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Die österreichischen Friedensziele
Friedrichs des Großen
  [Scriptorium merkt an: 1756-1763]

Vielfach hat man die heutige Lage Deutschlands im Weltkriege mit der Friedrichs des Großen im Siebenjährigen verglichen. Auch der König widerstand einer gewaltigen Übermacht, kämpfte gegen den größten Teil Europas fast ohne [33] Bundesgenossen, auf seine eigene Kraft angewiesen. So lange unser Volk auf den Sieg im jetzigen Weltkampfe hoffte und hiernach seine Friedensziele erörterte, galt denen, welche Bescheidenheit empfahlen, der Hubertusburger Friede als Muster eines Vertrages ohne gewaltsamen Gebietserwerb und Kostenersatz. Wir mischen uns nicht in den jetzt gegenstandslosen Streit. Aber wenn sich die Anhänger eines Verzichtfriedens auf Friedrichs Beispiel im Jahre 1763 beriefen und wenn die Vertreter des Machtfriedensgedankens als Grund von Friedrichs Nachgiebigkeit die Bedürfnislosigkeit des damaligen preußischen Staates anführten, so irrten beide. Denn es kommt bei solchen Fragen nicht darauf an, was im Frieden erreicht, sondern was angestrebt und warum es angestrebt worden ist. Nun deckten sich aber 1763 die wahren Beweggründe des Königs nicht mit den endgültigen Ergebnissen.

Allerdings hat Friedrich der Große selbst zu solchen Irrtümern beigetragen. Kurz vor dem Hubertusburger Frieden verglich er in einem Briefe an d'Argenson seinen Regierungsanfang mit dem Tummeln eines ungezäumten Füllens auf der Weide und fügte hinzu: "Jetzt bin ich träge geworden wie Nestor, aber auch grau, von Gram zermürbt, müde und schwach, mit einem Worte, reif, um den Hunden vorgeworfen zu werden." Im Schlußworte der histoire de mon temps betrauerte der König das Glück, welches oft der Jugend lächelt und dem Alter entschlüpft. Indessen weder war er 1740 der unvorsichtige Draufgänger noch später der tatenscheue, genügsame Greis.

Über die Rechtsgründe Friedrichs des Großen zum Kampfe um Schlesien ist viel gestritten und geschrieben worden. Man darf die ganze Frage nicht übertreiben. Wie immer ist zwischen tieferen Kriegsursachen und dem unmittelbaren Kriegsanlaß zu unterscheiden. Wer nur letzteren sieht, urteilt leicht falsch über Schuld und Unschuld am Kriege. Der Urheber ist meist nicht für den Krieg als solchen, sondern für den Ausbruch zur bestimmten Zeit und zu bestimmten Bedingungen verantwortlich. Davon hängt vielfach Verlauf und Ergebnis eines Krieges, auch unsere Meinung von den staatsmännischen Fähigkeiten des Kriegsurhebers ab. Weil man indes nicht weiß, unter welchen Voraussetzungen sonst doch [34] gekämpft worden wäre, kann man ihm nicht ohne weiteres die Kriegsopfer als Schuld aufbinden.

Der Krieg zwischen Österreich und Preußen war längst unvermeidlich, das Bedürfnis nach gewaltsamer Ausdehnung des preußischen Staates längst ein dringendes. Seit dem Dreißigjährigen Kriege herrschten die Hohenzollern am Rheine, in Mitteldeutschland und in Preußen. Ihre Gebiete waren durch fremdes Land getrennt, dessen Fürsten zu ihnen teilweise recht gespannt standen. Wohl war eine solche Zerrissenheit des fürstlichen Familieneigentums in Deutschland nicht selten und dauerte vielfach Jahrhunderte. Die Habsburger vereinigten 500 Jahre Österreich und die angrenzenden Länder mit dem Breisgau, die älteren Wittelsbacher wiederholt und lange Kur- und Oberpfalz, die Zähringer die halbe Grafschaft Sponheim und luxemburgische Bezirke mit den badischen Stammgebieten. Aber in allen diesen Fällen hatte sich nie der Wunsch geregt, aus den getrennten Bezirken einen einheitlichen Staat mit geschlossener Wirtschaft zu machen. Die vom Grundstock räumlich abgesonderten Besitzungen waren selbständige Nutzungsstücke des Herrscherhauses, versorgten zeitweilig Nebenlinien, erheischten nicht den Gewinn des Zwischenlandes. Anders in Brandenburg-Preußen! Der Große Kurfürst mußte für seine Seemachtspläne alle Staatsteile fest zusammenfassen, alle Kräfte aufs schärfste anspannen. Auch wenn er diese außenpolitischen Absichten auf seine Nachfolger nicht vererbte, bauten letztere innerpolitisch einen einheitlicheren, auch die entlegenen Provinzen umspannenden Staat weiter aus. Dieser erstreckte sich in geringer Breite über 400 Meilen lang fast von der russischen Grenze bis nahe zur Maas und war schlecht zu verteidigen. Von der Notwendigkeit seiner Erweiterung war seit dem Dreißigjährigen Kriege im Grunde seines Herzens jeder Hohenzoller überzeugt gewesen.

