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Komotau

Bericht Nr. 42
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Konzentrationslager
Berichter: Ottokar Kremen Bericht vom 25. 6. 1950

Lage von KomotauIch kam von der Wehrmacht am 7. 5. 1945 nach Hause und konnte nicht in meine Wohnung, weil sie von russischen Offizieren belegt war. Ich ging deshalb zu meiner Schwägerin nach Gersdorf, Kreis Komotau, um mich dort mit meiner Frau aufzuhalten, bis meine Wohnung frei war. Ich ging in meine Wohnung, um etwas Wäsche und Kleider zu holen. Dort angekommen, entschuldigten sich die Offiziere und verwehrten mir nicht die Mitnahme meiner Kleider und Wäsche. Ich kam mit einem Fahrrad gefahren, doch während meines Aufenthaltes in meiner Wohnung wurde mir das Rad gestohlen. Als die Offiziere bemerkten, was geschehen war, ging einer von ihnen, ein Major, mit mir auf die Straße und fing einen russischen Soldaten ab, welcher auf einem Sachsmotorrad angefahren kam. Diesem nahm er das Motorrad ab und übergab es mir als Ersatz für das Fahrrad. Er stellte mir ein in russischer Schrift verfaßtes Schreiben aus, damit ich unbehelligt die Absperrposten der Russen passieren konnte. Ich hatte auch bei keinem russischen Posten einen Anstand und kam mit dem Kraftrad in Gersdorf gut an. Die Offiziere bemerkten, daß sie in längstens 3 Wochen abziehen und ich dann wieder in meine Wohnung zurückkehren kann. Doch die Sache kam anders:

Am 3. Juni 1945 kamen neun Tschechen in meine vorübergehende Wohnung bei meiner Schwägerin in Gersdorf. Die Tschechen trugen bis auf einen Zivilkleidung, welcher aber am ersten Blick anzusehen war, daß sie gestohlen war, denn keinem paßte weder Rock noch Hose. Nur einer trug eine Gendarmerieuniform (Stabskapitän), welche man als sein Eigentum ansehen konnte, denn sie paßte ihm. Sie durchsuchten meine Wohnung und andere der Abteilung durchsuchten das ganze Haus. Sie nahmen alle die Kleider und Wäsche an sich, welche mir die Russen freigegeben hatten, sowie alle Kleider meiner Schwägerin und sämtliche Lebensmittel, die Kaninchen, welche im Stall waren, schossen sie nieder und ließen sie liegen. Ich mußte mich ausziehen und wurde untersucht, ob ich nicht bei der SS war, als man nichts fand, wurde ich gefragt, ob ich Mitglied der NSDAP oder der SA war, als ich die Fragen verneinte, wurde ich ins Gesicht geschlagen, daß mir das Blut aus Nase und Mund floß. Als sie alles beisammen hatten, was sie mitzunehmen gedachten, darunter auch das Motorrad, welches ich von dem russischen Major bekommen hatte, mußte der Sohn meiner Schwägerin die Ochsen einspannen und die Sachen zur Straße fahren. Ich selbst mußte auch mitgehen. Ich wurde in ein dort im Ort befindliches Gasthaus geführt, es wurden sofort alle Männer herbeigeholt und nun begann ein regelrechtes Selbstschlagen, einer mußte den anderen schlagen oder ohrfeigen. Von dort aus kam ich in das Polizei-Gefängnis in Komotau (ehemaliges Hotel Weimar).

