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X. Die Anschlußfrage als Wirtschaftsproblem   (Forts.)

 
Land- und Forstwirtschaft
Bundesminister a. D. Ing. Vinzenz Schumy (Klagenfurt)

Deutschösterreich ein unorganisches Teilstück der Donaumonarchie • Ungünstige Oberflächengestaltung in Österreich • Die alpenländische Landwirtschaft auf innige Wirtschaftsbeziehungen vor allem mit dem Reich angewiesen • Die Landwirtschaft Deutschlands, besonders Bayerns • Handelsbilanz • Österreich ist ein Bauernland • Wert und Bedeutung eines gesunden Bauerntums für die Erhaltung des Volkstums • Österreichs Bodenfläche • Die Getreideproduktion • Grasland • Hopfenbau • Weinbau • Tabakbau • Obsterzeugung • Verkehr in Tieren und Tierprodukten • Milchwirtschaft • Forstwirtschaft • Landwirtschaftliche Industrie • Papierindustrie • Mühlenindustrie • Brauereien • Zuckerfabrikation • Brennereien • Gemeinsame Einrichtungen zur Förderung der Landeskulturen • Die Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Zusammenschlusses.

Wenn die wirtschaftliche Seite des Anschlusses richtig gewürdigt werden soll, dann ist es notwendig, auch die Landwirtschaft in den Kreis der Beobachtungen über diesen Gegenstand einzubeziehen. Die allgemeine Meinung geht zwar dahin, daß diese Seite der Anschlußfrage die geringsten Bedenken erwecken und beiderseits die meisten Vorteile bieten dürfte; es darf aber nicht übersehen werden, daß auch hier Schwierigkeiten und Bedenken bestehen, die man kennen muß, um sie zu zerstreuen oder zu bekämpfen.

Zunächst sei die Tatsache vorausgeschickt, daß das heutige Österreich lediglich als unorganisches Teilstück der alten Donaumonarchie aufzufassen ist. Schon die äußere Gestaltung zeigt uns eine höchst unglückselige Form. Diese wird in ihren ungünstigen Wirkungen noch durch eine Oberflächengestaltung ergänzt, die Österreich gewissermaßen in zwei Gebiete, und zwar in das Gebiet der Donauländer und in jenes der Alpenländer, scheidet. Ersteres weist fruchtbares ebenes Land auf, genießt den Vorteil, daß die große Millionenstadt Wien und mehrere größere Städte und Industrieorte günstige Voraussetzungen für den [372] Verbrauch bieten, gleichzeitig aber auch den Vorzug, daß sie über die ausgezeichnete Wasserstraße der Donau und über ein vorzügliches Verkehrsnetz verfügen. Die Alpenländer hingegen entbehren nicht allein der ausgedehnten fruchtbaren, für intensiven Ackerbau geeigneten Kulturflächen, sondern sind auch in bezug auf die Absatz- und Verkehrsmöglichkeiten gegenüber den Donauländern bedeutend im Nachteil, wozu noch kommt, daß die alpenländische Landwirtschaft den Bedarf an einzelnen Nahrungsmitteln nur zum geringen Teil zu decken vermag. Sie ist gezwungen, den Abgang unter nicht immer gerade günstigen Verhältnissen von auswärts zu beziehen, während sie mit ihren Überschußartikeln nur beschränkte Möglichkeiten besitzt, im Inlande, und zwar in diesem Falle in den Konsumzentren der Donauländer, lohnenden Absatz zu finden. Letzterer Umstand ist nicht allein darauf zurückzuführen, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse im neuen Österreich zu einer Umstellung zwingen, welche Veränderungen bekanntermaßen mit großen Schwierigkeiten verknüpft sind, sondern auch darauf, daß die Entfernungen große Frachtspesen bedingen und die Erzeugungsmöglichkeiten in den Alpenländern mit den Konsumansprüchen Wiens teils schwer, teils überhaupt nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Aus dieser Entwicklung heraus ist es begreiflich, wenn sich die Landwirtschaft der Donauländer in der Hauptsache der Versorgung Wiens und der übrigen Verbrauchsorte der Donaugebiete zuwendet, während die alpenländische Landwirtschaft nach wie vor auf innige Wirtschaftsbeziehungen mit den Nachbarländern angewiesen ist. Wenn hier Deutschland an erster Stelle steht, so genügt ein Blick auf die Karte[n], um zu verstehen, daß insbesondere die unmittelbar an Bayern grenzenden Länder Salzburg, Tirol und Vorarlberg, zum Teil auch Oberösterreich stark nach dem Deutschen Reich hin gravitieren. In das Versorgungsgebiet Süddeutschlands rücken auch Teile von Steiermark und Kärnten. Eine Ausnahme bildet in Obersteiermark und in Kärnten lediglich der Holzverkauf, der mit Rücksicht auf die Frachtenlage nach dem Süden strebt, während die westlichen Alpenländer wohl zur Gänze an Deutschland und an dem Westen interessiert sind. Es steht also außer Zweifel, daß die Landwirtschaft Österreichs großes Interesse an den wirtschaftlichen Beziehungen zum Deutschen Reiche besitzt, an Beziehungen, die sich bisher ohne jegliche gegenseitige Förderung aus den natürlichen gegebenen Verhältnissen heraus entwickelt und erhalten haben.

Verteilung und Berufsgliederung der österreichischen Bevölkerung.
[370]      Verteilung und Berufsgliederung der österreichischen Bevölkerung.      [Vergrößern]

Bodenbenutzung in Österreich.
[392]      Bodenbenutzung in Österreich.      [Vergrößern]

[373] Dieses Interesse findet seinen ziffernmäßigen Ausdruck in der Tatsache, daß Österreich im Jahre 1929 nach Deutschland lebende Tiere im Werte von 16,5 Millionen Schilling, Nahrungsmittel um 15,5 Millionen Schilling, Holz um 42,5 Millionen Schilling ausgeführt hat.

