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Englands politische Moral in Selbstzeugnissen. Friedrich 
Hussong.

Einbruch in Afghanistan

Zu dem indischen Komplex gehört auch Afghanistan. Über die Rolle, welche die Engländer dort spielten, schreibt Gustin McCarthy, der Geschichtsschreiber der viktorianischen Epoche: "Fehler, die übler waren als Verbrechen, und eine Handlungsweise, die zu decken für jeden Herrscher ein Verbrechen wäre, brachten es so weit, daß wir wenige Jahre nach dem Regierungsantritt der Königin Viktoria in Afghanistan Soldaten hatten, die sich fürchteten, zu fechten, und englische Beamte, die sich nicht schämten, durch erkauften Meuchelmord unsere gefürchtetsten Feinde beiseite zu schaffen. Dieses Kapitel unserer Geschichte wird uns lehren", - nur die sechs Oxforder Geschichtsprofessoren und Lord Halifax haben es nicht daraus gelernt, - "wie eitel eine Politik ist, die auf schlechten und unedlen Grundsätzen beruht."

Billig zu stehen kam ihr afghanisches Verbrechen den Engländern nicht. Von den 16.000 Mann des englischen Heeres, das 1841 in Afghanistan eingefallen war, kehrte ein einziger unter die Mauern von Dschelalabad zurück. Darauf erklärte 1842 der neue Generalgouverneur für Indien, Lord Ellenborough, diese Trauben seien England zu sauer, es wolle sie gar nicht haben: "Die Regierung Indiens werde von nun an zufrieden sein mit den Grenzen, welche die Natur ihrem Reich angewiesen zu haben scheine, und einem widerstrebenden Volk weiter einen verhaßten Herrscher aufzwingen zu wollen, wäre ebenso unverträglich mit der Politik wie mit den Grundsätzen der britischen Regierung."

David Urquhart
David Urquhart
[Neue Solidarität,
Dez. 1999]
Der schottische Schriftsteller David Urquhart aber, der damals die englische politische Moral in englisches Licht rückte, nannte den ganzen Raub und Unterdrückungsfeldzug gegen Afghanistan einen "Fall für Bedlam", d. h. fürs Narrenhaus, und schrieb darüber: "Wir schaffen ein Heer nach Zentralasien in die Mitte eines Volkes, so freundlich gesinnt, daß es sogar bereit war, unsere Herrschaft auf sich zu nehmen, wir setzen einen Prätendenten ein, wir unterstützen Torheiten und Verbrechen im Innern, wir tun alles, was ein uns durch Neigung und Achtung schon untertanes Volk zu Haß und Verachtung aufreizen kann. Unser Heer wird vernichtet. Wir entschließen uns, daß wir nichts mehr mit diesem Volk zu tun haben wollen. Wir senden aber dennoch wieder ein Heer hin, um zu plündern und zu zerstören, ohne auch nur daran zu denken, das Land in Besitz zu nehmen; ganz im Gegensatz zu den Mongolen, die aus Berechnung, ohne Haß und Rachsucht plünderten und zerstörten, kommen unsere Truppen, gebildet aus sogenannten Bürgern und Christen, um zu verwüsten und zu zerstören, ohne irgendwelchen Zweck, bewogen ausschließlich durch Haß und Rachsucht." Übrigens kam die Zeit ja wieder, da die Regierung von Indien sich nicht mehr der Grenzen erinnerte, welche "die Natur ihrem Reiche angewiesen zu haben schien". Kein Oxforder Professor für neuere Geschichte und kein Lord Halifax wird irgendwie erröten, wenn er beweisen soll, daß das englische Volk auch hier zeigte, die Sache des Rechts sei in seinem Blute das Lebenselement und seine Geschichte habe nie und nirgends etwas zu tun gehabt mit der Unterdrückung der Freiheit und Unabhängigkeit anderer Völker.

