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Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915

Kapitel 5: Der Sommerfeldzug in Ostpreußen 1914   (Forts.)
Oberst Rudolf Frantz

3. Die Rettung Ostpreußens.   (Forts.)

[320] Die Schlacht an den Masurischen Seen.

Die zweite Schlacht bei Tannenberg hatte die russische Narew-Armee von Ostpreußens Boden hinweggefegt. Noch aber stand Feind im Lande, die Armee Rennenkampfs, von der es nun galt, das deutsche Gebiet zu befreien. Während der Kämpfe der letzten Tage hatten ferner die Meldungen nicht aufgehört, nach denen sich russische Streitkräfte westlich der Weichsel sammelten, die auch bereits den Vormarsch gegen die nur schwach geschützte Grenze Posens und Schlesiens angetreten haben sollten. Auch dort bereiteten sich neue Aufgaben für das Ostheer vor. Ein am Abend des 31. August eingehendes Telegramm des Chefs des Generalstabes des Feldheeres kennzeichnete diese Aufgaben dahin, daß Ostpreußen zunächst von der Armee Rennenkampfs zu säubern sei, wobei es erwünscht schien, die Trümmer der Narew-Armee durch entbehrliche Teile verfolgen zu lassen, da eine spätere Verwendung der 8. Armee in der Richtung auf Warschau ins Auge gefaßt sei. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß das XI., das Garde-Reservekorps und die 8. Kavallerie-Division zur Verstärkung der 8. Armee im Antransport begriffen seien.

Die Masse der 8. Armee stand am 1. September noch im weiten Ringe um das Schlachtfeld herum, wie es sich aus den Ereignissen heraus ergeben hatte. Bei Neidenburg wurde im Laufe des Tages Ordnung geschaffen; die Truppen des Generals v. Mühlmann sammelten sich bei Soldau, die des Generals v. Unger lagerten südlich Neidenburg, nordwestlich der Stadt ruhte die Landwehr-Division Goltz. Vom I. Armeekorps war die 2. Infanterie-Division östlich Neidenburg an der Chaussee nach Muschaken vereinigt; weiter östlich von Muschaken bis halbwegs Willenberg stand die 1. Infanterie-Division, zwischen beiden eingeschoben die 3. Reserve-Division. Immer noch wurden versprengte Russen eingebracht, Durchbruchsversuche schwächerer Abteilungen über die nahe Grenze verhindert. Um Willenberg lagerte noch die Brigade Schmettau. An der Chaussee von dort nach Ortelsburg hielt die Kavallerie des I. Armeekorps Verbindung mit dem in Ortelsburg stehenden Teile der 35. Infanterie-Division des XVII. Armeekorps, deren übrige Teile sich bei Jedwabno sammelten, während die 36. Infanterie-Division zwischen beiden Gruppen der 35. verblieben war. Die Kavallerie des Armeekorps streifte über Willenberg nach Süden und auf Myszyniec, wohin sich auch die 1. Kavallerie-Brigade gewandt hatte.

Bei der linken Flügelgruppe der Armee zog das XX. Armeekorps die 41. Infanterie-Division nach Hohenstein heran, von wo sie am nächsten Tage auf die 37. bei Allenstein aufschließen sollte. Das I. Reservekorps verblieb westlich Allenstein, nördlich von ihr sperrte die 6. Landwehr-Brigade die Alle bei Guttstadt.

Nördlich vom Pregel hielt der Gouverneur von Königsberg die Deime-Linie besetzt und ließ, um den Feind zu fesseln, Abteilungen von Labiau aus und südlich [321] des Pregels auf Friedland vorstoßen. Von den aus dem Westen herankommenden Armeekorps sollte das XI. an der Bahn Osterode - Allenstein ausgeladen und dann zwischen das XX. und I. Reservekorps eingeschoben werden. Das Garde-Reservekorps wurde bei Elbing ausgeladen, die 8. Kavallerie-Division bei Mohrungen, Riesenburg und Rosenberg.

Das Armeeoberkommando hielt die Trümmer der Narew-Armee, die sich hinter den Narew gerettet hatten, einer erneuten Offensive nicht mehr für fähig. Von der Armee Rennenkampfs wußte man, daß seine Infanterie hinter der Deime-Linie stand, sowie von Wehlau bis Angerburg, und daß sich seine Heereskavallerie auf diese Linie zurückzog, wobei sich der preußischen 1. Kavallerie-Division noch Gelegenheit bot, bei Bischofsstein einer feindlichen Kavallerie-Division erheblich Abbruch zu tun. Bei Johannisburg wurde ebenfalls Feind gemeldet, dessen Herkunft noch zweifelhaft war.

Es galt nun zunächst, die Armeekorps für den Vormarsch gegen Rennenkampf in das richtige Verhältnis nebeneinanderzusetzen. Damit verging der 2. und 3. September, und am Abend dieses Tages standen zum Vormarsch bereit: das I. Armeekorps an der Straße Neidenburg - Willenberg, das XVII. zwischen Jedwabno und Ortelsburg, das XX. an der Chaussee Hohenstein - Allenstein. In Allenstein und längs der Bahn von Osterode lagerten die ausgeladenen Teile des XI. Armeekorps, nördlich von diesen das I. Reservekorps, das Platz gemacht hatte. Das Garde-Reservekorps hatte seine vordersten Teile bis über Preußisch-Holland hinaus vorgeschoben. Die 1. Kavallerie-Division beobachtete vor der Front, während sich die 8. bei Mohrungen versammelte. Die Vorstöße der Festungsbesatzungen von Königsberg hatten Erfolg gehabt: Vortruppen des Feindes waren geworfen.

Die Deckung der rechten Flanke während des Vormarsches hatten zu übernehmen: die Gouverneure von Thorn und Graudenz von der Weichsel bis Lautenburg, anschließend bis nach Willenberg General v. der Goltz, dem zu diesem Zwecke außer seinen Schleswig-Holsteinern auch die 70. Landwehr-Brigade und die 35. Reserve-Division unterstellt wurden. Die Direktive für den General wies auf eine offensive Lösung seiner Aufgabe hin. Weiter östlich fiel die Flankendeckung der 3. Reserve-Division zu, die am 3. September nach Willenberg marschierte. Die 1. Kavallerie-Brigade wurde zur Aufklärung nach Rudczanny entsandt, da auf dem Bahnhofe Grajewo reger Zugverkehr von Fliegern festgestellt war.

General v. Hindenburg beabsichtigte, den Feind unter Umfassung seines Südflügels anzugreifen, wobei noch nicht zu übersehen war, wieweit hierzu der rechte Flügel der 8. Armee auszuholen hatte. Am 4. September trat die Armee den Vormarsch an: mit dem I. Armeekorps über Ortelsburg - Peitschendorf, dem XVII. über Sensburg, dem XX. auf Rössel, dem XI. über Bischofstein, dem I. Reservekorps auf Bartenstein. Das noch weiter rückwärts ausladende [322] Garde-Reservekorps wurde über Landsberg auf Preußisch-Eylau gewiesen. Der Gouverneur von Königsberg, dessen Truppen noch durch die heranzutransportierende Hauptreserve von Posen verstärkt werden sollten, hatte unter Festhaltung der Deime-Linie mit seinen Hauptkräften südlich des Pregels sich dem Vormarsch anzuschließen.

Schlacht an den Masurischen Seen

[322]
  Skizze 12: Schlacht an den Masurischen Seen.

