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Volksdeutsche Soldaten unter Polens Fahnen. 
Tatsachenberichte von der anderen Front aus 
dem Feldzug der 18 Tage
[105]
Ich rettete mich zu den deutschen Brüdern
Uffz. Bernhard Roy, Posen

Auf dem Marsche von Sochatschew nach Warschau erlebte ich so tolle Dinge, daß mein Plan, mich zu retten, bald feststand. Sehr oft hörte ich Schüsse krachen und dann hinterher das Geprahle, man hätte wieder "Diversanten" erledigt. Mir war klar, daß das immer unschuldige volksdeutsche Opfer waren. Ein Staat, der uns entrechtet und geknebelt hatte und zuletzt Tausende in die Gefängnisse warf, dessen Soldateska jeden ihr begegneten Volksdeutschen als Spion niederknallte, konnte der von mir noch erwarten, daß ich einen erzwungenen Fahneneid hielt?

"Die letzten werden die ersten sein", dachte ich mir, blieb mit der Nachhut zurück und markierte den Hinkenden, um mich zu verdrücken. Aber schon war mein Aufpasser, ein Fähnrich, da, um mich zu beluchsen. Wenn er mich ansah, funkelte es in seinen Augen. Ich wußte Bescheid.

Trotzdem gelang es mir, zurückzubleiben und mich bei einem Dorfe im Gehölz zu verstecken. Das wäre mir aber beinahe schlecht bekommen, denn ein deutscher Panzerwagen knallte einige Brocken in die Nähe meines Verstecks, daß mir Hören und Sehen verging. Nachts machte ich mich auf die Suche nach den Deutschen, aber immer wieder traf ich nur auf flüchtende Polen. So saß ich bis zum Morgengrauen in einem Gebüsch am Wege und dann blieb mir nichts weiter übrig, als mit einer anderen Truppe Richtung Warschau zu marschieren.

Als ich dort ankam und die Vorbereitungen zur Verteidigung sah, wurde mir doch reichlich bange. Würde es aus diesem Hexenkessel ein Entrinnen geben? Es dauerte nicht lange, da war ich einem Pionierbataillon zugeteilt und zu den Befestigungsarbeiten abkommandiert.

Eines Tages wurden wir Pioniere nach dem "Sächsischen [106] Garten" befohlen. Während die Granaten über uns dahinheulten, und nah einschlagende Geschosse uns schnell Deckung nehmen hießen, und die Scheiben aus den Häusern mit Getöse auf die Straße fielen, jagten wir in kleinen Trupps unserem Bestimmungsorte zu. Der "Sächsische Garten" bot einen schauerlichen Anblick. Vor kurzem mußte hier noch polnische Artillerie gestanden haben. Einige unbrauchbar gewordene Geschütze stießen ihre Rohre durch die Zweige. Die danebenstehenden, halb angeschirrten Pferde ließen apathisch die Köpfe hängen. Alles zeugte von einer überstürzten Flucht aus dem Garten. Die zerfetzten Baumkronen und mancher kahle Baumstamm ließen uns ahnen, welch ein Orkan darübergebraust war.-

Zwischen den Laufgräben, die den ganzen Park durchzogen, lagen - ich riß die Augen weit auf - Tausende von Granaten aller Kaliber und unzählige Kisten mit Handgranaten und Munition für alle Waffenarten in riesigen Stapeln aufgeschichtet. Während wieder die deutschen Granaten heranheulten, flitzte unsere ganze Gesellschaft wie ein Blitz in die Gräben, wovon einige notdürftig gedeckt waren. Es wurde uns allmählich ziemlich ungemütlich in der Nachbarschaft dieser Munitionsstapel. Jeden Augenblick konnte ja im Hagel der deutschen Geschosse der ganze Zauber in die Luft fliegen und wir mit ihm. Schreckensbleiche Gesichter starrten entsetzt auf die Offiziere, die uns auseinandersetzten, daß wir hergekommen seien, um diese Munition zu verladen. Das war Wahnsinn und mußte mit einer Katastrophe enden. - Wir warteten auf die Lastwagen, die zur Verladung bestimmt waren, doch die erschienen nicht. Ein Mann, der ausgesandt wurde, um nach ihnen zu sehen, kam bald wieder und berichtete mit schlotternden Knien, daß die Straße unter Feuer liege und unpassierbar sei. Der Offizier fluchte wild und musterte finster seine Heldenschar, die sich in die äußersten Ecken des Grabens verkrochen hatte und die Köpfe an die Grabenwände preßte. Die verzerrten Züge des Offiziers belustigten mich fast. Da hatte er mich auch schon unter die Lupe genommen und befahl mir in beinahe bittendem Ton, den feigen Kerlen da zu zeigen, daß ein polnischer Soldat auch im schwersten Feuer seinen Auftrag [107] auszuführen habe. Es zuckte mir in den Mundwinkeln und ich mußte mich zusammennehmen, um nicht grimmig zu lächeln. Während ich von Toreingang zu Toreingang sprang, hoffte ich im stillen, daß inzwischen eine Granate das Munitionslager im "Sächsischen Garten" vernichten würde. - Am Standort der Militärlastkraftwagen rief meine Meldung eine ganz unerwartete Bewegung hervor. Unser Kompanieführer wurde eilig herbeigerufen, und dieser fragte mich in überstürzten Worten, ob wir viele Tote gehabt hätten und ob die beiden Offiziere noch bei uns wären. Meine beruhigende Antwort erfreute ihn so, daß er mich zu meiner Verblüffung umarmte, auf die Stirn küßte und mir Zigaretten anbot.