Persien weiß auch davon zu erzählen. Die Nation, die nach Lord Halifax überall "die Spuren der Freiheit hinterlassen hat", teilte sich mit dem zaristischen Rußland einfach das Land, das keinem von beiden gehörte, und die Londoner Zeitschrift Nation schrieb dazu: "Wir haben niemals geglaubt, daß diese Teilung Persiens in ökonomische Sphären mit der Integrität und Unabhängigkeit Persiens verträglich sei, und wir haben immer die Ansicht vertreten, daß sie zu einer politischen Teilung erweitert werden müsse... Das Wort 'politisch' ist von Sir Edward Grey eingeführt worden, um den Charakter der besonderen Interessen zu beschreiben, welche jede Macht sich in ihrer eigenen Sphäre vorbehält. Wenn dieses Wort einmal gebraucht wird, so ist die Unabhängigkeit Persiens dahin... Es ist ein Fall vom Wolf und Lamm, so flagrant und zynisch, daß man sich kaum versucht fühlt, ihn fernerer Untersuchung für wert zu halten... Eine Folge, und zwar eine der übelsten Folgen, von Sir Edward Greys europäischer Politik. Ein einfaches und elementares Prinzip hat diese Politik von Anfang an beherrscht, - die Furcht, daß die eine oder die andere Macht in das, was Sir Edward den Dunstkreis der deutschen Politik genannt hat, hineingezogen werden könnte. Jahraus, jahrein haben wir, freilich meist mit den Besitztümern anderer Leute, für die Genugtuung bezahlen müssen, gewisse Mächte davon abzuhalten, in irgendein innigeres Verhältnis zu Deutschland zu gelangen." - Muß man die Sätze nicht noch einmal lesen, um sich zu vergewissern, daß nicht von der Tschechei 1938, nicht von Polen 1939 die Rede ist, sondern von Persien 1856?

Nur ein Urteil noch über Englands Vorgehen in Persien, das des Manchester Guardian aus dem Jahre 1914, der rundheraus sagt: "Kein Engländer kann (die Geschichte dieser Politik) ohne ein tiefes Gefühl von Scham und Verwunderung lesen, - von Scham über die Schmach, mit der wir jeden Grundsatz geopfert haben, und von Verwunderung über die Gründe, die einen liberalen Staatsmann (Sir Edward Grey) zum Agenten dieser Erniedrigung gemacht haben... Rußland stahl uns in Persien das Pferd, während wir uns mit Deutschland zankten, nur weil es über den Zaun herübergeblickt hatte... Schwerer wiegt aber die moralische Niederlage, die wir uns zugezogen haben, weil wir an einem so großen Unrecht teilgenommen haben. Unsere Diplomatie war ebenso erfolglos wie unmoralisch."




 
Ceylon, die Insel der Verwüstung

Auch Ceylon gehört zu dem indischen Komplex. Über seine Verheerung durch die Engländer schreibt der gelehrte Sir W. W. Strickland, der diese Dinge genauer als irgendein zweiter kennt: "Für mich ist Ceylon die Insel der Verwüstung; wenn ich daran denke, überläuft mich die Scham, ein Engländer zu sein. Es ist ein Denkmal der unverbesserlichen Selbstsucht und der unersättlichen Gier der ohne Berechtigung in Asien eingedrungenen englischen Ansiedler und ihrer 'Gouverneure', die ihnen
Gouverneur Sir West Ridgeway
Gouverneur Sir West Ridgeway
[BBR-Online]
bei der Vernichtung der eingeborenen Bevölkerung in die Hände arbeiteten. Die Schuld der Engländer ist es, daß es nur noch so wenig Singhalesen gibt. Eines Tages konnte der letzte Gouverneur, Sir West Ridgeway, bei einem Gastmahl sich erheben und, ohne schamrot zu werden, erklären, die natürliche Fruchtbarkeit Ceylons sei so groß, daß die Insel eine Bevölkerung von 80 Millionen Menschen bequem ernähren könnte. Wie muß die englische Regierung auf Ceylon beschaffen sein, wenn nach einem Jahrhundert ihres Regiments auf Ceylon die eingeborene Bevölkerung auf weniger als 3 Millionen zusammengeschmolzen ist. Die Tamilen werden von den Engländern vorsätzlich in halbverhungertem Zustande und so arm erhalten, daß sie teils aus wirtschaftlichen Gründen, teils um sie von ihrem Elend zu erlösen, ihre alten Leute ersticken müssen, weil auf diesem allgemeinen Zustand der Vorteil der Kapitalisten beruht, die nach ihren heuchlerischen Worten kommen, um das Land zu entwickeln."