In umgekehrter Betrachtung der Dinge muß allerdings zugegeben werden, daß dem ersten Anscheine nach die deutsche Wirtschaft an der landwirtschaftlichen Ausfuhr Österreichs nach Deutschland weniger Interesse besitzt. Besonders ist dies bei Bayern der Fall, das als unmittelbares Einfuhrsland in erster Linie betroffen ist. Es muß auffallen, wenn die Vertreter Bayerns dem Abschlusse eines deutsch-österreichischen Handelsvertrages durch längere Zeit Schwierigkeiten bereiteten und wenn bei der Abstimmung über diesen Vertrag im Deutschen Reichsrate die bayrischen Vertreter gar nicht mitstimmten. Die Landwirtschaft des Deutschen Reiches, im besonderen jene Bayerns, macht derzeit eine sehr schwere Preis- und Absatzkrise durch. Es ist daher verständlich, wenn man sich dort so lange gegen jegliche Einfuhr wehrt, solange die heimischen Erzeugnisse nur schwer und nur zu gedrückten Preisen verkauft werden können. Es wäre jedoch gefehlt, wollte man aus dieser momentanen Erscheinung Schlüsse von grundsätzlicher Bedeutung für den Anschlußgedanken ziehen. Es steht doch außer Zweifel, daß die Agrarkrise – mögen ihre Ursachen auch in der Lage der Weltwirtschaft ruhen – keine dauernde Erscheinung bleiben kann, wenn die Landwirtschaft der Kulturstaaten nicht zugrunde gehen sollte. Sodann ist aber auch erwiesen, daß in normalen Zeiten die bayrische Landwirtschaft aus dem österreichisch-bayrischen Handelsverkehr stets Nutzen zog. Wenn man von Schlachtvieh, von Milchprodukten und etwa noch Edelobst absieht, hat Bayern immer nur halbfertige Ware bezogen, um sie im eigenen Wirtschaftsbetriebe zu veredeln und diese sodann weiter zu verkaufen. Dabei hatte der österreichische Produzent ebenso seinen Nutzen wie der bayrische Bauer oder die bayrische Sägeindustrie. Endlich ist aber noch zu berücksichtigen, daß diese Frage nicht allein vom rein bayrischen, sondern vor allem vom allgemeinen deutschen Standpunkte behandelt werden muß. Wenn man die Dinge von dieser Seite aus betrachtet, muß berücksichtigt werden, daß Deutschland nach Österreich Waren im Werte von 696,5 Millionen Schilling einführt, während umgekehrt der österreichische Ausfuhrswert nach Deutschland nur 351,2 Millionen Schilling beträgt. Innerhalb dieser Summen macht die Ausfuhr an lebenden [374] Tieren und an Nahrungsmitteln und Getränken nach Deutschland zwar 33 Millionen Schilling aus, welcher Ziffer ein Ausfuhrswert der gleichen Warengattungen von Deutschland nach Österreich von nur rund 25,5 Millionen Schilling gegenübersteht, daß aber dafür Österreich aus dem Deutschen Reiche Rohstoffe, halbfertige Ware und fertige Ware im Werte von 653 Millionen Schilling bezieht, während der österreichische Export nach Deutschland in diesen Artikeln nur rund 311 Millionen Schilling ausmacht. Nach der amtlichen deutschen Statistik vom Jahre 1928 steht Österreich unter den einführenden Staaten erst an 20. Stelle, während es unter den Exportländern an 11. Stelle steht. Der österreichische Einfuhrsüberschuß gegenüber Deutschland betrug im Jahre 1927 149,3 Millionen, im Jahre 1928 241 Millionen, im Jahre 1929 bereits 243,6 Millionen Schilling, während dieser Einfuhrsüberschuß gegenüber der Tschechoslowakei von 324,5 Millionen Schilling im Jahre 1927 auf 313,8 Millionen Schilling im Jahre 1928 und auf 287,7 Millionen Schilling im Jahre 1929 zurückging. Diese Zahlen sprechen eine so deutliche Sprache, daß ihnen gegenüber die lokalen Bedenken gegen den agrarischen Export nach Deutschland vollständig in den Hintergrund treten müssen.

Es wäre aber gefehlt, die Anschlußfrage nur vom Gesichtspunkte der Warenstatistik zu betrachten. Ebenso wichtig ist doch auch die Tatsache, daß Österreich ein gesundes und kräftiges Bauerntum aufweist und daß daher das Moment des Volkstums und der Verjüngung der Rasse nicht außer Betracht bleiben darf. Im ganzen Bundesgebiet Österreich entfallen zwar von den 6,5 Millionen Einwohnern nur rund 2 Millionen auf die Land- und Forstwirtschaft und mehr wie 3,24 Millionen auf Industrie, Gewerbe und Handel. Wenn man aber von Wien absieht, verschiebt sich das Bild insofern, als dann auf eine Bevölkerung von 4,66 Millionen Einwohnern nur mehr 1,9 Millionen Berufszugehöriger von Industrie, Gewerbe und Handel entfallen, während die erwähnte Zahl von Berufszugehörigen der Land- und Forstwirtschaft von 1,9 Millionen Einwohnern fast keine Veränderung er- [375] fährt. In den einzelnen Ländern sind nach Kallbrunner in der Land- und Forstwirtschaft tätig in Wien 0,9% der Gesamtbevölkerung, in Vorarlberg 35,9%, in Salzburg und in den übrigen Ländern aber über 50%. (In Kärnten z. B. 61,2%, im Burgenland 72,7%.) Diese Zahlen zeigen das Vorwiegen der Landbevölkerung, das heißt der in der Land- und Forstwirtschaft Berufstätigen in den Ländern. Dieses Bild kann aber noch ergänzt werden durch den Hinweis auf die Besitzverteilung in den Ländern. Nach der letzten Betriebszählung vom Jahre 1902 umfaßt Österreich 411.498 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, von welchen auf den Parzellenbesitz 10,3%, auf den mittleren bäuerlichen Besitz 89,1% und auf den Großbesitz nur 0,6% entfallen. Das Burgenland ist hier unberücksichtigt geblieben. Aber auch in diesem Lande entfallen von rund 397.000 ha auf die Bauerngüter 290.000 ha und auf den Großgrundbesitz 102.000 ha. Österreich ist also ein ausgesprochenes Bauernland. Diese Bauernbetriebe sind es, die einem gesunden Menschenschlage den wirtschaftlichen Rückhalt bieten, die aber auch der Proletarisierung entgegenarbeiten und die Grundlage für ein physisch und sittlich stark fundiertes Landvolk schaffen. Nach der deutschen Statistik ist der Prozentsatz der Berufszugehörigen der Land- und Forstwirtschaft von 40% im Jahre 1882 auf 23% im Jahre 1925 zurückgegangen, während zur gleichen Zeit der Prozentsatz der Berufszugehörigen der Industrie, des Gewerbes und des Handels von 44,7 auf 58,2% in die Höhe ging. Selbst der Prozentsatz der Berufslosen erfuhr in der gleichen Zeit eine Zunahme von 4,7% auf 9,1%. Wenngleich auch die Verhältnisse in dieser Richtung in Deutschland sehr verschiedenartig gestaltet sind, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß das Bauerntum im Reiche stark abbröckelt und immer weniger imstande ist, seine volkserneuernde Kraft gegenüber der in stärkerer Zunahme befindlichen Bevölkerung der übrigen Berufe zu erfüllen. Daher ist der Anschluß Österreichs an Deutschland vom Standpunkte der Erhaltung der Volkskraft, vom Standpunkte der Stärkung des bodenständigen Landvolkes und Bauerntums und des Einflusses dieser Bevölkerungsschicht auf das Volksganze von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

[376] Von der Gesamtfläche Deutschlands im Ausmaße von 46,85 Millionen Hektar entfallen auf die landwirtschaftlich benutzte Fläche 62,77%, auf die Waldfläche 27,18% und auf Unproduktives 10,05%. Österreich hingegen besitzt bei einer Gesamtfläche von 8,38 Millionen Hektar an landwirtschaftlich genutzter Fläche 52,1%, an Waldfläche 37,4% und an unproduktivem Gelände 10,5%. Während Österreich im heutigen Gesamtausmaße 17,9% der Gesamtfläche Deutschlands ausmacht, beträgt der Prozentsatz der landwirtschaftlich benutzten Fläche 14,5%, hingegen der Prozentsatz an Waldfläche 24,6%. In bezug auf die unproduktiven Flächen stimmt der Prozentsatz in Deutschland und Österreich interessanterweise ziemlich überein. Österreich tritt auf dem Gebiete des Ackerbaues stark zurück, während es über verhältnismäßig viel Grasland und vor allem über viel Waldland verfügt. Infolgedessen ist es erklärlich, daß die Getreideproduktion in Österreich nicht in der Lage ist, den heimischen Bedarf zu decken. Der Ernteertrag belief sich im Jahre 1928:

    Deutsches Reich Österreich
     Ernte in 
    1000 q
    pro
     Hektar 
     Ernte in 
    1000 q
    pro
     Hektar 
    Weizen 32.801 18.8 3255 15.9
    Roggen 68.336 14.5 5112 13.3
    Gerste Sommer
    Winter
    23.394
      3.985
    17.9
    23.1
    2232
      149
    16.1
    15.3
    Hafer 63.467 18.3 4388 14.1