Hierdurch geriet Preußen aber in Gegensatz zu Österreich. Seit den Tagen Friedrich Barbarossas und Heinrichs des Löwen beruhte die Kaisergewalt darauf, daß nicht ein einzelner Reichsfürst ihr über den Kopf wuchs und selbständige Interessen verfolgte. Auch wenn er wie Ottokar von Böhmen fern vom deutschen Kulturmittelpunkt einen großen geschlossenen Staat schuf, war ihm ein kräftiges Reichsoberhaupt immer [35] mit den Waffen oder diplomatisch entgegengetreten. Dieses Bedürfnis bestand schon im Mittelalter und wuchs, je lockerer der Reichsverband wurde, je mehr der Kaiser sich statt auf das Reichsrecht auf die Macht stützte. Am wenigsten konnte der Wiener Hof nach dem Westfälischen Frieden einen großen einheitlichen, immer unabhängiger werdenden Staat mitten in Deutschland dulden. Kaiser Karls VI. Mißgunst wurde selbst vom reichstreuen König Friedrich Wilhelm I. als unleidlich empfunden.

Also nicht die bloße Tatsache, daß Friedrich der Große in Schlesien einfiel, war das Entscheidende, sondern der Umstand, daß der unvermeidliche Zusammenprall in dem für Österreich ungünstigsten Augenblicke und an der für Preußen vorteilhaftesten Stelle erfolgte. Hätte der König seine ursprüngliche Absicht ausgeführt und wäre nicht in Schlesien, sondern am Rheine vorgegangen, so hätte er die französischen Interessen verletzt. So aber wich er dieser Gefahr aus. Nach Friedrichs eigenem Geständnis befriedigte der neue Plan "alle Gesichtspunkte; er war ein Mittel, Ansehen zu gewinnen, die Macht des Staates zu heben, auf anständige Weise den bergischen Erbstreit zu begleichen."

Von der Gültigkeit seiner Rechtsansprüche auf die schlesischen Fürstentümer Brieg, Wohlau, Liegnitz, Troppau und Jägerndorf war Friedrich persönlich überzeugt. Aber er besaß staatsmännischen und soldatischen Scharfblick genug, um einzusehen, daß er unmöglich bloß diese zersplitterten Bezirke und gerade sie erwerben konnte. Anderseits darf man nicht glauben, Friedrich hätte gleich anfangs ganz Schlesien erobern und sich dann dauernd damit begnügen wollen. Vielmehr hat er militärisch wie politisch fortwährend seine Erfahrungen bereichert und hiernach seine Ansichten gewandelt.

Im Vertrag von Kleinschnellendorf (9. Oktober 1741) verschaffte er sich ganz Niederschlesien westlich der Oder bis zur Glatzer Neiße und auf der östlichen Stromseite bis zu den Grenzen des Herzogtums Oppeln, mithin vor allem Breslau, Schweidnitz, Brieg und Neiße. Strategische Gründe hatten den Ausschlag gegeben. Der wirtschaftliche und politische Mittelpunkt Niederschlesiens, Breslau, mußte durch eine starke Festungslinie sowohl oderaufwärts als auch nach dem [36] Gebirge zu gedeckt werden. Dagegen hatte wenige Monate zuvor ein unerwarteter österreichischer Vorstoß über den Jablunkapaß gegen Neiße den König davor gewarnt, die Grenze zu weit nach Süden vorzuschieben.

