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Auf den Straßen des Todes. Leidensweg der 
Volksdeutschen in Polen.
[114]
Durch Polens Gefängnisse getrieben
Rudolf Wilsch, Tarnowitz

Kurz bevor der Krieg ausbrach, wurde ich von den Polen verhaftet. Man warf mir irredentistische Arbeit, Seelenkauf des Oberschlesiers, Aufputschung der großen Masse gegen den polnischen Staat vor. Man fesselte mich und transportierte mich in den berüchtigten Bunker im Keller der Polizeidienststelle. Kriminalkommissar Kraminski, zwei Polizisten mit noch einem Kriminalbeamten schlugen dann auf mich ein: "Rede oder wir schlagen dich tot, du Hitlerschwein!" Nierengegend und Magen hatte man mir in kurzer Zeit wund geschlagen.

"Deine letzte Stunde ist nun gekommen. Hitler wird dir nun auch nicht helfen können."

Als ich alle Fragen, die an mich gestellt wurden, mit einem entschiedenen Nein beantwortete, wurde mir befohlen, mich auszuziehen. Als ich dies mit Sträuben getan hatte, wurde ich von den Beamten in unmenschlicher Art und Weise bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen. Fußtritte, Polizeiknüppel, alles Mögliche wurde benutzt, um mich etwas [zu gestehen] zu zwingen, was ich nie getan habe. Waffenschmuggel, Sprengungen, Verteilung der Waffen, Vorbereitungen zum bewaffneten Aufstand wurden mir vorgeworfen. Auch andere Deutsche wurden im Polizeigefängnis unter schweren Verdächtigungen festgehalten. Männer, die treu zu ihrem Deutschtum standen, deutsche Männer, die sechzig Jahre alt waren, wurden unmenschlich zugerichtet. Als ich z.B. dem Pg. Groll eines Tages beim Waschen begegnete, sah ich, daß an diesem abgehärmten alten Mann fast nur blutbedeckte Stellen waren. Ich wußte nun, daß es hier kein Erbarmen gab, daß man uns hier für den Galgen reif machen wollte. Lächerliche Protokolle waren das Ergebnis, weil wir alle nichts zu sagen hatten, als daß wir unschuldig [115] seien. Zehn Tage lang hat man uns in diesem Polizeigefängnis gehalten. Junge Kriminalbeamte wollten sich die Sporen verdienen, schlugen auf unschuldige Menschen ein. Unter Beschimpfungen und niederträchtigen Beleidigungen gegen unseren Führer Adolf Hitler wurden wir entkleidet, uns die Haare abgeschnitten und in Zellen zu 5 Mann verteilt. Nach zwei Tagen Haft in Kattowitz wurde ein großer Transport ausschließlich deutscher Männer zusammengestellt. Gekettet ging es unter Gelächter, Verhöhnungen seitens der Polizeibeamten zum Bahnhof. Kein Mensch wußte, wohin wir nun gebracht werden sollen. Die Polizeibeamten benahmen sich dabei wie die Mongolen. Die Endstation Wadowitz war ein Sammellager des polnischen Heeres. Die Polizeibeamten hatten dort erzählt, die ersten Hitlerschweine wären angekommen, die Bevölkerung und vor allen Dingen die Judenweiber bewarfen uns mit Steinen. Als dies zu bunt wurde, sorgten die Polizeibeamten dafür, daß wir das Gefängnis, das am Ende der Stadt lag, erreichten. In Wadowitz selbst hatte man ungefähr 180 Deutsche aus Ostoberschlesien zusammengetrieben. Eines Tages, es war um die Mittagsstunde, wurde die Tür der Zelle aufgemacht, mein Name wurde gerufen. Man teilte mir mit, ich möchte mich fertig machen, und bemerkte dazu höhnisch: "Du wirst der erste sein, den wir zu Hitler schicken." Fünf Minuten später holte man mich aus der Zelle und gab mir Befehl, mich mit dem Gesicht zur Wand zu stellen. Dem Aufseher war meine Haltung nicht vorschriftsmäßig, denn er schlug mir von hinten den Schlüsselbund unter wüsten Drohungen in den Nacken. In dieser Stellung verbrachte ich ungefähr eine halbe Stunde. Dann wurde ich in das Büro des Gefängnisdirektors, das im Parterre lag, geführt. Im Büro befanden sich der Gefängnisdirektor, der Oberaufseher, zwei Zivilpersonen und zwei Polizeibeamte. Die erste Frage, die man an mich richtete: Sind Sie Kreisleiter von Myslowitz gewesen? Ich antwortete [116] kurz Ja. Schon schlug mir der Zivilist mit der Faust ins Gesicht und sagte zu den Anwesenden, ich wäre der größte Bandit, den das Deutschtum hätte. Unter wüsten Beschimpfungen wurde ich mit meinem Freund Firoch zusammengekettet, in ein Auto verladen und Richtung Bielitz abtransportiert. Ich wurde nun nach Kattowitz in das Polizeipräsidium, Kriminalabteilung, eingeliefert. Hier wurde ich einem neuen Verhör unterzogen, dort wurde mir erklärt, Wiesner und Joschke, die zwei Oberschweine seien bereits erschossen, heute kämen ich und Firoch dran. Weiterhin machte man mir klar, daß in Laurahütte, in meiner Ortschaft, in der ich Ortsgruppenleiter der JDP. gewesen bin, eine Menge Pistolen gefunden worden sind, die ich dort versteckt haben sollte.

