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B. Die polnische Volkstumsfront und der Einsatz der polnischen Presse gegen die deutsche Volksgruppe in Posen und Westpreußen     (Forts.)

II. Der Einsatz der polnischen Presse gegen die deutsche Volksgruppe seit 1918     (Forts.)

d) Die Angriffspunkte     (Forts.)

4. Die Organisation des Deutschtums

Als Posen und Westpreußen in polnische Hände überging, bestanden als Vertretungen des Deutschtums zwei Organisationen, die "Deutsche Vereinigung" und die "Deutsche Zentralarbeitsgemeinschaft der politischen Parteien".166 Während die "loyale und versöhnliche" Zentralarbeitsgemeinschaft ein getreues Spiegelbild der parteipolitischen Zerrissenheit des damaligen Deutschen Reiches bot und zudem ebenso wie ein Teil der deutschen Presse aus durchsichtigen Gründen von Polen gefördert wurde,167 konnte die "Deutsche Vereinigung" durch ihre nationale Zielsetzung den Zusammenschluß aller anderen deutschen Organisationen erreichen. Die so gebildete neue Organisation war der "Deutschtumsbund zur Wahrung der Minderheitsrechte", dessen Bemühungen in der einzigen Aufgabe mündeten, die Rechte der Angehörigen der deutschen Volksgruppe zu schützen.

Sowohl durch den Minderheitenschutzvertrag wie durch die polnische Verfassung war der "Deutschtumsbund" gesetzlich gesichert. Die polnische Verfassung sagte ausdrücklich "den Minderheiten im polnischen Staat die volle freie Entwicklung ihrer nationalen Eigentümlichkeiten mit Hilfe von autonomen Minderheitsverbänden" zu, denen gegenüber sich der polnische Staat nur das "Recht der Kontrolle" ihrer Tätigkeit und "der Ergänzung ihrer finanziellen Mittel im Falle der Bedürftigkeit" vorbehielt.168

Polen hat diese Bestimmungen seiner Verfassung nicht eingehalten. Da sein Verhältnis zur deutschen Volksgruppe von seinem Willen bestimmt war, das Deutschtum innerhalb seiner Grenzen zu beseitigen, mußte ihm die Schutzorganisation der Volksgruppe als der gefährlichste Gegner erscheinen. Über die Art seines Vorgehens wird wiederum auf die Schriften von Mornik und Rauschning verwiesen. Die polnische Presse wurde der Schutzarbeit des "Deutschtumsbundes", die sich in einem streng legalen Rahmen vollzog, nicht einmal in Ansätzen gerecht, sondern unterstellte ihm schon bei seinem Entstehen polenfeindliche Absichten. Der Kurj.169 erblickt in jenen Tagen in der straffen Organisation der Deutschen in Polen eine Gefahr für die ungestörte nationale Entwicklung Polens und [80] stellt ihr Verhalten ohne weitere Beweisführung einem illoyalen und staatsverräterischen Handeln gleich.

Die Instanzen, vor denen der "Deutschtumsbund" die Rechte der Deutschen vertreten konnte, waren einmal der polnische Staat selbst und zum anderen der Völkerbund. Als sich aber der "Deutschtumsbund" nach einer harten Geduldsprobe mit einigen Eingaben über die Behandlung der Deutschen in Polen an das Forum des Völkerbundes wandte, war die polnische Presse auf das höchste darüber entrüstet. Sie bestritt der Organisation nichts geringeres als das Recht, die Aufmerksamkeit des Völkerbundes auf eine Verletzung oder die Gefahr einer Verletzung der Verpflichtungen des Versailler Vertrages zu lenken, da dies nur einem Mitglied des Völkerbundes zustehe.170