Die eigene Produktion vermochte in Österreich im Wirtschaftsjahre 1928/29 nur rund 44% des Bedarfes an Weizen, 78% des Bedarfes an Roggen, 80% des Gerstenbedarfes und 83% des Haferbedarfes zu decken. Daher war Österreich genötigt, im Jahre 1928 bei einer verhältnismäßig geringen Ausfuhr einzuführen: an Weizen 93 Millionen, an Roggen 35,7 Millionen, an Gerste 16,7 Millionen und an Hafer 24,5 Millionen Zentner. Im Jahre 1929 betrug der Einfuhrswert des Getreides: bei Weizen 72,4, Roggen 25,9, Gerste 20,6 und Hafer 22,3 Millionen Schilling. Zu dieser Gesamtgetreideeinfuhr im Werte von über 141 Millionen Schilling kommt noch eine Mehleinfuhr [377] von über 71 Millionen Schilling. Nachdem sowohl Getreide als auch Mehl in der Hauptsache aus den westlichen Nachbarländern und zum Teil auch aus Überseeländern bezogen wird, spielt der Verkehr mit Deutschland auf diesem Gebiet keine nennenswerte Rolle. Wohl aber befruchtet Deutschlands Landwirtschaft den österreichischen Getreidebau durch eine nicht unbedeutende Versorgung mit Saatgut. Die Getreideproduktion spielt vornehmlich in den Donauländern eine Rolle. Hier gibt das flache Land noch Überschußgetreide an die Handelsmühlen ab, während in den Alpenländern verhältnismäßig viel Getreide und Mehl gekauft werden muß. Nur der Roggenbau und die Hafererzeugung sind in den Alpenländern imstande, den Hausbedarf der Landwirtschaft zu decken und in vereinzelten Kreisen sogar auch noch kleinere Mengen zum Verkaufe zu bringen.

Je mehr der Umfang des Ackerbaues in den einzelnen Ländern Österreichs zurücktritt, desto wichtiger wird dort das Grasland und desto stärker tritt dort die Viehproduktion in den Vordergrund. Während Deutschland rund 17% Grasland aufweist, beträgt der Prozentsatz in Österreich 27,5%. Dazu kommt noch, daß in den Alpenländern der Ackerfutterbau eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Insbesondere tritt neben Kleebau in neuerer Zeit der Anbau von Mischfutter und von Runkelrüben stark hervor. Bemerkt sei, daß auch in den Alpenländern der Kartoffelbau eine große Bedeutung besitzt. Dieser macht im Bundesdurchschnitt 9,8% der Fläche aus, beläuft sich aber in Niederösterreich auf mehr als 12% und in Vorarlberg auf über 19%. Daher vermochte Österreichs Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1928/29 den inländischen Kartoffelbedarf bereits zur Gänze zu decken und auch nennenswerte Mengen zum Zwecke der Spirituserzeugung abzugeben. In guten Kartoffeljahren entwickelt sich auch eine beachtenswerte Kartoffelausfuhr nach Italien. So wenig belangreich die österreichische Ackerwirtschaft für den Anschluß auch sein mag, so wichtig erscheint dieser Import im Zusammenhange mit handelspolitischen Bindungen, die früher oder später doch eintreten müssen, um Industrieartikel in die Lieferungsgebiete von Getreide und Mehl zu exportieren. Für die Dauer ist der Zustand ja undenkbar, daß fortgesetzt große Mengen von Brotfrucht eingeführt werden, ohne daß dieser Import mit dem Verkauf der eigenen Industrieerzeugnisse in zwangsmäßigen Zusammenhang gebracht wird. Wenn die reine Einfuhr an Getreide im Jahre 141 Millionen Schilling, jene an Mehl aber 71,6 Millionen [378] Schilling beträgt, dann sind solche Ziffernwerte für die handelspolitische Entwicklung sicherlich nicht ohne Belang.

Was nun die übrigen Bodenerzeugnisse anbetrifft, so sind sie im allgemeinen für unsere Betrachtungen nicht von großer Bedeutung. Der deutsche Hopfenbau mit seiner Anbaufläche mit rund 15.000 ha und einem Jahresertrag von 83.600 mq reicht ja bekanntlich nicht dazu aus, um den eigenen Bedarf an Hopfen zu decken, weshalb Deutschland ebenso wie Österreich genötigt ist, ungefähr das Dreifache der eigenen Erzeugung einzuführen. Die österreichische Einfuhr an Hopfen besitzt einen Wert von über 7 Millionen Schilling; der Großteil hievon wird aus der Tschechoslowakei bezogen. Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Weinbau. Deutschland besitzt nach der Statistik vom Jahre 1927 rund 80.000 ha Weinland, während Österreich im ganzen rund 37.000 ha Weingärten auf weist. Die deutsche Weinproduktion wird auf jährlich 2 Millionen Hektoliter im Werte von rund 200 Millionen Mark geschätzt, jene von Österreich nach den letztjährigen Ergebnissen auf 226.000 bis 860.000 hl. Während Deutschland in der Hauptsache Flaschenweine erzeugt und zum Teile auch nach Österreich ausliefert, handelt es sich bei den österreichischen Weinen zunächst um Faßware, die zwar zur Gänze am heimischen Markt Absatz findet, immerhin aber von der billigeren Auslandskonkurrenz stark bedrückt wird. Bei einer Gesamtweineinfuhr im Jahre 1929 von 406.000 hl im Werte von 21,6 Millionen Schilling betrug der deutsche Weinexport nach Österreich ungefähr 940 hl im Werte von 449.000 S, während vom gesamten Flaschenweinimport Österreichs von 525 hl im Jahre 1928 im Werte von 357.000 S auf Deutschland eine Menge von 336 hl im Werte von 261.000 S entfiel. Auch der Tabakbau ist für die wirtschaftlichen Beziehungen von untergeordneter Bedeutung. Das Deutsche Reich weist im Jahre 1928 eine Anbaufläche für Tabak von rund 110.000 ha aus. Der Ertrag von 235.000 q entspricht einem Gesamtwert von 20,3 Millionen Reichsmark. Österreich besitzt bekanntlich das Tabakmonopol und wäre daher in der Lage, Qualitätsware an Rohtabak in großer Menge aufzunehmen. Nachdem der Tabakbau aber so gut wie gar keine Rolle spielt, war Österreich genötigt, im Jahre 1929 Rohtabak um 63,6 Millionen Schilling einzuführen.

Wichtiger für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Deutschland ist die Obsterzeugung. Die Ernteergebnisse bei Obst unterliegen sehr großen Schwankungen, weshalb es sehr gewagt ist, mit Durchschnitts- [379] ziffern zu rechnen. Österreich hatte nur im Jahre 1924 einen Ausfuhrüberschuß an Äpfel, Birnen und Quitten von 457.000 q und im Jahre 1928 von 29.500 q, während sich der Einfuhrsüberschuß in den Jahren 1925 bis 1927 zwischen 165.000 q und 222.000 q bewegte. Im Jahre 1929 betrug die österreichische Einfuhr an Obst über 1 Million Zentner im Werte von 39,5 Millionen Schilling, während die Ausfuhr nur rund 29.000 q im Werte von rund 2 Millionen Schilling ausmachte. Im gleichen Jahre wurde die Obstausfuhr von Österreich nach Deutschland durch die Einfuhr von dort annähernd aufgehoben. Hingegen vermochte Österreich im Jahre 1928 nach Deutschland über 222.000 q Obst im Werte von über 4,7 Millionen Mark auszuliefern. In guten Erntejahren ist also Österreich an der Obstausfuhr nach Deutschland sehr interessiert. Für Deutschland selbst spielt diese Einfuhr allerdings keine nennenswerte Rolle, denn selbst der verhältnismäßig große Obstexport des Jahres 1928 aus Österreich machte nur 4,7% der gesamten Obsteinfuhr Deutschlands aus. Hauptsächlich wird nach Deutschland Preßobst geliefert, weil Tafelobst zumeist im eigenen Lande Verwendung findet.