Noch einige Stimmen auch aus der Nachkriegszeit, um sichtbar zu machen, daß nach dem Urteil englischer Betrachter bis heute die indischen Dinge nicht etwa besser, sondern noch immer schlimmer wurden. Der Labour Leader vom 20. März 1919 schreibt: "Die ablehnende Haltung der Mitglieder des indischen Regierungsdienstes gegenüber den Reformen hat üble Folgen durch die Vertiefung und Erweiterung der Klüfte gehabt, die sich mit den giftigen Strömen der Feindschaft erfüllt haben. Dazu ist eine Hungersnot gekommen, schlimmer als die des Jahres 1912. Die Influenza hat 5 Millionen Opfer im englischen Indien und 1 Million in den Eingeborenen-Staaten dahinraffen können, weil sie auf ungenügend ernährte Leute stieß. Die Preise sind fürchterlich hoch; Futtermittel sind knapp."

Lord George Curzon
Lord George Curzon
[Spartacus Educational]
In den Augen eines der gewesenen indischen Vizekönige, des Lord Curzon, stellt sich das freilich anders dar. Er hält es für einen Hochgesang auf die Wohltaten englischer Herrschaft, wenn er die Sache so formuliert, daß "Hungertod so gut wie gar nicht mehr vorkommt"; die Hungersnot bezeichnet auch er als die schlimmste Plage in Indien. Aber Tatsachen und unbefangene Zeugnisse widerlegen Seine Lordschaft. So schreibt die Londoner Justice vom März 1919: "Die große Sterblichkeit ist der Tatsache zuzuschreiben, daß die große Masse der landwirtschaftlichen Bevölkerung" - in der unerhört fruchtbaren Hauptkornkammer des britischen Weltreichs - "schrecklich unterernährt ist, ja geradezu in einem Zustand des Halbverhungerns lebt. Schon vor vierzig Jahren gab Sir William Hunter zu, daß 40 Millionen unserer Mituntertanen von der Geburt bis zum Tode niemals eine volle Mahlzeit erhalten. Diese Zahl hoffnungsloser Hungerleider hat sich jetzt nach den neuesten Schätzungen auf mindestens 100 Millionen erhöht." Aber Seine Lordschaft versichert, daß "Hungertod so gut wie gar nicht mehr vorkommt."

Pandit Motilal Nehru
Pandit Motilal Nehru
[Live India]
Wie den Indern selbst ihr Glück bei England erscheint, zeigen die Worte des Pandit Motilal Nehru bei seiner Verhaftung im Dezember 1921. Er meinte, nun werde er in das Haus der Freiheit geführt; denn, sagte er, "Wir suchen die Gefangenschaft, weil unsere sogenannte Freiheit eine Sklaverei ist". Über das, was ein Lord Curzon Hebung der Kultur und Aufbau in Indien nennt, sagt sein Landsmann Strickland: "Es werden Verkehrsmittel geschaffen, und zwar auf Kosten der Eingeborenenbevölkerung, um deren Eigentum, Erze, Holz usw., zu einem nur auf dem Papier stehenden Preise so billig als möglich abtransportieren zu können. Prunkende Städte, Denkmäler eines gemeinen schlechten Geschmacks, schießen wie Pilze aus dem Erdboden an den Küsten empor, mit Werken, Kais und Häfen, in denen die Beute so schnell wie möglich nach England verfrachtet wird."