Innerhalb der staatlichen Rechtssphäre konnte die Presse nicht nach diesem einfachen Rezept verfahren. Allzu klar stand dem "Deutschtumsbund" die verfassungsmäßige Legitimation zur Seite. Naheliegend aber und ebenfalls erfolgversprechend war die Anzweiflung seiner staatstreuen Haltung. Das Material für die pressepolitische Stimmungsmache lieferten die Behörden, indem sie durch polizeiliche Handlungen den Verdacht der Staatsfeindlichkeit auf die Organisation lenkten. Schon 1919 hatte die Presse derartige Ereignisse auszuwerten verstanden. Das Posener Massenblatt Orędownik171 meldet eine polizeiliche Haussuchung in den Räumen des deutschen Volksrates in Posen, die belastendes Material über eine Zusammenarbeit des Volksrates mit deutschen Militär- und Zivilbehörden ergeben haben sollte. Die Nachricht - dem Aussehen nach mehr eine gerüchtweise Verlautbarung - versieht das Blatt mit einem Kommentar, der die vorherige Vermutung bereits zur festen Tatsache macht: Es hätte eine deutsche Expositur bestanden. Den Haupttrumpf erhielt die Presse zugespielt, als im Jahre 1923 im Rahmen einer schlagartig durchgeführten großen Aktion Haussuchungen und Beschlagnahmungen von Aktenmaterial in den Geschäftsstellen des "Deutschtumsbundes" vorgenommen wurden. Die Räume wurden geschlossen und die Organisation verboten. Das scharfe Auftreten der Polizei erfolgte auf Grund von haltlosen Verdachtsmomenten angeblich wegen einer geheimen Tätigkeit des Verbandes im Dienste des Deutschen Reiches. Trotz des Mangels an Beweisen - das Verfahren wurde jahrelang verschleppt - behandelte die Presse die Anklagepunkte als belegte Tatsachen. Der Dzien. Pozn.172 äußert sich dazu wie folgt:

"Es hat sich nämlich herausgestellt, daß jener 'Deutschtumsbund' nicht nur eine Expositur des in dem 'vorübergehend von Polen besetzten' Gebiete kämpfenden germanischen Revanchegeistes war, sondern die bei den Haussuchungen gefundenen Akten lieferten den [81] unwiderleglichen Beweis einer engen Verbindung der deutschen Konsulate in der polnischen Republik mit ihm."

Aus dem vorgefundenen Briefwechsel sei ersichtlich, daß die deutschen Konsulate den "Deutschtumsbund" als "ihren integralen Bestandteil" betrachteten.173

Das gleiche Schicksal - zum Staatsfeind Polens erklärt zu werden - erlitt die neugegründete deutsche Organisation, die "Vereinigung der deutschen Abgeordneten in Sejm und Senat". Die Presse entwickelte eine Theorie, nach welcher die "Vereinigung" und der "Deutschtumsbund" in einer Linie die Fortsetzungen des alten Ostmarkenvereins waren. "Das Schild wurde umgemalt," schreibt der Kurj. Pozn.,174 "und nachdem diese Institution (der "Deutschtumsbund") wegen ihrer staatsfeindlichen Betätigung aufgelöst worden war, übernahmen die Agenten des berüchtigten 'Deutschtumsbundes' die 'Vereinigung'..." Wie der Ostmarkenverein, so sei jetzt die anstelle des aufgelösten "Deutschtumsbundes" entstandene "deutsche Vereinigung" sozusagen eine hakatistische Nebenregierung, "die gierig nach Preußen blickt". "Es drängt sich die Frage auf," fährt die Zeitung fort, "wer diese merkwürdige Nebenregierung finanziert. Mögen die maßgebenden Faktoren prüfen, ob dies nicht etwa 'die Hauptregierung' in Berlin ist, die indiskret hinter die Grenze des Nachbarn schaut". Der Dzien. Pozn.175 behauptet die gleichen unerlaubten Beziehungen zu den deutschen Konsulaten nun auch von den Büros der deutschen Abgeordneten und verlangt im Namen der Volksgesamtheit "ein unverzügliches und tatkräftiges Einschreiten der polnischen Regierungsstellen".

Die ständige allgemeine Verdächtigung des deutschen Organisationswesens steigt wie eine Flutwelle an, wenn einer der zahlreichen Prozesse gegen Deutsche zur Verhandlung kommt, die, wegen geringfügiger Vorkommnisse in Gang gebracht, von der Presse zu großen Staatsaktionen aufgebauscht werden, hinter denen die Presse die Organisationen als eigentliche Angeklagte sieht. Das jeweilige Anklagematerial ließ sich unschwer zu diesem Zweck ausbeuten. Ein Beispiel dafür bietet die Gazeta Gdanska,176 die anläßlich eines Verfahrens gegen den deutschen Abgeordneten Graebe schreibt:

"Die Bromberger Deutschen, die organisatorisch mit Pommerellen verbunden sind, haben - darüber geben wir uns keiner Täuschung hin - dazu beigetragen, eine polenfeindliche Aktion jenseits der Grenzen zu entfesseln... Der Bromberger Prozeß des früheren Abgeordneten des Deutschen Klubs, Kurt Graebe, hat in dieser Hinsicht sensationelles Material gebracht..."

