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I. Das österreichisch-ungarische Erbe

4. Der Verkehr

Die geographische Beschaffenheit der Tschechoslowakei setzt dem Verkehr keine besonderen Schwierigkeiten entgegen. Die Randgebirge bilden kein Verkehrshindernis, desgleichen die Hügellandschaften im Inneren des Landes. Das Karpathengebiet konnte durch eine günstige Lage der Täler ebenfalls ohne besondere Schwierigkeiten dem Verkehr erschlossen werden. Die tschechoslowakischen Ver- [91] kehrsprobleme liegen in der ungewöhnlich langen Ost-West-Ausdehnung des Staates. So braucht z. B. der Frachtverkehr aus der West- in die Osthälfte 5 - 6 Tage.

Die Sudetenländer sind mitteleuropäisches Herzland. Sie selbst liegen im Banngebiet der großen mitteleuropäischen Hauptwasserscheiden, die aber hier nicht als Verkehrsscheiden ausgebildet sind. Sie entwässern durch die Elbe und Oder zur Nord- und Ostsee und durch die Theiß und March zur Donau und haben dadurch günstige Verkehrswege nach dem Norden und Südosten. Aber auch die Adria ist durch die Bestimmungen des Friedensvertrages zu einem ozeanischen Ausfallstor geworden, da sie ihr besondere Vergünstigungen im Handel mit Triest und Fiume einräumen.

Aus dem Erbe der alten österreichisch-ungarischen Monarchie übernahm die Tschechoslowakei ein gut ausgebautes Eisenbahn- und Straßennetz, das an die großen internationalen Verkehrslinien angeschlossen ist.



a) Straßen

Das gesamte Straßennetz der Tschechoslowakei hat eine Ausdehnung von rund 70.000 km. Durch die fortgesetzten Aufrüstungen im Zuge der Motorisierung der tschechischen Armee erfolgt ein weiterer Ausbau des Straßennetzes, besonders aus dem Inneren des Landes in die nördlichen und nordöstlichen Grenzgebiete.

Die Streckenverhältnisse in der Tschechoslowakei nach dem Stand des Jahres 1933, das sich inzwischen um einige hundert Kilometer vergrößert haben dürfte, zeigt folgende Übersicht:

Jahr, Land Straßen, davon
im
ganzen
  Staats-   Landes-   Bezirks-   Vizinal- Wege zu
Bahnstationen
Straßen
1933: Länge der Straßen (in km)
Böhmen 36.678 4.422 23 32.233 ---  --- 
Mähren-Schlesien 15.845 1.512 ---  14.333 ---  --- 
Slowakei 14.580 2.154 5.854 ---  6.498 74
Karpathenrußland 2.371 568 741 ---  1.055 7
Tschechoslowakei 1933    69.474 8.656 6.618 46.566 7.553 [81]
1932    68.987 8.624 6.622 46.174 7.494 71
1931    68.475 8.605 6.624 45.744 7.429 73



b) Post-, Telegraphen-, Fernsprech- und Radiowesen

Insgesamt gab es in der Tschechoslowakei 4588 Postanstalten und Postanlagen, die sich auf 4349 Ortsgemeinden verteilten. Zur Postbeförderung standen täglich 2634 Eisenbahnzüge zur Verfügung, daneben 1226 eigene Postfahr- [92] zeuge. Die Gesamtzahl der beförderten Briefsendungen in einem Jahr beträgt rund 1 Milliarde, wovon 80% auf den Inlandsverkehr entfallen. Die Gesamtlänge der Telegraphenstraßen beträgt 20.303 km, von denen insgesamt rund 10 Millionen Telegramme befördert werden. In 1908 Orten sind Fernsprechnetze errichtet worden. Die Linienlänge der Ortsnetze beträgt 22.706 km, die Leitungslänge der Ortsnetze 244.944 km, die Drahtlänge der Ortsnetze 489.710 km, die Linienlänge der Fernleitungen 17.584 km, die Leitungslänge der Fernleitungen 209.930 km, die Drahtlänge der Fernleitungen 419.860 km.

Die 8 Sendestationen des Rundfunks werden von 672.000 Empfangsgerätbesitzern angehört. Auf eine Empfangsstation entfallen 21 Einwohner.



c) Eisenbahnen

Die von Österreich-Ungarn übernommenen Eisenbahnen befanden sich zu 87% in staatlichem Besitz und gingen auch in der Tschechoslowakei sofort in Staatsbesitz über. Nur 3 große Verkehrslinien, die von Eger über Komotau - Prag führten, die Buschtehrader Bahn, die Aussig - Teplitzer Bahn und Kaschau - Oderberg-Bahn, befanden sich in Privatbesitz und wurden ebenfalls wie die kleinen privaten Kurzstrecken in Staatsbesitz überführt. Die Enteignung dieser Bahnstrecken erfolgte aus strategischen und nationalen Gründen. Eine der ersten Maßnahmen der staatlichen Bahnverwaltung für diese ehemaligen Privatbahnstrecken war die Entlassung der deutschen Beamten und Arbeiter.

Die Schienenlänge beträgt insgesamt 13.917 km. Sie wird befahren von 4675 Lokomotiven, 9224 Personenwagen und 111.130 Güterwagen.