Bis zum 6. September abends war das I. Armeekorps mit je einer Division bei Rudczanny und Nikolaiken eingetroffen, das XVII. näherte sich Rhein, und die vier Korps des linken Flügels hatten die Linie [323] Rössel - Preußisch-Eylau erreicht. Auch die Deckungstruppen waren in östlicher Richtung vorgeschoben worden, wobei die 3. Reserve-Division bis südwestlich Johannisburg gelangte. Zum Zusammenstoß mit dem Feinde war es nicht nur bei Johannisburg gekommen. Die 1. Kavallerie-Brigade hatte den Ort vor feindlichem Angriff räumen müssen, worauf er am 6. abends durch eine von Rudczanny dorthin entsandte Vorhut der 1. Infanterie-Division wieder genommen wurde.

Die Russen hatten sich in den letzten Tagen in der Linie Wehlau - Angerburg stark verschanzt. Hinter ihrem rechten Flügel zwischen Wehlau und Insterburg schienen starke Reserven zu stehen, von Tilsit und von Gumbinnen her auch noch weitere Kräfte dorthin im Anmarsch zu sein, so daß das Armeeoberkommando dort mit Angriffsabsichten des Feindes rechnete. Es schien sich aber auch zu bestätigen, daß sich rechts vorwärts von der 8. Armee Feind sammelte; denn bei Szczuczyn und Grajewo waren Lager erkannt.

Für den 7. September wurde die Fortsetzung des Vormarsches befohlen. Die linken Flügelkorps sollten die Linie Friedland - Rastenburg erreichen, das XVII. Armeekorps bei Lötzen die Seenenge durchschreiten, die beiden Kavallerie-Divisionen durch diese vor die Front ziehen und dann das Herankommen des I. Armeekorps abwarten, das auf Arys - Widminnen vorzugehen hatte, während die mit dem Flankenschutz betraute 3. Reserve-Division über Bialla auf Drygallen angesetzt wurde.

Der Marsch wurde am 7. September befehlsgemäß fortgesetzt; die Armeekorps des linken Flügels erreichten ihre Ziele; das XI. und I. Reservekorps hatten feindliche Infanteriesicherungen dicht vor ihrer Front. Vom XVII. Armeekorps hatte die vorderste Division, die 36., die Enge von Lötzen durchschritten und die Höhen nordöstlich der Feste erreicht, vor sich, beiderseits Possessern eine feindliche Stellung; die 35. Infanterie-Division lagerte noch westlich der Seenenge. Die linke Flügel-Division des I. Armeekorps, die 2., war zwischen Löwentin- und Spirdig-See eingerückt. Weiter südlich war es zur Gefechtsberührung mit dem Feinde gekommen. Die 1. Infanterie-Division war mit ihrem Gros westlich Johannisburg auf Arys abgebogen, während die Vorhut südlich ausholend den Marsch in der Flanke deckte. Das Gros stieß südlich Arys auf eine feindliche Stellung, die an diesem Tage nicht mehr genommen werden konnte. Die Division ruhte mit Gewehr im Arm auf dem ihr wohlbekannten Truppenübungsplatz.

Der 3. Reserve-Division war es an diesem Tage beschieden, einen größeren Erfolg in selbständigem Kampfe zu erringen. Am frühen Morgen hatte sie südlich Johannisburg den Pisseck-Abschnitt überschritten und war in östlicher Richtung weitermarschiert, um dem Feinde, der tags zuvor von Johannisburg zurückgegangen war, den Rückzug zu verlegen. Die 1. Kavallerie-Brigade begleitete den Marsch in der rechten Flanke. Südlich Bialla ging die Meldung ein, daß westlich dieses Ortes der Feind in Stärke von mindestens einer Division mit der [324] Front nach Johannisburg abkoche. General v. Morgen entschloß sich, den Feind in Flanke und Rücken anzugreifen. Aus südöstlicher Richtung wurde der Angriff angesetzt. Die deutschen Schrapnells überraschten die Russen noch in ihrem Lager. Sie entwickelten sich jedoch rasch und geschickt nach Süden und nahmen den Kampf auf, in den am Nachmittag auch noch die Vorhut der 1. Infanterie-Division eingriff. Gegen 6 Uhr abends war das Gefecht entschieden: der Feind, der schwere Verluste erlitten hatte, strömte in regelloser Flucht in nordöstlicher Richtung davon, verfolgt von der 1. Kavallerie-Brigade. 400 Gefangene, 8 Geschütze, 71 Maschinengewehre, hatte er in der Hand des Siegers gelassen. Es waren starke Teile des XXII. russischen Korps gewesen, das aus Finnland herantransportiert, bei Grajewo ausgeladen worden war.

Ohne genauere Kenntnis von diesen Vorgängen auf dem rechten Flügel der Armee gab das Armeeoberkommando in Rössel am Nachmittage die Anordnungen für die Einleitung der Schlacht. Es ging hierbei immer noch von der Anschauung aus, daß eine Stoßgruppe des Feindes von etwa drei Armeekorps am Pregel zwischen Wehlau und Insterburg versammelt sei. Dementsprechend sollte das Garde-Reservekorps, dem noch die inzwischen bei Königsberg ausgeladene Hauptreserve Posen unterstellt wurde, unter starker Staffelung seines linken Flügels die Richtung auf Allenburg nehmen, das I. Reservekorps und XI. Armeekorps gegen den Omet beiderseits Gerdauen vorgehen, das XX. Armeekorps Drengfurth erreichen. Der 8. September sollte bei diesen Korps zu Erkundungen und Vorbereitungen für den Angriff ausgenutzt werden. Die östlich der masurischen Seenkette vorgehende Gruppe der Armee hatte die Schwenkung nach Norden fortzusetzen, wobei sich das XVII. Armeekorps in den Besitz der feindlichen Stellung in Possessern zu setzen, das I. Armeekorps und die 3. Reserve-Division den Marsch in nordöstlicher Richtung fortzuführen hatten. Von der Heereskavallerie sollten die 1. Kavallerie-Division frühzeitig durch die Enge von Lötzen durchgezogen werden, die 8. bis Rhein heranschließen, um am nächsten Tage zu folgen. Die Landwehr-Division Goltz sollte mittels Eisenbahntransport über Rudczanny dem rechten Flügel der Armee nachgezogen werden.

Die ersten Teile dieser Division trafen am 8. September nachmittags in Johannisburg ein. Dorthin hatte auch am frühen Morgen die 3. Reserve-Division, die nach ihrem Siege die Nacht bei Bialla verbracht hatte, ihre Beute abgeschoben. Die Verhältnisse jenseits der Grenze und in der Gegend von Lyck waren noch keineswegs klar; nach allen Nachrichten mußte man dort mit stärkeren Kräften rechnen. An diesen glaubte der Kommandeur der 3. Reserve-Division nicht vorbeimarschieren zu können; er sah vielmehr seine Aufgabe darin, sie vom Eingreifen gegen die Armeeflanke abzuhalten. Dementsprechend entschloß er sich, von dem ihm mehrfach erteilten Befehle, auf Neu-Jucha zu marschieren, abzuweichen, und führte in besserer Erkenntnis der Lage seine Truppen zunächst nur bis Drygallen vor. Beim I. Armeekorps wurde der am Abend unterbrochene [325] Kampf wieder aufgenommen. Die 1. Infanterie-Division warf den Feind bei Arys und stieß ihm bis zur Chaussee Lötzen - Lyck südlich Widminnen nach, während links daneben die 2. Infanterie-Division ohne ernstlichen Kampf bis südöstlich Lötzen gelangte. Auch beim XVII. Armeekorps begann die Schlacht. Seine beiden Divisionen nebeneinander setzend, griff es in breiter Front die feindliche Stellung in der Linie Kruglanken - Possessern an. Bis zum Abend waren die Vorstellungen genommen, das Armeekorps lag vor der Hauptstellung. Die 1. Kavallerie-Division hatte sich auf seinen rechten Flügel gesetzt. Die anderen Korps der Armee drängten auf der ganzen Front die Vortruppen des Feindes zurück und schoben sich bis zum Abend an seine Stellung heran; die Erkundungen begannen, die Artillerie ging in Stellung. Das Garde-Reservekorps nahm durch den Frisching hindurch die Verbindung mit den südlich des Pregels vorgehenden Teilen der Hauptreserve Königsberg auf.