Von viel größerer Bedeutung als der Warenaustausch an Bodenprodukten ist der Verkehr in Tieren und Tierprodukten. Die bereits erwähnte Tatsache, daß ein verhältnismäßig großer Teil der produktiven Fläche als Grasland Verwendung findet und daß in steigendem Ausmaße auch Ackerfutter erzeugt wird, läßt es verständlich erscheinen, daß Österreich eine verhältnismäßig große Viehdichte aufweist. Der zahlenmäßige Bestand an lebenden Tieren betrug in:

    Deutschland 1928     Österreich 1928     Prozent
    von Deutschland
    Pferde 3,868.623      282.651            7,3
    Rinder 17,195.309      2,162.385          12,5
    Schweine 19,412.489      1,473.219            7,5
    Schafe 4,083.934      597.413          14,6

Auf 100 Einwohner entfallen in:

        Pferde     Rinder     Schweine     Schafe
    Deutschland 61 271 307 64
    Österreich 43 331 225 91

[380] Diese Übersicht zeigt, daß Deutschland zwar einen verhältnismäßigen Mehrbestand an Pferden und an Schweinen besitzt, während die Viehdichte an Rindern und an Schafen in Österreich größer ist.

Im Verhältnis zur Fläche steht aber Österreich begreiflicherweise durchwegs hinter Deutschland. Auf je 1000 ha Land befinden sich in:

        Pferde     Rinder     Schweine     Schafe
    Österreich 33,7 257,7 175     71,3
    Deutsches Reich 82,2 356,3 412,4 86,8

Im Jahre 1929 wurden nach Österreich 7407 Gebrauchspferde im Werte von 3,24 Millionen und 40.487 Schlachtpferde im Werte von 3,57 Millionen Schilling eingeführt. Die Ausfuhr betrug 1158 Gebrauchspferde im Werte von 1,3 Millionen Schilling, während die Schlachtpferdeausfuhr nicht erwähnenswert ist. Von diesen ausgeführten Gebrauchspferden gingen rund 900 Stück im Werte von zirka 1 Million Schilling nach Deutschland, während das Deutsche Reich an der Einfuhr von Gebrauchs- und Schlachtpferden nach Österreich fast gar nicht beteiligt ist. Im Jahre 1927 führte Österreich nach Deutschland 1921 und im Jahre 1928 1464 Stück Pferde aus. Als Pferdeeinfuhrsland steht Österreich in der deutschen Statistik erst an fünfter Stelle. Und selbst mit dieser geringen Zahl von Exportpferden ist Österreich in der Hauptsache auf Bayern angewiesen. Es hängt dies nicht allein mit dem Umstande zusammen, daß nur die österreichischen Alpenländer als ausgesprochene Pferdezuchtgebiete in Betracht kommen und überdies infolge der Grenznähe nach Bayern gravitieren, sondern auch damit, daß Bayern einen schweren Pferdeschlag, das norische Pferd, zieht, wogegen das Warmblutpferd ebenso wie in Österreich stark in den Hintergrund tritt. Von zusammen 697 Deckhengsten entfielen in Bayern im Jahre 1927 auf solche der norischen Rasse nicht weniger wie 448 = 64% und auf das dem Noricer nahestehende rheinischdeutsche Kaltblut 83 Hengste = 12,17%. Nach der amtlichen Deckstatistik werden bei einem mittleren Pferdestand von 400.000 Pferden jährlich rund 25.000 Stuten gedeckt. Der Zuwachs beträgt daher bei Annahme eines 50%igen Deck- und Aufzuchtserfolges rund 12.500 Fohlen. Der jährliche Abgang an Gebrauchs- und Zuchtpferden wird in Bayern aber jährlich mit 10% des Gesamtbestandes [381] errechnet, so daß sich ein Bedarf von 40.000 Stück ergibt. Es muß mit einem jährlichen Manko von 27.500 Pferden gerechnet werden. Die österreichische Pferdeausfuhr nach Bayern findet demgemäß ihre Begründung in den gegebenen Rassen- und Wirtschaftsverhältnissen Bayerns. Wenn auch anzunehmen ist, daß die bayrische Pferdezucht allmählich imstande sein wird, immer größere Anteile des Bedarfes aus der eigenen Nachzucht zu decken, so dürfte doch die Annahme nicht unberechtigt sein, daß die österreichischen Alpenländer auch in Hinkunft berufen sein werden, Bayerns Pferdeabgang zu alimentieren. Die weitverbreitete Meinung, daß die Pferdezucht dem Untergange geweiht sei und daß an die Stelle des Ackerpferdes die motorisierte Maschine treten werde, hat zwar in der amerikanischen Entwicklung eine Stütze, doch zeigt es sich bei uns, daß die Maschine nicht überall imstande ist, das Pferd zu verdrängen. Besitzgröße, Oberflächengestaltung usw. wirken der Mechanisierung ebenso entgegen, wie betriebswirtschaftliche Erwägungen und der gesunde konservative Sinn der Bauern. Dazu kommt noch, daß in Deutschland beachtenswerte Kräfte tätig sind, um der überstarken Motorisierung des deutschen Ackerbaues entgegenzuwirken und die deutsche Pferdezucht im vollen Umfange zu erhalten.

Noch wichtiger gestaltet sich für Österreich der Rinderverkehr mit Deutschland. Dabei muß vorausgeschickt werden, daß die österreichischen Alpenländer nicht in der Lage sind, den Bedarf an Schlachtvieh aus eigenem zu decken. Am Wiener Markt betrug die Auftriebsziffer an Schlachtvieh im Jahre 1928 157.700 Stück; aus dem Auslande wurden bezogen 125.000 Stück, so daß auf das Inland nur eine Auftriebsziffer von 32.000 Stück entfiel. Ähnlich gestaltete sich der Viehauftrieb am Wiener Markt auch in den vorangegangenen Jahren. Die wichtigsten Herkunftsländer für Schlachtrinder waren Rumänien, Jugoslawien und Ungarn. Die Schlachtrinder inländischer Herkunft stammen in der Hauptsache aus den Mastbetrieben der Donauländer. Die Alpenländer beteiligen sich an der Versorgung Wiens mit Schlachtvieh so gut wie gar nicht. Der verhältnismäßig geringe Überschuß an Schlachtvieh in den Alpenländern gravitierte schon in der Vorkriegszeit nach Südtirol und nach Bayern. Derzeit wären die mit den bäuerlichen Brennereien in Verbindung stehenden Mastbetriebe der Alpenländer wieder am Absatz nach München, Nürnberg und Regensburg interessiert. Der Wiener Markt wird von den Alpenländern infolge der einseitigen Qualitätsansprüche und wegen der Unbeständig- [382] keit der Preise nur höchst ungern aufgesucht. Für die Alpenländer spielt aber nicht die Schlachtviehausfuhr, sondern die Ausfuhr an Nutzrindern nach Deutschland die größte Rolle. Während im Jahre 1929 von Österreich nach Deutschland 1764 Schlachtochsen ausgeliefert wurden, betrug im gleichen Jahre die Ausfuhr an Nutzochsen 5456, an Zuchtstieren 228 Stück, an Kühen 6070 Stück und an Jungochsen und Kälbern 34.000 Stück. Die Ausfuhr an Zucht- und Nutzrindern nach Deutschland betrug im Jahre 1929 insgesamt 16.188 Stück im Werte von über 12½ Millionen Schilling. An dieser Ausfuhr sind in erster Linie die Zuchtgebiete des Pinzgauer Rindes beteiligt. Dazu gehört das Land Salzburg zur Gänze, ferner Teile von Oberösterreich, Obersteiermark und ganz Osttirol. Diesem Zuchtgebiete steht als Aufnahmsgebiet das Pinzgauer Zuchtgebiet in Bayern, dessen Ausbreitung annähernd durch das Dreieck Berchtesgaden, Burghausen, Rosenheim gegeben ist, gegenüber. Die Zuchtrinder dienen in diesem Gebiete zur Ergänzung der eigenen Bestände, während die Jungochsen (Spinner) der Weiteraufzucht und Mästung zugeführt werden. Für den Grenzverkehr mit Zucht- und Nutzrindern sind schon seit der Vorkriegszeit in den Handelsverträgen Sonderbestimmungen und Begünstigungen vorgesehen. Im Gebiete der oberösterreichischen Grenze und des unteren Inntales grenzt das österreichische Fleckviehrassengebiet an jenes von Bayern an, während an das obere Inntal und an Vorarlberg das Braunviehgebiet Bayerns angrenzt. Überall stoßen die gleichartigen Rassengebiete zusammen, woraus sich der schon in früher Zeit vollziehende und nicht ganz unbedeutende Verkehr in Zucht- und Nutzrindern erklärt. Wir sehen also, daß auch bei den Rindern die Verhältnisse ähnlich liegen wie bei Pferden. Die alpenländische Rinderzucht ist mit ihren Überschüssen an Schlachtvieh und an Zucht- und Nutzvieh in erster Linie auf den Absatz nach Bayern angewiesen. Umgekehrt ist nicht zu bestreiten, daß die bayrische Landwirtschaft an diesen Importen interessiert ist. Der bayrische Züchter ist der teuren Aufzuchtkosten enthoben, er bezieht gesundes, gealptes Zucht- und Nutzmaterial, das er, soweit er es nicht zur Auffüllung der eigenen Bestände verwendet, der Mästung zuführt, um es gewinnbringend weiterzuverkaufen.