[82] Wie auf den übrigen Lebensgebieten, so war auch auf dem politischen Sektor die Führung der deutschen Volksgruppe dem stärksten Druck ausgesetzt. Nicht nur, daß über ihr unaufhörlich die Willkür des polnischen Staates stand, der durch Verhaftungen, Vernehmungen, Strafverfahren und eine skrupellose Verschleppung der Prozesse die Zertrümmerung der deutschen Führung zu erreichen hoffte, mußte sie obendrein die Verleumdungen und Beschimpfungen der Presse über sich ergehen lassen. Die Beseitigung der deutschen Führerschaft hatte der Dzien. Pozn.177 schon in der Umsturzzeit angestrebt. Er hatte damals als Vergeltung für die angebliche Internierung von Polen in Deutschland empfohlen, hervorragende deutsche Persönlichkeiten verhaften zu lassen. Später wandte die Presse ihre Aufmerksamkeit den deutschen Abgeordneten zu. Diese in der vordersten Linie der deutschen Volksgruppe stehenden Männer wurden von der Presse ohne Rücksicht auf ihre Abgeordneteneigenschaft verfolgt und verleumdet, als ob sie sich krimineller Handlungen schuldig gemacht hätten. Ihr Einfluß auf die Deutschen wurde als überaus störend im Sinne der polnischen Staatsraison empfunden. Der Dzien. Pozn.178 berichtet von dem "schon berühmten" Abgeordneten Naumann, der die Stütze des Hakatismus im Kreise Schubin sei. "Wenn Naumann nicht wäre, würde der Kreis Schubin sicherlich wieder ganz polnisch werden". Den entscheidenden Wert legte die Presse darauf, die Ernsthaftigkeit der freiwilligen Loyalitätsbekenntnisse der Abgeordneten zu erschüttern. Die Möglichkeit hierzu erblickte sie entsprechend ihrem Vorbringen gegen die deutschen Organisationen einmal mehr in einer Verbreitung von Gerüchten über geheime Verbindungen der Abgeordneten mit Berlin. Als neuer Gedanke wird der von der Verteilung aus Deutschland fließender, für politische Zwecke bestimmter finanzieller Unterstützungen angewandt. Mittelsmänner dafür sollen die Abgeordneten Graebe und Naumann sein. "Der sogen. Oberstleutnant Kurt Graebe," schreibt Gazeta Gdanska,179 "spielt sicherlich die Rolle eines ausgezeichneten Hauptkassierers der - sagen wir es deutlich - Reptilienfonds, die die deutsche Propaganda in ununterbrochenem Strom in verschiedener Form in unser Land einführt..."

In Ergänzung zu diesen bedrohlichsten, weil gegen die Fundamente der deutschen Organisation gerichteten Vorstößen verbreitete die Presse laufend Nachrichten verschiedenen Inhalts, die die Staatsgefährlichkeit der "deutschen Vereinigung" glaubwürdig machen sollten. Alle ihre Tätigkeit sei "geheime Minierarbeit", die "angeblich so schwachen Verbindungsfäden mit Deutschland" seien stark genug, um Geld und politische Verhaltungsmaßregeln für die Deutschen von Berlin nach Polen gehen zu lassen.180 Oder Słowo Pomorskie181 veröffentlicht eine Notiz über [83] das unter den Deutschen musterhaft ausgebaute Nachrichtennetz. Besondere Kuriere würden die Vertrauensleute über alle Maßnahmen des Deutschtums und vor allem die deutsche Fraktion für neue Beschwerden im Sejm unterrichten. Der Kurj. Pozn. berichtet wiederum verschiedentlich von einer besonderen "Taktik der Deutschen". Einmal wollen sie die internationale Lage benutzen, um möglichst weitgehende Forderungen aufzustellen,182 doch einige Jahre später glaubt der Kurj. eine große Wandlung in dieser Taktik bemerken zu können. Während früher die zahlreichen deutschen Organisationen ihre Lebenskraft nach außen verrieten, ziele heute die deutsche Taktik ausdrücklich dahin, "die Aufmerksamkeit möglichst wenig auf die Tätigkeit der Deutschen in Polen, ihre Organisationen und Politik zu lenken".183

