfaltige Bergerlebnis, gleich beglückend
zu allen Jahreszeiten, lockt und wirbt und gewinnt Jahr für Jahr mehr
Freunde. Nicht zu vergessen sind die außergewöhnlichen Ereignisse,
die dem Süden des Reiches ungezählte Tausende
zuführen. – Da ist vor allem das Oberammergauer
Passionsspiel zu nennen, das als gewaltigste dramatische Leistung des bayerischen
Stammes nun über 200 Jahre seine starke, zündende Wirkung
behalten hat. Das Jahr 1934 hat im Zeichen der Jubiläumsfestspiele
gestanden, in Erinnerung an das Pestjahr 1634, als der
Sechser- und Zwölferrat der Gemeinde das Verlöbnis tat, alle zehn
Jahre das Drama vom Leiden und Sterben Christi aufzuführen. Und von
dieser Zeit an ist niemand mehr in Oberammergau an der Pest gestorben, "obwohl
noch etliche die Pestzeichen an sich trugen." Leo Weismantel hat im
Anschluß an die Chronik ein Gelübdespiel geschrieben, darin
berichtet wird, wie 1631/32 in Bayern und Schwaben der schwarze Tod gehaust
hat, wie Oberammergau von dem großen Sterben durch ausgestellte
Wachen verschont blieb, bis die Pest doch von einem Tagelöhner
eingeschleppt wurde, dem es gelungen war, ungesehen durch die Postenkette in
das Dorf zu gelangen.
Trotz mancherlei Bearbeitungen, die der Text seit der ältesten Fassung, die
bis in das 15. Jahrhundert zurückreicht, erfahren hat, eignet der
Aufführung noch die Weihe der spätmittelalterlichen
Mysterienspiele. Das macht, weil die ganze Bewohnerschaft innerlich und
äußerlich sich auf das Spiel vorbereitet wie zu einem Gottesdienst,
weil die großen Rollen in einer lebendigen Familienüberlieferung
weitervererbt werden und jeder Ausersehene sich der Verantwortung seiner
Darstellung voll bewußt ist. Insbesondere die Schnitzerfamilie Lang ist
berühmt durch ihre hervorragenden Darsteller. 1930 haben drei
Brüder aus dieser Familie, als Spielleiter, als Baumeister und als
Christusdarsteller den Spielen eine neue, kraftvolle Gestalt gegeben. Die
Größe von Oberammergau liegt in dem ergreifenden
Gemeinschaftserlebnis, das Spieler und Hörer inmitten der Bergnatur
für Tage umschließt.
Zwei Jahre nach den Jubiläumsfestspielen war der Blick der Welt auf
Garmisch-Partenkirchen gerichtet, wo unter den Augen des
Führers die [860] Besten der Nationen
um die Lorbeeren der olympischen Winterspiele rangen. Eine gewaltige
Sprungschanze und ein vorbildliches Eisstadion mehren noch seither die
sportliche Anziehungskraft dieser für alle Arten verwöhntesten
Wintersportes in herrlicher Tallage besonders geeigneten Doppelortschaft.
Wenn wir eingangs von dem Wechsel der Bergwelt sprachen, die der Autofahrer
zwischen Lindau und Berchtesgaden an seinem Auge vorüberziehen sieht,
so ist damit nicht nur die Vielzahl der einzelnen Berge, sondern auch der
Charakter der Landschaft gemeint. Allgäuer, Altbayerische und Salzburger
Alpen tragen verschiedene Gesichter. Schwer zu sagen, an welche Gegend sich
das Herz am liebsten hängt. Die Allgäuer Alpen
fügen sich, zusammengebaut aus den Verwitterungsformen verschiedener
Kalke und Dolomite, zu unvergeßlichen "geradezu abenteuerlichen, keck
und schief aufgesetzten Gipfelgestalten" zusammen. "Da sind
Charakterköpfe darunter wie des Hochvogels Adlergestalt, die zweizinkige
Mädelegabel, der pultförmige Hohennifen, die vielzackige,
übersteile Hofäts, die messerscharfe Schneide des Schneck"
(R. Gradmann). Wenn in den Hochalpen Hängetäler mit
Tobeln und Wasserfällen, wenn eine üppige Flora auf den Matten
blüht, wenn in der bis zu 2000 Meter hohen, davorgelagerten
sogenannten Flieschlandschaft die zerklüfteten Schroffen und jähen
Klammen herrschen, so liegt darunter die Heimat der Allgäuer Sennereien.