Das Armeeoberkommando schätzte den bei Lyck und Grajewo beobachteten Feind nicht hoch ein, um so weniger, als sich bei ihm die schon am 7. durch die 3. Reserve-Division arg zerzausten Teile befinden mußten. Dagegen rechnete es immer mehr mit einem Angriff des Gegners gegen den linken Flügel der 8. Armee am Pregel, von wo man neue Nachrichten über feindliche Verstärkungen hatte. So wurde denn befohlen, daß die 3. Reserve-Division am 9. nach Neu-Jucha zu marschieren habe, das I. und XVII. Armeekorps weiter in nordöstlicher Richtung vorwärts drängen sollten, um in den Rücken des bei Angerburg stehenden Feindes zu gelangen. Die übrigen Armeekorps hatten den Angriff gegen die feindliche Hauptstellung zu eröffnen, wobei der Kommandierende General des Garde-Reservekorps, General v. Gallwitz, erneut darauf hingewiesen wurde, sich zur Abwehr eines Angriffs des Feindes bereit zu halten. Die südlich des Pregels vorgehenden Kräfte des Gouvernements Königsberg wurden ihm unterstellt.

Die vier Armeekorps des linken deutschen Flügels eröffneten am Morgen des 9. September den Angriff auf die feindliche Hauptstellung, das Garde-Reservekorps beiderseits Allenburg, das I. Reservekorps und XI. Armeekorps beiderseits Gerdauen, das XX. zwischen Drengfurth und Angerburg mit der Front nach Norden. Der Kommandierende General des Garde-Reservekorps, der die Auffassung des Armeeoberkommandos teilte, glaubte am Nachmittage bestimmte Anzeichen für einen Angriff des Feindes gegen seine linke Flanke zu erkennen. Er ordnete daher vorläufig die Einstellung des Infanterieangriffs an und beabsichtigte, während der Nacht seinem linken Flügel Verstärkungen zuzuführen. Beim I. Reservekorps und XI. Armeekorps arbeitete sich die Infanterie bis zum Abend auf wirksame Feuerentfernung heran, wobei sich die auf dem rechten Flügel zwischen Gerdauen und Nordenburg eingesetzte 38. Infanterie-Division am Nachmittage eines überraschenden Gegenstoßes einer russischen Division zu erwehren hatte. Der Angriff des XX. Armeekorps gelangte unter dauerndem Flanken- [326] feuer, das aus der Gegend südlich Angerburg herüberschlug, bis an die Chaussee Angerburg - Drengfurth heran, wo er zunächst angehalten wurde.

Waren diese Kämpfe in dem Bestreben geführt, sich an der starken feindlichen Stellung nicht zu verbluten, sondern vielmehr den Gegner in erster Linie festzuhalten, um die Umfassung von Süden her ausreifen zu lassen, so war es inzwischen diesem Umfassungsflügel gelungen, sich in heißen Kämpfen den Austritt aus dem durchschnittenen Seengebiet zu erkämpfen. Beim XVII. Armeekorps begann das Ringen um 4 Uhr morgens; es währte bis zum späten Abend. Gegen 5 Uhr nachmittags stürmte auf dem linken Flügel die 36. Infanterie-Division, mit der Schulter an Schulter die Besatzung von Lötzen focht, das festungsartig ausgebaute Possessern. Der Feind wich in nördlicher Richtung, verfolgt von den wackeren Westpreußen. Rechts stand in gleich schwerem Kampfe die 35. Infanterie-Division von Kruglanken. Ihr machte die weiter südlich vorgehende 2. Infanterie-Division des I. Armeekorps Luft. Kruglanken fiel am Abend in die Hand der 35. Infanterie-Division. Das XVII. Armeekorps hatte einen sehr schweren Tag hinter sich. Es hatte starke Teile des II. russischen Korps aus einer beiderseits an Seen angelehnten, fest verschanzten und dem Gelände geschickt angepaßten Stellung geworfen. Hier lernte man zum ersten Male den Russen in seiner Geschicklichkeit kennen, mit der er den Spaten im Bewegungskrieg handhabte. Der Angreifer hatte die vor der ganzen Front angelegten künstlichen Hindernisse zu überwinden. Die in der Stellung eingebauten, stark eingedeckten Unterstände hatten allerdings zum Schrecken des Verteidigers dem deutschen schweren Feuer nicht standgehalten. So waren seine blutigen Verluste sehr schwer; außerdem hatte er 1.000 unverwundete Gefangene, mehrere Maschinengewehre und eine Batterie in der Hand des Siegers lassen müssen.

Rechts vom XVII. war das I. Armeekorps weiter nach Norden vorgedrungen und nach Überwinden mehrfachen feindlichen Widerstandes am Abend bis zur Bahn Kruglanken - Marggrabowa gelangt. Die beiden Kavallerie-Divisionen waren an diesem Tage unter dem Befehl des Generalleutnants Brecht vereinigt worden und rechts vom I. Armeekorps vorgegangen. Zum Eingreifen in den Kampf kamen sie nicht mehr. Am Abend lagerte die 8. bei Pietraschen, die 1. nördlich Neu-Jucha.

Bei der 3. Reserve-Division in Drygallen hatte man in der Nacht vom 8. zum 9. aufmerksam die Verhältnisse bei Lyck beobachtet und festgestellt, daß im Laufe des Tages Feind von Lyck auf Klaussen marschiert war. So entschloß sich General v. Morgen nur sehr ungern, dem ihm nochmals erteilten Befehl zum Vormarsch auf Neu-Jucha Folge zu leisten. Auf keinen Fall aber wollte er dorthin den Weg über Klaussen wählen, sondern beschloß, weiter östlich auszuholen, um den Feind, der die Armeeflanke bedrohte, möglichst im Rücken oder doch wenigstens flankierend zu fassen. Kaum war die Division auf der Chaussee Drygallen - Lyck angetreten, als sich herausstellte, daß zwischen dieser Chaussee [327] und der von Lyck auf Klaussen führenden Feind stand. Die Vorhut wurde zum Angriff entwickelt, als neue Meldungen erkennen ließen, daß der Feind sich auch nach Süden über die Chaussee Drygallen - Lyck ausdehnte. Hier wurde das Gros eingesetzt, und bald stand die ganze Division in schwerem Kampf mit einem weit überlegenen Feinde. In dem Bestreben, mit starkem rechten Flügel östlich zu umfassen, hatte die Division sich sehr weit ausdehnen müssen, da der Feind sich bis zum Lyckflusse, 10 Kilometer südlich der Stadt, erstreckte, wo die noch bei der Division befindliche 1. Kavallerie-Brigade focht. Der Widerstand des Feindes war durch die schwachen deutschen Kräfte nicht zu brechen, wenn auch der Angriff vorwärts kam; die Lage der Division wurde sehr schwer, zumal auch die Artilleriemunition anfing, knapp zu werden. Aber ihr Führer war entschlossen, nicht vom Feinde abzulassen. Konnte der Feind nicht geschlagen werden, so sollte er jedenfalls am Marsche gegen die Flanke der deutschen Hauptkräfte verhindert werden. An den General v. der Goltz in Johannisburg wurde ein Bote entsandt mit der Aufforderung zur Unterstützung. Der Tag ging zu Ende. Die Truppen lagen auf der ganzen Front mit Gewehr im Arm vor der feindlichen Stellung und gruben sich ein. Am nächsten Morgen sollte bei Tagesanbruch der Angriff unter Einsatz des letzten noch in Reserve befindlichen Bataillons fortgesetzt werden.