Was das Schulwesen für die Eingeborenen betrifft, das Lord Curzon preist, so sei es erlaubt, die Reihenfolge der englischen Zeugen durch die Stimme des Hindu-Schriftstellers Koomar Roy zu unterbrechen, der feststellt: "Bevor die Engländer sich zu Herren Indiens machten, hatte jedes Dorf seine Elementarschule, und Analphabeten bildeten in der Bevölkerung bei weitem eine Ausnahme. Heute haben nur die größten Dörfer mit mehr oder minder stadtartigem Charakter eine Dorfschule. Das Ergebnis ist, daß von der indischen Bevölkerung heute, nach 150 Jahren englischer Herrschaft, über 90 v. H. nicht lesen und schreiben können. Alle unteren Stände Indiens sind mit ganz geringen Ausnahmen in dumpfe Unwissenheit zurückgesunken, und das in einem Lande, das in bezug auf die allgemeine Volksbildung selbst den meisten europäischen, wenn nicht allen, jedenfalls doch auch dem englischen vor dem Beginn der britischen Herrschaft voranging."

Was Wunder, wenn die Londoner Zeitschrift India im April 1919 über die soziale Lage der "freien und glücklichen" Inder feststellen muß: "Die Löhne steigen in Indien nicht wie in England. 80 v. H. der Leute sind sehr arm. Das Durchschnittseinkommen beträgt etwa 2 Pfund Sterling im Jahr, was bedeutet, daß die meisten natürlich ein geringeres Einkommen haben. Für Notstandsarbeiten wird nur in den wenigsten Fällen gesorgt. Oft muß ein Mann 30 Meilen zu Fuß zu seiner Arbeitsstätte gehen, und der Lohn kommt auf etwa 16 Pfennige für den Tag."




 
Opiumkrieg

Wir haben über Indien die englischen Zeugen etwas ausführlich vernommen, weil Indien das Kronjuwel des Empires ist, weil dort die Engländer besonders stolz und empfindlich, besonders hochmütig und stumpfsinnig bis heute sich erwiesen haben. Rascher mögen zwei andere asiatische Schauplätze englischer politischer Moral und englischer politischer Praxis vorübergleiten.

Es ist unmöglich, auch nur kurz von der englischen politischen Moraltheologie zu sprechen, nach der "im Blute des englischen Volkes die Sache des Rechts das Lebenselement" ist, ohne Chinas und des englischen Opiumkrieges gedenken, durch den man China einen Gifthandel aufgezwungen hat, gegen den es sich mit allen Mitteln wehrte, und durch den man ihm seine wichtigsten Häfen nach Straßenräuberart entriß und ihm dafür Seele und Leib seines Volkes durch das Gift des Opiums verpestete, das bis dahin durch chinesische Gesetze streng verboten war. England machte die Sache der Opiumschmuggler zu der seinen. Als China 20.000 Kisten des geschmuggelten Giftes beschlagnahmte und vernichtete, erklärte das England, dessen Vergangenheit nach Lord Halifax "nichts gemein hat mit der Unterdrückung der Freiheit und Unabhängigkeit der Völker", im Jahre 1840 den Krieg an China.

Über den wahren Kriegsgrund in diesem Fall, wie in hundert anderen Fällen, schrieb der englische Historiker MacCarthy: "Das Prinzip, für das wir im Opiumkrieg kämpften, war, auf eine einfache Form gebracht, das Recht Großbritanniens, einen bestimmten Handel einem bestimmten Volke trotz Widerspruch der betreffenden Regierung und der gesamten öffentlichen Meinung aufzuzwingen."

Damals, vor hundert Jahren, gab es, im Gegensatz zur Zeit vor 25 Jahren und zu heute, in England aber noch eine Menge Leute, die imstande waren, sich einer so schmutzigen Sache zu schämen. Es erschien eine Menge von Schriften, die dieser Scham und dem sittlichen Ekel über die Herbeiführung und über die Führung des Opiumkrieges Ausdruck gaben. Die Times - auch anders als heute - schrieb damals: "Was würden wir in Großbritannien sagen, wenn eine Rotte räuberischer Franzosen die Türen unseres Kanzleihofes einschlüge, wenn sie den Lordkanzler in seinen gerichtlichen Amtshandlungen störte und mißhandelte? Und das alles, weil unsere Küstenbewohner ihre Pflicht getan und den Schmuggel verhindert hätten! Es (das englische Vorgehen in und gegen China) wird jeden Europäer und Christen im Tiefsten seiner Seele beschämen."