Der 3. Juni war ein Sonntag. Ich kam in eine Zelle, in welcher für zwei Mann Platz war. Wir waren in dieser Zelle 16 Mann, darunter ein 11-jähriger Junge, dessen Eltern in einer anderen Zelle untergebracht waren. Ich merkte mir die Namen der Insassen nicht alle, aber einen, den ich im Privatleben gut kannte, war der Lehrer Kny aus Sporitz. Der 11-jährige Junge war der Sohn des Ing. Merden aus der Glockengießerei Herold in Komotau. Sohn und Vater wurden später im Lager erschossen und liegen auf einem Trauschkowitzer Feld verscharrt. Die Mutter blieb weiter im Lager. So waren wir in diesem Polizeigefängnis bis Donnerstag ohne Nahrung und Wasser. Endlich am Donnerstag nachmittag kam eine Änderung in unserer Lage. Wir wurden alle mit dem Gesicht zur Wand auf dem Hof des Gefängnisses aufgestellt. Es war nur gut, daß ich tschechisch konnte und so alle Vorhaben und Besprechungen, welche die Tschechen untereinander führten, verstand und meinen Leidensgenossen mitteilen konnte. Wir wurden einer nach dem anderen von einem Gendarmerie-Leutnant verhört. Als ich an die Reihe kam, frug ich den Leutnant, warum man mich hier einsperrt. Dieser gab mir zur Antwort: "Ich habe Sie nicht hereingebracht und kann Sie auch nicht entlassen." Als wir alle verhört waren, wurden wir im Hof vier Mann und vier Mann aufgestellt, um abtransportiert zu werden. Einer der Tschechen hielt eine Hitlerbüste in der Hand und forderte alle auf, beim Vorbeimarschieren so zu grüßen, wie es Adolf (Hitler) verlangte, und ein anderer dieser Tschechen postierte sich auf die andere Seite mit einer Maschinenpistole. Ich verstand, wie der Tscheche mit der Hitlerbüste in der Hand dem anderen zurief: wenn einer die Pratze hebt, sofort darauf zu schießen! Unter Pratze ist die Hand gemeint. Ich konnte noch die anderen verständigen, dies nicht zu tun, und ohne einen Blick zu dem Tschechen mit der Hitlerbüste marschierten wir zum Tor hinaus. Selbstverständlich waren die Posten, welche uns führten, erbost, daß es ihnen nicht gelungen war, einen von uns soweit zu bringen, die Hand zu erheben und so auf uns zu schießen. Wir wurden unterwegs mit Fußtritten und Peitschenhieben traktiert, weil wir angeblich nicht richtig marschierten Wir kamen in ein Lager, es war die alte Glashütte in der Nähe des Städtischen Gutshofes von Komotau. Dort angekommen, mußten wir uns in einem Glied aufstellen und drei Schritte Abstand voneinander nehmen. Erst mußten wir unsere Taschen entleeren, alles vor uns hinlegen, um uns dann nackt auszuziehen. Als wir ausgezogen waren, untersuchten die Lagerposten unsere Taschen. Wehe dem, der noch etwas in den Taschen hatte und wenn es ein ganz kleines Stück altes Papier war, der bekam gleich ein paar Peitschenhiebe oder einen derartigen Kinnhaken, daß er kaum seinen früheren Platz fand. Denjenigen, die gute Kleider oder Wäsche oder Schuhe hatten, wurden diese Sachen abgenommen und sie bekamen Kleider von Leidensgenossen, welche bereits erschlagen oder zu Tode gemartert waren. Die Kleider waren entweder aufgerissen oder mit Blutflecken befleckt. Wir kamen dann in einen großen Raum, in welchem insgesamt 78 Mann waren, darunter Herr Rafler-Müller aus Neudorf/Biela, Waffenhändler Böhm und andere, deren Namen ich mir nicht merkte. Der Raum war mit Ziegeln gepflastert und mit einem Dach von Dachpappe gedeckt. Er hatte ein einziges Fenster, an welchem den ganzen Tag ein Posten stand und uns im Raum beobachtete. Es war dort eine Hitze wie in einem Backofen. Keiner hatte Bett noch Decke, geschweige ein Strohlager. Wir mußten auf den Ziegeln liegen. Den ganzen Tag von früh 6 Uhr bis abends 10 Uhr wurde ununterbrochen auf tschechisches Kommando exerziert. Es waren darunter Greise von 70-80 Jahren und mußten auch alles so mitmachen. Eines Tages gefiel dem Posten das Exerzieren nicht und er sagte: "Na, was ist? Wenn es nicht besser geht, werde ich es euch beibringen." Gesagt, getan, er nahm immer neun Mann heraus auf den Hof zum Exerzieren, aber wehe, wenn sich einer nach der falschen Seite drehte, dann wurde er mit einer Lederpeitsche in die richtige Richtung gewiesen, nachher kam ein Dauerlauf unter Hieben der Lederpeitsche. Viele kamen herein und brachen zusammen und baten, man möge sie erschlagen, aber dessen ungehindert ging der Zauber weiter. Am Abend betrat der Lagerkommandant unseren Raum und fragte, ob doch keiner darunter sei, welcher das tschechische Kommando gut kenne. Als sich niemand meldete, erhob ich die Hand und meldete mich. Der Lagerkommandant frug mich, ob ich gut tschechisch kann, ich bejahte und er übertrug mir das Kommando. Ich bat ihn zugleich, ob es gestattet sei, mit den Insassen einen Unterricht in tschechischer Sprache abzuhalten. Der Kommandant willigte ein und wir hatten so eine Zeit das Exerzieren vom Hals, denn bei dem Unterricht war es gestattet, zu sitzen, zwar nur auf dem Ziegelboden.