In dieses Kapitel gehören auch die Wahlkämpfe für die Stadtparlamente und für Sejm und Senat, die ja seitens des Deutschtums unter der Leitung ihrer Organisation durchgefochten wurden. Die von den polnischen Parteien in den Westgebieten während der Wahlvorbereitungen angestellten Versuche zu einer polnischen Einheitsfront zu kommen, gingen mit einem deutlichen Seitenblick auf das Deutschtum vor sich. Von den Wahlen zu dem Sejm seien die vom März 1928 herausgegriffen. In den Wochen vorher hatten alle Anstrengungen, zu einer polnischen Einheitsliste zu kommen, keinen Erfolg gehabt. Słowo Pomorskie184 versucht die Schuld an der Aufspaltung des Polentums in Westpreußen in mehr als 10 Wahllisten den Deutschen zuzuschieben, die dem Ausland beweisen wollten, daß Westpreußen "verdeutscht sei und daß die deutschen Ansprüche auf seine Rückgabe an Deutschland begründet seien". Nachdem die Wahlen einen deutschen Gewinn ergeben hatten, erhob sich ein Sturm der Entrüstung im polnischen Lager. Die Zeitungen verschiedener Richtungen gerieten heftig aneinander, um sich gegenseitig für den Fehlschlag verantwortlich zu machen.185 Das Kennzeichnende ist nicht das parteipolitische Gezänk, das sich nunmehr entspinnt, sondern die allerseits gleichmäßig vorhandene Eilfertigkeit der Zeitungen, die "deutsche Gefahr" nun auch im innerpolitischen Leben als bedrohlich erscheinen zu lassen. Deshalb wird eine Tatsache von den Zeitungen trotz aller Peinlichkeit herausgehoben, daß nämlich sich nicht nur die westpreußischen Kaschuben für die deutschen Listen entschieden hätten, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit sich selbst Polen zu den deutschen Kandidaten bekannt haben müßten.186

Der gewaltige Vormarsch des Nationalsozialismus in Deutschland und sein Eindringen in volksdeutsche Kreise stellt auch die polnische Presse vor eine neue Lage. Wenn sie schon seit Jahren mit wachsendem Mißtrauen [84] die Entwicklung der nationalsozialistischen Bewegung im Reich verfolgt hatte, so war dies vor allem deshalb geschehen, weil sie die Auswirkungen des Nationalsozialismus in der Gefahr des erstarkenden Revisionismus gesehen hatte, d. h. also in einer Aktivierung der staatspolitischen Bestrebungen des Reiches im Hinblick auf die abgetrennten Gebiete.

Kurj. Pozn.187 entnimmt unter der Überschrift "Naziversammlungen unter den Volksdeutschen in Polen" im Jahre 1932 dem Völkischen Beobachter den Bericht eines reichsdeutschen Nationalsozialisten von einer Vortragsreise bei den Volksdeutschen in Posen und Westpreußen. Sätze, in denen von den Wünschen der Volksdeutschen nach Befreiung aus der Hand der Polen die Rede ist, wertet der Kurj. nun für seinen Zweck aus. Die rein private Stellungnahme des deutschen Artikelschreibers erklärt er als die eigentliche Gesinnung des Deutschtums, alle bisherigen Loyalitätsversicherungen der deutschen Organisationen gelten ihm als falsch. Mehr denn je ist es für ihn eine abgemachte Sache, daß die Deutschen eine staatsfeindliche Aktion mit dem Ziele der Losreißung der westlichen Landesteile vom polnischen Staatsgebiet beabsichtigen.

Der völkische Gehalt des nationalsozialistischen Gedankengutes und seine Anziehungskraft auf alle Deutschen ist als volkspolitischer Machtfaktor von der Presse erst spät begriffen worden. Dann allerdings stellte sie fest, daß "der Rest der Deutschen, der nach dem Kriege in Polen zurückblieb und zur Assimilierung geneigt war," aus seiner Erstarrung erwachte und die Neugeburt der völkischen Gemeinschaft erlebte.188 Umso erbitterter richtete sich die Presse gegen jede Erscheinung im Leben der Volksgruppe, die eine Beziehung zum Wesen des Nationalsozialismus zu haben schien.