Nach einem zweistündigen Verhör, bei dem ich nur den Wunsch hatte, schießt mich tot, dann hat alles ein Ende, wurde ich wiederum gefesselt, abgeführt, in ein Auto gesetzt und nach Laurahütte transportiert. In Laurahütte wurde ich hinunter in den Bunker geschleppt, wo sich die Kriminalpolizei an mir austobte.

Nachts wurde ich in das Bogutschützer Gefängnis, das sich dort im Rathaus befindet, eingeliefert. Meine Zelle war das Spiegelbild der polnischen Unsauberkeit. Hunderte von Wanzen und anderes Ungeziefer bewegten sich auf der Pritsche, an den Wänden und an der Decke. Eine qualvolle Nacht. Man konnte sich dieses Ungeziefers nicht erwehren. In dieser Zelle wurde ich bis 5 Uhr nachmittags festgehalten ohne etwas zu essen zu bekommen. Alle Zellen waren von deutschen Männern und Frauen überfüllt. Ich traf in der Zelle den bekannten Fleischermeister Duda, der sehr zerschlagen war. Das Hemd war verblutet, einen angesehenen Bürger hatte man genau so mißhandelt wie deutsche Arbeiter. Von Kattowitz wurde ich nach Wadowitz zurückgebracht. Der Obergefängnisaufseher empfing mich mit den Worten: "Du Hitlerschwein lebst noch?" Firoch, den man [117] fürchterlich zerschlagen hatte, war anwesend. Man befahl uns, uns auszuziehen, trotzdem wir in Gefängniskleidung waren, wurden wir einer Leibesuntersuchung unterzogen. Alle Aufseher wurden nun zusammengerufen. Man erklärte ihnen, diese Gefängnisse hätten keine größeren Banditen beherbergt als uns. Wir zwei wären der Auswurf der Menschheit und wären auch dementsprechend zu behandeln. Der alte Oberaufseher schlug mich darauf mit dem Schlüsselbund ins Gesicht, daß ich aus Mund und Nase blutete. Mit Fußtritten wurden wir in unsere Zellen zurückgebracht und warteten nur noch auf die Abführung in die dunklen Zellen im Keller des Gefängnisses. Dazu hatten die Herren keine Zeit mehr. In der Nacht gab es ein Hin und Her, Namen wurden gerufen, Kleidungsstücke verteilt. Wir hörten, daß alle Verbrecher, angefangen vom Raubmörder bis zum letzten, die Polen waren, freigelassen wurden, um gegen Deutschland zu kämpfen. Am anderen Tage hörten wir das Motorengebrumm einer Fliegerstaffel, die über Wadowitz erschienen war und militärische Einrichtungen bombardierte. Wir wußten, daß der Krieg ausgebrochen war. Jetzt wurde in Eile alles zusammengepackt. Die Bevölkerung mit Frauen und Kindern, der Gefängnisdirektor mit seinen Aufsehern, alles machte sich bereit zur Flucht. Als diese Henkersknechte ihre Sachen gepackt hatten, wurden alle Gefangenen, es waren nur noch Deutsche anwesend, aufgerufen, zusammengestellt und die Kolonne setzte sich unter starker Bewachung in Bewegung. Dann begann der Marsch ins Innere Polens, der für uns alle ein Kreuzesweg werden sollte. Über 80 Kilometer wurden wir an diesem Tage getrieben. In der Nacht gegen den 12. September hatten wir eine Stadt erreicht. Keiner von uns konnte weiter. Die Füße waren wund gelaufen, große Blasen an den Fußsohlen machten jeden Schritt zur Qual. Ein großer Teil verlor vor Schmerzen die Besinnung. So lagen wir zusammengebrochen und willenlos auf der Straße. Durch Schläge mit den Ge- [118] wehrkolben war es erst möglich, uns wieder in Gang zu bringen.