Was die Schweinezucht anbetrifft, liegen die Verhältnisse in beiden Ländern wesentlich anders als bei den bereits behandelten beiden Viehgattungen. Deutschland wies im Jahre 1928 eine Schweineeinfuhr von 9400 Stück im Werte von [383] 7,97 Millionen Mark und eine Ausfuhr von 5079 Stück im Werte von 5,81 Millionen Mark auf. Der Einfuhrsüberschuß beträgt rund 4300 Stück im Werte von etwas über 2 Millionen Schilling. Österreich hingegen führte im Jahre 1929 nicht weniger wie 771.700 Stück Schweine im Werte von über 155 Millionen ein, welcher Einfuhr nur eine Ausfuhr von 4183 Stück im Werte von rund 700.000 S gegenübersteht. An dieser Einfuhr sind hauptsächlich Polen, Jugoslawien, Ungarn und Rumänien beteiligt, während auf das Deutsche Reich eine Einfuhr von nur 232 Stück entfiel. Dieses große Einfuhrsbedürfnis Österreichs an Schweinen erklärt sich aus dem großen Bedarf an Fleisch- und Fettschweinen in Wien. Der Wiener Markt benötigt jährlich 750.000 bis 850.000 Fleisch- und Fettschweine. Diese wurden in den letzten Jahren fast zur Gänze aus den erwähnten Nachbarländern bezogen, während die Inlandszuschübe jährlich nur einige tausend Stück ausmachten. Den Bemühungen agrarischer Kreise ist es im Jahre 1929 gelungen, eine Auftriebsbeschränkung durchzusetzen, die insoferne bereits gute Wirkungen zeitigte, als die Schweinezüchter durch die Beständigkeit guter Mittelpreise am Wiener Markt angeregt wurden, sich der Heranzucht von Fleischschweinen zu widmen. In der Tat sind in den ersten Monaten des Jahres 1930 aus dem Inlande wöchentlich bereits 1000 bis 2000 Stück Fleischschweine aufgetrieben worden. Diese Entwicklung zeigt, daß Österreich auf dem Gebiet der Schweineaufzucht sehr leistungsfähig sein könnte und daß die Hoffnung nicht unberechtigt ist, in absehbarer Zeit den Wiener Markt vorwiegend aus der eigenen Produktion versorgen zu können. Ebenso interessant ist aber auch die Tatsache, daß in den Monaten April und Juni des Jahrganges 1930 größere Sendungen von Fleischschweinen aus Deutschland in Wien eingetroffen sind. Wenn diese Sendungen auch in erster Linie auf agrarpolitische Exportbegünstigungen zurückzuführen sind, so ist doch der Umstand beachtenswert, daß Schlachtschweine überhaupt am Wiener Markt erschienen sind. Diese, zwar von den österreichischen Landwirten bekämpfte, aber vom Gesichtspunkte der gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen erfreuliche Erscheinung verdient deshalb registriert zu werden, weil es nicht von der Hand zu weisen ist, daß der Anschluß den deutschen Schweinezüchtern die Möglichkeit bieten dürfte, sich mit Erfolg an der Versorgung des Wiener Marktes mit Schlachtschweinen zu beteiligen.

Erwähnt mag in diesem Zusammenhang noch werden, daß geschlachtetes Stechvieh (Kälber, [384] Schafe, Schweine) am Wiener Markt in der Hauptsache aus dem Inlande angeliefert wird. Die Leistungsfähigkeit der Donauländer ist groß genug, um Wien auf diesem Gebiete fast zur Gänze zu versorgen.

Die Schafzucht verliert in den Staaten Mitteleuropas immer mehr an Bedeutung. Immerhin erscheint es beachtenswert, daß Österreich noch immer einen Bestand von über 597.000 Stück aufweist. Die ausgedehnten hochliegenden Alpenweiden können vielfach nur durch Schafe ausgenützt werden. Dazu kommt, daß in den Alpenländern erfreulicherweise immer noch Wolle zur Herstellung von Hausloden verwendet wird. In der Handelsbilanz spielt die Schafzucht insoferne eine Rolle, als zwar die Stückzahl in der Ein- und Ausfuhr sich annähernd aufhebt, der Wert der ausgeführten Schafe aber jenen der zur Einfuhr gebrachten bedeutend überragt. Eingeführt werden gewöhnlich Magerschafe für die Weide, während in die Schweiz hochwertige Fettschafe zur Ausfuhr gelangen. Mit dem Deutschen Reich ist der Verkehr mit Schafen nicht nennenswert.

Ebenso vollzieht sich auch nur ein geringerer Verkehr in Geflügel, wobei zu bemerken ist, daß Österreich auf diesem Gebiete eine ähnliche Passivität aufweist, wie das Deutsche Reich. Der Einfuhrsüberschuß Österreichs an lebendem Geflügel betrug im Jahre 1929 4,8 Millionen Schilling und an totem Geflügel rund 17 Millionen Schilling. Hiezu kommt noch ein Einfuhrsüberschuß an Geflügeleiern von über 33 Millionen Schilling im Jahre 1929 und sogar 40 Millionen im Jahre 1928. Deutschland führte bereits im Jahre 1927 um 275 Millionen und im Jahre 1928 um sogar 294 Millionen Mark Eier ein. Auch das Deutsche Reich weist einen großen Einfuhrsüberschuß an lebendem und totem Geflügel auf. Auf dem Gebiete der Geflügelzucht und Eierproduktion kann von einer Ergänzung nicht gesprochen werden, wohl aber würden sich für beide Staaten auf diesem Gebiete noch große Entwicklungsmöglichkeit ergeben.