Das Abkommen wurde nur wenige Wochen gehalten. Später sah Friedrich ein, daß seine dortigen Ansprüche unzureichend gewesen waren. Österreich mußte so geschwächt werden, um die preußischen Eroberungen nicht mehr zurücknehmen zu können. Friedrich wollte sich den lästigen Nachbar vom Halse schaffen und die natürliche Angriffsstellung gegen Schlesien, d. h. die angrenzenden böhmischen und mährischen Bezirke, seinem Freunde, dem Kurfürsten von Sachsen, zuwenden. Hierzu hätte Maria Theresia vollständig unterliegen und bedingungslos kapitulieren müssen. Doch unterschätzte Friedrich die Hindernisse eines kühnen Vorwärtsstürmens und außerdem erwies sich der kursächsische Bundesgenosse als unzuverlässig. Immerhin beharrte der König auch beim Verständigungsfrieden von Breslau (1742) auf einer Abrundung Niederschlesiens. Gewann er die ins Böhmerland als Eckpfeiler vorspringende Grafschaft Glatz, so erschwerte er ein Vorgehen, wie es die Österreicher im vorigen Jahre gegen Neiße erfolgreich gewagt hatten. Aber trotzdem hätten sich die Österreicher, sei es von Böhmen und Mähren, sei es von Oberschlesien her, versammeln und verproviantieren und den König zur kampflosen Preisgabe eines großen Stückes Niederschlesien zwingen können. Erst im Besitze der Kreise Königgrätz und Pardubitz vermochte Friedrich den Aufmarsch jenseits des Gebirges jederzeit zu stören und bedrohte den nach Schlesien vordringenden Feind im Rücken. Eine andere Sicherung bestand im Erwerb Oberschlesiens. Die lange Grenze hätte zwar Friedrichs jüngsten Kriegserfahrungen widersprochen. Da aber von Oberschlesien eine Straße nach Südböhmen, die andere nach Mähren führte, wäre der König leicht der feindlichen Bedrohung durch rechtzeitigen eigenen Angriff zuvorgekommen und hätte die österreichische Verbindung mit Wien gefährdet.

Dem König wäre Pardubitz und Königgrätz lieber gewesen als Oberschlesien. Doch Maria Theresia hätte ihre fruchtbarsten Gegenden verloren und dem Feinde einen für den ganzen [37] österreichischen Staat verhängnisvollen Vorposten eingeräumt. Eher opferte sie Oberschlesien. Erreichte somit Friedrich seinen Willen im Breslauer Frieden nicht, so hat sich doch gerade Oberschlesien später als großer Gewinn erwiesen. Ob die künstliche Vorwerksstellung in Böhmen haltbar gewesen wäre, darf man bezweifeln. Indessen wären, da im Zweiten und Dritten Schlesischen Kriege Friedrich sich nur eben behauptete, ohne den Breslauer Frieden gerade jene Gebiete, welche Deutschland vor der slawischen Überflutung schützten und durch ihre Bodenschätze später zu den wertvollsten ostelbischen Besitzungen Preußens gehörten, dauernd österreichisch geblieben. Damals ahnte Friedrich solche Werte noch nicht. Bitter empfand er, daß ohne Pardubitz und Königgrätz Glatz in der Flanke bedroht blieb und daß ihm Troppau und Jägerndorf, von welchen seine schlesischen Ansprüche mit ausgegangen waren, entschlüpft war.

Zum Zweiten Schlesischen Kriege bestimmten den König sowohl ein vielleicht übertriebenes Mißtrauen gegen Maria Theresia als auch das Bedürfnis, sich vor einer neuen österreichischen Gefahr besser zu schützen. Wenn er sich in einem Vertrag mit Frankreich Eroberungen ausbedang, gleichzeitig jedoch Österreichs Erniedrigung wichtiger nannte wie selbst den Besitz von ganz Böhmen, so war beides aufrichtig gemeint und miteinander vereinbar. Auch das exposé des motifs, welches jeden preußischen Hintergedanken leugnete, widerlegt neue Eroberungsabsichten nicht; denn schon mancher Sieger hat einen Krieg, den er zu reinen Verteidigungszwecken begann, mit einem Macht- und Gebietszuwachs abgeschlossen. Jedenfalls brauchen wir am Ernste eines preußisch-bayrischen Abkommens nicht zu zweifeln. Hiernach sollte Preußen den Rest Oberschlesiens, den ganzen Bezirk Königgrätz, Kolin und Umgebung, die Stadt Pardubitz und die rechtselbischen Teile der Bezirke Bunzlau und Leitmeritz, Bayern das gesamte übrige Böhmen erhalten.