Aber die Leute der Ostindischen Company als Räuber von Beruf, die englische Regierung, ihr durch hunderterlei Verbindlichkeiten verbunden, und die englischen Parlamentarier, auf hunderterlei Weise den unsauberen Interessen der Schwerkapitalisten verpflichtet, schämten sich nicht. Die Macht des jüdischen Kapitalismus, damals in England schon mächtig emporgewachsen, seither so verhängnisvoll ausschlaggebend für englisches Schicksal geworden, wird hier sichtbar und fühlbar. Der jüdische Giftgroßhändler Sassoon taucht auf, dessen jüdische
Arthur Wellesley, Herzog von Wellington
Arthur Wellesley, Herzog von Wellington
[Spartacus Educational]
Nachkommen, wie die so vieler ihrer Rassegenossen, heute der englischen Hocharistokratie angehören. England macht die schmutzige Sache eines Schmugglers, des Gifthändlers Dent, in aller Form zu seiner Sache. Als Stimmen des Abscheus darüber laut werden, erklärt der Herzog von Wellington im Oberhaus:
William Gladstone
William
Gladstone

[Spartacus Educational]
"Sei Herr Dent, wer er wolle, er ist Brite; das ist genug, um jeden anderen Engländer zu vermögen, jenen mit seinem letzten Blutstropfen zu verteidigen." Aber im Unterhaus sagt William Ewart Gladstone, - und das Wort sie sollen lassen stah'n, auch die Oxforder Professoren, auch Lord Halifax: "Einen ungerechteren Krieg seinem Ursprung nach, einen Krieg, der mehr darauf angelegt ist, in seinem Fortgange unser Land mit Schande zu bedecken, kenne ich nicht." Nun, Gladstone hat eben den Burenkrieg nicht erlebt, hat den Weltkrieg nicht erlebt und nicht den englischen Krieg "für die Freiheit Polens".

Vielleicht würden Oxforder Professoren heute wieder imstande sein, zu beteuern, der Opiumkrieg sei notwendig gewesen, weil "britischen Kaufleuten verwehrt worden sei, ihren friedlichen Geschäften in China nachzugehen".




 
Verrat in Palästina

Noch ein asiatischer Schauplatz, auf dem sich gerade in unseren Tagen zeigt, wie in der politischen Praxis Englands zum Ausdruck kommt, daß im englischen Blut "die Sache des Rechts das Lebenselement ist."