Noch im Morgennebel des 10. September erkannten aber die Truppen, daß der Feind abgezogen war. Er hatte sich besiegt gefühlt. Auf der ganzen Front wurde scharf nachgedrängt; es kam nur noch zu unbedeutenden Scharmützeln. Um 10 Uhr vormittags rückte eine Brigade unter dem Jubel der Bevölkerung in das befreite Lyck ein, während die andere westlich der Stadt vorbei bis zur Seenenge von Stradaunen vorstieß. Die Division hatte den Feind, der aus sechs Schützen-Regimentern des XXII. Korps und starken Teilen anderer Verbände bestanden hatte, nicht nur am Eingreifen gegen die Flanke des I. preußischen Korps verhindert, sondern sie war als Sieger auf dem Schlachtfelde geblieben, das die Russen, in östlicher Richtung über die Grenze zurückgehend, geräumt hatten.

Die 1. Kavallerie-Brigade, die am frühen Morgen links ausholend aufgebrochen war, um dem Gegner den Abmarsch nach Norden zu verlegen, ritt bis südlich Marggrabowa, ohne auf Feind zu stoßen. Bei Lyck erschien um 10. vormittags auch General Brecht mit den beiden anderen Brigaden der 1. Kavallerie-Division, der vom Armeeoberkommando zur Unterstützung entsandt war. Zum Eingreifen kam die Division zu spät. Halbwegs Drygallen - Lyck traf auch ein Bataillon Landwehr ein, das General v. der Goltz durch Nachtmarsch noch hatte zu Hilfe senden wollen. Die Masse der Landwehr-Division war am 9. bis Johannisburg gelangt, von wo der General beabsichtigte, in der Frühe des 10. anzutreten.

Das Armeeoberkommando in Rössel war am Abend des 9. September über die Lage im allgemeinen unterrichtet; von der 3. Reserve-Division wußte man, [328] daß sie bei Lyck in schwerem Kampfe mit überlegenem Feinde stand. Das Armeeoberkommando schätzte nunmehr auch nach den bei ihm vorliegenden Nachrichten den Feind, der von Grajewo herangekommen war, höher ein als bisher. Die Landwehr-Division Goltz wurde angewiesen, am 10. nach Klaussen zu marschieren, das Kavalleriekorps sollte Verbindung mit der 3. Reserve-Division halten und sie nötigenfalls unterstützen. Die übrigen Verbände behielten im wesentlichen ihre Aufgaben, die beiden Korps des rechten Flügels hatten die Umfassungsbewegung, die anderen den Frontalangriff fortzusetzen.

Da brachte der Morgen des 10. September eine Überraschung. Als sich nachts vor dem I. Reservekorps Anzeichen für einen Abzug des Feindes bemerkbar machten, hatten Patrouillen der 36. Reserve-Division entschlossen vorgehend den Omet-Abschnitt überschritten, sich einen Weg durch die breiten Drahthindernisse gebahnt und waren in die russische Stellung eingedrungen. Sie war leer. General v. Below ordnete 6 Uhr vormittags für sein Korps die Verfolgung beiderseits der Bahn auf Insterburg an und berichtete an das Armeeoberkommando. Dieses glaubte zunächst nicht an einen allgemeinen Rückzug des Feindes und suchte das I. Reservekorps anzuhalten, um es vor einem Mißgeschick zu bewahren. Erst gegen Mittag gewann auch das Armeeoberkommando die Überzeugung, daß der Feind tatsächlich wich, und ordnete nunmehr unverzüglich das Vorgehen auf der ganzen Front gegen die Linie Marggrabowa - Insterburg an. Der Heereskavallerie wurden weite Ziele gesteckt, sie sollte über Goldap auf Wylkowyszki - Kowno gegen die rückwärtigen Verbindungen des Feindes vorstoßen.

Indessen waren die Truppen schon in voller Bewegung. Das I. Reservekorps hatte sich nicht halten lassen; weit vor der Front drängte es dem Feinde nach und erreichte abends an der Bahn Gerdauen - Insterburg den Ilme-Abschnitt, stärkere feindliche Besatzung jenseits des Abschnitts vor sich. Die Fühlung mit dem Gegner war wiederhergestellt. Links rückwärts vom I. ging das Garde-Reservekorps zur Ruhe über.

Während diese beiden Korps keinen Kampf mehr hatten, mußte beim XI. und XX. Armeekorps noch starker Widerstand gebrochen werden. Diesen fand beim XI. Armeekorps die 38. Infanterie-Division südlich Nordenburg; ihre Schwester-Division, die 22., öffnete ihr den Weg, und am Abend war das Armeekorps auf gleiche Höhe mit dem I. Reservekorps gelangt. Östlich des Nordenburger Sees griffen auch Teile der 38. Infanterie-Division in den Kampf des XX. Armeekorps ein, vor dem der Feind erst am Abend nach zähem Widerstande seine Stellungen räumte; die 41. Infanterie-Division folgte noch bis zur Einmündung der Goldap in die Angerapp.

Beim XVII. Armeekorps begann der Tag damit, daß die 36. Infanterie-Division von einer russischen Kavallerie-Division heftig angegriffen wurde, mit dem Ergebnis, daß die Russen zwei Batterien einbüßten. Das Armeekorps trat [329] dann in nördlicher Richtung an, feindliche Nachhuten unter weittragendes Artilleriefeuer nehmend. General v. Mackensen hatte zunächst dem vor dem XX. Armeekorps stehenden Feinde durch Eindrehen nach links den Rückzug verlegen wollen, als der Armeebefehl ihm die Richtung auf Darkehmen zuwies. Das Armeekorps gelangte ebenfalls bis an die Goldap und lagerte am Abend mit seinen Divisionen nebeneinander bei Benkheim und weiter westlich. Bei Benkheim mischte sich die 35. Infanterie-Division mit Teilen des I. Armeekorps. Dieses Korps hatte nach recht schweren Gefechten mit russischen Nachhuten, wobei es eine größere Zahl Geschütze erbeutete, den Feind über die Goldap geworfen und ruhte abends rechts vom XVII.

Von der Heereskavallerie rückte die 8. Kavallerie-Division, nachdem sie mehrfach russische Kolonnen und Bagagen zersprengt hatte, in Goldap ein. Die 1. Kavallerie-Division hatte nach ihrem vergeblichen Ritt zur 3. Reserve-Division wieder die Richtung nach Nordosten genommen und gelangte bis südlich Marggrabowa. Dicht südlich von ihr von Stradaunen bis Lyck hatte die 3. Reserve-Division Unterkunft bezogen. Hinter ihr eilte General v. der Goltz mit seinen Schleswig-Holsteinern herbei. In Drygallen erfuhr er vom Siege der 3. Reserve-Division; er ließ seine Landwehr halbwegs Drygallen - Lyck zur Ruhe übergehen.