Die wichtigsten, die Tschechoslowakei durchschneidenden Linien sind: Nürnberg - Eger - Prag - Warschau, Berlin - Prag - Wien, Berlin - Oderberg - Budapest, Berlin - Prag - Preßburg - Budapest - Sofia, Prag - Pilsen - München - Zürich, Paris - Eger - Karlsbad, Warschau - Prag - Karlsbad usw.



d) Flugwesen

Das im Aufbau begriffene tschechoslowakische Flugwesen verfügt über 8 inländische Fluglinien. Die Zahl der in beiden Richtungen zurückgelegten Flüge betrug 1935 3876, die Zahl der zurückgelegten Kilometer 602.749. Außerdem ist die Tschechoslowakei an die internationalen Fluglinien angeschlossen, auf denen im ganzen 4575 Flüge mit 1,231.610 km zurückgelegt wurden.



e) Wasserstraßen

Die Länge der schiffbaren Wasserstraßen beträgt insgesamt 469,2 km. Sie verteilen sich auf die Moldau, Elbe, Donau, Waag und Oder. Durch die Inter- [93] nationalisierung der Ströme und die Einrichtung eines Freihafens in Hamburg erstreckt sich die tschechische Schiffahrt bis an die Häfen der Weltmeere.

Land Flüsse Kanäle Länge der
für Dampfschiffe
 befahrbaren Strecke 
(in km)
Länge d. befahrbaren Strecke (in km)
für Flöße1 für Schiffe und Flöße
Böhmen 1.193,30    291,20    10,00       212,002
Mähren-Schlesien 229,45    27,053  ---       ---
1 Als Beginn der flößbaren Strecke wird der erste Ort angesehen, an dem Flöße gebunden werden.
2 Davon entfallen auf die Moldau (von Stěchovic bis Mělnik) 84 km und auf die Elbe
      (von Kostelec a. E. bis zur Staatsgrenze) 128,2 km.
3 Die angeführten 27,050 km beziehen sich auf die internationale Oderstrecke von der Oppamündung
      bis zur Staatsgrenze. Diese Strecke wurde bei den Friedensverhandlungen von dieser Mündung an
      als schiffbar erklärt. Die Flußverhältnisse sind jedoch derartig, daß derzeit tatsächlich weder
      Floß- noch Schiffsverkehr betrieben wird.

Die Elbe bei Aussig.

[93]
      Die Elbe bei Aussig. Vom Ursprung im Riesengebirge (1384 Meter hoch gelegen) bis zur 15 km breiten Mündung bei Hamburg fließt dieser deutsche Strom 1165 km fast überall durch altes deutsches Kulturland, wenn auch Grenzen die deutschen Menschen bei Herrnskretschen trennen. Früher wurde durch sudetendeutsche Unternehmer Millionen Tonnen Frachtgüter ins Reich und ins Ausland verladen, heute werden die Umschlagplätze in Böhmen immer stiller.

[94]
Land Länge der befahrbaren Strecke (in km)
für Flöße1 für Dampfschiffe
Slowakei 1.101,00       257,00          
Karpathenrußland 377,20       ---          
1 Davon entfallen auf die Donau (Theben - Eipelmündung) 172 km
      und auf die Waag (von Sered bis Komorn) 85 km.

Der tschechoslowakische Schiffspark bestand insgesamt aus 1279 Schiffen, die von rund 50.000 PS angetrieben werden und eine reine Tonnage bzw. Tragfähigkeit von 317.751 Tonnen aufweisen.



Es ist ein reiches Erbe, das der neue Staat angetreten hat. Die Industrie und Landwirtschaft waren hochentwickelt und gut durchorganisiert und in die Gesamtwirtschaft der alten österreichisch-ungarischen Donaumonarchie und in die Weltwirtschaft gut eingespielt.

Durch die Zerschlagung der österreichisch-ungarischen Wirtschaftseinheit, in der industrielle und agrarische Produktion sich die Waage hielten, und die Eingliederung in einen neuen Staatsverband wurden Industrie und Landwirtschaft vor völlig geänderte Verhältnisse und neue Aufgaben gestellt. Allein die Tatsache, daß der Inlandsmarkt der Industrie auf ein Viertel seines bisherigen Bestandes zusammengeschrumpft ist und die Industrie durch Zollgrenzen von dreiviertel des bisherigen Inlandsmarktes abgetrennt wurde, läßt die Schwierigkeiten für die Wirtschafts- und Handelspolitik des neuen Staates klar erkennen.

Mit der Zerstörung der österreichisch-ungarischen Monarchie wurde eine organisch gewachsene und in ihrer Produktion ausbalancierte Wirtschaftseinheit vernichtet. Bei der Aufteilung des alten Wirtschaftsgebietes aber nach politischen und raumpolitischen Gesichtspunkten waren die in Erscheinung getretenen Mißverhältnisse in der Verteilung agrarischer und industrieller Produktion auf die Nachfolgestaaten einfach unvermeidlich.

Die staatlichen Veränderungen konnten daher nicht ohne Rückwirkung auf die weitere Entwicklung der Volkswirtschaft der österreichischen Nachfolgestaaten bleiben. Es hätte einer nur den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragenden Wirtschafts- und Handelspolitik bedurft, um der Wirtschaft die bisherige Schwungkraft ungeschmälert zu erhalten und sie vor den drohenden Schäden zu bewahren.

Die tschechoslowakische Wirtschaftspolitik aber sah ihre Aufgaben in einer anderen als in der rein wirtschaftlichen Richtung gelegen.

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