Einen hinreichenden Anlaß dafür boten die großen Prozesse gegen Mitglieder deutscher Organisationen, die seit 1935 einsetzten. Wegen "Geheimbündelei" oder "politischer Schulung" werden deutsche Institutionen aufgelöst und ihre Angehörigen vor Gericht gestellt. Am meisten wird das Deutschtum in Oberschlesien davon betroffen, aber die Presse in Posen und Westpreußen berichtet so eifrig von den einzelnen Strafverfahren, daß der gesteigerte Verfolgungswille auch auf diese Landesteile übergreift. Die Behörden arbeiten dabei der Presse in die Hand. Im Jahre 1936 werden in Westpreußen einige Ortsgruppen der "Deutschen Vereinigung" aufgelöst, und die Presse hat Gelegenheit, "Beispiele für die gegen Polen gerichtete Tätigkeit der Deutschen" anzuführen. Der Kurj. Pozn.189 schreibt von geheimen und verschwörerischen Zusammenkünften in Privatwohnungen, von aufgefundenen deutschen militärischen Vorschriften, von einer engen Zusammenarbeit mit der Danziger SA, u. a. m. In Wahrheit ist es der zu neuem Leben erweckte völkische Geist in den deutschen Organisationen, den die Presse wie die führenden Kräfte der polnischen Volks- [85] tumsfront mit steigender Besorgnis betrachten. In dem Konitzer Prozeß gegen eine Reihe meist jugendlicher Deutscher spricht der Richter den eigentlichen Grund aus: "Der polnische Staat wünscht nicht, daß sich auf seinem Gebiet die nationalsozialistische Weltanschauung verbreitet".190 Die Presse gibt der gleichen Meinung Ausdruck, wenn sie erklärt, daß es nicht um die Tatsache des Bestehens und der Vernichtung der Geheimbündelei selbst gehe.

"Es geht vielmehr um diese unterirdischen Ströme,... die unter der Oberfläche der kleinen, aber beweglichen deutschen Volksgruppe geleitet werden...."191

Ebenso wenig blieben die wirtschaftlichen Verbände der Deutschen von der Presse verschont. Vor allem vor dem Erscheinen des Nationalsozialismus wird ihnen manchmal sogar eine höhere Bedeutung als den politischen Organisationen zugemessen, - kein Wunder bei der starken Einengung des politischen Lebens der Deutschen. Słowo Pomorskie192 vermutet hinter den deutschen Wünschen nach einem Ausbau ihrer Wirtschaftsorganisationen einen geheimen Plan, der den Deutschen Einfluß im kommunalen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben Polens verschaffen soll. Das Ende würde der Versuch sein, die Westgebiete von Polen abzutrennen. In den Leitungen der Verbände säßen "lauter verbissene Hakatisten", bemerkt die Briesener Zeitung Głos Wąbrzeski,193 die in einem Artikel gegen die "Maulwurfsarbeit der deutschen Genossenschaften" wettert und damit besonders den "Briesener Vorschußverein" und den "Landbund" meint. Zu diesen alten Klängen gesellt sich als neuer Ton die Nachricht, daß der Direktor des "Vorschußvereins" mit einigen Mitgliedern der Genossenschaft in "dienstlichen Angelegenheiten" nach Danzig gefahren sei, um an einem "Kongreß der Nationalsozialisten als Vertreter zweier Hitler-Ortsgruppen in Polen (sicherlich aus dem Kreise Briesen)" teilzunehmen. Dieser reichlich fragwürdigen Geschichte haftet sichtbar der Wunsch an, die deutschen Wirtschaftseinrichtungen mit politischen Vorgängen in Verbindung zu bringen, um sie dadurch dem Zugriff der Behörden reif zu machen. Der Dzien. Pozn.,194 der die Meldung des vorgenannten Blattes aufgegriffen hat, bemerkt dazu, daß niemand den Deutschen die Arbeit in den eigenen Wirtschaftsorganisationen unmöglich machen wolle, daß aber die polnische Duldsamkeit ein Ende nehmen müsse, wenn diese politischen Zwecken zugeführt würden - und verrät damit die tiefere Absicht der Zweckmeldung.