Das Armeeoberkommando hatte bis zum Abend die volle Überzeugung gewonnen, daß sich General Rennenkampf der ihm von Süden drohenden Umfassung entziehen wolle und sich daher in vollem Rückzuge befinde. Es kam nun darauf an, durch rücksichtslose Verfolgung seine Armee zur Auflösung zu bringen. So wurde denn befohlen, daß um 5 Uhr morgens aufbrechend die Masse der 8. Armee, 3. Reserve-Division, I., XVII., XX., XI. Armeekorps und I. Reservekorps am 11. September die Linie Filipowo - Gumbinnen - Gegend nördlich Insterburg erreichen sollten. Das Garde-Reservekorps nebst den ihm unterstellten Festungstruppen hatten den Pregel zu überschreiten und die Richtung auf Tilsit zu nehmen; unter seinen Befehl trat auch die Hauptreserve Königsberg, die über Labiau in Marsch gesetzt wurde. Der Gouverneur von Königsberg erhielt ferner die Weisung, über das Kurische Haff hinüber einen Handstreich gegen die Brücken von Tilsit einzuleiten. Die Landwehr-Division Goltz sollte nach Lyck marschieren und den Schutz gegen Grajewo - Augustow übernehmen, wo sich noch ein russisches Armeekorps befinden sollte. Das Kavalleriekorps hatte östlich an der Romintenschen Heide vorbei auf Mariampol - Wylkowyszki zu verfolgen.

Die Verfolgung, die am 11. September frühmorgens wieder aufgenommen wurde, vollzog sich auch an diesem Tage noch nicht reibungslos. Während die deutschen Flügel nicht mehr auf Feind stießen, fand die Mitte von Goldap bis zum Pregel zähen Widerstand durch russische Nachhuten, die teilweise in neuen befestigten Stellungen standen, und die an manchen Stellen selbst zu kräftigen Angriffsstößen übergingen. Als am Morgen das XI. Armeekorps meldete, daß es am Ilme-Abschnitt nördlich Nordenburg nicht vorwärts kommen könne, sah [330] sich das Armeeoberkommando veranlaßt, das XX., XVII. und I. Armeekorps nach links einzudrehen und ihnen mehr nördlich gelegene Ziele zuzuweisen. Das XX. Armeekorps stand aber selbst im schwerem Kampfe südwestlich Darkehmen und konnte den Widerstand des Feindes erst am Nachmittage brechen. Es stieß noch bis an die Angerapp bei Darkehmen nach. Der von General v. Scholtz angeordnete Übergang über den Fluß glückte nicht mehr. Rechts vom XX. gelangte das XVII. Armeekorps auf dem östlichen Angerapp-Ufer unter mannigfachen Kämpfen am Abend bis Kleszowen, das noch mit dem Bajonett gestürmt wurde. Das I. Armeekorps erreichte gegen Mittag Goldap. Hier hatte am Morgen bereits ein Gefecht stattgefunden. Russische Infanterie hatten im Morgengrauen die 8. Kavallerie-Division heftig angegriffen. Erst nach mehrstündigem Kampf hatte diese den Angreifer abgewehrt und ihm 600 Gefangene abgenommen. Die Division folgte bis zum Südrand der Romintenschen Heide, wo sie noch in neue Kämpfe verwickelt wurde.

In Goldap erreichte den General v. François der Befehl des Armeeoberkommandos, der sein Armeekorps in nördliche Richtung wies. Zwar hatte der General den Eindruck, daß der Feind in vielen Kolonnen die Chaussee Darkehmen - Insterburg überschreitend nach Osten abmarschierte, anderseits aber teilte das Armeeoberkommando mit, daß bei Darkehmen noch mindestens ein feindliches Armeekorps stände. Er ließ daher die 2. Infanterie-Division nach Gawaiten abbiegen, die 1. weiter in nordöstlicher Richtung verfolgen. Diese gelangte spät in der Nacht bis an den Nordrand der Heide, während die erstere am Westrande verblieb.

Auf dem äußersten rechten Flügel erreichte die 1. Kavallerie-Division Filipowo, die 3. Reserve-Division Marggrabowa, die Landwehr-Division Goltz Lyck.

Dem XI. Armeekorps hatte inzwischen die 1. Reserve-Division Luft gemacht. Als diese Jodlauken genommen und von dort in östlicher Richtung vorging, gab der Feind vor dem XI. Armeekorps seinen Widerstand auf. Die ermüdete 38. Infanterie-Division verblieb auf dem Schlachtfelde, die 22. folgte noch bis an die Angerapp nordwestlich Nemmersdorf, wo sie in später Nacht eintraf. Das I. Reservekorps hatte indessen unter andauernden leichteren Gefechten die Verfolgung rastlos fortgesetzt. Die 1. Reserve-Division erreichte die untere Angerapp, mit der 36. drang General v. Below selbst am Nachmittage in Insterburg ein, aus dem die Russen in voller Flucht wichen. Auch General Rennenkampf sowie der Großfürst Nicolajewitsch hatten die Stadt erst kurz vor dem Eintreffen des preußischen Kommandierenden Generals verlassen, dem sich hier die seltene Gelegenheit geboten hatte, seinen Friedensstandort persönlich von der Herrschaft des Feindes zu befreien.

Das Garde-Reservekorps hatte keine Berührung mit dem Feinde mehr gehabt. Dagegen hatte der Übergang über den Pregel, wo erst Brücken geschlagen werden mußten, recht viel Zeit erfordert. Am Abend lagerte das Armeekorps [331] bei Norkitten mit der 3. Garde-Division nördlich, der 1. Garde-Reserve-Division südlich des Flusses. Die Hauptreserve Königsberg war nördlich des Pregels weit vorgestoßen, wobei ihre vorausgesandte Kavallerie-Brigade noch Gelegenheit fand, russische Kavallerie zu werfen.

Das Armeeoberkommando hatte zunächst kein klares Bild gewinnen können. Überall leistete der Feind noch hartnäckigen Widerstand, nur vor den äußersten Flügeln nicht. Am Nachmittage kam man im neuen Hauptquartier Nordenburg an. Hier schwand jeder Zweifel. Die Russen waren in vollem Rückzuge. Der Widerstand wurde von Nachhuten geleistet. Der Oberbefehlshaber suchte noch durch Anweisungen an das XI. und I. Armeekorps der Verfolgung die erwünschte Richtung und Kraft zu geben. War es doch klar, daß nur noch wenige Tage zur Durchführung der Verfolgung zur Verfügung standen; starke Teile der 8. Armee mußten bald zum Zusammenwirken mit dem österreichisch-ungarischen Heere freigemacht werden. An ein Nachstoßen über den Niemen war nicht zu denken. Es mußte alles daran gesetzt werden, den Gegner diesen Abschnitt nur völlig erschüttert erreichen zu lassen. Der Abendbefehl forderte von den Armeekorps für den 12. September ein Nachdrängen, 4 Uhr morgens aufbrechend, gegen die Linie Wylkowyszki - Pillkallen - Tilsit. Dem Kavalleriekorps wurde die Richtung auf Szaki in den Rücken des Feindes zugewiesen. Die 3. Reserve-Division sollte Suwalki zum Schutz der rechten Armeeflanke besetzen.