Der klug rechnende alemannische Unternehmergeist hat sich hier mit der Natur
verbündet; er hat den Wald beseitigt und läßt das
bergtüchtige silbergraue Allgäuer Rind auf den Almen weiden oder
steigert - nach schweizer
Vorbild - den Milchertrag durch planmäßige
Stallfütterung. Milch und Käse sind der Reichtum des Landes. Mehr
als bei den übrigen oberbayerischen
Rinderrassen - Oberbayerns Viehdichte übersteigt den
Reichsdurchschnitt um
70 Prozent! - wird im Allgäu auf höchste Milchleistung
gezüchtet. Rund 35 000 Hektoliter Milch mit einem Gesamtwert von
500 bis 600 Millionen Mark werden jährlich durchschnittlich in
Bayern erzeugt. Dank der Umstellung des einstigen nomadenhaften und
romantischen Wanderns ganzer Hochgebirgsorte in die
Almhüttendörfer auf Zusammenfassung der Kleinbuttereien zu
zentralen Großbutterwerken hat sich das Allgäu zu unserer
führenden Butter und Käse produzierenden Landschaft entwickelt.
Vorwiegend die in Kempten und in Lindenberg, der
Strohhutmetropole, stehenden mustergültigen Großwerke versorgen
unseren Markt mit den in saubere Schachteln verpackten Käsesorten und
den vielen marktgängigen Artikeln der Milchindustrie.
[842]
Waldarbeiter aus Garmisch.
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Im Sommer bieten die sanft geneigten Almen inmitten der unvermittelt
aufsteigenden Berge mit ihren glockenläutenden Kuhherden Bilder
arkadischen Friedens; im Winter ist das Allgäu ein "geschlossenes
Schnee-Dorado". Oberstdorf und Füssen sind seine
Mittelpunkte. Es ist eine gesegnete Gegend, gleichermaßen geliebt vom
"großen" Publikum, das skigewohnt auf Tour geht, wie von kleinen,
lernenden "Halbalpinen", denen die waldlosen Grasberge als beliebte
Übungshänge ihrer ersten Versuche auf den Brettern dienen.
Wer in Berchtesgaden aussteigt, steht in einer anderen Welt. Zwar liegt
der schöne Ort in lichtgrünem Talkessel, mit dem Blick über
sanft steigende, [861] von reichen
Bauernhöfen und Landhäusern durchsetzte Hänge, aber
dahinter türmen sich die Berge zu dräuender, fast beängstigend
steiler Majestät. Einzelne scharfprofilierte Hochgipfel lösen sich aus
den durch Kare und Schneefelder zergliederten Hochflächen: Hoher
Göll und Hagengebirge, Hochkönig, Reiteralpe, Lattengebirge und
Untersberg, im Westen alles überragend der dreigipflige, bis zu
2714 Metern ansteigende Watzmann und der 100 Meter niedrigere
Hochkalter. Bis zu 1500 Metern deckt Wald die Felsen, darüber aber
stürzen die fast weiß ausgewaschenen nackten Wände
jäh herab. Wenig Almen, Waldwirtschaft und Holzgewerbe, das ist das
Wirtschaftsbild der Berchtesgadener und darüber hinaus der Salzburger
Berge. Nur vier Prozent der Fläche sind dem Roggen und Hafer
kultivierenden Ackerbau abgetrotzt. "So ist alles weites, wildzerrissenes und zum
Teil sehr schwer begehbares Gebirgsland voll grellen Kalkgewändes und
dunkler Waldgehänge, worin die braunen Einzelhöfe nur dünn
über die Berglehnen der Täler verstreut liegen. Jäger und
Holzknechte sind die Bewohner dieser einsamen Gebirge, und ihr Jodler schwebt
weit über felsiges Tal zu einem Schuß hinüber, der von
irgendwo aus Wolken und Winden hervorhallt" (E. Banse). Und nicht zu
vergessen ist der Fremdenverkehr, der Leben und Geld in diese Berge getragen
hat. Schon seit 1817 beziehen Reichenhall, Traunstein und
Rosenheim durch eine Röhrenleitung Sole aus der
Berchtesgadener Saline. Am Obersalzberg steht Haus Wachenfeld, das
Heim des Führers. Endlose Wallfahrten dankbar begeisterter Deutscher
führen allezeit an die Stätte, da des Reiches Kanzler und
Führer Erholung sucht in stillen Stunden, im Aufblick zu den Bergen des
Berchtesgadener Landes, die ihm schon 1923 Zuflucht geboten hatten.
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Mittenwald (Oberbayern). Dorfstraße.
[845]
Mittenwald (Oberbayern). Der obere Markt.
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Das Herzstück der Bayerischen Alpen sind das Karwendel- und das
Wettersteingebirge, ersteres nur noch mit der östlichen Karwendelspitze,
deren Massiv drohend über dem Geigenmacherdorf Mittenwald
lastet, auf deutschem Reichsboden gelegen, dieses dem ganzen Gebirgsabschnitt
mit der formschönen Alpspitze und dem massigen Block der Zugspitze
Schönheit und Profil schenkend. Man hat das grüne Breittal der
Loisach bei Garmisch-Partenkirchen die Triumphpforte der Bayerischen
Alpen genannt. Wirklich, hier am Zugang zum Werdenfelser Land,
erschließt sich der ganze Zauber der Vorberge, die herrliche Rundblicke auf
die steinerne Schneepracht der Zentralalpen vermitteln, erschließen sich die
Wiesenfrische der von altbayerisch behaglichen Dörfern und von
modernen, in Streulage gebauten Landhäusern und Hotels besiedelten
Täler, waldreiche Spaziergänge, wildromantische Klammen,
lockende Hochtouren. Lieblichkeit und Größe liegen nebeneinander.