Während dieser Zeit hatten wir täglich als Verpflegung 100 g Brot, eine Tasse Kaffee, früh und mittags nichts, abends wieder 100 g Brot mit einer Tasse Kaffee. Oft wurden wir in der Nacht aufgejagt, mußten in strammer Haltung stehen und uns von jedem Ziviltschechen alle Schikanen und Quälereien gefallen lassen. Eines Nachts kam ein Trupp Tschechen, darunter ein Gendarm, und wir mußten uns in drei Reihen aufstellen mit drei Schritten Abstand, dann gingen die Tschechen von einem zum anderen und frugen, ob der Betreffende bei der Partei oder SS oder SA war. Wehe dem Unglücklichen, wenn er bei einer der Gliederungen oder Partei war. Diese mußten in den Hof unter Peitschenhieben laufen; bis alle durch waren, verließen die Tschechen den Raum und wir konnten uns niederlegen, von Schlaf war nicht mehr die Rede, denn wir waren alle zu aufgeregt und wußten nicht, was im nächsten Augenblick passiert. Kurz darauf hörten wir das Rattern der Maschinenpistolen, es war im Morgengrauen, da fuhr ein LKW an unserem Fenster vorbei, welcher die Leichen der Erschossenen auflud, es waren aus dem ganzen Lager 78 Mann. Gleich am Morgen nach dem Aufstehen mußte ich mit drei Mann einen Schubkarren holen und wir fuhren Sand in den Hof, um die Blutlachen der Unglücklichen zu überschütten. Wir brauchten 18 Schubkarren voll Sand, denn sie mußten ganz voll geschaufelt werden, um die Blutflecken nur zu überspritzen. Später kam der LKW zurück und ich mußte diesen Wagen waschen, denn er war ganz voll Blut. Wie ich von den Posten erlauschte, sind die Leute auf einem Trauschkowitzer Feld verscharrt worden. Unter diesen Toten befand sich der schon genannte Ing. Merden aus der Herolder Glockengießerei und sein 11jähriger Sohn, während seine Frau noch im Lager war.