Als am frühen Morgen des 12. September trotz aller Anstrengungen der letzten Tage die wackeren Truppen sich wieder zur Fortsetzung der Jagd auf den fliehenden Feind aufmachten, war dieser auf der ganzen Front verschwunden. Es gelang aber im Laufe des Tages ihn noch allenthalben zu stellen. Vom I. Armeekorps überholte ihn die 1. Infanterie-Division am Nordrande der Romintenschen Heide. Teile der Division machten nach Westen Front und drängten nun den Feind von Osten her auf Tollmingkehmen, wo es zu heftigem Kampfe kam. In der Nacht griff von Westen her die 35. Infanterie-Division ein. Was von den Russen nicht im Bajonettkampfe fiel, wurde gefangen; es waren 3.000 Mann mit acht Geschützen. Die 41. Infanterie-Division faßte den Feind noch bei Walterkehmen, während ihm die 37. bis vor Stallupönen nachsetzte. Hier traf auch das XI. Armeekorps ein, dessen 22. Infanterie-Division über Gumbinnen bis westlich Stallupönen vorgeeilt war, wo sie dem Feinde noch ernstlich Abbruch tat. Das I. Reservekorps hatte bei Mallwischken und Pillkallen den Feind eingeholt und warf ihn hier in heißem Kampfe aus befestigten Nachhutstellungen. Weiter nördlich, wo das Garde-Reservekorps vorging, wurde kein Feind mehr angetroffen. Die Hauptreserve Königsberg war bis Tilsit gelangt, wo ihr noch einige Beute und die unversehrten Brücken über die Memel in die Hand fielen. Die über das Haff angesetzte Abteilung war ebenfalls bei Tilsit eingetroffen, hatte aber bei ihrer Schwäche den Rückzug des Feindes nicht ernstlich stören können.

[332] Auf dem äußersten rechten Flügel hatte die 3. Reserve-Division nach kurzem Straßenkampf Suwalki in Besitz genommen; die 1. Kavallerie-Division war bis südöstlich des Wystyter Sees gelangt, die 8. unter dauernden Kämpfen im Ostteil der Romintenschen Heide nach Wystyniec.

Der Tag hatte der Armee noch reiche Beute gebracht als Lohn für die gewaltigen Anstrengungen; über 10 000 Gefangene und eine große Zahl von Geschützen wurden gezählt. Man gewann den Eindruck, daß der gehetzte Feind sich immer mehr nach der Chaussee Stallupönen - Wylkowyszki zusammendrängte und daß der Rückzug auf dieser Straße an manchen Stellen bereits in regellose Flucht ausgeartet war. Es schien nicht mehr erforderlich, die ganze Armee an der Verfolgung teilnehmen zu lassen. Zunächst hielt das Armeeoberkommando das Garde-Reservekorps an; es verblieb in der Gegend nordwestlich Insterburg und sollte bis zum 14. abends die Bahnhöfe Wehlau, Tabiau und Labiau erreichen. Die Verfolgung sollte weitergeführt werden vom Kavalleriekorps bis zum Niemen, vom I. Armeekorps auf Pilwiszki, vom XI. auf Schirwindt, vom I. Reservekorps auf Szaki. Das XVII. und XX. Armeekorps, für die kein Raum mehr war, hatten nur noch mit Vorhuten gegen die Chaussee bei Wirballen zu stoßen, mit der Masse aber zu halten.

Die Verfolgung wurde in den nächsten Tagen mit Aufbietung aller Kräfte fortgesetzt, wobei es noch zu manchen Kämpfen kam. An der Hauptrückgangsstraße nahm am 13. September die 22. Infanterie-Division Stallupönen nach heftigem Häuserkampfe. Sie folgte dem Feinde weiter bis zur Landesgrenze. Zwischen dieser und Wirballen stauten sich die russischen Massen. Man versuchte sogar noch Truppen in die Eisenbahn zu verladen. In diesen Wirrwarr schlugen von Süden die Schrapnells der 1. Infanterie-Division hinein, die südlich Wirballen in den Kampf getreten war. Auch Geschütze des XVII. und schwere Artillerie des XX. Armeekorps sprachen noch mit. Weiter östlich, südlich Wylkowyszki stießen die 2. Infanterie-Division und Teile des Kavalleriekorps in die Flanke feindlicher Kräfte, die südlich der Chaussee zu entkommen suchten. Nördlich der großen Straße drängte das I. Reservekorps über Pillkallen zur Grenze und brachte noch 4.000 Gefangene, acht Geschütze und viel Maschinengewehre ein. Die Hauptreserve Königsberg säuberte die Gegend von Tilsit. 4 000 Gefangene, zwölf Geschütze und zwölf Maschinengewehre fielen in ihre Hand. Ihre Kavallerie überschritt in der Verfolgung die Memel bei Ragnit.

Am 14. September nahm die 1. Infanterie-Division Wylkowyszki, während die 2. die Richtung auf Marjampol einschlug. Gegen die Straße Wylkowyszki - Marjampol stieß von Süden das Kavalleriekorps vor und drängte das Ende der fliehenden Russen nach Nordosten ab. Sonst wurden keine Kolonnen des Feindes mehr gefaßt. Der Oberbefehlshaber entschloß sich an diesem Tage bereits, das XI., XVII. und XX. Armeekorps zurückzunehmen und zu anderer Verwendung bereitzustellen. Die übrigen Teile der Armee hatten die Verfolgung zu Ende zu [333] führen, worauf sich das Kavalleriekorps in der Gegend von Wylkowyszki zusammenziehen sollte, das I. Armeekorps hinter ihm bei Wylkowyszki - Wirballen, das I. Reservekorps bei Szaki. Die Hauptreserve Königsberg sollte das Land beiderseits der Memel vollends vom Feinde säubern.

Die 1. Reserve-Division stieß am 15. September noch bis Sredniki am Niemen vor, wo der Gegner eine Brücke geschlagen hatte. Die 2. Infanterie-Division hatte eine Abteilung zur Verfolgung auf Marjampol entsandt, die dort noch in einen schweren Kampf geriet. Hier griffen an diesem Tage Teile des Kavalleriekorps, am nächsten Tage die gesamte 2. Infanterie-Division ein. Dann erst gab der Gegner die Stadt auf. Weiter südlich säuberte die 1. Kavallerie-Division das linke Szeszuppe-Ufer bis Kalwarja. Damit hatten auch die Kämpfe gegen die Armee Rennenkampfs ihr Ende gefunden. Was dem Verfolger entgangen war, strömte in langen Kolonnen nach der schützenden Niemenstrecke Olita - Kowno zurück. Der Verfolger ruhte noch von den gewaltigen Leistungen der letzten Tag, die 1. Kavallerie-Division bei Kalwarja, vom I. Armeekorps die 2. Infanterie-Division bei Marjampol, die 1. bei Wylkowyszki und Pilwiszki, vom I. Reservekorps die 1. Reserve-Division bei Szaki, die 36. nördlich von ihr bis zum Niemen südlich Jurborg, hinter diesem Korps die Hauptreserve Königsberg auf ostpreußischem Boden. Die übrigen Teile der Armee marschierten indessen nach ihren Eisenbahneinladeorten, um neuen Aufgaben entgegenzugehen: das XVII. Armeekorps auf Goldap, das XX. auf Korschen, das XI. auf Insterburg; die 8. Kavallerie-Division folgte dem XX. nach Korschen.


Kämpfe an der Ostpreußischen Südgrenze und bei Augustow Mitte September.

Während des Vormarsches gegen Rennenkampf waren die an der ostpreußischen Südgrenze stehenden Deckungstruppen erheblich geschwächt worden. Teile hatte das Oberkommando nach Königsberg herangezogen, die 3. Reserve-Division und die Landwehr-Division Goltz waren nach Osten abgerückt. Da gingen erneut starke russische Kräfte vom Narew her gegen die Grenze vor, vor denen die 70. Landwehr-Brigade am 9. September von Myszyniec nach Ortelsburg auswich. Als sich herausstellte, daß es sich um recht beträchtliche feindliche Kräfte handelte, dabei Teile des I. Armeekorps und die 3. Garde-Division, sollte diese Gefahr durch kräftige Maßnahmen beseitigt werden. Die in Königsberg ausgeladenen Teile der Deckungstruppen wurden nach Soldau zurücktransportiert; dorthin wurden auch die letzten Teile der Kriegsbesatzungen von Graudenz, Kulm und Marienburg geführt, um dann gemeinsam mit der 70. Landwehr-Brigade dem Feinde zu Leibe zu gehen. Am 14. September traten drei deutsche gemischte Brigaden aus der Linie Soldau - Janow den konzentrischen Vormarsch auf Mlawa an, während gleichzeitig die 70. Landwehr-Brigade südlich Willenberg die Grenze überschritt, um sich gegen den bei Chorzele stehenden Feind zu wenden. Mlawa wurde nach leichtem Gefecht genommen, die [334] deutschen Truppen gingen von dort weiter auf Praszysz vor, das am 16. besetzt wurde. Dort traf an diesem Tage auch die 70. Landwehr-Brigade ein, die den Feind nach schwerem Kampfe bei Chorzele geworfen hatte. Nunmehr strömten alle russischen Kräfte beschleunigt hinter den schützenden Narew zurück. Die 70. Landwehr-Brigade verblieb in Przasnysz, die übrigen deutschen Truppen rückten nach Ciechanow.