Nun ging es sofort mit anderen, schnell fertiggemachten Lastwagen nach dem "Sächsischen Garten". Die Beschießung hatte etwas nachgelassen, und so kamen wir ohne Schaden durch.

Ein Teil der Munition war schon verladen, als der Befehl kam, sofort einzuhalten und den Park zu verlassen. Ein richtiges Musterbeispiel der polnischen Führung! Viel Tamtam und dann doch nichts erledigt.

Mit blassen Gesichtern drängte sich die Bevölkerung Warschaus vor den Lebensmittelgeschäften. Nachts um 1 Uhr standen schon manche auf, um beim Bäcker, bis zum Morgen wartend, ein Stückchen Brot zu erwischen. - Während man uns Tag für Tag in einen anderen Stadtteil jagte, um irgendwelche Arbeiten zu verrichten, brausten unaufhörlich die deutschen Bomber heran und zwangen uns, Deckung zu nehmen. Ein unerhörtes Glück bewahrte mich unzählige Male vor dem Tode. Unter den Wagen der Warschauer elektrischen Eisenbahn liegend, bewunderte ich die in Ketten heranbrausenden Stukas, die im steilen Sturzflug herabkommen, um sich dann, ihre Bomben werfend, wieder mit unheimlichem Geheul der Motore hochzuschrauben. Immer näher krachten die Bomben und immer lauter und schrecklicher tobten die Motore. Steine, Eisen und ganze Wagenladungen voll Erde prasselten auf die Dächer der Waggons hernieder.-

Zwischen den Schienen liegend, das Gesicht an die bebende Erde gepreßt, erwarteten wir unser Ende. Bald entfernte [108] sich jedoch der Spuk und wir stürzten zwischen den Trümmern hervor. Riesige Trichter kennzeichneten die nahen Einschläge, Schienen waren wie Bindfaden zerrissen und reckten sich wie Schlangenleiber in die Höhe. Ein unheimliches Bild der Zerstörung!

Noch furchtbarer war der Weg, der uns nach Wola hinausführte. Zwischen Menschen- und Pferdeleichen, die die Luft in gräßlicher Weise verpesteten, standen die ausgebrannten Gestelle von Kraftwagen und Tanks, lagen umgekippte Flüchtlingswagen, aus denen Betten quollen und aufgesprungene Koffer ihren Inhalt zeigten. Mit Grauen in den Gesichtern stürzten wir vorwärts. Hell peitschend sandte von irgendwoher ein deutsches Maschinengewehr seine ersten Feuerstöße in unsere Reihen. Verwundete mit fahlen Gesichtern wankten vorüber. Brustschüsse. Hell strömte das Blut über die Uniform; noch wenige Schritte und dann brach einer zusammen. - Alles stob in wilder Flucht zurück. Mit vorgehaltener Pistole zwangen die Offiziere zum Halten. Die hereinbrechende Nacht verbrachten wir auf einem Friedhof. Tankgräben sollten wir anlegen, und im Schutze der Dunkelheit strömten Verstärkungen herbei. Wir gruben.

In der Morgenfrühe ging es zurück zur Stadt, denselben pesterfüllten Weg entlang.