Eines Tages kam der Befehl, daß das Lager frei gemacht wird und die Insassen alle über die Grenze zum Russen kommen. Es wurde ein Transport zusammengestellt und es ging ab. Am Abend erfuhr ich vom Lagerkommandanten, welcher ein Stabskapitän der Gendarmerie war, daß alle nach dem berüchtigten KZ Maltheuern gekommen sind. In dem Lager in der alten Glashütte blieb zurück ein Doktor namens Lockwenz aus dem Komotauer Kreiskrankenhaus, ein Ingenieur, ein Österreicher, welcher während der Hitlerzeit viel Gutes den tschechischen Arbeitern tat, denn es war im Lager bekannt, es besuchten ihn solche Tschechen und brachten ihm Rauchwaren als Anerkennung, aber frei ließ man diesen Mann nicht, ein gewesener Stabskapitän aus der CSR-Wehrmacht, ein Jugoslawe, ein Postbote namens Havel aus Görkau und ich. Wir frugen einen Posten, welcher etwas zugänglicher war, was mit uns geschehen wird, dieser sagte: "Ihr wart bei keiner NSDAP und ihr werdet entlassen." Die Entlassung kam aber nicht, der Österreicher und der Serbe kamen mit Posten nach ihren Heimatländern und wir anderen verblieben dort im Lager. Es waren kaum 8 Tage vergangen und der Stand der Insassen wuchs auf 360, davon 78 Frauen, an. Es kamen folgende Insassen, deren Namen ich mir merkte: Herr Mader, Direktor der Mannesmann-Röhrenwerke Komotau, aus demselben Werk Herr Ingenieur Vierlinger, ein Herr Dr. Meier, der Großkaufmann von Komotau, Herr Taud, der Direktor der Fürstlichen Domänenverwaltung Rothenhaus-Görkau, der Wurstfabrikant Herr Mittelbach [aus] Komotau (wurde im Lager zu Tode gemartert), Herr Müller, Steinbruchbesitzer [aus] Komotau-Oberdorf, der Pfarrer von Eidlitz bei Komotau, ein Heger von Natschung (wurde ebenfalls erschlagen) und viele andere Persönlichkeiten, deren Namen mir nicht einfallen. Wir wurden nach dem neuen Zuwachs in Arbeitskolonnen für CSD (tschechische Bahn) in Komotau eingeteilt und mußten das bombardierte Heizhaus von Trümmern räumen. Ein Ing. Sturm aus Komotau war auch dabei. Ich ging zu diesen Arbeiten mit als Dolmetscher, um die Befehle der Bahnmeister bezw. Partieführer an die Leidensgenossen zu übermitteln. Es waren viele dabei, welche nie in ihrem Leben eine solche Arbeit verrichtet hatten und sie wurden von der Bahnpolizei, welche die Überwachung der Kolonnen hatte, mit der Peitsche dazu angetrieben. Bei diesen Arbeiten bekamen wir zu Mittag noch eine Suppe von Sojaschrot ohne Salz und jeglicher anderen Zutat, außer früh und abends 100 g Brot und der Tasse Kaffee. Floh ein Insasse, so kam der Führer der Partie, der auch ein Lagerinsasse war, auf die Schaukel (Folterraum). Am Ende komme ich noch eingehend auf diese Martermethode zurück. Viele Insassen konnten nicht einmal mehr nach Hause gehen, so z. B. der Herr Mittelbach von Komotau. Der war so geschlagen worden, daß sein Gesicht stahlblau war und er niemanden kannte oder wußte, wo er sich befand, er war ganz von Sinnen. Seine eigene Tochter hat ihn im Vorbeimarschieren vom Bahnhof nicht erkannt und wer ihn kannte und nicht wußte, daß er es ist, erkannte ihn auch nicht wieder, so zugerichtet war dieser Mann.

Ich lernte am Bahnhof einen jungen Bahnmeister kennen, welchem eine 3-Zimmer-Wohnung in Komotau, Klingergärten, zugewiesen wurde und der sie nicht bezog. Er sagte mir oft: "Wohin wird das führen, ich nehme hier keine Wohnung, denn in dieser ist alles gestohlen." Das ist aber auch der Einzige, den ich in dieser Weise kennen lernte, er gab uns später zwei Wagen voll Kartoffeln fürs Lager, um sie für die Insassen zu verkochen. Er brachte auch manchem Insassen Brot und verschenkte seine Mittagsportion.