Der Weg, den wir getrieben wurden, war nicht festgesetzt. Planlos ging es nach Osten, dann wieder nach Norden, oder Süden. Das nächste Gefängnis, das wir erreichten, war Tarnów. In Tarnów bekamen wir seit langer Zeit wieder etwas Warmes zu essen. Wir wurden 32 Mann in eine Zelle gesperrt. Tarnów selbst war das Ziel der deutschen Bomber, auch hier hatte sich ein Teil der polnischen Armee festgesetzt. Auf dem Gefängnisdach waren mehrere Maschinengewehre aufgestellt. Als die Fliegerangriffe einsetzten, eröffnete die Bedienung das Feuer auf die deutschen Bomber. Die Bomber flogen sehr tief. Für uns selbst war es ein unheimliches Gefühl, über uns die Bomber und die Abwehr zu wissen.

Gleich darauf wurden die ersten Bomben gelegt. Tarnów, das auch eine Frauenabteilung im Gefängnis hatte, in der deutsche Frauen und Mädchen eingesperrt waren, war der Schauplatz furchtbarer Szenen. Die Frauen fingen an zu weinen und zu schreien. Wir Männer waren vielleicht gleichgültig, hatten wir doch schon alles Mögliche erlebt. Die Gefängnisaufseher wüteten furchtbar unter den Gefangenen. Man hörte immer wieder Hilferufe und markerschütternde Schreie der Mißhandelten: "Laßt uns raus!" Bomben, Maschinengewehre und die Knüppel der Gefangenenaufseher begleiteten dieses furchtbare Schauspiel.

Wir wurden auf bereitstehende Panjewagen zu 15 Mann auf einen Wagen verladen und zogen einem uns unbekannten Ziel entgegen. An den Wegweisern merkten wir, daß es nach Sandomierz ging. Vor Sandomierz wurde wieder kehrt: gemacht. Wir kamen in das Gefängnis nach Janow. Die Stadt war verlassen, das Gefängnis war leer. Auch diese Gefangenen hatte man entlassen. Wir hatten bereits drei Tage nichts gegessen.

Jetzt legten wir den größten Teil zu Fuß zurück. Unsere [119] Schuhe, die zerrissen waren, konnten nicht mehr getragen werden. Tagelang ging es durch die polnischen Sandwüsten. Der polnische Kulturstaat, wie er sich immer nannte, war nur ein Propagandamittel für die öffentliche Weltmeinung. Meterhoher Dreck, Löcher auf den sogenannten Straßen, verfallene Lehmhütten, zerrissen und zerlumpt die Bevölkerung, das war das, was wir tagtäglich zu sehen bekamen. Unser nächstes Ziel war das Gefängnis in Zamosz, aber auch das Ziel der deutschen Bomber. Kaum, daß wir im Gefängnis waren, kamen die Bomber herangebraust. Wir versuchten uns bemerkbar zu machen, was zur Folge hatte, daß der Gefangenenaufseher gegen uns mit der Waffe vorging. Mit den Schreien: "Hurenjungens, Hitlerschweine, weg vom Fenster, in die Ecken rein!" jagten sie uns vom Fenster weg, so daß wir nicht mehr sehen konnten, wohin die deutschen Bomber flogen. Am Abend wurden wir wieder herausgeholt, im Laufschritt mußten wir zum Bahnhof. Ein großer Teil konnte vor Schwäche nicht mehr weiter. Hier wurden wir verladen. Drei offene Waggons standen bereit und nun ging es in der Nacht nach Wlodzimierz. Hier begann auch für uns die schwerste Zeit. Paarmal kamen die Bomber, weil sich mehrere Flakgeschütze, die auf Eisenbahnwagen aufgebaut waren, und Soldaten bei uns befänden, um diesen Zug zu bombardieren. Von Wlodzimierz ging es dann weiter nach Luck, eine Fahrt, die zwei Tage dauerte. Die Bahnlinien waren das Ziel der deutschen Bomber. Von Luck ging es nach Kiwerce. Wir waren ausgehungert, schwach, schwerkrank ein großer Teil von uns, es gab kein Trinkwasser. Ich selbst war durch die Behandlung der polnischen Polizei innerlich vollkommen zerschlagen. Die Blutungen, die ich durch die Fußtritte in den Unterleib und die schweren Mißhandlungen am Rücken und in der Nierengegend [erlitten hatte,] waren nach außenhin nicht mehr zu sehen, innerlich dagegen war ich schwer verletzt. An diesem Ort faßten wir alle wieder frischen Mut, weil wir merkten, daß die Fahrt [120] nicht mehr nach dem Osten ging, sondern auf Lemberg zu. Wieder nach Luck zurückgekehrt, machten wir dieselbe Feststellung, der Flugplatz, der nahe beim Bahnhof liegt, war vollkommen zertrümmert. Dann kam ein Befehl, wir müssen nach Lemberg getrieben werden. Die polnischen Studenten in Lemberg erwarten uns. Auf der kleinen Bahnstation Zapytów, die 17 Kilometer nördlich von Lemberg liegt, wurde dreimal der Versuch unternommen, den Zug nach Lemberg zu bringen. Die Stadt Lemberg lag unter schwerem Artilleriefeuer, und so war es nicht möglich uns dahin zu bringen. Wir standen da die ganze Nacht. Morgens gegen 10 Uhr kam der Befehl, jeder erhält seine Zivilsachen, wir sollten in den nächsten Wald transportiert und dort sofort erschossen werden. Während noch die Sachen an uns verteilt wurden, schrie plötzlich ein Kamerad von uns, ich habe einen deutschen Soldaten gesehen. Was dann geschehen ist, kann kein Mensch zu Papier bringen. Das erstemal erklang das Deutschlandlied und das Horst Wessellied auf diesem Bahnhof. 180 Männer und 18 Frauen, die vier Wochen unter schwerstem Terror durch den polnischen Staat getrieben wurden, rafften noch einmal ihre Kraft zusammen, überaus glücklich, einem Schicksal entronnen zu sein, das so überaus viel Deutschen das Leben kostete. Die Heimfahrt war eine Fahrt ins Glück. Zu Hause glaubte kein Mensch mehr, daß wir noch unter den Lebenden seien. Wir alle aber hatten nur einen Gedanken: Führer, wir danken dir! Deutschland wir danken deinen Söhnen, den tapferen Soldaten, die uns befreit haben.




  [121]

Amtliche Protokolle

Staatspolizeileitstelle
Geheime Staatspolizei
Königsberg Nr. 3
Königsberg/Pr., d. 2. 11. 39

Freiwillig erscheint der Weber Alfred Lassy, 18. 3. 1917 Blöcken, Kreis Labiau geb., seit Juli 1939 Königsberg/Pr., Salzwiese 1, v. 4 Treppen b/Witke wohnhaft, polnischer Staatsangehöriger und erstattet folgende Anzeige:

[...]

An einem Tage im Monat April oder Mai 1939, kam mein Bruder Arthur zu mir und erzählte mir, daß in dem Dorfe Tomaszow viele Volksdeutsche massakriert worden wären. Zusammen mit meinem Bruder fuhr ich per Rad nach Tomaszow. Wir sprachen nur polnisch und kamen auf diese Weise in die Häuser hinein. Im ersten Haus sah ich, daß eine Frau und ein etwa zwölfjähriges Mädchen vor dem Tisch knieten. Die Hände und die Zungen waren auf der Tischplatte festgenagelt. In allen Stuben waren die Möbel und Geräte zerschlagen, die Federbetten aufgeschlitzt und die Federn verstreut. Den Namen der Frau und des Mädchens kann ich nicht angeben. Sie lebten noch, doch durfte ihnen niemand helfen. Wann sie nun gestorben sind und ob und wo sie beerdigt wurden, weiß ich nicht.