Der Feldzug von 1744 verlief für Friedrich so unglücklich, daß derselbe seitdem niemals wieder auf seine böhmischen Hoffnungen zurückkam. Damals gewann er die Überzeugung, Böhmen sei leicht zu erobern, aber schwer zu behaupten. Im folgenden Jahre glich er zwar die furchtbare Niederlage wieder [38] aus. Aber nur mühsam bewog er Maria Theresia, ihm im Dresdner Frieden (1745) wenigstens den Besitzstand des Breslauer zu verbürgen. So brachte ihm der Zweite Schlesische Krieg außer einer Geldentschädigung von Sachsen nur politisches und militärisches Ansehen. Trotz solcher Enttäuschungen atmete Friedrich erleichtert auf, entschlossen, jeden neuen Kampf tunlichst lange zu vermeiden. Auch als er 1756 in Kursachsen einfiel, wollte er bloß den noch nicht kampfbereiten Feinden zuvorkommen und durch kurzes, rasches Zufahren den Brand im ersten Aufglimmen ersticken.

Aber darin lag noch keineswegs der unbedingte Verzicht auf jeden neuen Gebietszuwachs nach einem widerwillig begonnenen, jedoch siegreich beendigten Kriege. Schon die Landkarte zeigt, wie ungenügend damals die preußischen Grenzen waren. Friedrich hatte den Staat um ein Drittel vergrößert, indes Maria Theresias Rachedurst und den Neid seiner Nachbarn erregt. Seiner größeren Macht standen höhere Gefahren gegenüber. Preußens geographische Beschaffenheit bot mehr Blößen wie vor der schlesischen Erwerbung. Letztere hing mit der Mark Brandenburg nur lose zusammen. Gewann der Feind Kursachsen als Aufmarschfeld oder Bundesgenossen, so zerschnitt er dieses schmale Band leicht. Außerdem dehnte sich Kursachsen bis vor die Tore Berlins und Magdeburgs aus; Belzig, Jüterbog, Baruth, Lübben, alles kursächsische Orte, lagen anderthalb bis zwei Tagemärsche von der preußischen Hauptstadt. Während ferner Kursachsen oberhalb Fürstenberg an die Oder reichte und die schlesisch-brandenburgische Hauptverkehrsader traf, konnte auf der Elbe ein feindliches Heer verpflegt und sein ständiger Nachschub gesichert werden.

Bereits 1752 dachte Friedlich in seinem politischen Testamente daran, Böhmen zu erobern und mit dem Kurfürsten von Sachsen gegen dessen Stammland auszutauschen. Wenn Sachsen preußisch wurde, verknüpfte es Schlesien mit Brandenburg aufs engste, deckte Schlesien in der westlichen Flanke, schuf durch das nach Norden sich verflachende, nach Süden steil abfallende Gebirge gegen Böhmen eine gute Grenze. Da die Elbe bis Melnik schiffbar ist, konnten ohne die Transportschwierigkeiten des Jahres 1744 die Preußen leicht bis [39] Prag kommen und einen österreichischen Angriff auf Schlesien vereiteln.

1755 schrieb der König, daß jeder Krieg, welcher nicht mit Eroberungen abschließt, den Sieger und dessen Staat schwächt und daß ein Fürst ohne Eroberungsabsichten keinen Krieg beginnen soll. Doch darf man bezweifeln, ob er 1756 wirklich noch auf Landgewinn hoffte. Die politische Lage war äußerst ungünstig und blieb es während des Siebenjährigen Krieges. Nur als Zar Peter III. in Rußland ans Ruder kam, bot ihm der König das entfernte Ostpreußen als Kampfpreis an, offenbar in der Erwartung, durch zentraler gelegene Bezirke reichlich entschädigt zu werden. Aber nach Peters Ermordung war an Gewinn nicht mehr zu denken. Wie sich die neue Zarin Katharina bei einer Fortdauer des Krieges stellen würde, war unsicher. Der König hätte einen Kampf gleichzeitig gegen Österreich und Rußland nicht mehr ausgehalten. Er tröstete sich deshalb kurz nach dem Friedensschlusse in einem Briefe an seinen Bruder Heinrich: "Hätte der Staat eine Provinz sich einverleiben können, so wäre das gewiß recht gut gewesen. Aber da das nicht von mir, sondern vom Glück abgehangen hat, stört dieser Gedanke meine Ruhe in keiner Weise."

Der Hubertusburger Friede hat eine lange Ruhepause eingeleitet. Die beiden deutschen Großmächte hatten erbittert gerungen und doch das Ergebnis zweier vorangegangener Kriege nicht umstoßen können. Weder für Österreich noch für Preußen wäre die Änderung des jetzigen Zustandes eine Lebensfrage gewesen. Schlesien hatte immer einen österreichischen Außenposten gebildet und seit mehr als einem Jahrhundert keinen habsburgischen Herrscher mehr auf seinem Boden erblickt. Umgekehrt waren die preußischen Grenzen ungünstig, wenn es zum Kriege kam, aber nicht unerträglich, so lange der Friede währte.