Eine gänzlich andere Kampfart wandte die Presse gegen das ausgedehnte deutsche Vereinswesen an. Die politische Harmlosigkeit deutscher Geselligkeitsvereine war zwar allenthalben bekannt, hielt aber die Presse [86] nicht davon zurück, dies durch teils versteckte teils offene Andeutungen in Zweifel zu ziehen. Die Versuche des Dzien. Pozn.195 z. B., an den rein gesellig-kulturellen Bestrebungen des deutschen Männergesangvereins "Harmonie" in Jarotschin herumzudeuteln, sind trotz ihrer Fadenscheinigkeit ganz ernst zu nehmen. Da die Zeitung, um den mageren Inhalt auszugleichen, Worte des Dichters Mickiewicz zitiert, u. a.: "Das kreuzritterliche Reptil wird niemand besänftigen, weder Gastfreundschaft, noch Bitten, noch Gaben —," so ist zu erwarten, daß die Nachricht auch ihre zustimmende Leserschaft gefunden hat. Überhaupt hielt die Presse den geselligen Verkehr zwischen Deutschen und Polen im Rahmen ihrer Vereinstätigkeit für schädlich. Der nationalen Gegensätzlichkeit wurden zwar damit die ärgsten Stacheln gezogen und der Boden für eine vernünftige Aussöhnung bereitet, - aber gerade dies widersprach völlig den Wünschen der Presse. In einer Zuschrift, die ebenso gut in der Zeit vor dem Weltkriege hätte erscheinen können, wendet sich die Posener Arbeiterzeitung Prawda196 gegen die polnische Schützengilde in Exin, die "bekannte deutsche Hakatisten" als Gäste bei einer Veranstaltung hatte. "Schande Euch Schützen in Exin!", ruft die Zeitung aus. Im Verfolg dieses gesellschaftlichen Boykotts beobachten sich die polnischen Blätter gegenseitig scharf auf ihre Haltung im Verkehr mit deutschen Kreisen. Kommt es einmal vor, daß ein polnisches Blatt einen Mitarbeiter zu dem Fest eines deutschen Vereins entsendet und ihn Grüße in deutscher Sprache überbringen läßt, so fährt die Presse auf: Dies sei geradezu unglaublich; aber das Blatt - gemeint ist das Słowo Pomorskie - sei ja dadurch bekannt, daß es in der Regel mit dem Wort und der Tat in Zwiespalt stehe.197

Die Darstellung des Presseeinsatzes gegen die deutschen Organisationen wäre nicht abgeschlossen, wenn nicht der Mittlerrolle der polnischen Presse bei dem Auftreten der polnischen Gegenorganisationen Erwähnung getan würde. Sie werden laufend von der Presse durch Hinweise auf ihre Veranstaltungen, wie Tagungen, Ratssitzungen, Demonstrationsumzüge, Propagandawochen usw. unterstützt. Mit Vorliebe veröffentlicht die Presse aber Proklamationen und Entschließungen der polnischen Kampfverbände, von denen hier außer dem Westverband nur noch das "Lager des Großen Polen" genannt seien. Im allgemeinen wurden diese Verlautbarungen ohne Kommentar wiedergegeben. Sie wirkten in der Tat allein durch die Schärfe ihres Tones und die Unversöhnlichkeit ihres Inhalts. Bei besonderen Anlässen finden sich aber in der Presse Betrachtungen zur Tätigkeit der Verbände. Als das "Lager des Großen Polen" im September 1932 "wegen Gefährdung der Ruhe, Sicherheit und Ordnung" für Westpreußen aufgelöst wurde, sprach der Kurj. Pozn.198 an auffallender Stelle sein [87] Bedauern darüber aus. Das "Lager" habe als seinen Hauptzweck die Vertiefung der polnischen Kultur in Pommerellen und die Aufklärung seiner Mitglieder über die deutsche Gefahr betrachtet. Deutsche, Juden und alle umstürzlerischen Elemente seien seine größten Gegner gewesen. Mit ihm sei ein großer organisatorischer Kraftaufwand durchgestrichen worden. Welcher Art der "Kraftaufwand" war, dessen Ende der Kurj. Pozn. beklagt, geht aus dem amtlichen Auflösungsdekret hervor, in dem festgestellt wird, daß sich die Mitglieder des "Lagers" u. a. die Verbreitung des Hasses und die Aufwiegelung der verschiedenen Bevölkerungsklassen zu Gewalttätigkeiten gegeneinander hätten zuschulden kommen lassen. Ähnliche warme Worte widmet der Dzien. Pozn.199 dem Westmarkenverband zur Feier seines zehnjährigen Bestehens. Für die propagandistisch am besten gelungene Aufgabe hält die Zeitung die "Propagandamonate", denen die Presse ihre volle Unterstützung geliehen hatte. Den Schluß seines Festartikels versieht der Dzien. Pozn. mit folgender Werbung: "Dem Westmarkenverein sollte jeder Pole angehören, jeder Sohn unseres Vaterlandes, jede Tochter sollte diesem großen Werk mit Hilfe und Arbeit beispringen."