Inzwischen hatten auch die Landwehr-Division Goltz und die 3. Reserve-Division noch ernste Kämpfe bestanden. Die erstere wurde am 12. September nachmittags bei Lyck von dem gesamten III. Sibirischen Armeekorps angegriffen, das von Osten und Süden her gegen die Schleswig-Holsteinsche Landwehr vorging, die sich der Russen tapfer erwehrte. General v. der Goltz plante für den nächsten Tag eine Umfassung des feindlichen Westflügels, wozu noch einige Kompagnien mit etwas Artillerie aus Lötzen zur Unterstützung hereilten. Als am 13. vier Bataillone des Generals v. der Goltz westlich Lyck überraschend nach Süden vorstießen, räumte der Gegner das Feld und ging unter Zurücklassung vieler Toter, Verwundeter und Gefangener nach Süden und Südosten zurück.

Das Armeeoberkommando, das auf Grund von Fliegermeldungen mit einem feindlichen Armeekorps bei Szczuczyn - Grajewo rechnete, wollte diesen Feind durch gemeinsamen Angriff der Division Goltz und der 3. Reserve-Division schlagen lassen, welch letztere dazu von Suwalki über Raszki auf Grajewo vorgehen sollte. Am Nachmittage des 15. September gelangte sie nach Raszki und südlich des Ortes, vor sich die 1. Kavallerie-Brigade, die in Suwalki wieder zur Division gestoßen war. Eine schwache, leicht bewegliche Seitenabteilung war von Suwalki auf der Chaussee nach Augustow entsandt. Überall waren schwächere russische Kräfte auf Augustow zurückgeworfen, wo stärkerer Feind in befestigter Stellung gemeldet wurde. An diesem Feinde glaubte General v. Morgen nicht vorbeimarschieren zu können, entschloß sich vielmehr zunächst ihn zu schlagen, wobei nach unmittelbarer Vereinbarung mit der Landwehr-Division Goltz diese die Deckung der 3. Reserve-Division gegen Grajewo - Rajgrod, das ebenfalls vom Feinde besetzt sein sollte, übernahm. Westlich ausholend griff die 3. Reserve-Division am 16. September mit ihrer Masse her vom Westen die rusischen Stellungen bei Augustow an, das auf den übrigen drei Seiten durch Seen geschützt ist. Nach siebenstündigem hartem Kampf wurde der Feind aus seinen Stellungen und der Stadt geworfen. Der Versuch, mit der 1. Kavallerie-Brigade ihm den Rückzug zu verlegen, gelang nicht, da die Brigade nicht über den sumpfigen Netta-Abschnitt hinüberkommen konnte. Die Russen verschwanden in dem sumpfigen Waldgebiet in der Richtung auf Grodno. Es waren die 4. finnländische Schützen-Division, die 1. Kavallerie-Division und Teile von vier Infanterie-Regimentern vier verschiedener Armeekorps gewesen.

Der für den 18. September geplante gemeinsame Angriff auf Grajewo unterblieb, da es sich herausstellte, daß sich dort kein stärkerer Feind mehr befand. [335] Die 3. Reserve-Division verblieb bei Augustow, die Landwehr-Division Goltz in der Gegend von Lyck. Auch das deutsche Land östlich der Masurischen Seen war vom Feinde gesäubert.


Ostpreußen ist befreit.

Ostpreußen war befreit, kein Feind stand mehr auf deutschem Boden. Was war geschehen?

Als General v. Hindenburg mit General Ludendorff am 23. August in Marienburg ankam und den Befehl übernahm, standen zwei feindliche Armeen, von denen jede seinen Streitkräften überlegen war, tief im deutschen Lande. Und nun, wenig mehr als drei Wochen später: die eine der beiden feindlichen Armeen vernichtet, die andere schwer geschlagen und geschädigt über die Grenze gejagt, hinter den schützenden Niemen flüchtend. Der eine der beiden russischen Führer tot, der andere geflohen und seines Amtes enthoben.

Und das war in der Hauptsache vollbracht in zwei großen Schlachten; zwei Schlachten verschieden in ihrer Anlage, verschieden in ihrer Wirkung. Hatte in der ersten, die hervorgegangen war aus entschlossener und schneller Ausnutzung einer sich bietenden Lage, der Feind umzingelt und so vernichtet werden können, daß eine Verfolgung sich erübrigte, so hatte die zweite diesen Erfolg freilich nicht bringen können. Diesmal war es ein frontales Ringen gegen einen in starker, befestigter Stellung stehenden, sich zähe wehrenden Feind geworden, der sich dann der ihm zugedachten Umfassung durch rechtzeitigen Rückzug entzog, auch bei diesem Rückzuge selbst noch durch geschickt eingesetzte und tapfer kämpfende Nachhuten dem Angreifer immer erneut Aufenthalt bereitend. Der Russe erwies sich schon hier, zum ersten Male, als ein großer Rückzugskünstler, als welchen ihn die Deutschen im Verlauf des Krieges noch genügend kennenlernen sollten. Immerhin war aber auch die zweite Schlacht ein großer Sieg, dem sich eine rastlose Verfolgung anschloß, die den Rückzug immer eiliger und ungeordneter werden ließ und auch dieser Armee vorläufig jede Schlagkraft nahm.

Am 14. September hatte General v. Hindenburg seinem Obersten Kriegsherrn gemeldet:

      "Die Wilnaer Armee, II., III., IV., XX. Armeekorps, drei bis vier Reserve-Divisionen, fünf Kavallerie-Divisionen, ist durch die Schlacht an den masurischen Seen und die sich daran anschließende Verfolgung vollständig geschlagen.
      Die Grodnoer Reserve-Armee, XXII., Rest des VI. Armeekorps und Teile des III. sibirischen Armeekorps hat in besonderem Gefecht bei Lyck stark gelitten.
      Der Feind hat starke Verluste an Toten und Verwundeten. Die Zahl der Gefangenen steigert sich. Die Kriegsbeute ist außerordentlich. Bei der Frontbreite der Armee von über 100 Kilometern, den ungeheuren Marschleistungen von zum Teil 150 Kilometern in vier Tagen, bei den sich auf dieser ganzen [336] Front und Tiefe abspielenden Kämpfen, kann ich den vollen Umfang noch nicht melden. Einige unserer Verbände sind scharf ins Gefecht gekommen, die Verluste sind aber doch nur gering. Die Armee war siegreich auf der ganzen Linie gegen einen hartnäckig kämpfenden, aber schließlich fliehenden Feind."

An Beute hatte die Armee Rennenkampfs über 40 000 unverwundete Gefangene, über 150 Geschütze, viele Maschinengewehre, Munitionskolonnen sowie zahlloses anderes Material eingebüßt. Ihre blutigen Verluste waren nicht minder schwer gewesen.

