Dr. Paul Freiherr von Hock
Hofrat beim Verwaltungsgerichtshofe, Mitglied der provisorischen
Nationalversammlung
"Das ganze Deutschland muß es sein!" Der Traum, den Tausende und
Abertausende der Besten vor uns
geträumt - er muß jetzt in Erfüllung gehen: anders
freilich, als je
gedacht! - nach dem furchtbarsten Zusammenbruch, über ein Meer
von Blut!
Wir Deutsche in Österreich hatten die Aufgabe, vor dem deutschen Volk zu
stehen, wie einst die Ostmark, um des ganzen Volkes willen zusammenzuleben
mit den Völkern des Ostens und Südens, um unter ihnen das
Bündnis zu erhalten, 40 Millionen Anderssprachiger dem deutschen Volke
als Mitkämpfer zu sichern.
Nun, da die Monarchie in Trümmern liegt, was könnte dem
hemmend oder gar hindernd entgegentreten, daß wir heimkehren, daß
wir wieder werden, was wir einst waren, ein Teil des großen Ganzen, von
dem wir kamen, zu dem gehörig uns zu fühlen wir nie
aufgehört haben, ein Teil des großen deutschen Volkes.
So trüb ist die Stunde, so groß die gemeinsame Not und auch jene, die
jedem einzelnen zu tragen beschieden ist, daß dabei kein Jubel laut werden
kann. Ernst, stumm, gesenkten Hauptes, wie müde Heimwanderer finden
wir uns zurück. Trauer und Sorge begleiten unsere Schritte. Wo alle
müde sind, gibt es übergenug Verzweifelte, die jene Reise nicht mehr
antreten, lieber in den alten, wenn auch verfallenen Stätten, lieber unter
alten, feindseligen Wohnungsgenossen, den jetzigen unfreundlichen Nachbarn
verbleiben möchten. Das nennen sie "Donaubund". Welche
Demütigungen, welche Vergewaltigungen in diesem
Bundesverhältnis die übermütigen, erfolgberauschten Slawen
uns Schwachen, Kleinmütigen jetzt bereiten würden, daran denken
sie nicht: - so nahe auch die Erinnerung daran liegt, welche Schicksale wir, da
wir noch alle vereint waren, von der madjarischen "Brüderlichkeit" von
Tag zu Tag erduldet haben: von der Spiegelung betrogen, die Einheitlichkeit des
österreichisch-ungarischen Wirtschaftsgebietes durch stete Nachgiebigkeit
erreichen zu können: - würden unsere Flanken vom
tschecho-slowakischen Bauernstiefel weniger wund werden als von den Schismen
des Betyaren?
Unternehmer deutscher Abkunft in den Sudetenländern haben sich
erstaunlich schnell davon überzeugen lassen, daß ihnen wegen des
Standortes ihrer Industrien zuträglich sei,
tschecho-slowakische Staatsgesinnung anzunehmen, dabei aber ihre
Absatzgebiete, darunter vor allem
Deutsch- [44] Österreich, unter allen Umständen
zu behalten. Ihrer klugen Umsicht und eifrigen Bemühung ist es gelungen,
alles, was an ähnlich gerichteten kleinlichen Interessen, was an
Bequemlichkeit und Beharrungssinn vorhanden ist in
Deutsch-Österreich mit Besorgnissen zu erfüllen vor den
wirtschaftlichen Folgen der Gemeinsamkeit mit dem großen,
fleißigen, reiferen Bruder im "Reiche", vor den Störungen, die
zunächst auch schon dem bloßen Übergang in diese
Gemeinsamkeit folgen müßten. Nutznießer der alten
Monarchie und des Hofes, die es gut verstanden, daß nur die
Wiederaufrichtung des alten Völkerstaates die Wiederkehr des
Herrscherhauses ermöglichen würde, nicht aber, daß der alte
Staat, einmal zerschlagen, niemals wieder aufgerichtet werden kann, sind in
gleicher Richtung an der Arbeit gewesen. So hat nach dem einmütigen
Beschlusse der Nationalversammlung, in Deutschland aufgehen zu wollen, eine
kleinmütige Bewegung eingesetzt, diesen Anschluß doch noch in
letzter Stunde zu verhindern.
Vorübergehend konnte die öffentliche Meinung ins Schwanken
geraten; nicht auf lange. Zu klar ist, daß die 6 Millionen Ostdeutschen, die
vom alten Ostreiche zurückgeblieben sind, staatlich, politisch nicht anders
können, als Anschluß zu suchen an das Reich ihrer Brüder,
nicht an die Nachbarstaaten, ihrer Bedrücker, ihrer Feinde. Wo sowohl die
politische Einsicht, als vor allem auch der unüberwindliche, zuletzt immer
siegreiche Drang des Herzens, das niemals erlöschende Gefühl des
Zueinandergehörens denselben Weg zeigen, kann die Entscheidung nicht
zweifelhaft sein. Was in drangvoll schicksalsschwerer Stunde mit feierlichem
Ernste beschlossen wurde, wird zur Ausführung kommen:
Deutsch-Österreich ein lebenswarmes Glied
des - allen Kummers, aller Not
ungeachtet - großen deutschen Vaterlandes!
|