166vgl. Rauschning, H.: l. c., S. 41 ff. und S. 57 ff.; ebenso Mornik: l. c., S. 108 ff. ...zurück...

167Rauschning, H.: l. c., S. 58. ...zurück...

168Art. 109. ...zurück...

169Kurj. Pozn. Nr. 91 vom 21. 4. 1921. ...zurück...

170Kurj. Pozn. Nr. 116 vom 21. 5. 1922. ...zurück...

171Orędownik Nr. 57, 1919. ...zurück...

172Dzien. Pozn. Nr. 14 vom 17. 1. 1924. ...zurück...

173vgl. hierzu Mornik: l. c., S. 110 ff., wo das Ergebnis des späteren Prozesses wiedergegeben ist. ...zurück...

174Kurj. Pozn. Nr. 442 vom 26. 9. 1928. ...zurück...

175Dzien. Pozn. Nr. 14 vom 17. 1. 1924. ...zurück...

176Gazeta Gdanska Nr. 3 vom 6. 1. 1931. ...zurück...

177Dzien. Pozn. Nr. 90 vom 17. 4. 1919. ...zurück...

178Dzien. Pozn. Nr. 198 vom 28. 8. 1924. ...zurück...

179Gazeta Gdanska Nr. 4 vom 8. 1. 1931. ...zurück...

180Kurj. Pozn. Nr. 107 vom 11. 5. 1922. ...zurück...

181Słowo Pomorskie Nr. 103 vom 6. 5. 1927. ...zurück...

182Kurj. Pozn. Nr. 200 vom 30. 8. 1924. ...zurück...

183Kurj. Pozn. Nr. 193 vom 26. 4. 1928. ...zurück...

184Słowo Pomorskie Nr. 40 vom 18. 2. 1928. ...zurück...

185Dzien. Pozn. Nr. 58 vom 10. 3. 1928 f. d. Regierung; Kurj. Pozn. Nr. 108 vom 6. 3. 1928 für die ND. ...zurück...

186Słowo Pomorskie Nr. 54 vom 6. 3. 1928. ...zurück...

187Kurj. Pozn. Nr. 260 vom 10. 6. 1932. ...zurück...

188Ostland Jg. 17, Nr. 7 vom 15. 4. 1936. ...zurück...

189Kurj. Pozn. Nr. 131 vom 19. 3. 1936. ...zurück...

190Völkischer Beobachter Nr. 190 vom 9. 7. 1937. ...zurück...

191Kurj. Pozn. Nr. 560 vom 2. 12. 1936. ...zurück...

192Słowo Pomorskie Nr. 102 vom 5. 5. 1927. ...zurück...

193Głos Wąbrzeski vom 10. 11. 1932. ...zurück...

194Dzien. Pozn. Nr. 261 vom 12. 11. 1932. ...zurück...

195Dzien. Pozn. Nr. 51 vom 3. 3. 1925. ...zurück...

196Prawda Nr. 137 vom 15. 6. 1924. ...zurück...

197Dzien. Pozn. Nr. 150 vom 5. 7. 1927. ...zurück...

198Kurj. Pozn. Nr. 140 vom 27. 9. 1932. ...zurück...

199Dzien. Pozn. Nr. 240 vom 18. 10. 1932. ...zurück...





Die polnische Presse im Kampf gegen die deutsche Volksgruppe
in Posen und Westpreußen

Fritz Prause