Der wohl ersonnene Plan des Feindes war zunichte geworden. Der Plan hatte vorgesehen, daß die Armee Rennenkampfs die über die Angerapp zurückgehenden deutschen Streitkräfte frontal verfolgen, während gleichzeitig die Narew-Armee über die Linie Sensburg - Allenstein von der Flanke her angreifen sollte, und ein Kavalleriekorps, noch weiter westlich ausholend, gegen die nach der Weichsel führenden Rückzugsstraßen und rückwärtigen Verbindungen vorzugehen hatte.

Der Jubel in Deutschland war groß. Nun brauchte man nichts mehr zu hören von brennenden preußischen Dörfern, vernichteten Feldern, ausgeplünderten Städten. Der größte Teil der preußischen Provinzen östlich der Weichsel war vom russischen Einfall verschont geblieben. Der Kaiser telegraphierte an den siegreichen Feldherrn:

      "Ich beglückwünsche Sie und die 8. Armee zu den mir gemeldeten, großartigen Erfolgen der letzten Tage von ganzem Herzen. Ihre geschickte Führung und die Ausdauer Ihrer braven Truppen ist Meiner wärmsten Anerkennung und Meines Königlichen Dankes für alle Zeiten sicher. Nicht nur die Provinz Ostpreußen, sondern auch das gesamte Vaterland sieht auf Sie und Ihre tapfere Armee mit Stolz und dankerfülltem Herzen, was Sie den Truppen in Meinem Namen bekanntmachen wollen."

Hindenburg, der Befreier Ostpreußens, wurde der deutsche Volksheld.

Die Truppen, die unter ihm an den glänzenden Erfolgen teilgenommen, hatten in ihm ihren unbesiegbaren Feldherrn verehren gelernt, dessen Führung sie mit unbedingtem Vertrauen folgten. Sie hatten gefühlt, daß der stärkere Siegeswille bei ihm war; sie hatten diesen Siegeswillen übernommen und trugen den Zauber der Unbesiegbarkeit künftig mit sich.

Ostpreußen aber sah in Hindenburg und seinem großen Generalstabschef seine Retter, mit denen es sich in heißem Danke verbunden fühlte.


4. Der Abtransport der Masse der 8. Armee. Wechsel im Oberkommando.

Die 8. Armee hatte die ihr in Ostpreußen gestellten Aufgaben gelöst; der größere Teil ihrer Kräfte war zu anderer Verwendung verfügbar. Eine solche [337] war aber auch immer dringlicher geworden. Das österreichisch-ungarische Heer war im Rückzug hinter den San. Damit drohte ein Russeneinfall in Schlesien, der bei der Wichtigkeit dieses Gebietes auch nicht vorübergehend ertragen werden konnte. Auch die politischen Rücksichten erforderten dort eine baldige Besserung der Lage.

In seiner Weisung vom 31. August hatte der Chef des Generalstabs des Feldheeres bereits die anderweitige Verwendung der 8. Armee nach der Befreiung Ostpreußens angedeutet. Während der Verfolgung hatte sich das Oberkommando auch mit den nächsten Aufgaben der Armee befaßt. Am 13. September hatte es der Obersten Heeresleitung gemeldet, daß vier Armeekorps und eine Kavallerie-Division für die neuen Aufgaben freigemacht werden könnten und hatte dabei zum Ausdruck gebracht, daß General v. Hindenburg ein Vorgehen dieser Kräfte über den unteren Narew in Richtung Sjedlec für entscheidender hielt, als ihr Einsetzen im unmittelbaren Anschluß an den Nordflügel des österreichisch-ungarischen Heeres, wie es die k. u. k. Heeresleitung erbeten hatte. Die Entscheidung der Obersten Heeresleitung erging am nächsten Tage. Bei der schwierigen militärischen Lage Österreich-Ungarns hielt der Chef des Generalstabs des Feldheeres ein Vorgehen über den unteren Narew nicht für erfolgversprechend und insbesondere machte auch die politische Gesamtlage eine unmittelbare Unterstützung des Bundesgenossen durch ein Vorgehen starker deutscher Streitkräfte aus Oberschlesien heraus dringend nötig. Das Armeeoberkommando hatte darauf bereits vier Armeekorps bereitgestellt, eine Maßnahme, die sich als sehr glücklich erwies, als am nächsten Tage, dem 15. September, der Befehl zum Abtransport von vier Armeekorps und der 8. Kavallerie-Division folgte. Bereits am 16. begannen die Einladungen des Garde-Reservekorps, denen in den nächsten Tagen die des XX., XI., XVII. Armeekorps und der 8. Kavallerie-Division sich anschlossen.

Den zurückbleibenden schwachen Kräften fiel die schwierige Aufgabe zu, Ostpreußen vor einem neuen Russeneinfall zu bewahren, gleichzeitig aber auch den hinter den Narew und den Niemen zurückgegangenen Feind zu fesseln, damit nicht Kräfte von ihm nach Süden abtransportiert werden konnten. Von der Armee Rennenkampfs waren erhebliche Teile hinter dem Niemen zwischen Olita und Kowno zu suchen, starke Heereskavallerie schien nordwestlich Grodno verblieben zu sein. Was sich weiter bei Grodno vollzog, war nicht zu übersehen. Den hinter den Narew von Ostrolenka abwärts zurückgehenden Trümmern der Narew-Armee brauchte man zunächst keine Kampfkraft zubilligen. Am 17. September erließ General v. Hindenburg seine Befehle:

Die Verbände des Südgrenzschutzes hatten das Vorgehen in der bisherigen Richtung fortzusetzen. Der Landwehr-Division Goltz wurde die Aufgabe zugeteilt, den Angriff auf Ossowiec einzuleiten, wozu ihr die nötige schwere Artillerie aus Königsberg zugeführt werden sollte. Aus den übrigen Kräften der Armee sollten [338] zwei Gruppen gebildet werden, eine im Süden bei Augustow, eine im Norden an der Bahn Wirballen - Pilwiszki. Die bei Augustow stehende 3. Reserve-Division sollte Vortruppen in der Richtung auf Grodno bis zum Ostrande des großen Waldgebiets vorschieben. Nach Augustow sollte die 1. Kavallerie-Division von Suwalki heranmarschieren und auch das I. Armeekorps folgen, das zu diesem Zweck sich zunächst an die Straße Marjampol - Kalwarja - Suwalki heranzuziehen hatte. Im Norden hatte das I. Reservekorps in der Gegend Wylkowyszki - Wirballen zu verbleiben; die Hauptreserve Königsberg sollte in die Gegend von Schirwindt herangezogen werden. Aufgabe dieser Nordgruppe war es, ein etwaiges erneutes Vorgehen des Feindes aus der Linie Olita - Kowno aufzuhalten. In der Linie Wirballen - Schirwindt sollte dazu eine mit allen Mitteln der Feldbefestigung verstärkte Stellung ausgebaut werden.

Unmittelbar nach Abgang dieser Anordnungen traf im Armeehauptquartier Insterburg der Befehl des Kaisers ein, wonach General v. Hindenburg mit dem Oberbefehl über die nun aus den abtransportierten Kräften neu zu bildende 9. Armee betraut wurde. Unter ihm hatte General der Artillerie v. Schubert den Befehl über die 8. Armee zu übernehmen, zu deren Chef des Generalstabes der bisherige Oberquartiermeister im Stabe Hindenburgs, Generalmajor Grünert, ernannt wurde.

Am 18. September früh fuhr Generaloberst v. Hindenburg mit seinem Stabe im Kraftwagen über Posen nach Breslau ab, wohin General Ludendorff schon vorausgeeilt war.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte