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Teil I - Völkerbundssatzung

Artikel 22

      Auf die Kolonien und Gebiete, die infolge des Krieges aufgehört haben, unter der Souveränität der Staaten zu stehen, die sie vorher beherrschten, und die von solchen Völkern bewohnt sind, noch nicht imstande sind, sich unter den besonders schwierigen Bedingungen der heutigen Welt selbst zu leiten, finden die nachstehenden Grundsätze Anwendung: Das Wohlergehen und die Entwicklung dieser Völker bilden eine heilige Aufgabe der Zivilisation, und es ist geboten, in die gegenwärtige Satzung Bürgschaften für die Erfüllung dieser Aufgabe aufzunehmen.
      Der beste Weg, diesem Grundsatz durch die Tat zu verwirklichen, ist die Übertragung der Vormundschaft über diese Völker an die fortgeschrittenen Nationen, die auf Grund ihrer Hilfsmittel, ihrer Erfahrungen oder ihrer geographischen Lage am besten imstande sind, eine solche Verantwortung auf sich zu nehmen, und die hierzu bereit sind; sie hätten die Vormundschaft als Mandatare des Bundes in seinem Namen zu führen.
      Die Art des Mandats muß nach der Entwicklungsstufe des Volkes, nach der geographischen Lage des Gebiets, nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und allen sonstigen Umständen dieser verschieden sein.
      Gewisse Gemeinwesen, ehemals zum Türkischen Reiche gehörten, haben eine solche Entwicklungsstufe erreicht, daß sie in ihren Dasein als unabhängige Nationen vorläufig anerkannt werden können, unter der Bedingung, daß die Ratschläge und die Unterstützung eines Mandatars ihre Verwaltung bis zu dem Zeitpunkt leiten, wo sie imstande sein werden, sich selbst zu leiten. Bei der Wahl des Mandatars sind in erster Linie die Wünsche jener Gemeinwesen zu berücksichtigen.
      Die Entwicklungsstufe, auf der sich andere Völker, insbesondere die mittelafrikanischen befinden, erfordert, daß der Mandatar dort die Verwaltung des Gebiets übernimmt. Doch ist dies an Bedingungen geknüpft. Außer der Abstellung von Mißbräuchen, wie Sklaven-, Waffen- und Alkoholhandel, muß Gewissens- und Religionsfreiheit, lediglich mit den Einschränkungen, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten erfordert, gewährleistet sein. Verbürgt muß weiter sein das Verbot der Errichtung von Belästigungen oder von Heeres- oder Flottenstützpunkten, sowie das Verbot militärischer Ausbildung der Eingeborenen, soweit sie nicht lediglich polizeilichen oder Landesverteidigungszwecken dient. Dem Güteraustausch und Handel anderer Bundesmitglieder muß ferner die gleiche Möglichkeit der Betätigung gesichert sein.
      Endlich gibt es Gebiete wie Südwestafrika und gewisse Inseln des australischen Stillen Ozeans, die infolge ihrer schwachen Bevölkerungsdichte und geringen Ausdehnung, ihrer Entfernung von den Mittelpunkten der Zivilisation, ihrer geographischen Nachbarschaft zum Gebiet des Mandatars oder infolge anderer Umstände wohl nicht besser verwaltet werden können, als nach den Gesetzen des Mandatars und als integrierender Bestandteil seines Gebiets, unter Vorbehalt der Bürgschaften, die vorstehend dem Interesse der eingeborenen Bevölkerung vorgesehen sind.
      In allen Fällen hat der Mandatar dem Rate jährlich einen Bericht über die seiner Fürsorge anvertrauten Gebiete vorzulegen.
      Ist der Grad von behördlicher Machtbefugnis, Überwachung und Verwaltung, den der Mandatar ausüben soll, nicht bereits Gegenstand eines vorgängigen Übereinkommens zwischen den Bundmitgliedern, so trifft der Rat hierüber ausdrückliche Entscheidung.
      Ein ständiger Ausschuß wird beauftragt, Jahresberichte der Mandatare entgegenzunehmen und zu prüfen und dem Rate über alle die Ausführung der Mandatsverpflichtungen angehenden Fragen sein Gutachten zu erstatten.