In einem anderen Hause sah ich eine Frau am Boden liegen, der der Kopf abgeschlagen war. Auch hier waren sämtliche Möbel und Geräte zerschlagen.

In einem dritten Hause lagen fünf Leichen, und zwar waren es 3 Frauen und 2 Mädchen. Sie hatten am Hals und im Genick Stichwunden. Auch hier war alles Inventar zerstört.

[122] Auch habe ich noch in anderen Häusern gesehen, daß sämtliches Hausgerät zerstört war. Die Wohnungsinhaber waren vorher geflüchtet.

[...]

v. g. u.
Alfred Lassy
g. w. o.
Helsper
Krim.-Oberass.




z. Zt. Mohrungen, den 26. 9. 1939
NSDAP.
Ortsgruppe Mohrungen

Ich heiße Georg Herold, bin von Beruf Landwirt, 60 Jahre alt und stamme aus Zachersberg, Kreis Kolmar.

Am 2. 9. 1933 bekamen viele Landwirte von Zachersberg den Befehl, mit Fuhrwerken in Kolmar zu erscheinen, um Akten der Starostei nach Warschau zu überführen. Auch ich mußte mit einem Fuhrwerk erscheinen. Unter Leitung des Vizestarosten Stanek wurden die Akten verladen und unter seiner Leitung wurden die Fuhrwerke in Marsch gesetzt. Die Fuhrwerksgesteller waren alles Volksdeutsche. Kurz vor Warschau erschienen deutsche Flieger und bombardierten uns. Alles stürzte auseinander. Als wir uns wieder gesammelt hatten, fuhren wir weiter in Richtung Grochowo. Ich mußte neben dem Fuhrwerk zu Fuß gehen und Stanek saß auf dem Wagen. Da ich zusammenzubrechen drohte, hatte er mir einen Stoß versetzt. Später durfte ich mich auf den Wagen setzen und Stanek führte das Gefährt. Mir wurde eine Decke über den Kopf geworfen, so daß ich nichts sehen konnte. Nun klopfte mir Stanek auf die Schulter und sagte "Jetzt fahren wir zum Hitler".

Kurz hinter Grochow hob ich die Decke etwas an und sah ein scheußliches Bild. Auf einem freien Feld war die volksdeutsche Bevölkerung, etwa 200 Menschen, darunter Frauen, Kinder jeden Alters zusammengetrieben. In diese [123] Volksdeutschen sind polnische Kavalleriesoldaten einfach hineingeritten und trieben die Volksdeutschen weiter. Mit ihren Säbeln haben sie wahllos in die Menge hineingehauen. Wir kamen nun an eine Stelle, an dem ein Gestell, ich möchte es als Mordgestell bezeichnen, aufgestellt war. Es handelt sich um kastenförmige Unterbauten, in die die Menschen hineingelegt wurden. Darauf wurden lange Kanthölzer über den Hals und über die Füße gelegt. Dann fuhren schwere Lastfuhrwerke mit 3 Pferden über die Volksdeutschen herüber. Dadurch sind die Volksdeutschen wahrscheinlich alle erwürgt worden. Ich hörte entsetzliche Schreie von Männern, Frauen und Kindern. Dieser Vorgang hat sich mindestens eine Stunde lang wiederholt und ich kann es nicht abschätzen, wieviele Menschen durch dieses Mordgestell gequält und erwürgt worden sind. Ich habe auch gesehen, daß verschiedene Brandstellen vorhanden waren und daß es fürchterlich nach verkohlten Leichen gerochen hat. Ich nehme an, daß die Polen die Leichen der Volksdeutschen verbrannt haben. Von den vielen volksdeutschen Männern, Frauen und Kindern ist, soweit ich dieses beurteilen kann, keiner entkommen. Während dieser ganzen Vorfälle habe ich, wie schon gesagt, auf dem Wagen gesessen und mußte mir die schrecklichen Folterqualen mit ansehen. Warum ich nicht auf diese Weise umgebracht worden bin, kann ich nur als eine Fügung Gottes ansehen. Ich hörte wie Stanek zu einem anderen sagte, daß man mich in die Stadt mitnehmen wird und ich solle dann totgeschlagen werden. Als ich dieses hörte, sprang ich vom Wagen und kroch auf Knie und Ellbogen in ein Kartoffelfeld. Ich habe gehört und bemerkt, wie man mich suchte, aber sie haben mich nicht gefunden.