Etwas erfreulicher haben sich die Verhältnisse auf dem Gebiete der Milchwirtschaft entwickelt. Österreichs Milchwirtschaft nahm in den letzten Jahren dank der staatlichen Fürsorge einen sehr erfreulichen Aufschwung, so daß aus dem früheren Einfuhrsland nahezu ein Ausfuhrsland geworden ist. Die Milch- und Rahmeinfuhr aus den Nachbarstaaten ging von rund 19.000 hl im Jahre 1928 auf 7800 hl im Jahre 1929 zurück, während die Ausfuhr im Jahre 1928 38.700 hl und im Jahre 1929 36.800 hl betrug. Einer Buttereinfuhr nach Österreich von rund 5000 q im Jahre 1929 im Werte von 2,6 Millionen Schilling stand im gleichen [385] Jahre schon eine Ausfuhr von über 10.000 q im Werte von 5,48 Millionen Schilling gegenüber. Hievon gingen nicht weniger als 7254 q Butter im Werte von 4 Millionen Schilling nach Deutschland. Einer Käseeinfuhr von 24.200 q im Jahre 1929 im Werte von über 6 Millionen Schilling stand im gleichen Jahre eine Käseausfuhr aus Österreich von über 12.000 q im Werte von 3,8 Millionen Schilling gegenüber. Auch hievon ging die ansehnliche Menge von 7654 q im Werte von 2,3 Millionen Schilling nach Deutschland. Es zeigt sich also, daß die österreichische Butter- und Käseausfuhr für die Handelsbilanz bereits in die Waagschale fällt und daß Deutschland beträchtliche Mengen dieser Ausfuhr aufnimmt. Von einer Bedrohung der deutschen Milchwirtschaft kann bei diesen Mengen natürlich nicht gesprochen werden, wenn man berücksichtigt, daß das Deutsche Reich im Jahre 1918 Butter um 435 Millionen Mark und Hart- und Weichkäse um über 100 Millionen Mark mehr ein- als ausgeführt hat.

Außer den vorgenannten Tierprodukten spielen im Handelsverkehr zwischen Deutschland und Österreich wohl auch noch andere Artikel eine gewisse Rolle, so insbesondere frisches und zubereitetes Fleisch, Fleischwürste, Topfen und Wolle, doch können diese Ziffern in dieser Darstellung ruhig übergangen werden.

Von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Seite des Anschlusses ist die Forstwirtschaft in beiden Staaten. In Deutschland beträgt die Waldfläche 126.540 km2, in Österreich 31.370 km2. Das Bewaldungsprozent beträgt in Deutschland 27%, in Österreich 37%. Auf 100 Einwohner entfallen im Deutschen Reiche 20 ha Wald und in Österreich 48 ha. Nachdem allgemein angenommen wird, daß Länder mit mehr als 30 ha Wald auf 100 Einwohner Ausfuhrsländer sind, kann das Deutsche Reich als Einfuhrsland und Österreich als Holzausfuhrsland bezeichnet werden. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß Deutschland infolge der günstigeren Geländegestaltung und der besseren Bringungsverhältnisse eine intensivere Forstwirtschaft besitzt und daher pro Hektar eine höhere Holzmasse wie Österreich erzeugt. Was die in beiden Ländern vorkommenden Holzarten anlangt, so entfallen in Deutschland auf Laubholz 28,8% und auf Nadelholz 71,2% der Waldfläche, während in Österreich die Laubholzbestände auf 16½% zurückgehen, hingegen die Nadelholzbestände auf 83,5% hinaufsteigen. Unter den Laubhölzern steht in Deutschland die Eiche mit 7,1% und die Buche mit 13,2% im Vordergrund; unter den Nadelbeständen steht die [386] Kiefer mit 43,7% an der Spitze. Hinter ihr steht der Fichtenbestand mit 24,6%, wogegen die Tannen- und Lärchenbestände keine Rolle spielen. Österreich weist einen Buchenbestand von 11,9%, einen Eichenbestand von 2,2% auf. Die Fichtenbestände hingegen betragen 56,8%. Deutschland vermag nicht allein auf größere Bestände an Laubholz, sondern auch auf bessere Qualitäten hinzuweisen. Besonders die Eiche überragt jene Österreichs wesentlich an Güte; dafür sind die österreichischen Nadelholzarten jenen Deutschlands mindestens gleichwertig, wobei noch zu bemerken ist, daß in Österreich auch noch die Qualitätshölzer der Lärche, der Tanne und der Zirbe eine Rolle spielen. Über den Holzertrag gibt folgende Aufstellung Aufschluß:

    Je Hektar
    Festmeter
        Gesamtertrag    
    in 1000 fm
    Hievon %
    Nutzholz
    Hievon %
        Brennholz    
    Deutschland   3,34 42.185 59,1 40,9
    Österreich 2,97   9.321 61,7 38,3

Der Holzertrag pro Hektar ist in Deutschland demnach größer als in Österreich, während die Nutzholzausbeute Österreichs jene von Deutschland überflügelt. Wie schon erwähnt, ist die Intensität der Forstwirtschaft im Deutschen Reiche eine sehr hohe. Trotz dieser hochentwickelten Forstkultur ist Deutschland noch immer auf die Einfuhr von Holz angewiesen. In den letzten fünf Jahren betrug die Ein- und Ausfuhr in Deutschland in je 1000 Tonnen:

    1925     1926     1927     1928     1929  Zusammen 
    Einfuhr 6710 5409 8416 8942 7022 36.499
    Ausfuhr   544   706   549   520   854   3.173

    Mehreinfuhr   6166 4703 7867 8422 6168 33.326

Im Durchschnitt dieser fünf Jahre betrug daher die jährliche Einfuhr 6,665.000 t. Während dieser Zeit entwickelte sich der Holzverkehr Österreichs wie folgt:

    1925     1926     1927     1928     1929  Zusammen 
    Einfuhr   136   143    99   135   171      684
    Ausfuhr 1765 1602 2080 2571 2197 10.215

    Mehrausfuhr   1629 1459 1981 2436 2026   9.531

[387] Österreich führte im Durchschnitt jährlich 1,906.200 t aus. In diesen fünf Jahren wäre sonach Österreich imstande gewesen, rund 29% des deutschen Holzbedarfes zu decken. Diese Tatsache ist zweifellos für die Anschlußfrage von außerordentlicher Bedeutung. Die Aufhebung der Zollgrenzen würde Österreich ein gesichertes Absatzgebiet, dem gesamten Wirtschaftsgebiet aber eine erleichterte Selbstversorgung sichern. Allerdings kommt auch hier ebenso wie beim Viehexport als Absatzgebiet hauptsächlich Bayern in Frage und werden von den bayrischen Forstwerken und Sägewerken gegen die österreichische Konkurrenz die gleichen Bedenken geäußert wie gegen die österreichische Vieheinfuhr. Man darf aber nicht vergessen, daß der Wegfall des Holzzolles und der Ausfuhrsabgabe eine vollständige Veränderung der Situation ergeben würde. Derzeit gilt für die Einfuhr von Rohholz nach Deutschland ein Zollsatz je 100 kg von 0,12 RM, für gesägtes Holz 1,– RM. Durch die Ausfuhrsgebühr für Rundholz im Ausmaße von 0,34 Goldkronen für 100 kg Rundholz verminderte sich die Zollspanne zwischen Rundholz und Sägeholz von 1 : 8,5 auf 1 : 2,6. Der neue deutsche Handelsvertrag sieht zwar eine Verminderung des Zolles für Durchschnittsware auf 0,85 und für ein Kontingent von 250.000 q auf 0,50 RM für je 100 kg vor. Trotzdem verbleibt noch eine Zollspanne von 1 : 4,2 für die Kontingentware und von 1 : 7,2 für das vollbelastete Schnittmaterial, weil gleichzeitig die Ausfuhrsabgabe für Rundholz in Wegfall kommen soll. Es ist klar, daß diese Verhältnisse die österreichische Sägeindustrie wenig befriedigen, da auch in Hinkunft zu gewärtigen ist, daß steigende Mengen von Rundholz nach Deutschland zur Ausfuhr gelangen dürften und die österreichischen Sägewerke nicht ausgenützt werden können. Der Wegfall der Zwischenzölle und der Ausfuhrsgebühren würde kaum eine Beeinträchtigung des deutschen Holzmarktes mit sich bringen, wohl aber stünde zu erwarten, daß die österreichischen Sägewerke in die Lage versetzt würden, bessere Rundholzpreise anzulegen, also den Waldbesitzern eine höhere Bodenrente zu gewähren. Einzig und allein die deutsche Sägeindustrie befürchtet zugunsten der österreichischen Sägeindustrie in bezug auf den Beschäftigungsgrad einen Nachteil zu erleiden. Diesem allfälligen Nachteil stünde aber immerhin der Wegfall bedeutender Lasten in Form von Zwischenzöllen gegenüber. Dazu sei noch bemerkt, daß die Einfuhr Deutschlands von gesägtem Holz in Tausenden von Festmetern in den letzten Jahren betrug 1925: [388] 3873, 1926: 2498, 1927: 5559, 1928: 6649 und 1929: 4554. Diese Ziffern zeigen, daß der Abgang auch dann nicht gedeckt werden könnte, wenn die gesamte Holzproduktion Österreichs in Form von Sägeware nach Deutschland ginge, da die nachhaltige österreichische Sägenutzholzmenge jährlich annähernd nur 2 Millionen Festmeter beträgt. Von der österreichischen Holzausfuhr gingen in den letzten fünf Jahren nach Deutschland 1925: 22,5%, 1926: 17,2%, 1927: 37%, 1928: 42,9% und 1929: 24,4%. Die beiden Jahre 1927 und 1928 müssen als ausgesprochene Konjunkturjahre bezeichnet werden. In normalen Zeiten wird man etwa mit 20 bis 25% rechnen dürfen. Hiefür kommen in der Hauptsache die westlichen Alpenländer Österreichs, vor allem Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg, in Frage, während Kärnten und Obersteiermark infolge der ungünstigen Frachtverhältnisse schon stark nach Italien gravitieren und für die Ausfuhr nach Deutschland nur in außergewöhnlichen Zeiten in Frage kommen.