Die Bahnpolizei fand ihren Spaß daran, wenn einer bei der Arbeit zusammenbrach, ihn in einen mit Wasser gefüllten Bombentrichter zu werfen und lachte, wenn der Arme schlammbedeckt an die Wasseroberfläche kam. Wir waren oft froh, wenn wir arbeiten gehen konnten und hatten Angst vor dem Sonntag, denn an Sonntagen war die Marter durch die Lagerposten und Ziviltschechen aus der Stadt an der Tagesordnung, sogar in der Nacht wurden oft Leute herausgeholt, um sie zu quälen. Das Beispiel eines Sonntags im Lager: Vormittags kamen Ziviltschechen ins Lager, auch Frauen, und suchten sich ihre Opfer heraus, welche durch Schläge ins Gesicht mit dem Schuhabsatz mißhandelt wurden, oder ließen sie von anderen schlagen. Schlug der Betreffende nicht so hin wie sie wollten, dann bekam der andere von den Tschechen einen Schlag, auch manchmal mit Schlagringen. Ein jeder, ob Mann oder Frau, der bei einer der Gliederungen der NSDAP war, oder deren Söhne oder Männer bei einer solchen waren, wurden gleich nach der Leibesvisitation in die Folterkammer geführt. Dies war ein Raum, in welchem sich jeder nackt ausziehen mußte und dann von acht Posten mit ihren Schlaginstrumenten geschlagen wurde. Dann wurde er in den Aufenthaltsraum geführt und mußte an der Wand stehen und mit der Nase ein Blatt Papier gegen die Wand halten. Wehe, es fiel zu Boden und der Posten bemerkte es, dann gab es Kinnhaken und Ohrfeigen. Eines Tages wurde die ehemalige städtische Polizei eingeliefert, diese wurde selbstverständlich auch wie die anderen Folterkandidaten jeden dritten Tag geschlagen. Einer der ehem. Polizeimänner, ein ziemlich großer starker Mann, griff nach dem ersten Hieb, den er erhielt, nach dem Hals eines der Posten. Der in der Nähe stehende andere Posten schoß ihn sofort nieder. Es wurde für einige Tage die Folterei eingestellt. Oben in der Traverse wurde ein Klobenrad eingebaut, über welches ein Strick gezogen wurde. An einem Ende wurde eine Schlinge gemacht, durch welche die armen Menschen ihre Hände stecken mußten, um sie dann fest zuzuziehen und das andere Ende wurde, nachdem der Mann hochgezogen war, an einer Säule festgebunden, um zu erreichen, daß der Geschlagene nicht auf die Posten losgehen kann. Oft blieben die Armen hängen oder man ließ sie am Boden liegen. Diejenigen, welche zwei oder gar schon dreimal geschlagen waren, hatten eiternde Wunden. Der Eiter lief durch Hemd und Jacke. Die Rücken der armen Menschen waren mit Fliegen übersät und stanken fürchterlich. Man gab sie zwar separat in einen kleinen Raum, die sogenannte "Marodka", aber von Heilen war keine Spur. Waren es cirka 8 oder 10 Personen, die auf dieser "Marodka" lagen, dann mußten sich die Geschlagenen, also die sich kaum bewegen konnten, ein 2 Meter tiefes Loch von 60 cm Breite graben. Abends als das Loch fertig war, wurden sie hingestellt und der erste mußte sich in das ausgehobene Loch (Grab) legen, erst wenn er darin lag, wurde auf ihn von oben geschossen. Auf diesen Toten legte sich der Zweite, der ebenfalls von oben erschossen wurde und so ging es fort, bis das Grab voll war. Einmal war noch für einen Platz, da holte man eben eine Frau von 67 Jahren, welcher die Haare abgeschnitten wurden. Sie wurde geschlagen, weil sie nicht sagte, wo sich ihr Sohn aufhielt und sie mußte sich auf die bereits Erschossenen legen, um auch so wie die anderen erschossen zu werden.