In den Archiven des Emirs Abdallah, des Sohnes des Sherifen Hussein, in der transjordanischen Hauptstadt Amman liegt der Briefwechsel, welchen Sir Henry MacMahon, der verantwortliche Mann für die britische Politik in Ägypten, im Jahre 1915 im Einverständnis mit dem damaligen Außenminister Sir Edward Grey mit dem Sherifen Hussein führte. In diesem Briefwechsel wird dem Sherif zum Lohn für die Entfesselung eines arabischen Aufstandes gegen die mit Deutschland verbündete Türkei klipp und klar zur Gründung eines großarabischen Reiches das gesamte von den Arabern als ihre natürliche Sphäre angesprochene Gebiet zugesagt, das
Thomas Edward Lawrence
Thomas Edward Lawrence
[Foto: Harris and Ewing, Paris, 1919]
damals noch türkisch war, darunter und darin auch mit unzweideutiger und unmißverständlicher Grenzbeschreibung das damals noch gewaltig überwiegend arabische Palästina. Nie gab es eine klarere Vereinbarung. Die Araber, vom englischen Obersten Lawrence überredet, hielten sie in jedem Stück bis auf den letzten Punkt ein. Aber als es soweit war, daß sie den Preis ihrer Blutopfer für England an sich nehmen wollten, da stellte sich heraus, daß das England, in dessen "Blut die Sache des Rechtes das Lebenselement ist", inzwischen nach allerhand anderen Schiebungen hinter dem Rücken seiner arabischen Vertragspartner unter dem Druck des amerikanischen und des eigenen Judentums mit den Zionisten als den Vertretern des Weltjudentums ein anderes
Arthur James Balfour
Arthur James Balfour
[New Geneva Center]
Abkommen getroffen hatte, welches demjenigen mit den Arabern vollständig entgegen war. Am 2. November 1917 schrieb der englische Außenminister Balfour an seinen "lieben Lord Rothschild" - die Judenhörigkeit der englischen Regierung war inzwischen zur Vollendung gediehen - einen Brief, in dem er die "Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk" und die "größten Anstrengungen der englischen Regierung zur Erreichung dieses Zieles" zusagte. Das klare Versprechen Englands an die Araber und die dazu in diametralem Gegensatz stehende Zusage an die Juden sind die Quellen all des grotesken Jammers, den England unter jüdischem Druck seither über Palästina und die Araber gebracht hat. In der Praxis zwanzig Jahre Brand, Blut und Bomben. In der Theorie freilich - in einer feierlich englisch-französischen Erklärung vom 7. November 1918 noch aufgestellt - "das Ziel... die vollständige und endgültige Befreiung der solange von den Türken unterdrückten Völker und die Aufrichtung nationaler Regierungen und Verwaltungen, die ihre Macht herleiten aus der Willensäußerung und der freien Wahl der Eingeborenenbevölkerung".

Man frage die Araber, was aus dieser englischen politischen Morallehre ihnen für eine Wirklichkeit aus Blut und Qual erwachsen ist. Nein, man frage sie lieber nicht; sie sind Partei.
Thomas Edward Lawrence, 'Lawrence von Arabien'
Thomas Edward Lawrence, 'Lawrence von Arabien'
[Lowell Thomas, With Lawrence in Arabia. London: Hutchinson, 1925.]
Aber man frage den Mann, den Engländer, der in diesem Spiel der entscheidende Sachwalter des englischen Interesses und der ausschlaggebende Freund und Berater der Araber war; den Mann, der sie zu den härtesten Blutopfern für England gegen die Türkei vermocht hat. Man lese in des englischen Obersten T. E. Lawrence Aufstand in der Wüste, wie Lawrence selbst an dem Bewußtsein leidet, die heilige Idee der nationalen Freiheit eines Volkes als Werkzeug der Machtausdehnung Englands trüglich mißbraucht zu haben. Lawrence ist aus Scham und Entrüstung über den gar zu groben Wortbruch Englands an den Arabern aus dem englischen Dienst ausgetreten. Nach seinem Tode erst erschien sein großes Bekenntnisbuch Die sieben Säulen in seiner ganzen ungekürzten und unverfälschten Gestalt. Darin schreibt der Mann, den das unbegrenzte Vertrauen der Araber zum "ungekrönten König der Araber" gemacht hatte: "Wäre ich ein ehrlicher Berater gewesen, so hätte ich den Arabern sagen müssen, daß sie nach Hause gehen und ihr Leben nicht im Kampfe für einen Betrug einsetzen sollten. Aber wir trieben sie zu Tausenden ins Feuer, nicht um ihren Krieg zu gewinnen, sondern um das Korn, den Reis, das Öl Mesopotamiens für England zu erbeuten... Im März 1917 lag ich krank in meinem Zelt in der Wüste und überlegte, wie ich meine arabischen Freunde täuschen könnte. Ich betrog meine eigene Überzeugung und sagte mir, daß die Hilfe der Araber nötig sei, um schnell und billig zu einem Sieg im nahen Osten zu kommen, und daß es besser sei, wenn England gewinne und sein Wort breche, als daß es ihn verliere."

"... daß es besser sei, wenn England gewinne und sein Wort breche." Politische englische Moral im grellsten englischen Blitzlicht.



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