Es verdient im Zusammenhange mit vorstehenden Fragen noch festgehalten zu werden, daß Österreichs Forstwirtschaft im Zusammenhange mit der holzverarbeitenden Industrie für die österreichische Wirtschaft von größter Bedeutung ist. In Österreich befinden sich zirka 4000 einfache und 1200 Vollgattersägen, in welchen zusammen über 30.000 Arbeiter beschäftigt werden. Weiter kommen dazu noch 100 Betriebe der Holzwarenerzeugung mit 7000 Arbeitern und 200 Betriebe der Möbelindustrie mit über 11.000 Arbeitern. Die Zahl der bei den Schlägerungen usw. beschäftigten Personen schätzt man auf 50.000 und die Anzahl jener, die mit der Bringung und Lieferung von Holz beschäftigt sind, auf 20.000 Personen. Schließlich sind in etwa 170 Holzschliffwerken, Zellulose- und Papierfabriken über 20.000 Arbeiter und über 1600 Angestellte beschäftigt. Die Holzausfuhr aus Österreich weist im Jahre 1926 ein Aktivum von 161 Millionen, im Jahre 1927 ein solches von über 200 Millionen und im Jahre 1928 ein solches von 231 Millionen Schilling auf. Dazu kommt noch ein Ausfuhrsüberschuß der Papierindustrie mit zirka 130 Millionen Schilling.

Es ist sicherlich beachtenswert, daß jährlich zirka 20.000 Waggons Papier, 18.000 Waggons Zellulose und 9600 Waggons Holzschliff und endlich über 5300 Waggons Pappe erzeugt werden. Die deutsche Papierindustrie erzeugte im Jahre 1925 166.000 Waggons [389] Papier, 90.000 Waggons Zellulose, 72.000 Waggons Holzschliff und 38.000 Waggons Pappe.

Endlich noch einige Worte über die Entwicklung der landwirtschaftlichen Industrien in Österreich. Die österreichische Mühlenindustrie weist heute etwa 4000 Lohnmühlen und rund 400 Handelsmühlen auf. Zumeist handelt es sich bei den Handelsmühlen um ganz kleine Betriebe. Nur eine Mühle ist in der Lage, täglich über 30 Waggons zu verarbeiten; 6 Mühlen weisen eine Tagesleistung von 10 bis 20 Waggons, 10 Mühlen eine solche von 5 bis 10 Waggons und 25 Mühlen eine solche von 2 bis 5 Waggons auf. Die österreichischen Mühlen wären in der Lage, jährlich 12 bis 14 Millionen Zentner Weizen zu vermahlen. Gegenwärtig aber sind die österreichischen Mühlen infolge der großen Auslandskonkurrenz und infolge des geringen Mühlenschutzes kaum mit 60 % ihrer Leistungsfähigkeit ausgenützt. Ungarn belieferte Österreich mit 50 bis 70% der gesamten Weizenausfuhr und mit 80 bis 90% der gesamten Weizenmehleinfuhr. Die Mühlenindustrie wäre bei gleichbleibenden Getreidepreisen und bei Einführung einer angemesseneren Zollspanne zwischen Getreide und Mehl jederzeit in der Lage, den österreichischen Bedarf zu decken. Im Zusammenhange mit dem deutschen Wirtschaftsgebiete käme wohl auch noch die Möglichkeit in Betracht, daß die österreichischen Mühlen in der Lage wären, große Vermahlungen für Deutschland durchzuführen, also das deutsche Wirtschaftsgebiet mit Feinmehl zu beliefern und dafür die Futterstoffe für die Mästung im Donaugebiete heranzuziehen.

Österreich besaß noch im Jahre 1922/23 161 Brauereien. Diese Zahl sank Ende 1928 auf 135. Darunter befinden sich 100 Betriebe mit einer Jahreserzeugung von weniger als 25.000 hl, 14 mit 25.000 bis 50.000 hl, 7 mit 50.000 bis 100.000 hl und 14 mit mehr als 100.000 hl Jahreserzeugung. Auf 15 Brauereiaktiengesellschaften entfielen bereits über 70% der gesamten österreichischen Bierproduktion, ein Beweis dafür, daß der auch in allen anderen Staaten beobachtete Rückgang der kleinen Brauereien und ihre Aufsaugung durch die großen Betriebe rasche Fortschritte macht. So sehr dieser Prozeß vom Standpunkte der Verteilung der industriellen Tätigkeit auf das ganze Land zu beklagen ist, so wenig gelingt es, mit Steuermaßnahmen und ähnlichen Dingen gegen diese Entwicklung mit Erfolg anzukämpfen. Die Jahresbiererzeugung betrug im Jahre 1927/28 5,25 Millionen Hektoliter. Die österreichische [390] Brauindustrie ist zwar nur mit 75% ihrer Kapazität ausgenützt, vermag aber der österreichischen Landwirtschaft immerhin vier Fünftel des gesamten Gerstenbedarfes abzunehmen. Daher hat auch die Gerstenanbaufläche in Österreich seit dem Jahre 1919 eine Zunahme von 34% und der Ernteertrag eine Zunahme von 148% zu verzeichnen. Der Verkehr in Malz und in Bier zwischen dem Deutschen Reich und in Österreich ist unbedeutend. Österreich bezieht den Großteil seines Bedarfes an Malz aus der Tschechoslowakei, und auch die Biereinfuhr von der Tschechoslowakei nach Österreich ist mit 7700 hl 3½mal größer wie jene aus dem Deutschen Reiche.