[...]

V. g. u.
gez.: Georg Herold
geschlossen:
Ortsgruppenleiter u. Bürgermeister.



[124]
z. Zt. Mohrungen, den 26. 9. 1939
NSDAP.
Ortsgruppe Mohrungen

Ich heiße Albert Jeske, bin Bauer von Beruf, 53 Jahre alt und stamme aus Sladow, Post Brochow, Kreis Sochaszew, Woij Warschau.

[...]

Als wir über Warschau hinweg in der Nähe von Lublin waren, wurden deutsche Soldaten gesehen. Als es Nacht wurde, sind viele von unserem Transport geflohen. Ich wollte dieses auch tun, kam aber nicht weit, sondern blieb mit zwei anderen Volksdeutschen in einem Erdloch liegen. Am nächsten Tag früh kamen die Polen und fanden uns in diesem Erdloch. Diese Polen forderten uns auf herauszukommen. Der erste, der aus dem Erdloch herausstieg wurde gefragt, was er sei. Als er sagte, ich bin Evangelischer, wurde er sofort von den Polen erschossen. Darauf wurde ich herausgerufen. Auf die Frage, was ich sei, sagte ich, ich bin Polack. Ich durfte auf die andere Seite gehen. Der dritte, der aus dem Erdloch herauskam, wurde, als er auf die Frage, was er sei, antwortete, ich bin Evangelischer, ebenfalls sofort erschossen. Dann mußte ich dem Polen meine Papiere geben. Nachdem er die Papiere geprüft hatte, sagte er, ich bin auch ein Schwabe und wollte mich erschießen. Ein anderer hinderte ihn daran mit dem Bemerken, daß wohl noch ein Befehl kommen würde und daß ich doch ein alter Mann sei. Nun mußte ich zur Chaussee gehen, hier standen 30 Volksdeutsche. Mit erhobenen Händen mußten wir weitermarschieren. Nach kurzer Zeit blieben wir stehen und mußten uns in einer Linie aufstellen. Es kam ein Offizier, der den Befehl gab, uns alle totzuschießen. Darauf eröffneten die polnischen Soldaten das Feuer auf uns. Worauf in kurzen Augenblicken alles am Boden lag. Ich selbst erhielt einen Streifschuß an die rechte Wange und warf mich darauf zu Boden. Ich hörte noch, [125] wie die Soldaten dem polnischen Major über ihre Tat Meldung machten und der Major sie lobte. Er befahl weiter noch nachzusehen, ob jemand lebe. Die noch Lebenden sollten mit dem Bajonett erstochen werden. Dazu hatten die Polen aber keine Zeit mehr, sondern schossen noch einige Salven auf die liegenden Volksdeutschen und liefen dann fort. Einige Zeit später bin ich in das angrenzende Kartoffelfeld gegangen und habe mich dort versteckt. Am nächsten Morgen hörte ich deutsch sprechen und erkannte deutsche Soldaten. Von diesen Soldaten bin ich dann mitgenommen worden und wurde zum erstenmal seit meiner Verhaftung verpflegt.

v. g. u.
gez.: Albert Jeske.

Die Verhandlung mußte mehrmals unterbrochen werden, weil Jeske beim Erzählen der Vorgänge tief erschüttert war und in Weinen ausbrach.