Der Isarwinkel, das Werdenfelser Land, der nördlich anschließende
Ammergau und die Lechtaler Alpen sind das Gebiet der Pässe und
Fernstraßen. Ihnen danken die Siedlungen ihre Anfänge. Sie zogen
von Anfang an Fremde herbei. So ist es kein Zufall, daß
Garmisch-Partenkirchen internationalen Klang hat. Und doch, allein die
ausgiebige Zertalung durch zahlreiche Längsadern sorgt schon dafür,
daß trotz allem modischen Getriebe, das sich zumal in Garmisch sammelt,
trotz der vielbesuchten Partnach- und Höllentalklamm, [862] trotz den vielen
Bergbahnen und dem regen Fremdenstrom, den allein die wunderlich
phantastischen Königsschlösser herbeilocken, auch dem einsamen
Wanderer unzählige Möglichkeiten zu ständig neuem Erleben
verbleiben.
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Garmisch. Oberbayrisches Bauernhaus.
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Hier ist Gelegenheit, für die noch unterhalb der Latschenregion bleibenden
bayerischen Aussichtsberge zu schwärmen. Da schiebt sich zwischen
Staffel-, Kochel- und Walchensee der Doppelgipfel von Herzogsstand und
Heimgarten. Östlich, die Gegend von Bad Tölz beherrschend,
schließt die Benediktenwand an. Und über Rosenheim, bis weit in
den Chiemgau grüßend, erhebt sich Bayerns beliebtester Berg, der
kapellenbekrönte sonnige Wendelstein. Sonne und Höhenluft, das ist
auch das Erlebnis auf dem Wank, dessen
Zugspitz- und Loisachblick alle "überirdische" Wonne des Bergsteigers
oder Bergfahrers umschließt. Wie zum Skiparadies des Kreuzeck, zum
Nebelhorn bei Oberstdorf, zum Predigtstuhl bei Reichenhall und zum
Wendelstein führt auf den Wank eine Bergbahn hinauf.
Seit 1930 ist auch Deutschlands höchster Berg durch die Bayerische
Zugspitzbahn bezwungen. Als glänzende Leistung deutscher
Technik nimmt die Bahn den Höhenunterschied von über
2800 Metern, bis Grainau als Reibungsbahn, bis zum Schneefernerhaus mit
Zahnradbetrieb, wobei in einem 4,6 Kilometer langen Hangtunnel eine
Höchststeigung von 25 Prozent erreicht wird, um endlich vom
Schneefernerhaus bis zur Spitze als Seilschwebebahn zu endigen. Wundervolles,
dem Irdischen enthoben scheinendes Erlebnis, nur dem Flug durch die
Lüfte vergleichbares Erklimmen und Schweben über Wald und Tal
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Wendelstein (Oberbayern).
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und See! Die ewige Schneewelt des Platts und Schneeferners weht uns entgegen,
eine Welt des Pulverschnees, dessen Schwaden unter den sausenden Brettern der
Skifahrer, unter brennenden Höhensonnenstrahlen stäuben; eine Welt
brauender Wolken und Nebel, der alles verhängenden Schneestürme,
der alles vereisenden Temperaturstürze. Als ehrfürchtiger Gast ist der
Mensch in diese Region eingebrochen; übermütig vergißt er im
Genuß der neuzeitlichen Hotelannehmlichkeiten des Schneefernerhauses die
schauerliche Allgewalt der Bergnatur. Droben aber, auf dem Ostgipfel des Berges,
wo das 1851 von 29 Männern auf die Höhe getragene Kreuz
dunkel gegen die überirdische Reinheit der Firnfelder und das seidige
Azurblau des Himmels steht, dort, näher dem Ewigen, spürt der
Erdenbürger erschauernd die Zeitlichkeit, Kleinheit und Begrenztheit
eigenen Wesens. Hier droben leuchtet das Erlebnis, angesichts der die
Länder trennenden und dennoch sie verbindenden Alpen: Deutschland als
das europäische Herz zu begreifen. Hier droben, näher den Sternen,
"die hell und klar und rein über Deutschland stehen", wächst der
Glaube, der weit drunten, in den grauen Tälern und Ebenen, um Sieg und
Zukunft kämpft:
Ewiges
Deutschland!
[Anm. d. Scriptorium: auf Seiten 863-874 erscheint im
Original dieses Buches ein Namensregister, welches wir in diesem
online-Nachdruck weglassen, da
Personen- und Ortsnamen viel leichter über unsere Suchmaske zu finden sind.]
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