Erfreuliche Fortschritte macht die österreichische Zuckerfabrikation, die bei einem Stande von 7 Zuckerfabriken eine Tageskapazität von 800 Waggons Rüben aufweist. Die Anbaufläche für Zuckerrüben ist im Jahre 1913/14 von 18.000 ha auf zirka 40.000 ha im Jahre 1928/29 gestiegen. Der Ernteertrag pro Hektar entwickelte sich in der gleichen Zeit von 224 q auf 239 q und die gesamte Erntemenge von 4 Millionen auf 7,4 Millionen Zentner. Daher beträgt die Jahreserzeugung pro Person der Bevölkerung in Österreich gegenwärtig bereits rund 27 kg gegenüber 13,6 kg im Jahre 1920/21 und die Deckung des Eigenbedarfes an Zucker 54,4% gegenüber 15,7% im Jahre 1920/21. Der Anfall von 200 bis 300 q Melasse wird der Branntweinerzeugung dienstbar gemacht, während die Schnitten der Milcherzeugung und der Mästung zugeführt werden. Es ist zu erwarten, daß die Rübenerzeugung noch weitere Fortschritte machen wird, sofern es gelingt, durch Einfuhrzölle im Zusammenhange mit der Zuckerbesteuerung den österreichischen Landwirten einen angemessenen Rübenpreis zu sichern. Im gleichen Verhältnis, wie es aber gelingt, die Anbaufläche für Zuckerrüben zu steigern, ist mit einem Rückgang der Weizen- und Gerstenproduktion zu rechnen. An der Belieferung Österreichs mit Zucker ist das Deutsche Reich nicht interessiert. Hier steht die Tschechoslowakei weitaus im Vordergrund.

Von großer Bedeutung für die österreichische Landwirtschaft ist das Brennereiwesen. Im Jahre 1928/29 bestanden 9 gewerbliche Brennereien mit rund 200.000 hl und 52 landwirtschaftliche Brennereien mit einer Erzeugungsmenge von 58.600 hl reinen Alkohols. Seither sind noch weitere 8 landwirtschaftliche Brennereien mit einer Jahreserzeugung von rund 10.000 hl hinzugekommen. In Altösterreich standen 1498 landwirtschaftlichen Brennereien mit 65% der Gesamterzeugung nur 49 gewerbliche mit 35% der Gesamterzeugung gegen- [391] über. Das Kontingent der landwirtschaftlichen Brennereien beträgt dermalen rund 25% der Gesamterzeugung. Das Bestreben geht aber dahin, den Anteil der landwirtschaftlichen Brennereien wesentlich zu erhöhen, weil diese den bäuerlichen Mitgliedern die Möglichkeit bieten, sich mit Erfolg der Rindermast zuzuwenden. Auch ist zu beachten, daß die bäuerlichen Brennereien in der Hauptsache selbstgebaute Kartoffeln verwerten, während die gewerblichen Brennereien zum größeren Teil auf den Auslandsbezug von Melasse angewiesen sind. Die Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Spirituserzeugung ist einerseits durch die gewerbliche Spiritusproduktion, anderseits durch den Gesamtverbrauch an Spiritus in Österreich beschränkt. Eine Erweiterung des landwirtschaftlichen Kontingents ist daher nur zu erwarten, wenn es gelingt, den Anteil der gewerblichen Brennereien zurückzusetzen oder den Gesamtverbrauch an Spiritus zu erhöhen. Das landwirtschaftliche Brennereiwesen erhält in Österreich dadurch eine besondere Bedeutung, daß mit den Abfallstoffen Rindermast betrieben werden kann. Je mehr Nutzvieh im eigenen Lande der Mästung zugeführt werden kann, desto geringer ist der Ausfuhrbedarf und desto größer die Selbstversorgung mit Schlachtvieh.

Zu den vielen Berührungspunkten zwischen der österreichischen und der deutschen Landwirtschaft kommen noch die gemeinsamen Einrichtungen zur Förderung der Landeskultur im weitesten Sinn. Der Umstand, daß das Zuchtgebiet des norischen Pferdes sich fast auf ganz Österreich und den größeren Teil von Bayern erstreckt, führte zur Gründung eines österreichisch-bayrischen Reichsverbandes für die Zucht des norischen Pferdes in Bayern und Österreich mit dem Sitze in Salzburg, der den Zweck verfolgt, die Pferdezucht nach einheitlichen Gesichtspunkten fortzuentwickeln. Diesem Verbande steht eine zweite Gründung zur Seite, die die Veredlung des Pinzgauer Rindes zum Zwecke hat. Auch dieser Reichsverband der bayrischen und österreichischen Zuchtorganisationen mit dem Sitze in Saalfelden arbeitet nach einheitlichen Gesichstpunkten und verbürgt eine wertvolle Zusammenarbeit deutscher und österreichischer Tierzuchtfachleute. Als dritte Vereinigung kommt noch der österreichisch-bayrische Almwirtschaftsverein in Betracht, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die bestehenden lokalen Organisationen für die Förderung der Almwirtschaft zusammenzufassen zu dem Zwecke, um den Gedankenaustausch über die Verbesserung der Almwirtschaft zu pflegen und wissenschaftliche und praktische Erfahrungen an die Almwirte zu [392=Karte] [393] vermitteln. Es verdient ferner erwähnt zu werden, daß innige und wertvolle Beziehungen auch zwischen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) und der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft für Österreich (Delgefö) bestehen, also zweier Körperschaften, die die Aufgabe verfolgen, die Landwirtschaft technisch und ökonomisch fortzuentwickeln. Auf diesem Gebiet ist die Verbindung über den derzeit bestehenden freundschaftlichen Kontakt noch nicht hinaus gediehen; ein allfälliger organischer Zusammenschluß beider Gesellschaften muß einer späteren Zukunft vorbehalten bleiben. Gerade auf dem Gebiete der Landwirtschaftsförderung wäre ein gemeinsames Vorgehen hüben und drüben sehr zweckmäßig, zumal die österreichische Landwirtschaft dem Deutschen Reiche vielfache Anregungen und Erfahrungen auf dem Gebiete der Landwirtschaftslehre und des praktischen Fortschrittes zu verdanken hat. In letzter Zeit ist auch die Fühlungnahme zwischen dem deutschen Landwirtschaftsrat und der österreichischen Präsidentenkonferenz der landwirtschaftlichen Hauptkörperschaften aufgenommen worden. Auch hier sei der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die bestehende Verbindung im Interesse einer gedeihlichen Zusammenarbeit ausgebaut und vertieft wird. Ebenso bleibt der späteren Zukunft ein Zusammenwirken der landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbände vorbehalten. Gegenwärtig beschränkt sich diese Beziehung auf einen fortgesetzten Gedankenaustausch und auf gegenseitige Besuche gelegentlich der Genossenschaftstage. Auf diesem Gebiet ist als erfreulicher Fortschritt die Errichtung der Girozentrale der österreichischen Genossenschaften zu bezeichnen, die unter Beteiligung reichsdeutschen Genossenschaftskapitals (Preußenkasse) zustande gekommen ist. Ebenso wie auf dem Gebiete der Landwirtschaftsförderung und des Genossenschaftswesens kann auch auf agrarpolitischem Gebiet insofern ein Zusammenwirken Deutschlands und Österreichs festgestellt werden, als die Partei des Landbundes für Österreich der Organisation des Reichslandbundes in Berlin angehört und daher mit dieser Zentrale die lebhaftesten Beziehungen unterhält. Alle diese Verbindungen können als erfreuliche Ansätze gemeinsamen Schaffens begrüßt werden und zweifellos werden die angebahnten Verbindungen auch dazu beitragen, die wirtschaftlichen Wechselbeziehungen beider Staaten zu verstärken und das Empfinden für die Notwendigkeit des wirtschaftlichen Zusammenschlusses in die weitesten Kreise der Bevölkerung zu tragen.


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Die Anschlußfrage
in ihrer kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bedeutung

Friedrich F. G. Kleinwaechter & Heinz von Paller