Geschlossen:
gez.: Gehrmann,
Ortsgruppenleiter
und Bürgermeister.




z. Zt. Mohrungen, den 27. 9. 1939
NSDAP.
Ortsgruppe Mohrungen

Freitag, den 1. 9. 1939, 14 Uhr nachmittags erschienen in meiner Wohnung 3 polnische Polizeibeamte, die äußerst genau sämtliche Räume nach Waffen untersuchten. Bei einem Gange durch das Dorf wurde ich von jungen Leuten nochmal nach Waffen untersucht. Gegen 19 Uhr erschienen Leute der Ortsfeuerwehr, die mich zur Polizeiwache nach Siweroszewieze brachten, wo ich mit Handfesseln versehen in eine Zelle gesperrt wurde. Gegen 22 Uhr wurde ich entfesselt, auf einen Bretterwagen geladen, wo auch [126] der Volksdeutsche Koschik gefesselt untergebracht wurde. Wir wurden nach Kalisz gebracht. Unterwegs stieß stark gefesselt Wiesner aus dem Nachbardorf zu uns, der unterwegs mindestens 50 Schläge mit dem Gummiknüppel erhielt. Auf ein polnisches Kommando mußten wir den Wagen verlassen, dessen Fuhrmann gezwungen wurde, scharfen Trab zu fahren. Ohne anhalten zu dürfen, mußten wir hinter dem Gefährt herlaufen, ich selbst in der Mitte, die beiden Gefesselten rechts und links von mir. Hierbei erhielt ich 10 Schläge zwischen die Schulterblätter und einen über den Kopf. Wiesner, der an einer langen Kette geführt wurde, wurde fürchterlich geschlagen. Sein fürchterliches, gräßliches Aufschreien werde ich nie vergessen. Vor Kalisz erschien ein polnischer Leutnant, der kurzerhand das Urteil fällt: "An die Wand!" In der Nacht von Sonnabend zu Sonntag kamen wir in Lodz an. Ein jeder wurde die Treppe hinaufgeprügelt. Da in meinem Personalausweis "Diakon" angegeben war, wurde ich in deutscher Sprache mit "Hl. Vater" betituliert und wurden mir 5 Schläge versprochen. Da in meinem Brillenfutteral eine deutsche Firma ihren Firmenstempel hatte, in meinem Notizbuch Worte des Führers gefunden wurden, bekam ich 15 Schläge angedroht, die ich außer 2 Kolbenschlägen über den Kopf auch erhielt. Da ich der drittletzte war, der die Treppe passieren mußte und auch in der Nähe der Eingangstür stand, habe ich gesehen, wie viele meiner Leidensgefährten auch von weiblicher Polizei geschlagen wurden. Die Schreie der vor mir Geschlagenen bis fast zu Ende mitanzuhören war gräßlich. Durch die Nierenschläge konnte ich 3 Tage nicht Wasser lassen, am 4. Tage nur dickes Blut.

gez.: Rogner.




  [127]

Schlußwort

Angesichts dieser Berichte fragen wir uns alle: Wie war so etwas in Europa nur möglich? Wo blieb hier menschliche Vernunft und Menschenwürde? Wo blieb das von England gepachtete Weltgewissen, als man Tausende zu Tode quälte? Wir Deutschen haben nach Versailles lernen müssen, was es bedeutet, auf Gnade und Barmherzigkeit ausgeliefert zu sein. Wir haben am Rhein und Ruhr erfahren, was es heißt, wehrlos geschlagen und gemartert zu werden. Wir wissen, daß ein ganzes Volk den Marsch auf den Straßen des Todes antreten sollte.

Ehe nun das wiedererstarkte Reich seine schützende Hand über die Volksdeutschen in Polen ausbreiten und die siegreiche Wehrmacht rettend eingreifen konnte, mußten diese Vorposten des Deutschtums noch einmal die satanische Wut des verhetzten polnischen Mördervolkes über sich ergehen lassen. Wir kennen die geistigen Urheber dieser ewigen Deutschen-Verfolgungen. Wir wissen, daß hinter dieser Kette von Nachstellungen, Haß, Verleumdung und Krieg der alte Widersacher des Deutschtums und des Reiches steht. Es ist derselbe, der uns auch heute den Vernichtungskampf angesagt hat. Das Schicksal der Volksdeutschen in Polen, von dem unser Buch berichtet, war letzte Mahnung: Wehe den Wehrlosen! Diesmal aber ist der Sieg unser, und unser ist die Vergeltung.



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Auf den Straßen des Todes
Leidensweg der Volksdeutschen in Polen