Ich finde keine Worte, um zu schildern, wie Leute aussahen, die zweimal geschlagen wurden. Ich sah einen Angehörigen der Waffen-SS, welcher bereits zweimal geschlagen worden war. Abgesehen vom Körper, der ganz zerschlagen war, war sein Geschlechtsteil im Durchmesser ca. 8-9 cm dick angeschwollen, vollständig mit Blut unterlaufen und die Hoden begannen zu eitern; bis zum After war alles voll mit Eiter, er stank fürchterlich. Und dies alles nur, weil er ein Deutscher war und Angehöriger der SS. Tagtäglich kamen mehr und mehr dazu. Die "Stráz bezpecnosti" brachte die Leute von draußen schon halb tot ins Lager. Einmal brachten sie einen schwerverwundeten Letten, welcher zur Genesung im Lazarett gelegen hatte, in der Krankentragbahre mit Hemd und Unterhose bekleidet. Er konnte schlecht deutsch. Da ich ihn ausfragen mußte, sagte er mir, daß er bedaure, nicht gewußt zu haben, was die SS bedeute, er hatte sich zum Mitkämpfen gemeldet und war zur SS gekommen, ohne es gewußt zu haben. Dieser arme Mensch wurde am selben Abend noch erschossen. Später kamen auch Offiziere der tschechischen Wehrmacht und suchten sich Opfer im Lager. Es wurde ein alter, ehemaliger pensionierter deutscher Oberst gefunden, der vom Jahre 1918 bis 1924 im tschechischen Militär Dienst tat und von dort aus pensioniert wurde; dieser wurde buchstäblich zu Tode geprügelt. Fotograf Schuster von Komotau und der Klavierbauer Lutz wurden auch im Lager erschlagen. Weiters der städtische Geometer, er hatte einen polnisch klingenden Namen. Einmal kam auch eine Anzahl tschechischer Offiziere und beanstandete den Lagerkommandanten, daß er die ehem. städtische Polizei noch lebend im Lager habe und sagte: "Räumt sie doch weg, das Gesindel!" Er sagte es tschechisch, aber ich habe es verstanden. Ich war auch eine zeitlang in der Küche. Am Küchenzettel war nichts als Sojaschrotsuppe ohne Salz und abends, wie schon erwähnt, Kaffee und Brot, aber im Magazin schimmelte die Butter, Margarine, Nudeln, Graupen und andere Lebensmittel. Jeder Posten, auch der Kommandant, fuhr mit vollen Koffern in gestohlenen Autos nach Hause und nahm Lebensmittel, Kleider, Wäsche und andere Sachen mit. Die Angehörigen der Lagerinsassen brachten Wäsche für die Väter und Söhne, auch Brot oder Eßwaren. Der Posten am Tor übernahm die Sachen, diese wurden ins Wachzimmer gebracht, untersucht und wenn gute Wäsche dabei war, teilten sie die Posten untereinander auf, die Eßwaren ließ man vertrocknen oder von den Posten verzehren. Erst ganz zum Schluß bekamen die Frauen abends ihr Brot geschmiert mit Margarine und in die Suppe kam Salz, noch später ließ sich der Kommandant dazu erweichen, in der Suppe einmal in der Woche Pferdefleisch mitzukochen. So ging es, bis wir in das gewesene Ciprianer-Lager nach Oberdorf übersiedelten. In diesem Lager mußte ich mich einer Operation unterziehen und durfte dann dort bleiben. Nachdem ich geheilt war, reifte in mir der Plan zur Flucht, den ich auch durchsetzte.

Und so etwas hat die zivilisierte Welt, noch dazu die demokratische, unterzeichnet, bewußt totgeschwiegen und uns im Rundfunk als "Befreiung" prophezeit.


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