Trotzdem war 1763 die Dauer des Friedens keineswegs verbürgt, sondern wurde erst herbeigeführt durch Verhältnisse, welche sich bei seinem Abschlusse nicht voraussehen ließen. Nicht einmal dieses eine Jahr ging ohne die Gefahr einer neuen Ruhestörung vorüber. Doch da Frankreich zu abermaliger Hilfe nicht zu haben und Rußland seit 1764 durch [40] ein Verteidigungsbündnis an Preußen gekettet war, hätte Maria Theresia einen vierten schlesischen Krieg ohne ihre bisherigen Alliierten ausfechten müssen. Das wagte sie nicht, nachdem sie selbst mit ihnen im Siebenjährigen Kriege nichts erreicht hatte. Dennoch blickte Friedrich mit Sorgen in die Zukunft. Katharina hatte sich mit ihm nicht aus Liebe zu Preußen verbündet, sondern weil sie seine Hilfe in Polen brauchte. Sie übergab dem König eine sofort zahlbare Rechnung und verhieß ihm Hilfe in einem vielleicht kommenden Fall. War ihr Ehrgeiz befriedigt, so schien fraglich, ob sie sich später ihrer Pflichten erinnerte. Dann hatte der Bund Rußland einseitig gestärkt und Preußen nichts genützt. Außerdem beobachtete Friedrich eifersüchtig, daß nicht Österreich irgendwo in der Welt Vorteile erreichte, welche nicht durch preußische Gegenvorteile ausgeglichen wurden. Denn mit einem veränderten Kräfteverhältnis der beiden deutschen Großmächte wuchs die Gefahr neuer Feindseligkeiten.

Wirklich kam es nochmals zu einem kurzen österreichisch-preußischen Waffengang. Als 1777 die bayrische Kurlinie ausstarb, wollte Josef II. einen großen Teil des Landes erwerben. Friedrich, der den Fall vorausgesehen, hatte längst beabsichtigt, sich zu wehren, und hoffte, "eine rivalisierende Macht niederzudrücken, vielleicht sogar für die Abrundung unserer Grenzen geeignetes Land zu gewinnen". Allerdings war ihm die Verhinderung eines österreichischen Machtzuwachses Haupt-, preußischer Erwerb Nebensache. Auch lag dem König daran, die Sympathien des übrigen Deutschlands, welches, durch die Ausdehnungsgelüste Josefs II. beunruhigt, in Preußen seinen Halt suchte, durch vorzeitig bekannt werdende eigene Eroberungsgedanken nicht zu verscherzen. Darum wies er die Wünsche seines Bruders Heinrich und des Ministers Hertzberg zurück. Daß ihm aber verwandte Absichten nicht fremd waren, bewies er in den Verhandlungen mit Österreich. Dort war davon die Rede, daß die Fürstentümer Ansbach und Bayreuth, deren Anschluß an Preußen bevorstand, gegen die Lausitz ausgetauscht und wenigstens die schlimmste Einschnürung zwischen Schlesien und Brandenburg beseitigt würde. Aber das Mißtrauen zwischen Josef und Friedrich war noch zu groß. Der Plan wurde verworfen, der Waffengang begann, und da un- [41] gewiß war, ob der Friede von Teschen endgültig Josefs Erweiterungspläne begrub, gab der König lieber bei dieser Gelegenheit den ganzen Länderschacher auf und nötigte seinen Gegner zum gleichen Verzicht. Er hatte den Schein des Uneigennützigen gerettet und durfte auf die Beihilfe des übrigen Deutschland zählen, wenn Josef neue Pläne schmiedete. Wie unsicher jedoch dem König die Lage dünkte, zeigt eine Voraussage im Jahre 1782. Er fürchtete einen neuen Schlag seitens der Habsburger unter seinem schwächlichen Nachfolger und prophezeite, daß es binnen dreißig Jahren um Preußen geschehen sein werde. Mit der Ahnung eines Zusammenbruchs nach seinem Tode hat der König Recht behalten. Doch vollzog sich die Katastrophe in einer Weise, die er nicht hätte erwarten können.






Deutschlands Friedensschlüsse seit 1555:
Ihre Beweggründe und ihre geschichtliche Bedeutung

Professor Dr. Gustav Wolf