In den entgegengesetzten Stadtteil ging nun der Marsch. In der Nähe einer Anstalt - dem "Cyf" - schlugen wir unser Lager auf und bauten Stacheldrahtverhaue, "Spanische Reiter". Drei Tage lang. Die halbverhungerten Gestalten wurden zusehends schwächer. Brot gab es schon lange keins, nur etwas schwarzen Kaffee und zu Mittag eine dünne Suppe, in der die Häutchen einiger zerkochter Erbsen schwammen. - Einer führte ein Pferd vorbei, und wie die Geier warteten die Leute, um sich auf die Beute zu stürzen. - Über Warschau lagerte eine dichte Rauchwolke.

Der Widerstand der Polen an den Stadträndern war zäh und erbittert. Mein Wille, aus diesem Hexenkessel herauszukommen, koste es was es wolle, war zu einem festen Entschluß gereift. Bei der Aufstellung der Drahthindernisse mußte die Flucht gewagt werden.

[109] In der Nacht sollten wir die "Spanischen Reiter" hinbringen und eineinhalb Kilometer Stacheldrahtverhau vor unsere Linie legen. - Der Transport der Böcke begann zur festgesetzten Zeit. Einzelne heranheulende Granaten krachten in den Wald, wo wir auf den Beginn unserer Arbeit warteten. Ungefähr 600 Meter vor dem Waldrand begann das Ziehen des Drahthindernisses. Das flache Gelände war eigentlich wenig dazu geeignet, sich unbemerkt zu entfernen. Außerdem waren noch Posten aufgestellt, um uns vor Überraschungen zu sichern. Ein Kilometer des Hindernisses war schon aufgestellt, als wir uns einem langgestreckten Gerüst näherten, das einen Schuppen darstellte. Mein Trupp war gerade mit einer Anzahl Böcke angelangt. Der Offizier, der die Arbeit überwachte, war aber verschwunden, und wir warteten eine Weile vergeblich auf ihn. Meine Leute wollten nun einfach die Böcke stehen lassen und sich auch zurückbegeben. Da befahl ich ihnen, noch einen Augenblick zu warten; vielleicht befände sich der Leutnant an dem Schuppen. - Halblaut rufend durchsuchte ich die ganze Umgebung und entfernte mich dabei immer weiter in der Richtung der deutschen Stellung. Bald hatte mich die Dunkelheit verschlungen, und als ich die polnischen Minenfelder hinter mir hatte, stürmte ich in langen Sätzen weiter. Doch so einfach sollte mir die Flucht nicht werden.

Plötzlich setzte das polnische Artilleriefeuer wieder ein, und ich kroch auf allen vieren auf einen Trichter zu, während die Granaten immer näher krachten. Kaum war ich in dem Loch gelandet, als auch schon so ein Ding heranheulte und mit ohrenzerreißendem Krach einschlug. Wie ein Maulwurf wühlte ich mich in den lockeren Boden und ließ minutenlang diese Hölle über mich ergehen. Dann schwieg das Feuer und ich stürmte weiter. Bald hatte ich ein leichtes deutsches Stacheldrahthindernis vor mir und wußte, daß gleich ein "Halt" ertönen mußte. Ich warf Gewehr, Helm und Koppel von mir und rannte mit den hocherhobenen Armen wild winkend weiter. Da klang mir auch schon das "Halt" entgegen und ich brüllte mit japsender Stimme: "Ich bin ein Deutscher." Meine Freude endlich frei zu sein war grenzenlos.

Während meine deutschen Kameraden Unmengen von Eß- [110] waren herbeischleppten und sich über meinen Wolfshunger freuten, wurden meine Augen immer größer. Diese deutschen Soldaten, von denen man uns früher erzählt hatte, daß sie Vögel fingen und brieten, weil sie nichts zu essen hätten, bekamen eine Verpflegung, wie wir sie im polnischen Heer nicht im entferntesten genossen hatten.

Der Kameradschaftsgeist und das Verhältnis zwischen Offizieren und Mannschaften war so grundverschieden von dem bei den Polen und von so herzlicher Art, daß meine Bewunderung keine Grenzen kannte.

Nun wurde meine Rückkehr in die Heimat vorbereitet. - Die nötigen Zivilsachen waren bald organisiert und nach herzlichem Abschied ging es in Richtung Posen ab. Und nun warten wir hier in unserem neuen Reichsgau Wartheland darauf, den grauen Rock der deutschen Wehrmacht anziehen zu können, um unser Großdeutsches Reich und unsere Freiheit zu schützen.


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